Dritte Scene.
Leontes.
Camillo, dieser grosse Matador will noch länger bey uns bleiben.
Camillo.
Ihr hattet viel zu thun, seinen Anker halten zu machen; er hatte
immer eine Ausrede - -
Leontes.
Merktest du das?
Camillo.
Er wollte sich durch euer Bitten nicht bewegen lassen zu bleiben;
seine Geschäfte schlugen immer vor.
Leontes.
Hast du das beobachtet - - (vor sich.) Es war ein Gelispel
und Gemurmel um mich herum, wie sie noch hier waren; ich weiß
nun was ich bin - - es ist weit gekommen, wenn ich der lezte bin
der es merkt - - Wie kam es denn, Camillo, daß er blieb?
Camillo.
Auf das Anhalten der guten Königin.
Leontes.
Der Königin, das mag seyn - - gut, ist eine andre Frage - -
Gut sollte immer so seyn - - Aber sind noch mehr Leute als du,
die das gemerkt haben? Dein Verstand ist von einer feinern Composition
als gewöhnliche Köpfe - - du und einer oder zween, welche
weiter sehen als andre, können es ausfündig gemacht
haben - - Die übrigen werden doch vielleicht nichts von der
Sache gewahr worden seyn? Sprich.
Camillo.
Von der Sache, Gnädiger Herr? Ich denke, das kan jedermann
gewahr werden, daß der König von Böhmen länger
hier bleibt.
Leontes.
Ha?
Camillo.
Länger hier bleibt.
Leontes.
Ja, aber warum?
Camillo.
Um Euer Majestät, und unsrer gnädigsten Königin
zu willen zu seyn.
Leontes.
Um der Königin zu willen zu seyn - - zu willen? Mehr brauch
ich nicht - - Höre Camillo; ich habe dir immer das Innerste
meines Herzens anvertraut - - Du bist immer in meinen besondern
Angelegenheiten wie in meinen öffentlichen, mein Beichtiger
gewesen; ich habe dich für einen rechtschaffnen Mann gehalten:
Aber nun seh ich, daß ich mich betrogen habe, daß
mich der Schein betrogen hat.
Camillo.
Das verhüte der Himmel, Gnädiger Herr - -
Leontes.
Nein, du bist kein ehrlicher Mann, oder wenn du ja ehrlich bist,
so bist du eine furchtsam Memme, und das hindert die Ehrlichkeit
immer, daß sie den Weg nicht geht den sie gehen sollte:
Du bist also entweder ein Verräther, der sich durch sträfliche
Nachlässigkeit meines Vertrauens unwürdig gemacht hat;
oder ein Thor, welcher ruhig zusieht, wie ich betrogen werde,
und alles für blossen Spaß hält.
Camillo.
Mein Gnädigster Oberherr, ich kan nachlässig, thöricht
und furchtsam gewesen seyn; das sind Gebrechen, von deren jedem
kein Mensch in der Welt zu allen Zeiten frey bleibt - - Ich bitte
Eu. Majestät deutlicher mit mir zu reden, und mich meinem
Verbrechen ins Gesicht sehen zu lassen; wenn ich es verläugne,
so ist es nicht mein.
Leontes.
Hast du nicht gesehen, Camillo, (aber das braucht nur nicht gefragt
zu werden, du must es gesehen haben oder dein Augapfel ist diker
als ein Hahnrey's-Horn) oder gehört, (denn bey einer Sache,
die so offenbar in die Augen fällt, kan das Gerücht
nicht stumm seyn) oder gedacht, (denn wer bey solchen Umständen
nichts dächte, müßte gar nichts denken können)
daß meine Gemahlin mir ungetreu sey - - Gesteh es wenn du
willst - - oder sey unverschämt genug mir abzuläugnen,
daß du Augen, Ohren oder Gedanken habest - - Gesteh es,
und sage also, mein Weib sey ein Steken-Pferd, verdiene einen
garstigern Namen, als irgend ein Flachs-Mensch, die sich beschlaffen
läßt, eh sie zu Kirchen und Strassen gegangen ist - -
Sag es, und rechtfertige dich.
Camillo.
