Zweyte Scene.
Warwik und Surrey treten auf.
Warwik.
Unzählbare glükliche Morgen, Gnädigster Herr!
König Heinrich.
Ist es schon Morgen, Lords?
Warwik.
Es ist schon über ein Uhr.
König Heinrich.
Nun dann, so wünsch ich euch einen guten Morgen - Gut, Milords,
habt ihr die Briefe gelesen, die ich euch schikte?
Warwik.
Wir haben, Gnädigster Herr.
König Heinrich.
Ihr habt also daraus ersehen, in welch einem verdorbnen Zustand
unser Staats-Körper ligt, wie sehr seine innerliche Schäden
zunehmen, und wie nahe die Gefahr zu seinem Herzen gedrungen ist.
Warwik.
Die Krankheit ist nicht so gefährlich, daß dieser fiebrische
Körper nicht durch gute Diät und ein wenig Medicin zu
seiner vorigen Stärke hergestellt werden könnte; Milord
von Northumberland wird bald abgekühlt seyn.
König Heinrich.
O Himmel, wer im Buche des Schiksals lesen könnte, was für
Veränderungen die kommenden Zeiten mit sich bringen, wie
sie Gebürge ebnen, und das feste Land, troz seiner unbeweglichen
Dauerhaftigkeit, in die See zerschmelzen werden; oder wie zu einer
andern Zeit der felsichte Gürtel des Oceans zu weit für
Neptuni Hüften wird; wie ein Wechsel den andern verdrängt,
und der Zufall den Becher des Glüks bald mit süssem
bald mit bitterm Getränk anfällt! O, könnte diß
gesehen werden, der glüklichste Jüngling, wenn er durch
diese Aussicht vergangner und zukünftiger Widerwärtigkeiten
hindurchschaute, würde das Buch zumachen, sich niederlegen
und sterben! Es sind noch nicht zehn Jahre, daß Richard
und Northumberland als die besten Freunde einander Bankette gaben,
und zwey Jahre darauf lagen sie gegen einander zu Felde. Es ist
kaum acht Jahre, daß dieser Percy meinem Herzen der nächste
war, daß er sich mit dem Eifer eines Bruders für mich
bearbeitete, und seine Liebe und sein Leben unter meine Füsse
legte. Er gieng so weit, daß er um meinetwillen Richarden
ins Gesicht den Gehorsam aufkündigte. War nicht einer von
euch dabey? Ihr, Vetter Nevil, denke ich - - als Richard, von
Northumberland mit bittern Vorwürfen angefallen, mit thränenvollen
Augen diese Worte sagte, die nun zu einer Propheceyung geworden
sind: Northumberland, du Leiter, auf welcher Bolingbroke zu meinem
Thron hinaufsteigt, (obgleich damals, der Himmel weiß es,
eine solche Absicht weit von mir entfernt war, und in der Folge
erst die Umstände des Staats mich zu Uebernehmung der Crone
nöthigten;) die Zeit wird kommen, fuhr er fort, daß
dein schändliches Verbrechen, wie ein reiffes Geschwür,
in faulen Eiter ausfliessen wird; und so fuhr er fort, diesen
Bruch unsrer Freundschaft und die Umstände worinn wir izt
sind, vorher zu sagen.
Warwik.
Das menschliche Leben ist seinen hauptsächlichsten Zügen
nach eine blosse Abbildung der vormaligen Zeiten; das künftige
ligt wie ein Embryon in dem Gegenwärtigen eingehüllt,
und wer also das Vergangne und Gegenwärtige wohl beobachtet
hat, mag oft mit vieler Richtigkeit vorhersagen, was für
noch ungebohrne Veränderungen die Zukunft ausbrüten
wird. Auf diese Art konnte König Richard mit einer Art von
gewisser Vermuthung vorhersehn, daß der mächtige Northumberland,
der damals ihm untreu war, aus dem nemlichen Saamen in eine noch
größre Untreue aufschiessen würde, die keinen
andern Grund, um Wurzeln zu fassen, finden könnte als euch.
König Heinrich.
Sind denn alle diese Dinge unvermeidliche Nothwendigkeiten? Nun
so laßt uns ihnen auch als Nothwendigkeiten entgegen gehen
- - Man sagt, der Bischoff und Northumberland seyen fünfzig
tausend Mann stark.
Warwik.
Das kan nicht seyn; das Gerücht verdoppelt, wie ein Echo,
die Anzahl der Gefürchteten. Geruhet euch zu Bette zu begeben,
Gnädigster Herr. Bey meinem Leben, die Macht die Eu. Majestät
ihnen bereits entgegen gestellt hat, ist hinlänglich, den
Sieg davon zu tragen. Zu eurer noch grössern Beruhigung bring'
ich die gewisse Nachricht, daß Glendower todt ist. Eu. Majestät
hat sich diese vierzehn Tage her übel befunden, und dieses
unzeitige Wachen muß eure Unpäßlichkeit nothwendig
vermehren.
König Heinrich.
Ich will euerm Rath folgen, und wären wir nur einmal dieser
einheimischen Unruhen los, so wollten wir bedacht seyn, liebste
Lords, unsern beschloßnen Zug ins gelobte Land auszuführen.
(Sie gehen ab.)
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