Siebende Scene.
Verwandelt sich in Paulinas Haus.
Leontes, Polixenes, Florisell, Perdita, Camillo, Paulina, verschiedene
Herren vom Hofe, und Gefolge, treten auf.
Leontes.
O weise und gute Paulina, wie oft bist du mir zum Troste gewesen!
Paulina.
Mein Gnädigster Gebieter, was ich nicht recht that, das meynte
ich doch gut; ihr habt mich für alle meine Dienste überflüssig
bezahlt. Aber daß Eure Majestät mit dem Könige,
ihrem Bruder, und diesen verlobten Erben beyder Kronen, gekommen
ist, mein armes Haus zu besuchen; diß ist ein Uebermaaß
von Gnade, welche zu verdienen mein übriges Leben nicht zureichen
kan.
Leontes.
O Paulina, die Ehre, die wir euch erweisen ist Unruh; - - Aber,
wir kamen um die Bildsäule unsrer Königin zu sehen.
Eure Galerie haben wir durchgegangen, und mit vielem Vergnügen
über manche seltne Stüke; aber das, was meine Tochter
so sehnlich zu sehen verlangt, sahen wir nicht - - das Bild ihrer
Mutter.
Paulina.
So wie sie im Leben unvergleichlich war, so übertrift auch
ihr todtes Ebenbild, wie ich mit Recht glaube, alles was ihr jemals
gesehen habt, oder eines Menschen Hand jemals gemacht hat; deßwegen
bewahr' ich es auch mit mehr als gewöhnlicher Zuneigung auf.
Aber hier ist es: Bereitet euch vor, das Leben so lebhaft vorgestellt
zu sehen, als jemals der Schlaf den Tod vorgestellt hat.
(Paulina zieht einen Vorhang und entdekt Hermione, gleich einer
Bildsäule auf einem Fußgestelle stehend.)
Euer Schweigen gefällt mir; es beweist euere Erstaunung
nur desto besser - - Aber sagt mir nun, ihr zuerst, mein Gebietender
Herr, kommt es nicht ziemlich nahe?
Leontes.
Ihre natürliche Stellung! - - O mache mir keine Vorwürfe,
theurer Stein! damit ich in der That sagen kan, du seyst Hermione;
denn sie war so zärtlich als Kindheit und Unschuld - - Aber,
Paulina - - Hermione hatte nicht so viele Falten, war bey weitem
nicht so alt, wie diß scheint.
Polixenes.
O, wahrhaftig nicht!
Paulina.
Desto grösser ist die Geschiklichkeit unsers Künstlers,
der sechszehn Jahre überspringt, und sie so macht, als lebte
sie izt.
Leontes.
Wie sie denn auch gelebt hätte, ach! so sehr zu meinem Trost,
als dieser Anblik izt mein Herz durchbort. O! so stuhnd sie; mit
dieser lebenden Majestät (warmes Leben, wie sie izt kalt
steht) als ich zum erstenmal um ihre Liebe bat - - Ich schäme
mich - - wirft mir dieser Stein nicht vor, daß ich mehr
Stein sey, als er selbst? O Königliches Stüke! Es ist
Zauberey in deiner Majestät, die meine Uebelthaten wieder
in mein Gedächtniß gezaubert, und meiner bewundernden
Tochter die Lebensgeister geraubt hat, daß sie, wie selbst
versteinert, neben dir steht.
Perdita.
Erlaubet mir, und saget nicht, es sey Aberglauben, daß ich
niederknien und um ihren Segen bitte - - Theure Königin,
Theure Mutter, welche aufhörte, da ich kaum begann, gebt
mir diese eure Hand zu küssen - -
Paulina.
O, Geduld; - - die Statue ist ganz neu aufgerichtet, die Farben
sind noch nicht troken.
Camillo (zu Leontes.)