Wenn ein andrer meine Königliche Gebieterin so lästerte,
so würde ich nicht so da stehen, und zuhören, ohne ihn
auf der Stelle zur Rechenschaft zu ziehen - - Gütiger Himmel!
was für Reden! Sie zu wiederholen wäre eine grössere
Sünde als was ihr argwohnet, wenn es sich auch so befände.
Leontes.
Ist Flüstern nichts? Ist die Baken an einander anlehnen,
ist Nasen-zusammensteken - - mitten im Lachen mit einem Seufzer
innhalten - - ist Fuß auf Fuß sezen - - in Winkel
zusammenkriechen - - wünschen, daß die Gloke schneller,
daß Stunden Minuten - - daß der Mittag, Mitternacht,
und alle Augen, ausser den ihrigen, stokblind wären - - ist
das nichts? Nun, wenn das nichts ist, so ist die ganze Welt und
alles was drinn ist nichts; so ist dieser umwölbende Himmel
nichts; der Böhme nichts; mein Weib nichts; so ist kein Unterscheid
zwischen nichts und etwas, wenn das nichts ist.
Camillo.
Mein Gnädiger Herr, laßt euch in Zeiten von dieser
kranken Einbildung heilen; denn sie ist sehr gefährlich.
Leontes.
Sag, es sey so, denn es ist so.
Camillo.
Nein, nein, Gnädigster Herr.
Leontes.
Du lügst, es ist so; du lügst; ich sage du lügst,
Camillo, und ich hasse dich; gesteh, daß du ein plumper
Tölpel, ein gedankenloser Sclave, oder ein wankender Temporisierer
bist, der nach Zeit und Umständen, die nemliche Sache für
gut und böse ansehen kan. Wäre meines Weibs Leber so
angestekt, wie ihre Sitten, sie hätte keine Stunde mehr zu
leben.
Camillo.
Wer ist dann ihr Verführer?
Leontes.
Kanst du fragen? Wer anders als der, der sie wie eine Medaille
um seinen Hals hangen hat - - der Böhme, der wenn ich Diener
hätte, die mir getreu wären, und eben so wohl auf ihren
eigenen Vortheil als auf meine Ehre sähen - - Sie würden
sich nicht lange mahnen lassen das zu thun, was mich allein gegen
das was er thut, sicherstellen kan - - Du, sein Mund-Schenke,
(du den ich aus dem niedrigen Stande hervorgezogen, und zu Würde
und Ansehen erhoben habe; du, der so gewiß als der Himmel
die Erde und die Erde den Himmel sieht, sehen mußt, wie
ich beleidiget werde) du könntest meinem Feind einen Becher
zubereiten, der ihn auf ewig einschläfern und für mich
eine Herzstärkung seyn würde.
Camillo.
Mein Gnädigster Herr, es ist gewiß, daß ich das
könnte, und mit einer Art von langsam-würkendem Gift,
welches zu keinem Argwohn Anlaß geben würde - - Aber
ich kan nicht, nein, ich kan nicht glauben, daß die Königin
zu einer so niederträchtigen Verrätherey herabgesunken
seyn könne.
Leontes.
Ich liebte dich - - Denke der Sache nach - - Meynst du, daß
ich fähig sey aus blosser Laune und leerem Argwohn mir selbst
einen so garstigen Handel zuzuziehen? Die Reinigkeit meines Ehebettes
zu besudeln - - Die Ehre des Prinzen meines Sohnes, zweifelhaft
zu machen, den ich für mein halte, und als mein liebe - -
Denkst du daß ich das thun würde, wenn ich nicht die
wichtigsten Gründe vor mir hätte? Welcher Mann könnte
sich so weit vergehen?
Camillo.
Ich muß mich überwunden geben, mein Königlicher
Herr; ich will es thun - - ich will den König von Böhmen
aus dem Wege schaffen; aber mit dieser Bedingung, daß wenn
er fort ist, ihr eure Gemahlin wieder in eure Liebe aufnehmen,
und wenn es auch nur aus Liebe zu euerm Sohne wäre, eben
so halten sollet wie vorher, damit alle Zungen versiegelt, und
keine nachtheilige Gerüchte in auswärtige und befreundete
Höfe ausgestreut werden mögen.
Leontes.
Du rathest mir das nemliche, was ich selbst schon bey mir festgesezt
hatte; ihre Ehre soll keinen Fleken bekommen.
