Fünfte Scene.
Ein Plaz nicht weit vom Hofe.
Autolicus und ein Edelmann vom Hofe.
Autolicus.
Ich bitte euch, mein Herr, waret ihr selbst bey dieser Erzählung
gegenwärtig?
Edelmann.
Ich war dabey, wie das Kästchen aufgemacht wurde, und hörte
den alten Schäfer erzählen, wie er es gefunden habe;
auf dieses folgte eine kleine Pause von stillschweigender Erstaunung,
und hierauf wurde uns befohlen, das Zimmer zu verlassen: Nur däucht
mich, hörte ich den Schäfer sagen, er habe das Kind
gefunden.
Autolicus.
Ich bin recht begierig, den Ausgang davon zu wissen.
Edelmann.
Davon kan ich euch nichts sagen; alles was ich bemerken konnte,
war, daß der König und Camillo ihr Gesicht veränderten,
einander ganz erstaunt ansahen, und durch ihre stummen Blike und
blosse Gebehrden verriethen, daß etwas sehr unerwartetes
und wichtiges entdekt worden sey - - aber was es sey, oder ob
der Inhalt freudig oder traurig sey, das hätte wol der schärfste
Beobachter vom blossen Ansehen nicht errathen; und das kan auch,
wenn die Freude unverhofft und auf dem äussersten Grad ist,
nicht anders seyn.
Ein andrer Edelmann zu den Vorigen.
Hier kommt jemand, der uns vielleicht mehr von der Sache sagen
kan. Was giebts Neues, Rogero?
2. Edelmann.
Nichts als Freuden-Feuer: Das Orakel ist erfüllt; des Königs
Tochter ist gefunden; kurz, es haben sich in dieser einzigen Stunde
wunderbare Begebenheiten entwikelt, daß die Balladen-Macher
das ganze Jahr durch genug zu thun haben werden.
Ein dritter Edelmann zu den Vorigen.
Hier kommt der Lady Paulina Hausmeister, der wird uns mehr Umstände
sagen können. Wie geht's, mein Herr? Diese Zeitung, die für
wahr gegeben wird, sieht einem alten Mährchen so gleich,
daß ihre Wahrheit in starken Verdacht gezogen wird; hat
der König seine Erbin gefunden?
3. Edelmann.
Nichts wahrers, wenn jemals die Umstände eine Wahrheit ins
Licht gesezt haben: Die Beweise stimmen so gut zusammen, daß
man schweeren sollte, man sehe mit eignen Augen, was man erzählen
höret. Der Mantel der Königin Hermione - - Ihr Hals-Kleinod
um den Hals des Kindes - - Briefe vom Antigonus bey ihm gefunden,
deren Handschrift nicht zweifeln läßt, daß Antigonus
sie geschrieben - - Die majestätische Gestalt dieser Creatur
- - ihre vollkommne Aehnlichkeit mit ihrer Mutter - - ein gewisser
Adel in ihrer Gemüthsart, und in ihrem Betragen, in welchem
die Natur über die niedrige Erziehung zu triumphieren scheint
- - und viele andre Umstände beweisen es bis zur Ueberzeugung,
daß sie des Königs Tochter ist. Waret ihr bey der Zusammenkunft
der beyden Könige gegenwärtig?
2. Edelmann.
Nein.
3. Edelmann.
So habt ihr eine Scene verlohren, die man selbst gesehen haben
muß, um sich eine Vorstellung davon zu machen. Da hättet
ihr sehen können wie eine Freude die andre krönte; dergestalt
daß es nicht anders ließ, als ob die Traurigkeit weine,
daß sie Abschied von ihnen nehmen müsse; denn ihre
Freude schwamm in Thränen - - Das war ein Augen-Aufreissen,
ein Hände-Drüken, ein Tumult von einander drängenden
Empfindungen, wie man noch nie gesehen hat! Unser König,
in eben dem Augenblik da er vor Freude über seine gefundene
Tochter ausser sich selbst war, rief als ob er plözlich von
einem schmerzhaften Gedanken getroffen würde: O! deine Mutter,
deine Mutter! Dann bat er den König von Böhmen um Vergebung;
dann umarmt' er seinen Schwieger-Sohn; dann fiel er wieder seiner
Tochter um den Hals, und küßt' und drükte sie,
daß sie hätte erstiken mögen. Einen Augenblik
drauf dankt' er dem alten Schäfer, der in seinen ehrlichen
grauen Haaren seitwärts stand, Augen und Hände aufhub,
und vor Bestürzung und Freude nicht reden konnte. In meinem
Leben hab' ich von keiner solchen Begebenheit gehört; alles
ist zu wenig, was man davon sagen kan; wie ich euch sagte, man
muß selbst dabey gewesen seyn.
2. Edelmann.
Was wurde dann, ich bitt euch, aus dem Antigonus, der das Kind
von hier wegtrug?
3. Edelmann.
Das sieht wieder dem alten Mährchen so gleich, daß
man es nur glauben muß, weil man sich nicht anders helfen
kan; er wurde von einem Bären zerrissen; so erzählt
des Schäfers Sohn, für den nicht nur seine Einfalt und
Ehrlichkeit die Gewähr leistet, sondern auch noch ein Schnupf-Tuch
und ein Ring, welche Paulina für ihres Gemahls seine erkennt.
