Vierte Scene.
Escalus.
Gnädigster Herr, wir wollen nichts ermangeln lassen. Herr
Lucio, sagtet ihr nicht, ihr kennet diesen Frater Ludewig für
einen Mann von schlechter Aufführung?
Lucio.
Cucullus non facit Monachum; es ist nichts ehrwürdig
an ihm als seine Kutte; er hat auf eine höchst infame Art
von der Person des Herzogs gesprochen.
Escalus.
Wir ersuchen euch, hier zu bleiben, bis er kommt, und ihn dessen
zu überweisen; es wird sich finden, daß dieser Mönch
ein schlimmer Vogel ist.
Lucio.
Als irgend einer in Wien, auf mein Wort.
Escalus.
Ruft diese Isabella wieder hieher; ich möchte mit ihr reden;
ich bitte euch, Gnädiger Herr, erlaubet mir, sie abzuhören;
ihr sollt sehen wie ich sie behandeln werde.
Lucio (vor sich.)
Ich denke nicht besser als er, nach ihrer eignen Aussage.
Escalus.
Wie beliebt?
Lucio.
Mein Seel, ich denke mein Herr, wenn ihr sie ohne Zeugen behandeln
würdet, sie würde schneller bekennen; vielleicht schämt
sie sich, es so vor allen Leuten zu thun.
Der Herzog in Mönchshabit, und der Kerkermeister;
Isabella wird herbeygeführt.
Escalus.
Ich will ernstlich mit ihr zu Werke gehen. Ein wenig näher
Madam; Hier ist ein Frauenzimmer, das allem widerspricht, was
ihr gesagt habt.
Lucio.
Gnädiger Herr, hier kommt der Schurke, von dem ich sagte,
hier mit dem Kerkermeister.
Escalus.
Er kommt eben recht; sagt ihr nichts zu ihm, bis wir euch aufruffen.
Lucio.
Nein! - -
Escalus.
Kommt, Herr, seyd ihr derjenige, der diese Weibsbilder aufstiftete,
den Freyherrn Angelo zu verläumden? Sie haben bekennt, daß
ihr es seyd.
Herzog.
Es ist nicht wahr.
Escalus.
Wie? Wißt ihr auch wo ihr seyd?
Herzog.
Den Respect vor eurer hohen Würde vorbehalten, der Teufel
selbst kan manchmal um seines brennenden Throns willen geehrt
werden. Wo ist der Herzog? Er soll mich hören, wenn ich reden
soll.
Escalus.
Der Herzog ist in uns, und wir wollen euch reden hören; sehet
zu, daß ihr die Wahrheit sagt.
Herzog.
Ganz ungescheut. Aber, o ihr armen Seelen, kommt ihr, das Lamm
hier von dem Fuchs zu fordern? Gute Nacht eurer Satisfaction!
Wenn der Herzog weggegangen ist, so ist eure Sache verlohren.
Der Herzog handelt unbillig, eure Appellation an ihn so abzuweisen,
und die Untersuchung eurer Sache dem Bösewicht zu überlassen,
den ihr anzuklagen gekommen seyd.
Lucio.
Da haben wir den Schurken; es ist der von dem ich sagte.
Escalus.
Wie, du unehrwürdiger und unheiliger Mönch, ist es dir
nicht genug, daß du diese Weibsleute heimlich gewonnen hast,
diesen würdigen Mann anzuklagen; unterstehst du dich noch,
ihn unverschämter Weise und vor seinen eignen Ohren einen
Bösewicht zu nennen? ja von ihm auf den Herzog selbst zu
fallen, und ihn der Ungerechtigkeit zu beschuldigen? Führt
ihn fort; an die Folter mit ihm; wir wollen dir eher Glied für
Glied verzetteln, eh du uns dein Vorhaben abläugnen sollst.
Was? Ungerecht?
Herzog.
Nicht so hizig; der Herzog hat so wenig das Herz, einen Finger
von mir streken zu lassen, als seinen eignen: Ich bin sein Unterthan
nicht, ich stehe auch nicht unter der hiesigen Provinz; meine
Geschäfte in diesem Staat gaben mir Gelegenheit, auf das
was hier in Wien vorgeht Acht zu geben; ich habe gesehen, wie
die Verderbniß der Sitten siedet und strudelt, bis der Kessel
überlauft; Geseze gegen alle Verbrechen; aber Verbrechen,
die so vorsichtig begangen werden, daß sie der Geseze spotten.
