Zweyter Aufzug.
Erste Scene.
Ely-House.
Gaunt, der krank herein getragen wird; mit dem Herzog von York.
Gaunt.
Will der König kommen, daß ich meinen lezten Athem
in heilsamem Rath für seine noch verbesserliche Jugend aushauchen
kan?
York.
Plaget euch selbst nicht, und verschwendet nicht so die wenige
Kräfte, die ihr noch übrig habt; sein Ohr ist vor allem
guten Rath verschlossen.
Gaunt.
Aber man sagt doch, daß die Zungen sterbender Menschen,
gleich der zauberischen Harmonie zur Aufmerksamkeit nöthigen;
sparsame Worte werden selten vergebens aufgewandt, denn diejenigen
sagen die Wahrheit, die ihre Worte mit Schmerzen athmen müssen.
Einer, der bald aufhören wird zu reden, wird eher gehört,
als diejenigen, denen Jugend und Wohlaufseyn erlauben, sich in
Worte zu ergiessen. Man giebt mehr auf der Menschen Ende acht,
als auf ihr Leben; wie die Sonne nie mit mehr Vergnügen beschaut
wird, als wenn sie untergeht, und an einer Musik nichts aufmerksamer
macht als der Schluß. Ob Richard gleich die Räthe nicht
hören wollte, die ich ihm in meinem Leben gab, so mag vielleicht
der ernste Ton des Todes sein taubes Ohr durchdringen.
York.
Sein Ohr wird noch von andern Zaubertönen verstopft, als
von dem schmeichelnden Lobe seiner Regierung; überdas giebt
es ausschweiffende Gesellschafter, deren vergiftete Reden das
ungewahrsame Ohr der Jugend immer offen finden; Erzählungen
von Moden in dem stolzen Italien, dessen Sitten unsre blöde,
affenmäßige Nation, beständig auf eine plumpe
Art nachahmet. Wo treibt die Welt irgend eine Eitelkeit hervor,
(wenn sie nur neu ist, sie mag so nichtswürdig seyn als sie
will,) die nicht augenbliklich in seine Ohren gesumset wird? Wo
der Wille, vom Wiz unterstüzt, sich wider die Vernunft empört,
da kommt guter Rath allezeit zu spät; versuch' es nicht,
denjenigen leiten zu wollen, der sein eigner Wegweiser seyn will;
du würdest deinen Athem verliehren, und das ist gerade was
dir mangelt.
Gaunt.
Mich däucht, ich bin ein neubegeisterter Prophet, und sterbend
weissage ich so von ihm. Seine rasche, ausgelassene, unbezähmte
Jugendhize, kan nicht von langer Dauer seyn; ein heftiges Feuer
brennt sich bald selbst aus. Sanfte Regen dauren lange, plözliche
Stürme gehen bald vorüber; der wird bald müde,
der anfangs die Sporren zu stark gebraucht; und wer allzugierig
ißt, hat am bäldesten genug. Leichtsinnige Eitelkeit,
nachdem sie wie ein unersättlicher Vielfraß alle ihre
Mittel verzehrt hat, wird bald gezwungen, sich selbst aufzuzehren.
Dieser glorreiche Königs-Thron, diese bezepterte Insel, dieses
majestätische Land, dieser Siz des Kriegs-Gottes, dieses
andre Eden, dieses feste Castell, das die Natur für sich
selbst aufgeworfen hat, um sich vor fremder Anstekung und feindseligem
Anfall zu sichern, dieser edle Stamm von Menschen, dieser in die
Silber-See eingefaßte Edelstein, dieser kleine Inbegriff
der Welt, dem der umgebende Ocean für eine Mauer, oder für
einen beschüzenden Graben gegen den Neid nicht so glükseliger
Länder dient; diese Mutter und Sängerin königlicher
Helden, welche ihr Vaterland furchtbar, ihre Geburt erlaucht,
und ihre Thaten ruhmwürdig machen, wegen ihres christlichen
Eifers und ihrer ritterlichen Tapferkeit so weit berühmt,
als das Grab des Welt-Erlösers, in dem verstokten Judenlande
von uns entfernt ist; dieses edle, würdige, theure Land,
von dem glänzenden Ruhm seiner Söhne über alle
andre emporgehoben, ist nun ausgemiethet, (ich sterbe, da ich
es ausspreche) wie ein Pachthof oder Baurengut ausgepachtet! England,
von der triumphierenden See umwunden, deren felsichtes Ufer den
neidischen Siz des wäßrichten Neptuns zurükschlägt,
ist auf eine schändliche Art in Fesseln von Pergament geworfen,
und die Besiegerin andrer Völker hat eine schaamvolle Eroberung
von sich selbst gemacht.* O! möchte diese Schmach mit meinem
Leben sich enden, wie glüklich wäre mein Tod!
* Was für eine Rede in dem Mund eines alten sterbenden
Prinzen, der sich über Engbrüstigkeit und kurzen Athem
beklagt! Indessen war dieses schülerhafte rhetorische Gewäsche,
diese auf einander gehäuften, übel zusammenpassenden
Metaphern, und diese abmattenden Tautologien, die allgemeine Mode
in unsere Autors Zeit.
|