Vierte Scene.
Die Schranken zu Coventry.
Der Lord Marschall, und der Herzog von Aumerle treten auf.
Marschall.
Milord Aumerle, ist Harry Herford bewaffnet?
Aumerle.
Ja, vom Fuß bis zum Kopf, und wartet ungeduldig hereingelassen
zu werden.
Marschall.
Auch der Herzog von Norfolk wartet voll ungeduldigen Feuers auf
die Trompete des Appellanten.
Aumerle.
Die Kämpfer sind also gerüstet, und erwarten nur die
Ankunft seiner Majestät.
(Die Trompeten erschallen; und der König erscheint mit
seinen Edeln; nachdem sie sich gesezt haben, tritt der Herzog
von Norfolk, als Appellat, in voller Rüstung auf.)
König Richard.
Marschall, erforsche von jenem Ritter die Ursache, warum er hier
in Waffen erscheint; frag' ihn nach seinem Namen, und lege ihm
den gesezmäßigen Eid zu schwören auf.
Marschall.
In Gottes und des Königs Namen, sage wer bist, und warum
erscheinst du hier in dieser ritterlichen Rüstung? Gegen
wen kommst du, und was ist deine Sache? Antworte bey deiner ritterlichen
Ehre, und auf deinen Eid, und so beschüze dich der Himmel
und deine Tapferkeit!
Mowbray.
Mein Nam' ist Thomas Mowbray, Herzog von Norfolk, und ich erscheine
hier bey meinem Wort, das einem Ritter unverlezlich heilig seyn
soll, beydes meine Treue und ritterliche Ehre zu Gott, meinem
König und meinen Nachkommen, wider den Herzog von Hereford,
meinen Ankläger, zu behaupten, und mit Gottes Gnade und der
Stärke meines Arms ihm durch meine Vertheidigung zu beweisen,
daß er ein Verräther gegen Gott, meinen König
und mich ist; und so wie ich für eine gerechte Sache fechte,
so schüze mich der Himmel!
Die Trompeten erschallen; Bolingbroke, als ein Appellant, tritt
in vollen Rüstung auf.
König Richard.
Marschall, frage jenen bewaffneten Ritter wer er ist, warum er
hier in diesem kriegrischen Aufzug erscheint? Und laß ihn,
unsern Gesezen gemäß, förmlich auf die Gerechtigkeit
seiner Sache schwören.
Marschall.
Wie ist dein Nahme, und warum kommst du vor König Richards
Gegenwart, in seine königliche Schranken? Gegen wen kommst
du und was hast du für eine Sache? Rede, wie ein rechtschaffner
Ritter, und so beschüze dich der Himmel!
Bolingbroke.
Ich bin Heinrich von Hereford, Lancaster und Derby, und stehe
hier in dieser Waffenrüstung, durch Gottes Gnade und meine
Tapferkeit gegen Thomas Mowbray Herzog von Norfolk zu beweisen,
daß er ein schändlicher und verderblicher Verräther
an Gott im Himmel, dem König Richard und an mir ist, und
so wie ich für Recht und Wahrheit kämpfe, beschüze
mich der Himmel!
Marschall.
Bey Strafe des Todes erfreche sich niemand, diese Schranken zu
berühren, als der Marschall, und diejenigen Officiers, welche
zu Anordnung des Kampfs bestellt sind.
Bolingbroke.
Lord Marschall, laßt mich meines Königs Hand küssen
und meine Knie vor seiner Majestät beugen; Mowbray und ich
sind wie zween Männer, die eine lange und gefährliche
Pilgrimschaft geloben; es sey uns also vergönnt einen feyrlichen
Abschied von unsern Freunden zu nehmen.
Marschall.
Der Kläger bittet sich die Gnade aus, Euer Majestät
seine Schuldigkeit zu bezeugen, und seinen Abschied zu nehmen.
König Richard.
Wir wollen herabsteigen, und ihn in unsre Arme schliessen. Vetter
von Hereford, so wie deine Sache gerecht ist, so sey dein Glük
in diesem königlichen Kampfe! Fahre wohl, mein Blut; und
wenn dein Verhängniß ist, es an diesem Tag zu vergiessen,
so werden wir trauren, aber keine Rache an dem Thäter nehmen.
Bolingbroke.
O laßt kein edles Aug' eine Thräne für mich entweihen,
wenn ich durch Mowbrays Lanze falle! Aber so muthig wie ein Falke
auf einen Vogel schießt, geh' ich mit Mowbray zu fechten.