1. Edelmann.
Was wurde aus seinem Schiff und aus seinen Leuten?
3. Edelmann.
Diese giengen in dem nemlichen Augenblik da ihr Herr ums Leben
kam, und vor den Augen des alten Schäfers, am Strand in einem
Sturm zu Grunde; so daß alle Werkzeuge welche zu der Aussezung
des Kindes geholfen hatten, zu eben der Zeit verlohren giengen,
da es gefunden wurde. Aber, o! den edeln Kampf zwischen Schmerz
und Freude, der in Paulina's Gemüth vorgieng! Indem ihrem
einten Aug eine Thräne über den Tod ihres Gemahls entfiel,
erhob sich das andre über die Erfüllung des Orakels
gen Himmel. Sie hob die Princessin über die Erde, und umarmte
sie so inbrünstig als ob sie sie an ihr Herz anheften wollte,
um nicht mehr in Gefahr zu kommen, sie zu verliehren.
1. Edelmann.
Wahrhaftig, eine Scene, welche es würdig war, lauter Könige
und Prinzen zu Zuschauern zu haben!
3. Edelmann.
Einer von den schönsten Zügen unter allen, und der mir
das Wasser in die Augen trieb, war, wie von dem Tode der Königin
gesprochen wurde, und der König die Umstände, welche
ihr das Leben gekostet, eben so aufrichtig bekannte als wehmüthig
bejammerte - - wie während dieser Erzählung Aufmerksamkeit
seine Tochter verwundete; bis von einem Zeichen des Schmerzens
zum andern, sie mit einem Seufzer, der ihr Herz zerrissen zu haben
schien - - fast möchte ich sagen Thränen blutete;
denn ich bin gewiß, das meinige weinte Blut. Wer sonst
Marmor war, veränderte seine Farbe; einige mußten die
Augen wegwenden, alle waren tiefgerührt; wenn die ganze Welt
sie in diesem Augenblik hätte sehen können, der Schmerz
würde allgemein gewesen seyn.
1. Edelmann.
Sind sie wieder nach Hofe gegangen?
3. Edelmann.
Nein; die Princessin hörte von einer Statue ihrer Mutter,
welche Paulina in Verwahrung hat; ein Stük, woran der grosse
Meister, Julio Romano* viele Jahre gearbeitet, und welches er
nur kürzlich zu Stande gebracht; dieser schöpferische
Künstler, der, wenn er selbst Ewigkeit hätte und seinen
Werken Athem geben könnte, die Natur um ihre Kundsame bringen
würde, so vollkommen ist er ihr Affe. Sie versichern, er
habe eine Hermione gemacht, welche der würklichen so sehr
gleiche, daß man versucht werde, sie anzureden und auf eine
Antwort zu warten. Dahin haben sie sich nun mit aller Begierigkeit
der Liebe hin begeben, und dort gedenken sie, zu Nacht zu speisen.
2. Edelmann.
Ich dachte schon lange, Paulina müsse in diesem abgelegenen
Hause eine besondere Angelegenheit haben; denn ich weiß,
daß sie es, schon seit Hermionens Tod alle Tage zwey bis
dreymal, allein und heimlich besucht hat. Wollen wir auch dahin,
und die Zuschauer dieses frohen Auftritts vermehren helfen?
1. Edelmann.
Wer wollte wegbleiben, der das Recht des Zutritts hat? Jeder Augenblik
muß einen neuen angenehmen Umstand gebähren, den wir
verliehren indem wir hier verziehen. Kommt, wir wollen gehen.
(Sie gehen ab.)
Autolicus (allein.)
Nun könnte ich mir auf eine hübsche Beförderung
Rechnung machen, wenn mir die Schande meines vorigen Lebens nicht
im Licht stühnde. Ich brachte den alten Mann und seinen Sohn
zum Prinzen an Bord; sagte ihm, ich hätte sie von einem Kistchen
reden hören, und ich wisse nicht was; aber damals ließ
ihm die übermäßige Liebe zu seiner vermeynten
Schäfers-Tochter, welche sehr Seekrank zu werden anfieng,
keine Zeit, darauf acht zu geben, und das Geheimniß blieb
unentdekt. Aber das ist mir all eins; denn wenn ich selbst der
Ausfindig-Macher dieses Geheimnisses gewesen wäre, so würd'
ich, in dem feinen Ruf worinn ich stehe, wenig Vortheil davon
gezogen haben - - Aber da kommen sie ja, denen ich wider meine
Absicht gutes gethan habe - - schon ganz in den Schimmer ihres
neu aufgeblühten Glüks gekleidet.
* Wie Herr Warbürton vermuthet, wollte der Poet Michael
Angelo schreiben. Im übrigen ist, ausser dem seltsamen Anachronismus,
diese Stelle als eines von den schönsten Exempelchen von
Unsinn, die in unserm ganzen Autor vorkommen, zu bemerken.
|