Sechste Scene.
Angelo, Mariane, Peter und Kerkermeister zu den Vorigen.
Herzog zu Isabella.
Was diesen neuvermählten Mann, der hier wieder zurük
kommt, betrift, dessen üppige Einbildungskraft eure wolvertheidigte
Ehre beleidigt hat, so vergebt ihm um Marianens willen: Allein
in sofern er, der eines doppelten Verbrechens, der verlezten Keuschheit
und des gebrochnen Versprechens, sich schuldig wußte, euerm
Bruder das Todes-Urtheil sprach, so ruft selbst die Barmherzigkeit
des Gesezes mit lauter Stimme, und aus seinem eignen Munde, Angelo
für Claudio, Tod für Tod, Gleiches für gleiches,
und Maaß für Maaß. (Er wendet sich zum Angelo.)
Angelo, deine Verbrechen sind so offenbar, daß du sie
nicht läugnen könntest, wenn du auch wolltest; wir verurtheilen
dich also, auf eben demselben Blok dein Leben zu verliehren, worauf
Claudio sich zum Tod bükte, und mit eben solcher Eile. Hinweg
mit ihm.
Mariane.
O! mein Gnädigster Herr, ich hoffe Euer Durchlaucht hat mir
nicht zum Scherz einen Gemahl gegeben.
Herzog.
Ich hielt eure Vermählung nur nöthig, um eure Ehre sicher
zu stellen, und einen Vorwurf von euch abzuwenden, der euerm künftigen
Glük im Wege gestanden wäre; was seine Güter betrift,
so sezen wir, ob sie gleich durch Confiscation unser wären,
euch in den Besiz davon, und machen sie zu euerm Witthum, damit
ihr einen bessern Gemahl kauffen könnet.
Mariane.
O Mein theurester Fürst, ich verlange keinen andern und keinen
bessern Mann.
Herzog.
Bittet nicht für ihn, unser Schluß ist gefaßt.
Mariane.
Mein gnädigster Herr - -
Herzog.
Ihr verliehrt nur eure Mühe - - weg mit ihm zum Tode. (Zu
Lucio.) Nun, mein Herr, kommt die Reyhe an euch.
Mariane.
O! mein gnädigster Herr! O! theurste Isabella, kommet mir
zuhülfe; lehnt mir eure Knie, und mein ganzes künftiges
Leben soll zu eurem Dienst gewidmet seyn.
Herzog.
Was ihr von ihr fordert ist unbillig, und wider die Natur; sollte
sie niederknien, um für eine solche That Erbarmung zu erflehen,
ihres Bruders Geist würde sein Grab durchbrechen, und sie
in Schreknissen von hinnen reissen.
Mariane.
Isabella, liebste Isabella, kniet doch mit mir hin; breitet eure
Hände aus, redet nichts, ich will alles sagen. Die besten
Menschen, sagt man, werden erst durch die Fehler die sie gemacht
haben, vollkommen; dieses kan auch meines Mannes Fall seyn. O
Isabella, wollt ihr nicht mit mir knien?
Herzog.
Er stirbt für Claudios Tod.
Isabella (kniend.)
Gütigster Fürst, sehet, wenn es euch gefällt,
auf diesen verurtheilten Mann, als ob er mein Bruder wäre;
ich glaube, ich hoffe es, seine Tugend war aufrichtig, bis er
mich sah; wenn dieses ist, so laßt ihn nicht sterben. Meinem
Bruder ist nichts als Gerechtigkeit widerfahren; er starb für
eine Sünde, die er würklich ausgeübt hatte; Angelo
sündigte nur durch einen Vorsaz der nicht zur Vollziehung
kam; Gedanken sind dem Gesez nicht unterworffen, und Vorsäze
sind blosse Gedanken.
Mariane.
Blosse Gedanken, Gnädigster Herr.
Herzog.
Eure Fürbitte ist fruchtlos; stehet auf, sage ich. Ich habe
mich indessen eines andern Fehlers erinnert. Kerkermeister, wie
kam es, daß Claudio zu einer ungewöhnlichen Stunde
enthauptet wurde?
Kerkermeister.
Es wurde so befohlen.
Herzog.
Hattet ihr einen Richterlichen Befehl deßwegen?
Kerkermeister.
Nein, Gnädigster Herr, es geschah auf eine privat-Botschaft.
Herzog.
Und deßwegen entseze ich euch eures Amts; gebt die Schlüssel
ab.
Kerkermeister.
Vergebet mir, Gnädigster Herr; ich dachte gleich, es möchte
ein Fehler seyn, doch wußte ichs nicht gewiß; aber
es reuete mich, da ich mich besser erkundigt hatte; und der Beweiß
hievon ist dieses, daß ich einen gewissen Gefangnen, der
kraft eines privat-Befehls sterben sollte, noch habe leben lassen.
Herzog.
Wer ist er?
Kerkermeister.
Er nennt sich Bernardin.
Herzog.
Ich wollte, du hättest dieses beym Claudio gethan; geht,
holt ihn hieher, ich will ihn sehen.
Escalus.
Es ist mir leid, daß ein so gelehrter und weiser Mann, als
ihr, Freyherr Angelo, allezeit geschienen habt, beydes durch Hize
des Bluts und Mangel einer klugen Ueberlegung, so grosse Fehltritte
gemacht habt.
Angelo.
Mir ist leid, daß ich euch dieses Leid verursache, und ich
fühle mein Verbrechen so sehr, daß ich mit grösserm
Verlangen um den Tod flehe als um Gnade: Ich habe ihn verdient,
und ich bitte darum.
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