Camillo.
So lasset nun mich für alles sorgen, Gnädigster Herr;
und nehmet indessen gegen den König und eure Gemahlin ein
so offnes Betragen an, wie die Freundschaft bey einem vertraulichen
Gastmahl zeigt: Ich bin sein Mund-Schenke; wenn ihm der Trank,
den ich ihm mischen will, wohl bekommt, so haltet mich nicht mehr
für euern Diener.
Leontes.
Das ist alles was ich will; thu es, so hast du die Hälfte
meines Herzens; thu es nicht, so zersplitterst du dein eignes.
Camillo.
Ich will es thun, Gnädiger Herr.
Leontes.
Und ich mich freundlich stellen, wie du mir gerathen hast.
(Er geht ab.)
Camillo (allein.)
Unglükliche Dame! Aber in was für einem Falle befind'
ich mich selbst? Ich soll der Vergifter des rechtschaffnen Polixenes
seyn, und was mich dazu bewegen soll, ist der Gehorsam gegen meinen
Herrn; der in der Wuth seiner Leidenschaft haben will, daß
alle die ihm angehören, von ihr erfüllt seyn sollen.
Thu ich's, so folgt Beförderung. Aber wenn ich tausend Exempel
von solchen, die ihre Hand an gesalbete Könige gelegt hätten,
und glüklich dadurch worden wären, finden könnte,
so wollt' ich's nicht thun - - Nun aber, da weder Erzt, noch Stein,
noch Pergament nur eines aufweisen kan, muß die Ruchlosigkeit
selbst eine solche That verschwören! Ich muß nur dem
Hof gute Nacht sagen - - Gehorsam und Ungehorsam würde mir
beydes den Hals brechen - - O, was für ein glüklicher
Stern regiert! Hier kommt Polixenes - -
Vierte Scene.
Polixenes bezeugt dem Camillo seine Befremdung über die
Veränderung die er an dem König von Sicilien wahrnehme;
er sieht nicht anders aus, (spricht er) als ob er eine
Provinz verlohren hätte, und eine Provinz, die er wie sich
selbst geliebt hätte - - Das trokne, verdrießliche
und durch einen sichtbaren Zwang nur wenig bedekte Betragen seines
Freundes beunruhigt ihn desto mehr, da er gewahr worden, daß
es ihn angehe, ohne daß er begreiffen kan, warum. Camillo
läßt sich eine Weile bitten, bis er auf des Polixenes
dringendes Anhalten, ihm den erhaltnen Auftrag und die Eifersucht
des Königs ohne Umschweiffe entdekt. Der bestürzte Polixenes
schwört eine ganze Reihe poetischer Eidsformeln herab, daß
er unschuldig sey: Aber Camillo versichert ihn, daß er mit
so vielen Schwüren als Sterne am Himmel seyen, die einmal
gefaßte Meynung aus dem Gehirn des rasenden Leontes nicht
wegschwören könnte. Er schlägt ihm also zu ihrer
beyder Rettung vor, daß sie sich, ohne Abschied zu nehmen,
in der nemlichen Nacht heimlich davon machen wollten. Polixenes
läßt es sich gefallen - - ich habe, (sagt er zu Camillo)
die Bestätigung dessen was du mir entdekt hast, in seinen
Augen gesehen - - Seine Eifersucht hat eine höchst liebenswürdige
Creatur zum Gegenstand; so vortreflich diese ist, so groß
muß jene seyn; da er Macht hat, so ist natürlich, daß
er auf Rache bedacht ist; und da er sich gerade vor dem Mann,
der sich jederzeit für seinen besten Freund ausgegeben hat,
beleidigt hält, so muß dieser Umstand seine Rache um
so viel bittrer machen - - Polixenes macht aus diesen Prämissen
den Schluß, daß er alle Ursache habe, sich in der
äussersten Gefahr zu glauben. Er verspricht dem Camillo,
daß er ihn als einen Vater ehren wolle, wenn er ihn lebendig
von Palermo wegbringen werde. Zu gutem Glüke liegen die Schiffe
des Königs zur Abreise bereit, und Camillo hat, seines Hof-Amts
wegen, über alle Schlüssel zu disponieren. Weil sie
nun keine Zeit zu verliehren haben, so gehen sie ab.
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