Dritte Scene.
Der Herzog und der Kerkermeister zu den Vorigen.
Herzog.
Ein Wort mit euch, junge Schwester, nur ein Wort.
Isabella.
Was ist euer Begehren?
Herzog.
Wenn eure Zeit es zuliesse, so möcht ich eine kleine Unterredung
mit euch haben, deren Inhalt zu euerm eignen Besten abzielt.
Isabella.
Ich habe keine überflüßige Zeit; ich muß
mein Verweilen andern Geschäften stehlen; aber doch will
ich noch eine Weile hier bleiben, euch anzuhören.
Herzog.
Sohn, ich habe gehört was zwischen euch und eurer Schwester
vorgegangen ist. Angelo hat nie den Vorsaz gehabt sie zu verführen;
seine Absicht war nur, ihre Tugend auf die Probe zu stellen, und
er ist erfreut daß sie ihn so muthig abgewiesen hat. Ich
bin des Angelo Beichtiger, und weiß daß diß
wahr ist; bereitet euch also zum Tode. Entkräftet eure Entschlossenheit
nicht durch betrügliche Hoffnungen; morgen müßt
ihr sterben; auf eure Knie nieder, und bereitet euch zu!
Claudio.
Laßt mich meine Schwester um Verzeihung bitten. Die Liebe
zum Leben ist mir so vergangen, daß ich froh seyn werde,
davon los zu kommen.
(Claudio geht ab.)
Herzog.
Gehabt euch wohl. Kerkermeister, ein Wort mit euch.
Kerkermeister.
Was ist euer Wille, Vater?
Herzog.
Daß ihr euch ein wenig entfernen sollt; laßt mich
eine Weile bey dieser Schwester; mein Habit und mein Character
sind euch Bürge, daß sie von meiner Gesellschaft nichts
zu besorgen hat.
Kerkermeister.
Das kan wohl geschehen.
(Geht ab.)
Herzog.
Das Glük hat es so gefügt, daß ich von dem Anfall,
den Angelo auf eure Tugend gethan hat, benachrichtiget worden
bin; und wenn diese Gebrechlichkeit nicht durch andre Beyspiele
begreiflich gemacht würde, so würde sie mich an Angelo
wundern: aber was wollt ihr thun, diesen Statthalter zu befriedigen,
und euern Bruder zu retten?
Isabella.
Ich bin im Begriff ihm meinen Entschluß zu melden; ich will
lieber, mein Bruder sterbe durch das Gesez, als mein Sohn werde
gegen das Gesez gebohren. Aber, o! wie sehr hat sich der gute
Herzog in diesem Angelo betrogen! Wenn er jemals wieder zurük
kömmt, und ich vor ihn kommen kan, so will ich die Sprache
verliehren, oder ihm diese schändliche Regierung entdeken.
Herzog.
Das wird nicht übel gethan seyn; aber so wie die Sache izt
steht, wird Angelo eure Anklage unkräftig machen; er wird
sagen, er habe euch nur auf die Probe gesezt. Höret also
meinen Rath; meine Begierde Gutes zu thun, giebt mir ein Mittel
ein: Mich däucht, ihr könntet auf die unschuldigste
Art und zu gleicher Zeit einem armen beleidigten Frauenzimmer
einen Dienst leisten den sie verdient, euerm Bruder das Leben
retten, und euch dem abwesenden Herzog nicht wenig gefällig
machen, wenn er jemals wiederkommen, und von dieser Sache hören
sollte.
Isabella.
Redet weiter; ich habe Muth genug alles zu unternehmen, wovon
mein Herz mir nicht sagt, daß es unrecht ist.
Herzog.
Die Tugend ist herzhaft, und die Güte niemals furchtsam.
Habt ihr nicht von einer gewissen Mariana gehört, einer Schwester
des Schiffhauptmann Friedrichs der auf dem Meer verunglükte?
Isabella.
