Fünfte Scene.
König Richard (Zu Gaunt.)
Oheim, ich sehe den Gram deines Herzens in den Spiegeln deiner
Augen; dein kummervolles Aussehen hat von der Zahl seiner verbannten
Jahre viere abgerissen; wenn sechs Winter verflossen sind, Bolingbrok,
so kehre, mir willkommen, von deiner Verbannung heim.
Bolingbroke.
Welch eine lange Zeit ligt in einem einzigen kleinen Wort! Vier
langsame Winter und vier muntre Frühlinge verliehren sich
in einem Wort, so mächtig ist der Athem der Könige.
Gaunt.
Ich danke meinem gebietenden Herrn, daß er, in Ansehung
meiner, meines Sohnes Verbannung um vier Jahre abkürzt; aber
was wird diese Mildigkeit mir helfen, da eh die sechs, die er
verliehren muß, verflossen sind, meine vom Alter aufgezehrte
Lampe verloschen seyn kan?
König Richard.
Wie, Oheim, du hast noch viele Jahre zu leben.
Gaunt.
Aber keine Minute, König, die du geben kanst; du kanst meine
Tage durch Gram abkürzen, du kanst Nächte von meinem
Leben abreissen, aber du kanst mir keinen Morgen leihen; du, du
kanst der Zeit helfen mich früher alt zu machen, aber keine
einzige Falte von meiner Stirne nehmen; du kanst durch ein Wort
meinen Tod gebieten, aber wenn ich todt bin, ist dein Königreich
zu wenig, mir nur einen Athemzug zu kauffen.
König Richard.
Dein Sohn ist auf Einrathen unsers Staats-Rathes verbannt, und
du selbst hast deine Stimme dazu gegeben; warum rümpfest
du izt die Stirne über unsre Gerechtigkeit?
Gaunt.
Dinge, die im Münde süß sind, werden in der Verdauung
sauer; ihr dranget in mich, daß ich als ein Richter reden
sollte; aber ich wollte lieber ihr hättet mir befohlen als
ein Vater zu reden. O! wär' es ein Fremder gewesen, und nicht
mein Sohn, ich würde ein gelinderes Urtheil ausgesprochen
haben. Weh mir! ich besorgte, man möchte mir eine übertriebne
Nachsicht gegen die meinigen Schuld geben, und den Vorwurf der
Partheylichkeit zu vermeiden, hab' ich durch meine Stimme mir
selbst das Leben abgesprochen.
König Richard.
Vetter, lebe wohl; und ihr, Oheim, nehmt euern Abschied von ihm;
wir verbannen ihn auf sechs Jahre, und er soll gehen.
(Geht ab.)
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