Dritter Aufzug.
Erste Scene.
Der Palast in London.
König Heinrich in seinem Nachtrok, und ein Edelknabe treten auf.
König Heinrich.
Geh, ruffe die Grafen von Surrey und Warwik; aber eh sie kommen,
sag ihnen, daß sie diese Briefe lesen, und den Inhalt wol
überlegen sollen: Halte dich nicht auf.
(Der Edelknabe geht ab.)
Wie viele tausende von meinen ärmsten Unterthanen schlafen
in dieser Stunde! O holder Schlaf, wohlthätige Amme der Natur,
womit hab' ich dich erschrekt, daß du meine Auglieder nicht
mehr schliessen, meine Sinnen nicht mehr in süsses Vergessen
aller Sorgen wiegen willst? Warum ligst du lieber in rauchigen
Krippen, auf unbequemen Strohsäken ausgestrekt, und von summenden
Nachtfliegen in deinen Schlummer eingezischet, als in den parfümirten
Zimmern der Grossen, unter goldnen Thronhimmeln, und von den angenehmsten
Symphonien eingewiegt? O warum liegst du bey den Niedrigsten in
ekelhaften Betten, und verlässest das königliche Lager
wie ein Schilderhäuschen bey einer Sturmgloke? Kanst du,
zu oberst auf dem wankenden Mast des Schiff-Jungens Augen versiegeln,
und sein Gehirn in der Wiege der ungestümen Woge einwiegen,
den Winden ausgesezt, welche die aufrührischen Wellen beym
Schopf ergreiffen, ihre ungeheuren Häupter krümmen,
und sie unter betäubendem Geschrey an den schlüpfrigen
Mast-Tauen aufhängen - - Kanst du, o partheyischer Schlaf,
dem nassen See-Jungen in einer so rauhen Stunde Ruhe geben, und
versagst sie in der stillesten Nacht, bey allen ersinnlichen Mitteln
sie zu befördern, einem Könige? So schlummre dann sanft,
glüklicher Bettler! Das Haupt ligt übel, das eine Crone
trägt.
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