Mein theurer Herr, ich nehme meinen Abschied von euch, und von
euch, mein edler Vetter, Lord Aumerle - - nicht niedergeschlagen,
ob ich gleich eine tödtliche Arbeit vor mir habe, sondern
munter, jugendlich, und frölich athmend - - O du, der irdische
Schöpfer meines Wesens, (zu Gaunt.) dessen ehmaliger
Jugend-Geist in mir wiedergebohren, mich mit zwiefacher Stärke
emporhebt, den Sieg zu erreichen, der über meinem Haupte
schwebt; stähle meine Rüstung durch dein Gebet, und
schärfe durch deinen Segen die Spize meiner Lanze, daß
sie Mowbrays gewichstes Wamms durchdringen und dem Namen Johann
von Gaunt durch das edle Betragen seines Sohns einen neuen Glanz
gebe!
Gaunt.
Der Himmel begünstige dich in deiner gerechten Sache! Sey
behend im Streit wie der Bliz, und laß deine Streiche, zweymal
verdoppelt, wie betäubende Donnerschläge auf den Helm
deines verderblichen Gegners herab stürzen. Feure dein jugendliches
Blut an, sey tapfer, und lebe!
Bolingbroke.
So helfen mir meine Unschuld, Gott, und St. George!
Mowbray.
Was für ein Loos auch der Himmel oder das Glük für
mich ziehen mag, so leb' oder sterb' ich hier, getreu an König
Richards Thron, ein pflichtmäßiger, redlicher und rechtschaffner
Edelmann! Nie hat ein Gefangner mit einem frohern Herzen seine
Ketten abgeworfen, und seine goldne unabhängige Befreyung
umfaßt, als womit meine tanzende Seele an diesem Kampf mit
meinem Feind, wie an einem Freuden-Fest sich erlustiget. Großmächtigster
Oberherr, und ihr meine edlen Freunde, empfangt aus meinem Munde
den Wunsch glüklicher Jahre! So freudig und guten Muths wie
zu einem Ritterspiel, geh' ich zu diesem Kampf; Redlichkeit hat
ein ruhiges Herz.
König Richard.
Fahre wohl, Milord; ich sehe Tugend und Muth ruhig in deinen Augen
ligen. Ordnet den Kampf an, Marschall, und beginnt!
Marschall.
Heinrich von Hereford, Lancaster und Derby, empfange diese Lanze,
und der Himmel schüze dein Recht!
Bolingbroke.
Fest in Hoffnung wie ein Thurm, ruf ich Amen!
Marschall.
Geh, bringe diese Lanze Thomas, Herzogen von Norfolk.
1. Herold.
Heinrich von Hereford, Lancaster und Derbey, steht hier für
Gott, seinen Lehnsherrn und ihn selbst, bey Straffe falsch und
meineidig erfunden zu werden, zu beweisen, daß Thomas Mowbray,
Herzog von Norfolk ein Verräther an seinem Gott, seinem König
und ihm sey, muthig steht er hier und fordert ihm zum Kampf auf!
2. Herold.
Hier steht Thomas Mowbray, Herzog von Norfolk, bey Straffe falsch
und meineidig erfunden zu werden, beydes sich selbst zu vertheidigen,
und zu beweisen, daß Heinrich von Hereford, Lancaster und
Derbey ein Verräther an Gott, seinem Lehnsherrn, und ihm
sey; und er wartet muthvoll und mit Verlangen auf das Zeichen
zum Anfang.
(Man blaßt zum Angriff.)
Marschall.
Blaset Trompeten, und ihr Kämpfer, rüket aus - Doch
halt! Der König hat seinen Stab hingeworffen.
König Richard.
Laßt sie ihre Helme und Lanzen bey Seite legen, und beyde
zu ihren Stühlen zurük kehren; entfernt euch mit uns,
und laßt die Trompeten schallen, bevor wir diesen Herzogen
unsern Willen kund thun.
(Trompeten.)
König Richard. (Zu den Kämpfern:)
Kommt näher herbey, und höret, was wir mit unserm
Rath gethan haben. Damit die Erde unsers Königreichs nicht
mit diesem kostbaren Blute besudelt werde, dessen Mutter sie ist,
und weil unsre Augen den gräßlichen Anblik bürgerlicher
Wunden hassen, die von nachbarlichen Schwerdtern gegraben werden,
und weil wir denken, daß nichts anders als der Adlerbeschwingte
Stolz ehrsüchtiger und himmelan-strebender Gedanken euch
mit eifersüchtigem Haß erfüllt und aufgereizt
hat, den Frieden, der gleich einem sanftschlummernden neugebohrnen
Kind, in der Wiege unsers mütterlichen Landes zu schlafen
angefangen, wieder aufzuweken. Aus diesen Ursachen verbannen wir
euch, Vetter von Hereford, bey Straffe des Todes aus unsern Gebieten;
bis zehen Sommer unsre Felder bereichert haben, sollt ihr unsre
blühenden Herrschaften nicht wieder grüssen, sondern
die fremden Pfade der Verbannung betreten.
