Zweyte Scene.
Leontes, Antigonus, und einige Herren vom Hofe treten auf.
Leontes.
Ihr traffet ihn dort an, sagt ihr? Seine Leute? den Camillo bey
ihm?
Ein Hof-Cavalier.
Hinter dem kleinen Fichten-Wald traf ich sie an; in meinem Leben
hab' ich keine Leute solche Schritte machen gesehen: Ich folgte
ihnen mit den Augen bis in ihre Schiffe.
Leontes.
O! wie vollkommen ist nun mein Verdacht gerechtfertiget! Wie richtig
treffen meine Muthmassungen zu! Nur gar zu richtig! Wenn ich weniger
wißte, würd' ich weniger unglüklich seyn - - Es
kan eine Spinne in den Becher gefallen seyn, und einer trinkt;
er schlukt sie unbemerkt mit herunter, und es schadet ihm nichts,
bloß darum weil er nichts davon weiß; aber wenn einer
das ekelhafte Ding im Schluken noch gewahr worden ist, wenn er
weiß, daß er's hinunter geschlukt hat - - Das erschüttert
seine Brust und seine Seiten mit Grauen und heftigen Erbrechungen
- - Ich habe getrunken, und die Spinne gesehen - - Camillo half
ihm dazu; es ist ein Anschlag gegen mein Leben, und gegen meine
Crone auf dem Tapet - - Mein Mißtrauen befindet sich nur
allzuwahr - - Der treulose Bube den ich gebrauchte, war schon
von ihm gedungen: Er hat ihm mein Vorhaben verrathen, und ich
bin nun der Narr im Spiele; nun können sie aus mir machen
was sie wollen: Wie kam es dann, daß sie die Hinter-Thüren
so leicht aufkriegen konnten?
Hof-Cavalier.
Das konnte Camillo leicht erhalten, da sie ihm schon öfters
aufgemacht werden mußten, wenn er euern Befehl dazu hatte.
Leontes.
Ich weiß es nur zu wol - - Gebt mir den Jungen; (zu Hermione)
ich bin froh, daß ihr ihn nicht gesäugt habt: Und
doch, wenn er schon einige Züge von mir hat, so hat er doch
zuviel von euerm Blut in sich - -
Hermione.
Was soll das seyn - - Scherz?
Leontes.
Tragt mir den Jungen weg; er soll nicht wieder zu ihr kommen;
weg mit ihm, sie mag sich die Zeit mit dem vertreiben, mit dem
sie schwanger geht; es ist doch Polixenes, der dir diese Geschwulst
gemacht hat.
Hermione (ruhig.)
Und ich wollte wol sagen das hat er nicht; und ich wollte
drauf schwören, ihr würdet mir glauben was ich sage,
ungeachtet ihr das Gegentheil vorgäbet.
Leontes.
Ihr, meine Herren, schaut sie an, faßt sie wol ins Auge
- - Eure Augen werden euch sagen, daß sie eine schöne
Frau ist - - Dieses Lob muß ihr eingestanden werden - -
Wie Schade, daß die Gerechtigkeit selbst euch zurük
hält, wenn ihr hinzusezen wollt, sie sey so tugendhaft als
sie schön ist - - Daß sie euch ein Hem! und ein Achsel-Züken
abnöthigt, eh ihr die Worte sie ist tugendhaft, herausbringen
könnt - - Ich will euch von diesem Zwang befreyen; wisset,
und vernehmet es von demjenigen, der am meisten dadurch gekränket
wird, sie ist eine Ehebrecherin.
Hermione.
Würde der schändlichste Bube, der in der Welt ist, so
sagen, so würde er ein desto schändlicherer Bube seyn:
Aber ihr, mein Herr, seyd bloß in einem Irrthum, wenn ihr
so redet.
Leontes.
Ihr habt euch geirret, Madam, wie ihr den Polixenes für Leontes
angesehen habt. O du, dein rechter Name würde den Mund eines
Prinzen zu sehr befleken - - Ich habe es gesagt, sie ist eine
Ehbrecherin; und ich habe gesagt mit wem: Ich sage noch mehr;
sie ist eine Verrätherin, und Camillo ist ihr Mit-Verschworner
- - er weiß um das, was sie erröthen sollte, sich selbst
bewußt zu seyn - - er weiß daß sie nichts besser
ist als diejenige, denen der Pöbel die unehrbarsten Titel
giebt; ja, und daß sie an ihrer Flucht Antheil hat.