Gnädigster Herr, euer Schmerz ist zu dicht aufgetragen,
da sechszehn Winter ihn nicht wegblasen, und sechszehn Sommer
nicht auftroknen konnten; kaum lebte jemals ein Vergnügen
so lange; und eines jeden andern Schmerz würde sich in so
viel Zeit selbst aufgerieben haben.
Polixenes.
Mein theurer Bruder, gestattet dem, der die Ursache von allem
diesem war, soviel Vermögen, euch soviel Schmerz abzunehmen,
als er für seinen eignen Theil fühlt.
Paulina.
In der That, wenn ich gedacht hätte, der Anblik meines armen
Bildes würde diese Würkung auf euch thun, so würd'
ich's euch nicht haben sehen lassen.
Leontes.
O, zieht den Vorhang nicht.
Paulina.
Ich laß euch nicht länger so stehn und es anstarren;
eure Einbildung könnt' euch sonst zulezt gar bereden, es
rege sich.
Leontes.
Laß es seyn, laß es seyn; ich wollt ich wäre
todt, wenn mir nicht izt schon so wäre - - Aber wer war der,
der es machte? Sehet her, mein Herr; würdet ihr nicht meynen,
es athme? und daß in diesen Adern würkliches Blut sey?
Polixenes.
Es ist meisterlich gemacht! wahres Leben scheint ihre Lippen zu
erwärmen.
Leontes.
Es ist Regung in ihren Augen. Ists möglich daß die
Kunst so weit gehen kan?
Paulina.
Ich muß den Vorhang ziehen, der König ist so sehr entzükt,
daß er bald denken wird es lebe.
Leontes.
O liebe Paulina, mache mich das zwanzig Jahre in einem fort denken:
Alle Vernunft in der Welt kan mir das Vergnügen dieses Wahnsinns
nicht ersezen. Laß es wie es ist.
Paulina.
Es ist mir leid, Gnädigster Herr, daß ich euch zu einer
so grossen Bewegung Anlaß gegeben habe; aber ich könnt
euch noch mehr betrüben.
Leontes.
Thu es, Paulina; denn diese Traurigkeit hat etwas herzerquikendes
in sich. Mich dünkt immer, es athme etwas von ihr gegen mich
her. Welcher Meissel konnte jemals Athem heraus graben? Spotte
niemand über mich, aber ich muß sie küssen.
Paulina.
Thut es nicht, Gnädigster Herr; die Röthe auf ihren
Lippen ist noch naß; ihr würdet sie verderben, wenn
ihr sie küßtet; und eure eignen mit Oel-Farbe befleken;
soll ich den Vorhang ziehen?
Leontes.
Nein, nicht in den nächsten zwanzig Jahren.
Perdita.
So lange könnt ich dastehn, und es in Einem fort anschauen.
Paulina.
Entweder entfernt euch von der Nische, oder entschließt
euch noch mehr zu erstaunen; wenn ihr es sehen könnt, so
will ich machen, daß die Statue sich bewegen soll, in der
That; sie soll herunter steigen, und euch bey der Hand nehmen;
aber dann werdet ihr denken, ich thue es mit Hülfe böser
Geister, und ich schwöre euch, daß es nicht ist.
Leontes.
Ich bin bereit alles zu sehen was ihr sie thun, und alles zu hören,
was ihr sie reden machen könnet; denn es ist eben so leicht
zu machen, daß sie rede, als daß sie sich bewege.
Paulina.
Es wird erfordert, daß ihr allem euerm Glauben aufbietet;
nur dann, so stehet alle still; und diejenige, welche denken,
daß es nicht richtig damit zugehe, mögen sich wegbegeben.
Leontes.
Machet fort; kein Fuß soll sich regen.
Paulina.
