Siebende Scene.
(Ein Kloster.)
Der Herzog und Bruder Thomas.
Herzog.
Nein, heiliger Vater, laßt diesen Gedanken fahren: Glaubet
nicht, daß der schmuzige Pfeil der Liebe einen männlichen
Busen durchdringen könne. Die Ursache, warum ich euch um
eine geheime Beherbergung bitte, ist wichtiger und ernsthafter,
als die ausschweiffenden Absichten der glühenden Jugend.
Bruder.
Kan Eure Durchlaucht davon reden - -
Herzog.
Mein ehrwürdiger Vater, niemand weiß besser als ihr,
wie sehr ich immer das abgesonderte Leben geliebt, und wie wenig
ich an den Gesellschaften, wo Jugend, Verschwendung, und fröliche
Thorheit sich vereinigen, Geschmak gehabt habe. Ich habe dem Freyherrn
Angelo, einem Mann von strengen Sitten und geübter Enthaltsamkeit,
meine ganze unumschränkte Gewalt in Wien übertragen;
und er ist in der Einbildung, daß ich nach Polen gereißt
sey; denn so hab' ich unter die Leute streuen lassen, und so ist
es angenommen: Nun, mein frommer Herr, werdet ihr mich fragen,
warum ich das thue?
Bruder.
Wenn es erlaubt ist, Gnädigster Herr.
Herzog.
Wir haben strenge Geseze, (ein nothwendiges Gebiß für
unbändige Unterthanen) die wir diese neunzehn Jahre her haben
schlaffen lassen, gleich einem überfüllten Löwen,
der in seiner Höle ligen bleibt, und nicht auf Beute ausgeht.
Wie es nun zu begegnen pflegt, daß wenn allzu zärtliche
Väter die Ruthe nicht zum Gebrauch, sondern nur zum Schreken,
ihren Kindern vor die Augen steken, sie in kurzer Zeit mehr verlacht
als gefürchtet wird; so ist es unsern Gesezen gegangen: Anstatt
den Verbrechern den Tod zu geben, sind sie selbst todt; die ungebundne
Freyheit zieht die Gerechtigkeit bey der Nase, der Säugling
schlägt die Amme, und alle Anständigkeit der Sitten
geht verlohren.
Bruder.
Es hieng nur von Euer Durchlaucht ab, diese gefesselte Gerechtigkeit
wieder los zu lassen, und es würde an Euch furchtbarer geschienen
haben, als an Angelo.
Herzog.
Ich besorge, nur allzu furchtbar. Da es mein Fehler war, dem Volk
so viel Freyheit zu lassen, so würde es Tyranney gewesen
seyn, sie für das zu strafen, was ich selbst ihnen zu thun
befahl. Denn wir befehlen Böses zu thun, wenn wir den Uebelthaten
statt der Straffe ihren freyen Lauf lassen. Dieses ist der wahre
Grund, mein Vater, warum ich dieses Amt dem Angelo aufgetragen
habe, der unter dem schüzenden Ansehen meines Namens straffen
kan, ohne daß, so lange meine Person nicht gesehen wird,
der Tadel auf mich fällt. Um aber selbst ein Augenzeuge von
dieser Regierung zu seyn, will ich unter dem Namen eines Bruders
von euerm Orden, sowol den Regenten als das Volk besuchen. Ich
bitte dich also, schaffe mir einen Habit, und unterrichte mich,
damit ich die vollständige Person eines ächten Franciscaner-Mönchs
spielen könne. Noch mehr Gründe für diese Handlung
will ich bey mehrerer Musse eröffnen; einer davon ist dieser:
Angelo ist strenge; steht gegen jeden Tadel auf der Hut, gesteht
kaum, daß sein Blut fließt, oder daß er zu Brot
mehr Appetit hat als zu Stein. Wir können vielleicht bey
dieser Gelegenheit lernen, wie viel man sich auf diese strengen
Tugenden verlassen kan.
(Sie gehen ab.)
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