Hermione.
Nein, bey meinem Leben, ich weiß von allem diesem nichts:
Wie wird euch das schmerzen, wenn euch dereinst die Augen aufgehen
werden, daß ihr mich öffentlich so beschimpft habt!
Mein liebster Gemahl, ihr werdet mir dann schwerlich eine hinlängliche
Genugthüung geben können, wenn ihr sagt, daß ihr
euch geirret habet.
Leontes.
Die Umstände, auf welche mein Urtheil sich gründet,
lassen keiner Möglichkeit, mich geirret zu haben, Raum - -
Hinweg mit ihr ins Gefängniß - - Derjenige, der nur
ein Wort zu ihrem Vortheil spricht, muß eine Ursache dazu
haben, die ihn mehr als doppelt schuldig macht.
Hermione.
Es regiert irgend ein böser Planet: Ich muß Geduld
haben, bis der Himmel günstigere Aspekten giebt. Meine guten
Herren, ich bin nicht so fertig zum Weinen, als es unser Geschlecht
gröstentheils ist; der Mangel dieses eiteln Thaues wird vielleicht
euer Mitleiden auftroknen; aber der ehrenvolle Schmerz den ich
schweigend hier verschliesse, brennt heftiger, als daß
ihn Thränen löschen könnten - - Ich bitte euch
alle, meine Herren, denket das beste von mir was euer gutes Herz
euch eingeben mag; und so geschehe dann des Königs Wille!
Leontes.
Werd ich Gehorsam finden?
Hermione.
Wer soll mit mir gehen? - - Ich bitte Eu. Hoheit, meine Kammer-Frauen
bey mir zu lassen; denn, wie ihr sehet, so macht meine Figur ihre
Gegenwart nothwendig - - Weint nicht, ihr närrischen Dinger,
ihr habt keine Ursache dazu; wenn ihr jemals finden werdet, daß
eure Frau diese Begegnung verdient hat, dann weint was ihr weinen
könnt; die Widerwärtigkeit, die izt über mich kommt,
dient zu meinem Besten. Adieu, mein Gemahl - - es ist mir schmerzlich,
daß ich erlebt habe, euch bekümmert zu sehen; Kommt,
meine Weiber, ihr habt Erlaubniß.
Leontes.
Geht, thut was ihr wollt - - fort.
(Die Königin, mit einer Wache, und ihre Frauen, gehen ab.)
Ein Herr von Hofe.
Ich bitte Euer Hoheit, ruffet die Königin zurük.
Antigonus.
Sehet wohl zu, was ihr thut, Gnädigster Herr; wenn ihr Unrecht
habt, so leiden drey Personen, und keine geringere als Ihr selbst,
eure Königin, und euer Sohn.
Ein andrer Herr von Hofe.
Ich wollte mein Leben für sie sezen können, Gnädigster
Herr - - und ich will es hiemit gethan haben, wenn ihr es annehmen
wollt - - daß die Königin in den Augen des Himmels
selbst unschuldig an dem, wessen ihr sie beschuldiget, ist.
Antigonus.
Findet sich's, daß sie es nicht ist, so will ich mich mit
Ketten an mein Weib schmieden lassen; so will ich ihr nicht weiter
trauen als ich sie sehe und fühle - - Wenn die Königin
ungetreu ist, so ist jedes Quintchen Weiber-Fleisch, jeder weibliche
Bluts-Tropfe in der Welt falsch.
Leontes.
Schweigt - -
Einige Herren.
Gnädigster Herr - -
Antigonus.
Was wir reden ist zu euerm Besten, nicht zum unsrigen - - Ihr
seyd betrogen, und von irgend einem Ohrenbläser, der dafür
zur Hölle fahren wird - - Wollte Gott ich wißte wer
der Bube ist, er sollte sein leztes Brodt gegessen haben: Wenn
Sie ihre Ehre verwirkt hat - - ich habe drey Töchter; die
älteste ist eilf Jahre alt, die andre neun, und die dritte
fünf oder sechs - - Wenn sich's so befindet, so sollen sie
dafür büssen. Bey meiner Ehre, ich will sie alle verschneiden
lassen; sie sollen nicht vierzehn Jahre alt werden, um Mütter
von andern Spizbübinnen zu werden; sie sind meine einzigen
Erben, und ich wollte mich lieber selbst aufhängen, als daß
sie keine schöne Nachkommenschaft zur Welt bringen sollten.