Musik; erweke sie: erschalle: (Man hört Musik.) Es
ist Zeit; steiget herab; seyd nicht mehr Stein; nähert euch
und rühret alle die euch ansehen, mit Erstaunen. Kommt; ich
will euer Grab einnehmen; nun, so kommt doch; vermachst dem Tod
euere Unbeweglichkeit - - ihr seht, sie regt sich; (Hermione
steigt herab.) Entsezet euch nicht; ihre Handlungen sollen
so heilig seyn, als meine Zauberey erlaubt ist; weichet nicht
vor ihr zurük - - nein, gebt ihr die Hand; wie sie jung war,
mußtet ihr euch um ihre Gunst bemühen; nun da sie alt
ist, muß sie um die eurige buhlen - -
Leontes (Indem er sie umarmt.)
O, sie ist warm; wenn das Zauberey ist, so laßt zaubern
eine so erlaubte Kunst seyn als essen.
Polixenes.
Sie umarmt ihn.
Camillo.
Sie hängt sich an seinen Hals; wenn sie Leben in sich hat,
so laßt sie auch reden.
Polixenes.
Und uns sagen, wo sie gelebt habe, oder wie sie sich aus dem Reiche
der Todten weggestohlen?
Paulina.
Wenn man's euch nur sagte, daß sie lebt, so würdet
ihr's wie ein altes Mährchen auszischen; aber ihr sehet daß
sie lebt, ob sie gleich nicht spricht - - Noch eine kleine Geduld
- - Gefällt es euch, schöne Prinzessin, so kommt näher,
kniet nieder, und bittet eure Mutter um ihren Segen - - Wendet
euch um, meine gnädigste Frau, unsre Perdita ist gefunden.
(Sie stellt ihr Perdita vor, die sich vor Hermione auf die
Knie wirft.)
Hermione.
Ihr Götter, schaut herab, und schüttet eure besten Segnungen
alle auf meiner Tochter Haupt; sage mir, meine Eigne, wo bist
du erhalten worden? Wo hast du gelebt? Wie hast du deines Vaters
Hof gefunden? Denn du wirst hören, daß ich, von Paulinen
versichert, das Orakel gebe Hoffnung daß du noch lebest,
mich selbst aufgesparet habe, um diesen Ausgang noch zu sehen.
Paulina.
Zu allem diesem habt ihr nun Zeit genug; geht nun mit einander,
ihr erlauchten Glüklichen alle, und theilet eines dem andern
sein Entzüken mit; ich alte Turtel-Daube will auf irgend
einen verwelkten Ast fliegen, und dort meinen Gatten, der nicht
wieder gefunden werden kan, betrauren, bis ich selbst nicht mehr
bin.
Leontes.
O, stille, Paulina; hast du mir wieder eine Gemahlin gegeben,
so must du auch einen Mann von meiner Hand annehmen. Das ist etwas
ausgemachtes zwischen uns und durch Gelübde bekräftiget.
Du hast meine Hermione gefunden; wie, begreiffe ich noch nicht;
denn ich glaubte, ich sehe sie todt; und habe, glüklicher
Weise vergebens, manches Gebet auf ihrem Grabe gethan. Ich will
nicht weit suchen, um einen Gemahl für dich zu finden, dessen
Achtung für dich mir schon bekannt ist. Kommt, Camillo, und
nehmt ihre Hand; ihr, dessen Werth und Rechtschaffenheit sich
so vielfältig bewährt hat, und hier von zween Königen
bezeugt wird - - Verlassen wir diesen Ort - - wie? Sehet meinen
Bruder an: Vergebet mir, vergebet mir beyde, daß ich jemals
fähig war, eure tugendhaften Blike durch bösen Argwohn
zu trennen: Dieß ist euer Schwieger-Sohn, und der Sohn des
Königs - - der durch eine wunderbare Fügung des Himmels
mit eurer Tochter verbunden worden ist - - Gute Paulina, führe
uns von hinnen, an einen Ort, wo wir einander mit mehr Bequemlichkeit
über die Rolle fragen und antworten können, welche jedes
in diesem langen Zeitraum, seit dem wir getrennt wurden, gespielt
hat. Hurtig führt uns von hier.
(Sie gehen ab.)
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