Zweyte Scene.
Claudio.
Nun, Schwester, was für einen Trost bringt ihr?
Isabella.
Wie sie alle zu seyn pflegen; einen sehr guten in der That; der
Freyherr Angelo, welcher Geschäfte im Himmel hat, ist entschlossen
euch zu seinem Abgesandten dahin zu machen; macht euch also ohne
Verzug reisefertig, morgen sollt ihr übersezen.
Claudio.
Ist denn kein Mittel?
Isabella.
Keines als solch ein Mittel, das, um einen Kopf zu retten, ein
Herz entzwey brechen würde.
Claudio.
Aber ist denn eines?
Isabella.
Ja, Bruder, ihr könnt bey Leben bleiben; es ist ein Mittel
- - Aber eines, daß wenn ihr fähig wäret es zu
billigen, eure Ehre sich von diesem Rumpf, den ihr tragt, abstreifen,
und euch nakend lassen würde.
Claudio.
Und was ist es denn?
Isabella.
O, ich fürchte dich, Claudio, ich fürchte du möchtest,
um ein fieberhaftes Leben zu verlängern, sechs oder sieben
Winter theurer schäzen als eine immerwährende Ehre -
- Hast du den Muth zu sterben? Die Empfindung des Todes ist das
fürchterlichste an ihm; der arme Käfer, auf den wir
treten, leidet so viel als ein sterbender Riese.
Claudio.
Warum denkst du so schmählich von mir? Haltst du mich für
so schwach, daß ich keiner männlichen Entschliessung
fähig seyn sollte? Wenn ich sterben muß, so will ich
der Finsterniß wie einer Braut entgegen gehn, und sie in
meine Arme drüken.
Isabella.
Izt sprach mein Bruder, und eine Stimme stieg aus meines Vaters
Grab empor. Ja, du mußt sterben; du bist zu edel, ein Leben
durch niederträchtige Gefälligkeiten zu erkauffen. Dieser,
mit Heiligkeit übertünchte Stadthalter, dessen gesezte
Mine und wohlbedächtliche Rede der Jugend die Klauen in den
Kopf schlägt, und ihre Thorheiten berupft, wie der Falke
die Eule, ist doch nur ein Teufel, dessen Herz einen Abgrund von
Unrath, so tief als die Hölle, in sich hat.
Claudio.
Der priesterliche Angelo?
Isabella.
O das ist die betrügerische Liverey der Hölle, den verdammtesten
Körper in priesterliches Gewand einzuhüllen. Kanst du
glauben, Claudio, daß wenn ich ihm meine Jungfrauschaft
überlassen wollte, du frey werden könntest?
Claudio.
O Himmel! das kan nicht seyn.
Isabella.
So ist es; diese Nacht ist die Zeit, da ich thun soll, was ich
zu nennen verabscheue, oder morgen stirbst du.
Claudio.
Du sollst es nicht thun.
Isabella.
O! wär' es nur mein Leben, ich wollt es für deine Befreyung
so willig hinwerfen, als eine Steknadel.
Claudio.
Ich danke dir, meine theurste Isabella.
Isabella.
Bereite dich also morgen zu sterben, Claudio.
Claudio.
Ja. So hat er auch solche Begierden, die das Gesez in die Nase
beissen, wenn er es übertreten will - - Gewißlich,
es ist keine Sünde, oder es ist doch wenigstens von den sieben
Todsünden die lezte.
Isabella.
Was ist die lezte?
Claudio.
Wenn es so verdammlich wäre, würde er, der ein so weiser
Mann ist, um die Lust eines Augenbliks ewig verdammt seyn wollen?
O Isabella - -
Isabella.
Was sagt mein Bruder?
Claudio.
Tod ist ein fürchterliches Ding.
Isabella.
Und ein schändliches Leben ein hassenswürdiges.
Claudio.
Ja, aber sterben, und gehn wo man nicht weiß wohin; in kalter
Erstarrung da ligen und verfaulen; diese warme gefühlvolle
Bewegung zum starren Kloz werden, indeß daß der wollustgewohnte
Geist sich in feurigen Fluthen badet, oder in Gegenden von aufgehäuftem
Eyß erstarret, oder in unsichtbare Winde eingekerkert mit
rastloser Gewalt rund um die schwebende Welt getrieben wird; oder
noch unseliger ist als das unseligste, was zügellose und
schwärmende Gedanken heulend sich vorbilden - - Das ist entsezlich!
Das armseligste Leben, mit allem Ungemach belastet, was Alter,
Krankheit, Dürftigkeit und Gefangenschaft der Natur auflegen
können, ist ein Paradies gegen das, was wir auf den Tod fürchten.
Isabella.
O weh!
Claudio.
Liebste Schwester, laß mich leben. Wenn das Sünde seyn
kan, wodurch du deines Bruders Leben erkaufst, so spricht die
Natur so nachdrüklich für eine solche That, daß
sie zur Tugend wird.
Isabella.
O! du Thier! O! du ehrlose Memme! O! du schändlicher Elender!
Willt du durch mein Verbrechen zum Menschen gemacht werden? Ist
es nicht eine Art von Blutschande, dein Leben von deiner eignen
Schwester Schaam zu empfangen? Was muß ich denken? Möge
der Himmel verhütet haben, daß meine Mutter meinem
Vater untreu gewesen; ein so niederträchtiges Unkraut konnte
nicht aus seinem Blut entstehen. Stirb, vergeh Elender! Könnt
ich dich durch einen blassen Kniefall vom Tod erretten, ich wollt
es nicht thun. Ich will tausend Gebette für deinen Tod sprechen,
und nicht ein Wort, dich zu retten.
Claudio.
Nein, höre mich, Isabella.
Isabella.
O Pfui, Pfui, Pfui, deine Sünde, izt seh ichs, ist kein Fall,
sondern ein Handwerk; Gnade gegen dich würde selbst zur Kupplerin
werden; das beste ist, du sterbest ungesäumt.
Claudio.
O höre mich, Isabella.
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