Leontes.
Hört auf; nichts mehr; ihr habt zu stumpfe Sinnen für
eine solche Sache; ich seh und fühle sie; es ist hier von
keinen Muthmassungen die Rede; ich bin gewiß - -
Antigonus.
Wenn das ist, so brauchen wir kein Grab, um die Ehrlichkeit darein
zu legen; es ist kein Gran von ihr übrig, nicht ein Gran,
um den Gestank der ganzen in Unrath versunknen Erde erträglicher
zu machen.
Leontes.
Wie? hab ich keinen Credit mehr, daß ihr noch zweifelt?
Ein Herr vom Hofe.
In dieser Sache wünschte ich daß ihr keinen hättet,
Gnädiger Herr; ich wollte lieber, daß sich ihre Unschuld
als daß sich euer Argwohn wahr befände, ihr möchtet
auch getadelt werden so viel man wollte.
Leontes.
Was haben wir nöthig hierüber mit euch zu conferieren?
Es war eine Wirkung unsrer natürlichen Leutseligkeit, daß
wir mit euch in einer Sache redeten, wozu ihr keine Stimmen zu
geben habt. Wenn ihr also so dumm seyd, oder euch geflissentlich
so stellt, und die Wahrheit mit uns nicht sehen könnt, oder
nicht sehen wollt; so behaltet eure Meynung für euch; wir
bedürfen keiner weiteren Erinnerungen von euch; die Sache,
der Gewinn und der Verlust, und die Disposition darüber,
alles geht lediglich uns selbst an.
Antigonus.
Ich wünschte auch nur, mein Gebietender Herr, daß ihr
sie noch länger bey euch selbst behalten, und nicht so öffentlich
kund gemacht hättet.
Leontes.
Wie war das möglich? Entweder hat dich das Alter dummer gemacht,
oder du bist zum Narren gebohren worden. Nachdem Camillo's Entweichung
noch zu ihrer vorigen Vertraulichkeit, (welche so in die Augen
fallend war, daß zur gänzlichen Evidenz nichts fehlte
als sie in der wirklichen That zu ergreiffen) nachdem, sage ich,
Camillo's Entweichung noch dazu gekommen, so war ich gezwungen,
auf diese Art zu Werke zu gehen. Indessen und um in einer Sache
von solcher Wichtigkeit nichts zu unterlassen, was zu mehrerer
Bestätigung der Wahrheit dienen kan, hab' ich bereits mit
fliegender Eilfertigkeit Dion und Cleomenes nach dem geheiligten
Delphi, in Apollo's Tempel, abgesandt: Ihr wisset, daß es
Leute sind, auf die man sich verlassen kan: Und die Antwort, die
sie uns von dem Orakel bringen werden, soll mich zurükhalten,
oder spornen. Hab ich nicht wol gethan?
Ein Herr vom Hofe.
Sehr wohl, Gnädigster Herr.
Leontes.
Wenn ich gleich für meine eigne Person Proben genug habe,
und nicht weiters zu wissen brauche als was ich weiß, so
wird das Orakel doch dazu dienen, die Gemüther der übrigen
zu beruhigen, deren unwissende Leichtgläubigkeit sie unfähig
macht, die Wahrheit durch sich selbst zu entdeken. Inzwischen
haben wir für gut angesehen, sie von uns zu entfernen, und
in sichre Verwahrung bringen zu lassen; um ihr die Gelegenheit
abzuschneiden, das verräthrische Complot der beyden, die
sich auf flüchtigen Fuß gesezt haben, auszuführen.
Kommt, folgt uns; wir sehen uns bemüssiget öffentlich
zu reden; denn dieser Handel wird uns alle aufweken - -
Antigonus.
Ja, zum Lachen, denk' ich, wenn die echte Wahrheit bekannt wäre.
(Sie gehen ab.)
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