Dritte Scene.
Herzog.
Ist das der Zeuge, Pater? Sie mag zuerst ihr Gesicht sehen lassen,
eh sie spricht.
Mariane.
Um Vergebung, Gnädigster Herr; ich lasse mein Gesicht nicht
sehen, ausser mein Gemahl beföhl' es mir.
Herzog.
So seyd ihr verheurathet?
Mariane.
Nein, Gnädigster Herr.
Herzog.
Seyd ihr ein Mädchen?
Mariane.
Nein, Gnädigster Herr.
Herzog.
Eine Wittwe also?
Mariane.
Auch das nicht, Gnädigster Herr.
Herzog.
Wie, seyd ihr denn nichts? Weder Mädchen, noch Frau, noch Wittwe?
Lucio.
Gnädigster Herr, sie ist vielleicht eine Pf** Köchin - -
Herzog.
Macht doch diesen Kerl schweigen; ich wollte, er hätte etwas
mit sich selbst zu dahlen.
Lucio.
Gut, Gnädigster Herr.
Mariane.
Gnädigster Herr, ich gesteh's, ich bin nie verheurathet gewesen;
ich gesteh auch zugleich, daß ich kein Mädchen bin;
ich habe meinen Gemahl gekannt, aber mein Gemahl weiß nicht,
daß er mich jemals gekannt hat.
Lucio.
So war er also betrunken, Gnädigster Herr, es kan nicht anders
seyn.
Herzog.
Ich wollte du wär'st es auch, so schwiegest du doch wenigstens.
Lucio.
Gut, Gnädigster Herr.
Herzog.
Das ist keine Zeugin für den Freyherrn Angelo.
Mariane.
Ich komme nun dazu, Gnädigster Herr. Das Frauenzimmer, das
ihn beschuldiget, daß er sie entehrt habe, klagt dadurch
meinen Gemahl an, indem sie vorgiebt, daß es zu einer Zeit
geschehen sey, von der ich behaupte, daß ich ihn mit allen
Würkungen der Liebe in meinen Armen hatte.
Angelo.
Beschuldiget sie jemand mehr als mich?
Mariane.
Nicht daß ich wüßte.
Herzog.
Nicht? Ihr sagt, euer Gemahl?
Mariane.
So ist es, Gnädigster Herr, und der ist Angelo; der sich
einbildt, er wisse gewiß, daß er mich nie berührt
habe, aber gewiß weiß, daß er sich einbildt,
es sey Isabella gewesen.
Angelo.
Das heißt die Bosheit weit getrieben; laß dein Gesicht
sehen!
Mariane.
Mein Gemahl befiehlt es, nun will ichs thun. (Sie nimmt ihren
Schleyer ab.) Siehe hier, du grausamer Angelo, siehe das Gesicht,
welches einst, wenn deine Schwüre Glauben verdienten, werth
war angesehen zu werden; dieses ist die Hand, die durch einen
feyerlichen Ehverspruch in die deinige geschlossen wurde; diß
ist der Leib, der das Versprechen der Isabella bezahlte, und in
deinem Gartenhaus ihre eingebildete Person vorstellte!
Herzog zu Angelo.
Kennt ihr dieses Frauenzimmer?
Lucio.
Fleischlicher Weise, sagt sie.
Herzog.
Schlingel, kein Wort mehr.
Lucio.
Genug, Gnädigster Herr.
Angelo.
Gnädigster Herr, ich muß gestehen, daß ich dieses
Frauenzimmer kenne. Vor ungefehr fünf Jahren wurde eine Verbindung
zwischen mir und ihr in Vorschlag gebracht, die sich aber wieder
zerschlug, theils weil ihr Vermögen sich weit geringer befand
als man es angegeben hatte; vornemlich aber, weil der Ruf einer
unvorsichtigen Aufführung ihre Ehre zweifelhaft machte. Seit
diesem bezeuge ich bey meiner Ehre und Treue, daß ich sie
binnen fünf Jahren weder gesehen, noch mit ihr gesprochen,
noch von ihr gehört habe.
Mariane.
Grosser Fürst, so gewiß als das Licht vom Himmel, und
Worte vom Athem kommen; so gewiß als Vernunft in der Wahrheit,
und Wahrheit in der Tugend ist; so gewiß bin ich, in Kraft
der feyerlichsten Gelübde, dieses Mannes verlobtes Weib:
Und nur erst in verwichner Dienstags-Nacht, in seinem Garten-Hause,
erkannte er mich wie ein Weib. So wahr als diß ist, möge
ich gesund von meinen Knien wieder aufstehen, oder wo nicht, auf
ewig hier als ein marmornes Denkbild stehen bleiben.
Angelo.
Ich lächelte bisher nur; aber nun, Gnädigster Herr,
muß ich Euer Durchlaucht bitten, mir Recht zu schaffen.
Meine Geduld geht zu Ende; ich sehe, daß diese armen einfältigen
Weibsbilder nur die Werkzeuge einer verborgnen und mächtigern
Hand sind, die sie in Bewegung sezt. Verstattet mir, Gnädigster
Herr, daß ich mich bemühe, auf den Grund dieses Complots
zu kommen.
Herzog.
Von Herzen gern, und die Schuldigen so hart als ihr wollt, abzustraffen.
Du thörichter Mönch und du boshaftes Weibsbild, denkt
ihr, eure Eydschwüre selbst, und wenn sie alle Heiligen persönlich
herabschwören würden, wären ein hinlängliches
Zeugniß gegen sein bewährtes und so lange festgeseztes
Ansehen? Escalus, sezet euch mit meinem Vetter, und leihet ihm
eure freundschaftliche Mühe, die Quelle dieser schändlichen
Verläumdungen zu entdeken. Es ist noch ein andrer Mönch,
der sie aufgestiftet hat; laßt ihn herbeyschaffen.
Peter.
Ich wünschte, Gnädigster Herr, er wäre hier; denn
in der That ist er derjenige, der diese Frauenzimmer aufgemuntert,
diese Klagen anhängig zu machen. Euer Kerkermeister kennt
den Ort, wo er sich aufhält, und kan ihn holen.
Herzog.
Geht, thut es augenbliklich; und ihr, mein edler und würdiger
Vetter, dem am meisten daran ligt, diese Sache genauer zu untersuchen,
verfahret nach euerm Gutdünken in Bestrafung der Schuldigen.
Ich will euch für eine Weile verlassen; aber bleibt ihr so
lange zurük, bis ihr die Bosheit dieser Verläumder völlig
zu Schanden gemacht habt.
(Er geht ab.)
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