Ich habe viel Gutes von diesem Frauenzimmer sagen gehört.
Herzog.
Sie sollte dieser Angelo geheurathet haben, er hatte sich mit
ihr versprochen, und der Hochzeit-Tag war schon angesezt: Allein
während der Zwischenzeit hatte Friedrich das Unglük,
in einem Schiffbruch sein Vermögen, seiner Schwester Erbtheil,
und sein Leben zu verliehren. Die arme Fräulein verlor dadurch
einen edeln und angesehnen Bruder der sie zärtlichst liebte,
mit ihm ihr Heurathgut, und mit beyden ihren Bräutigam, diesen
scheinbaren Angelo.
Isabella.
Ist das möglich? Angelo verließ sie?
Herzog.
Verließ sie in Thränen, und troknete nicht eine derselben
mit seinem Trost ab, brach sein Gelübde unter dem Vorwand
einige Fleken an ihrer Ehre entdekt zu haben; kurz, überließ
sie ihrem Elend, und den Schmerzen die sie um seinetwillen leidet - -
Isabella.
Wie wohl würde der Tod thun, wenn er dieses arme Mädchen
aus der Welt nähme! Und wie ungerecht ist dieses Leben, daß
es einen solchen Mann leben läßt! Aber wie kan ihr
geholfen werden?
Herzog.
Es ist ein Bruch, den ihr leicht heilen könnet; und die Heilung
desselben rettet nicht nur euern Bruder, sondern macht auch daß
ihr ihn ohne Verlezung eurer Ehre retten könnet.
Isabella.
Wie kan das geschehen, mein guter Vater?
Herzog.
Die vorbenannte Person hegt noch immer ihre erste Leidenschaft;
sein ungerechter Kaltsinn, der ihre Liebe billig ausgelöscht
haben sollte, hat sie, gleich einem Hinderniß das dem Lauf
eines Stroms entgegensieht, nur heftiger und unordentlicher gemacht.
Geht ihr zu Angelo, antwortet seinem Begehren durch den Verspruch
eines verstellten Gehorsams; gestehet ihm die Hauptsache zu, nur
behaltet euch diese Bedingungen vor, daß ihr euch nicht
lange bey ihm verweilen müsset, daß die Zeit von Dunkelheit
und Stillschweigen begleitet sey, und der Ort die Bequemlichkeiten
habe, die ein Geheimniß erfodert. Gesteht er euch dieses
zu, so geht alles nach unserm Wunsche; wir unterrichten alsdenn
dieses beleidigte Mädchen, sich zur gesezten Stunde an euern
Plaz zu stehlen; dieses kan, wenn die Wahrheit sich in der Folg'
entdekt, ihn nöthigen ihr Gerechtigkeit wiederfahren zu lassen,
euer Bruder kommt dadurch in Freyheit, eure Ehre bleibt unbeflekt,
die arme Mariana wird versorgt, und dem Stadthalter wird die Larve
abgezogen. Ich nehm' es über mich, das gute Mädchen
dazu vorzubereiten; wenn euch dieser Entwurf sonst gefällt,
so braucht ihr euch kein Bedenken zu machen; das dreyfache Gute
das daraus entspringt, macht den Betrug untadelhaft. Was dünkt
euch hiezu?
Isabella.
Die Vorstellung davon beruhigt mich bereits und ich hoffe der
Ausgang werde erfreulich seyn.
Herzog.
Es kommt alles auf euern Beytrag an; eilet unverzüglich zu
Angelo; wenn er euch um diese Nacht bittet, so sagt es ihm zu,
unter den Bedingungen, die wir abgeredt haben. Ich will indessen
zu Marianen gehen; fraget mir bey St. Lucas wieder nach, und macht
daß ihr von Angelo bald zurükkommt.
Isabella.
Ich danke euch für diesen Beystand; lebet wohl indessen,
mein guter Vater.
(Sie gehen ab.)
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