Achte Scene.
(Ein Frauen-Kloster.)
Isabella, und Francisca.
Isabella.
Und habt ihr Kloster-Frauen keine andern Freyheiten?
Francisca.
Sind diese nicht groß genug?
Isabella.
Ja, freylich; ich frage nicht, als ob ich mehr wünschte;
sondern weil ich wünschte, daß die Schwesterschaft
der heiligen Clara noch enger eingeschränkt seyn möchte.
Lucio läßt seine Stimme hinter der Scene hören.
Isabella.
Was ist das? Wer ruft?
Francisca.
Es ist eines Mannes Stimme. Meine liebe Isabella, schließt
ihr auf, und fragt ihn was er will; ihr dürft es thun, ich
nicht; ihr habt das Gelübde noch nicht gethan; wenn ihr es
gethan habt, so dürft ihr mit keiner Mannsperson sprechen,
ausser in Gegenwart der Priorin; und auch dann, wenn ihr redet,
dürft ihr euer Gesicht nicht zeigen, oder wenn ihr das Gesicht
zeigt, dürft ihr nicht reden. Er ruft wieder; ich bitte euch,
gebt ihm Antwort.
(Francisca geht ab.)
Isabella.
Wer ruft hier?
(Sie macht die Thüre auf.)
Lucio kommt herein.
Lucio.
Heil, Jungfrau, wenn ihr seyd, wofür euch diese Rosenwangen
ankündigen; wollt ihr so gefällig seyn, und mich vor
Isabellen bringen, der schönen Schwester des unglüklichen
Claudio, die sich unter den Probe-Schwestern dieses Hauses befindet.
Isabella.
Warum des unglüklichen Claudio, laßt mich zurükfragen,
indem ich euch sage, daß ich diese Isabella und seine Schwester
bin.
Lucio.
Holdselige Schöne, euer Bruder grüsset euch; um euch
nicht lange aufzuhalten, er ligt im Gefängniß.
Isabella.
Weh mir! Und warum?
Lucio.
Für etwas, wofür er, wenn ich sein Richter wäre,
Belohnung statt Strafe erhalten sollte; er hat einer guten Freundin
ein Kind gemacht.
Isabella.
Mein Herr, erzählt mir nicht eure eigne Geschichte.
Lucio.
Es ist wie ich sage; wenn es gleich meine Schooßsünde
ist, den Kybizen mit den Mädchen zu spielen, und ihnen zum
Spaß Dinge vorzusagen, wovon mein Herz nichts weiß,
so wollte ich doch nicht mit allen Jungfrauen so scherzen. Ich
sehe euch für ein geheiligtes und dem Himmel geweyhtes Geschöpf
an; und, aufrichtig zu reden, euer Stand macht euch in meinen
Augen schon zu einem abgeschiednen seligen Geist.
Isabella.
Ihr lästert das Gute, indem ihr meiner spottet.
Lucio.
Denket das nicht von mir. In wahrem Ernst, diß ist die Sache:
Euer Bruder hat seine Liebste in einen Zustand gesezt, der dasjenige
was zwischen ihnen vorgegangen, unleugbar macht.
Isabella.
Ist eine schwanger von ihm? - - Meine Base Juliette?
Lucio.
Ist sie eure Base?
Isabella.
Durch Adoption, durch die Liebe, die wir als Kinder für einander
gehabt.
Lucio.
Sie ist es.
Isabella.
O! So kan er sie ja heurathen.
Lucio.
Das ist eben der Knoten. Der Herzog hat sich auf eine sehr seltsame
Art von hier wegbegeben; und manchen Edelmann, worunter ich selbst
einer bin, in der Hoffnung, einen Antheil an der Staats Verwaltung
zu bekommen, getäuscht. Allein wenn denjenigen zu glauben
ist, welche die wahren Nerven des Staats kennen, so ist die Bestellung
die er gemacht, unendlich weit von seiner würklichen Absicht
entfernt. Indessen herrschet an seinem Plaz, und mit seiner ganzen
unumschränkten Gewalt, der Freyherr Angelo, ein Mann dessen
Blut Schneewasser ist; ein Mann der durch die Stärke seiner
Seele, durch Studieren und Fasten den Stachel der Natur stumpf
gemacht hat; der die Bewegung der Sinne, und den Trieb der unordentlichen
Lust nie gefühlt hat. Dieser, (um den Muthwillen und die
Ausgelassenheit, die eine lange Zeit um die drohenden Geseze,
wie Mäuse um Löwen, herumgeschwärmt, in Schreken
zu sezen) hat ein Gesez hervorgesucht, unter dessen schwerem Inhalt
eures Bruders Leben der Todesstraffe verfallen ist; er hat ihn
also gefangen gesezt, und will durch Vollziehung der ganzen Strenge
des Gesezes, ihn andern zu einem Beyspiel machen. Alle Hoffnung
ist hin, wofern ihr nicht das Glük habt, durch eure schöne
Fürbitte den Angelo zu rühren; und dieses ist, warum
ich euch in euers Bruders Namen bitte.
Isabella.
Er will ihm das Leben nehmen, sagt ihr?
Lucio.
Er hat das Urtheil schon gesprochen, und der Kerkermeister hat,
wie ich höre, schon den Befehl wegen der Hinrichtung.
Isabella.
Ach Himmel! Was kan ich ihm also helfen?
Lucio.
Versucht die Macht, die ihr habt.
Isabella.
Meine Macht? Ach! ich zweifle - -
Lucio.
Unsre Zweifel sind Betrüger, und bringen uns oft um das Gute,
das wir gewinnen könnten, durch die blosse Furcht vor dem
Versuch. Geht zu dem Stadthalter, und laßt ihn erfahren
lernen, was die Bitten, die gebognen Knie und die Thränen
der Schönheit über einen Mann vermögen.
Isabella.
Ich will sehen was ich thun kan.
Lucio.
Aber beschleuniget euch.
Isabella.
Ich will nicht länger säumen, als um der würdigen
Mutter Nachricht von meinem Geschäfte zu geben. Ich danke
euch von Herzen; grüsset meinen Bruder: eh es Nacht ist,
will ich ihm von meiner Ausrichtung Nachricht geben.
Lucio.
Ich beurlaube mich von euch, schöne Schwester - -
Isabella.
Lebet wohl, mein gütiger Herr.
(Sie gehen ab.)
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