Bolingbroke.
Euer Wille geschehe! Mein Trost muß seyn, daß die
nemliche Sonne, die euch hier erwärmt, mich bescheinen wird,
und daß eben diese goldnen Stralen, die sie euch hier leiht,
meine Verbannung vergülden werden.
König Richard.
Norfolk, auf dich wartet ein strengeres Urtheil, wiewol ich es
nicht ohne Widerwillen anspreche. Die schnellgeflügelten
Stunden werden deiner Verbannung kein Ziel bestimmen; das hoffnunglose
Wort, nicht wiederzukehren, athme ich gegen dich bey Straffe des Todes.
Mowbray.
Ein hartes Urtheil, mein gebietender Oberherr, und aus Eurer Hoheit
Mund gar zu unerwartet! Ich habe eine bessere Belohnung von Eurer
Hand verdient, als so verstümmelt an die freye Luft hingeworfen
zu werden. Die Sprache, die ich nun vierzig Jahre gelernt habe,
mein angebohrnes Englisch, muß ich nun vergessen, und meine
Zunge wird mir künftig nicht mehr nüzen, als eine unbesaitete
Harfe, oder als ein feines Instrument in der Hand dessen, der
es nicht zu spielen weiß. Ihr habt meine Zunge in meinen
Mund eingekerkert, und stumme, gefühllose, unfruchtbare Unwissenheit
ist der Kerkermeister, der mich bewachen soll. Ich bin zu alt,
mich an den Busen einer neuen Säugamme zu schmiegen, oder
wieder ein Lehrknabe zu werden. Was ist also Euer Urtheil, als
die Verdammung zu einem sprachlosen Tod, der meiner Zunge das
Leben nimmt?
König Richard.
Vergebens bemühst du dich unser Mitleiden zu erweken; Nachdem
unser Urtheil ausgesprochen ist, kommen Klagen zu spät.
Mowbray.
So entweich ich dann aus dem Tag meines Vaterlands, um mein Leben
in den traurigen Schatten einer hoffnunglosen Nacht zu enden.
König Richard.
Kommt wieder zurük und nehmt einen Eid mit euch. Legt eure
verbannten Hände auf eure königlichen Schwerdter, und
schweert bey eurer Pflicht zum Himmel, (den Antheil, den wir daran
haben, verbannen wir mit euch selbst*) daß ihr den Eid
halten wollet, den wir euch auferlegen. Nimmer sollt ihr während
eurer Verbannung euch mit einander aussöhnen, keiner soll
des andern Angesicht sehen, keiner auf welche Art es sey, einige
Gemeinschaft mit dem andern unterhalten, vielweniger durch verabredete
Entwürfe irgend etwas böses gegen uns, unsern Staat,
unsre Unterthanen, und unser Land anzuspinnen oder auszuführen
suchen; schwört diß, so wahr euch der Himmel helfe!
Bolingbroke.
Ich schwöre.
Mowbray.
Und ich; alles diß zu halten.
Bolingbroke.
Norfolk, hätte der König es uns zugelassen, so wanderte
izt die Seele von einem unter uns beyden in der Luft, verbannt
aus unserm Leibe, wie izt unser Leib aus diesem Lande verbannt
ist. Bekenne deine Verräthereyen, eh du aus diesem Reiche
fliehst; schleppe nicht auf eine so weite Reise die hemmende Bürde
einer schuldigen Seele mit dir.
Mowbray.
Nein, Bolingbroke; wann ich jemals ein Verräther war, so
werde mein Nam' aus dem Buch des Lebens ausgelöscht, und
ich vom Himmel wie von hinnen verbannt! Aber was du bist, das
ist dem Himmel, dir und mir bekannt, und nur allzu bald, besorg'
ich, wird es der König mit Reue erfahren. Lebet wohl, mein
gebietender Herr; da ich England den Rüken kehren muß,
ist jeder Weg mir gleich.
(Er geht ab.)
* Es ist eine Frage, worüber unter den Lehrern des Völker-Rechts
viel gestritten worden, ob ein Verwiesener dem Staat, der ihn
verbannt hat, dem ungeachtet mit der Pflicht der Treue zugethan
sey. Cicero und der Lord Canzler Clarendon bejahen sie; Hobbes
und Puffendorf behaupten das Gegentheil. Unser Autor scheint in
dieser Zeile der leztern Meynung zu seyn.
Warburton.
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