Escalus.
Er schmäht den Staat, weg mit ihm ins Gefängniß.
Angelo.
Was habt ihr wider ihn vorzubringen, Herr Lucio? Ist das der Mann,
von dem ihr uns erzähltet?
Lucio.
Er ists, Gnädiger Herr; kommt näher, guter Freund Kahlkopf;
kennt ihr mich?
Herzog.
Ich erinnre mich eurer am Ton eurer Stimme; ich traf euch währender
Abwesenheit des Herzogs im Gefängniß an.
Lucio.
So, traft ihr mich an? und erinnert ihr euch noch, was ihr von
dem Herzog sagtet?
Herzog.
Vollkommen, mein Herr.
Lucio.
Vollkommen, mein Herr? Und war denn der Herzog ein Hurenjäger,
ein Gek, ein Hasenfuß, wie ihr sagtet?
Herzog.
Ihr müßt erst eure Person mit mir tauschen, eh ihr
mich das sagen lassen könnt; ihr sagtet das von ihm, und
noch ärgers.
Lucio.
O du verruchter Geselle! Zog ich dich nicht bey der Nase, wie
du so redtest?
Herzog.
Ich versichre, daß ich den Herzog so sehr liebe als mich
selbst.
Angelo.
Hört ihr, wie der Bube sich wieder heraushalftern möchte,
nachdem er so verräthrische Reden ausgestossen hat?
Escalus.
Mit einem solchen Kerl muß man sich nicht einlassen; weg
mit ihm ins Gefängniß; wo ist der Kerkermeister? weg
mit ihm ins Gefängniß; legt ihm Fesseln an; laßt
ihn nicht mehr reden; weg mit diesen Mezen, ins Gefängniß,
und mit den übrigen Zusammenverschwornen.
Herzog.
Haltet, mein Herr, haltet noch ein wenig.
Angelo.
Wie? er widersezt sich? helft ihm, Lucio.
Lucio.
Kommt, mein Herr; hey da, Herr, kommt, ein wenig hieher, mein
Herr; wie? du kahlköpfichter lügenhafter Schurke; du
must um einen Kopf kürzer gemacht werden; gelt, du must?
Zeig dein Schelmengesicht, daß du die Kränke kriegest;
zeig dein bißiges Schaafs-Gesicht, und laß dich in
einer Stunde hängen: Willt du nicht fort?
(Er reißt die Mönchs-Kutte ab, und entdekt den Herzog.)
Herzog.
Du bist der erste Spizbube, der jemals einen Herzog gemacht hat.
Fürs erste, Kerkermeister, laß mich für diese
drey wakern Leute Bürge seyn - - Schleicht euch nicht hinweg,
junger Herr, denn der Frater und ihr haben noch ein Wort mit einander
zu sprechen; macht ihn feste.
Lucio.
Das kan noch ärger werden, als hängen.
Herzog zu Escalus.
Was ihr gesprochen habt, soll vergeben seyn; Sezt euch; wir
wollen einen Plaz von diesem Herrn da borgen. (Zu Angelo.)
Mit eurer Erlaubniß, mein Herr - - Hast du Worte, oder
Wiz, oder Unverschämtheit, die dir noch Dienste thun können?
Wenn du hast, so stüze dich darauf, bis ich meine Erzählung
gemacht habe, und halte dann noch aus, wenn du kanst.
Angelo.
O mein furchtbarer Fürst, ich müßte schuldiger
seyn als meine Schuld, wenn ich hoffen wollte verborgen zu bleiben,
da ich merke, daß Euer Durchlaucht, gleich einer unsichtbaren
Gottheit, meine Tritte beobachtet hat: Lasset also, Gnädigster
Herr, kein längeres Gericht über meine Schande gehalten
werden, mein eignes Bekenntniß macht alle Untersuchung überflüssig;
ein unmittelbares Urtheil und der Tod, ist alle Gnade, um die
ich bitte.
Herzog.
Kommt hieher, Mariane! Sprich, warst du jemals mit diesem Frauenzimmer
verlobt?
Angelo.
Ich war, Gnädigster Herr.
Herzog.
So nimm sie hier, und heurathe sie diesen Augenblik; verrichtet
ihr die Ceremonie, Pater; wenn sie vorbey ist, so bringt ihn wieder
hieher: Geht mit ihm, Kerkermeister.
(Angelo, Mariane, Peter und Kerkermeister gehen ab.)
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