Sechste Scene.
Verwandelt sich in eine einöde Gegend in Böhmen nahe
an der See.*
Antigonus tritt mit einem Kind auf dem Arm und einem Schiffer auf.
Antigonus.
Du bist also gewiß, daß unser Schiff an die Wüsten
von Böhmen angeländet hat?
Schiffer.
Ja, Gnädiger Herr, und ich besorge nur daß es zur Unzeit
geschehen ist. Der Himmel sieht fürchterlich aus und droht
mit einem gegenwärtigen Sturm. Auf mein Gewissen, die Götter
sind über das was wir in Handen haben erzörnt, und geben's
uns zu erkennen.
Antigonus.
Ihr heiliger Wille geschehe! Geh du an Bord zurük; sorge
für deine Barke, ich will dir bald wieder ruffen.
Schiffer.
Eilet was ihr könnet, und waget euch nicht zu weit in das
Land hinein; wir werden, allem Ansehen nach, ein heftiges Ungewitter
bekommen - - Und zudem ist diese Gegend wegen der wilden Thiere
berüchtiget, die sich hier aufhalten.
Antigonus.
Geh du nur; ich will dir auf dem Fusse folgen.
Schiffer (vor sich.)
Ich bin von Herzen froh, daß ich dieser Bürde los
werde.
(Er geht ab.)
Antigonus.
Komm, armes Geschöpf; ich habe gehört, obgleich nie
geglaubt, daß die Geister der Verstorbnen wieder kommen
können; wenn sowas ist, so erschien mir deine Mutter in verwichner
Nacht; denn nie hat ein Traum dem Wachen so gleich gesehen. Eine
Creatur stellte sich mir vor, deren Haupt bald auf die eine bald
auf die andere Seite hieng; nie sah ich ein Gefäß von
solchen Schmerzen angefüllt - - und doch so viel Anstand
in ihrem ganzen Wesen; ganz weiß gekleidet, wie das Bild
der Unschuld, näherte sie sich der Cajüte worinn ich
lag; sie neigte sich dreymal vor mir, aber wie sie den Mund zum
reden öffnete, barsten ihre Augen in Thränen; endlich
da sie sich erleichtert hatte, brachen diese Worte von ihr: Redlicher
Antigonus, weil doch nun das Schiksal, gegen deine bessere Gesinnung
dich zum Werkzeug der Wegwerfung meines armen Säuglings gemacht
hat, so leg es in Böhmen nieder - - es sind Wildnisse genug
dort, und sie sind weit genug von Sicilien entlegen, daß
dein Eid nicht dadurch gebrochen wird; und weil dieses Kind für
immer verlohren geschäzt wird, so gieb ihm, ich bitte dich,
den Namen Perdita. Für dieses unfreundliche Geschäfte,
das dir mein Gemahl aufgelegt hat, wirst du dein Weib Paulina
niemals wieder sehen - - und hier that sie einen ängstlichen
Schrey, und zerfloß in Luft. So erschroken ich war, so erholt'
ich mich doch bald wieder, und dachte bey mir selbst, daß
es etwas wirkliches und kein Traum gewesen seyn müsse: Träume
sind Tand; aber für dieses einzige mal kan ich mir nicht
verwehren abergläubisch zu seyn, und Reflexion auf dieses
Gesicht zu machen. Ich glaube, daß Hermione den Tod erlidten
haben wird; und daß Apollo, weil er weiß, daß
dieses Kind wirklich dem König Polixenes angehört, haben
will, daß es hieher, es sey nun zum Leben oder Tod, auf
seines wahren Vaters Grund und Boden gelegt werde. (Er legt
das Kind nieder.) So gerathe dann wol, du kleiner Sprößling!
Hier liege, und hier dein Name; und hier Dinge, welche, wenn das
Glük günstig ist, deine Erhaltung befördern, und
doch dein bleiben können - - Es fängt an zu stürmen
- - Armes unglükliches Geschöpf! das für seiner
Mutter Fehler so grausam büssen muß - - Wie wird es
dir gehen? - - Weinen kan ich nicht, aber mein Herz blutet - -
O des unseligen Eids, durch den ich mich so gebunden habe! - -
Lebe wohl! - - Der Tag wird immer dunkler; es sieht aus, als ob
du ein rauhes Wiegen-Lied bekommen werdest; nie hab ich bey Tage
einen so düstern Himmel gesehen - - Was für ein wildes
Geschrey ist das - - ich habe hohe Zeit an Bord zu eilen - - Das
ist eine Jagd - - Himmel! Ich bin verlohren.
(Er flieht, von einem Bären verfolgt.)
* Wie die See nach Böhmen kommen könne, war ein Umstand,
den sich unser Autor vielleicht von darum nichts anfechten ließ,
weil man in Mährchen auf die Geographie nicht zu achten pflegt.
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