Sechste Scene.
Northumberlands-Burg.
Northumberland, Lady Northumberland, und Lady Percy.
Northumberland.
Ich bitte dich, mein liebes Weib, und euch, meine werthe Tochter,
laßt den Entschliessungen ihren Lauff, wozu die Zeit mich
nöthigt. Beunruhigt mich nicht länger durch Vorstellungen,
welchen Gehör zu geben nicht mehr in meiner Macht ist.
Lady Northumberland.
Ich hab es aufgegeben, ich will nichts mehr sagen: thut was ihr
wollt; eure Klugheit sey eure Rathgeberin.
Northumberland.
Ich habe meine Ehre zum Pfand gegeben, liebstes Weib; und nichts
kan sie wieder einlösen, als wenn ich gehe.
Lady Percy.
O, um des Himmels willen, bleibet dem ungeachtet zurük. Es
war eine Zeit, Vater, da ihr euer Wort brachet, obgleich weit
mehr daran gelegen war es zu halten, als izt. Wie manchen Blik
schikte euer Percy, euer Sohn, mein liebster Harry, nordwärts,
dem Beystand entgegen, den ihm sein Vater zuführen sollte?
aber er wartete umsonst. Wer beredete euch damals daheim zu bleiben?
In einem so entscheidenden Zeitpunct, und da durch euer Zurükbleiben
eure und euers Sohnes Ehre verlohren gieng? Was die eurige betrift,
möge himmlische Glorie sie umglänzen! Die seinige stand
über ihm wie die Sonne im arzurnen Gewölbe des Himmels:
Und die ganze Ritterschaft von England bewegte sich bey seinem
Licht, in der Laufbahn ruhmwürdiger Thaten. Er war der Spiegel,
vor dem die edle Jugend ihre Gestalt untersuchte. Er sah keine
Füsse, die nicht seinen Gang nachahmten; und mit der Zunge
anstossen, welches bey ihm ein Natur-Fehler war, wurde der allgemeine
Accent der Tapfern; so groß war die Begierde, ihm ähnlich
zu seyn. Nicht nur seine kriegrischen Vorzüge, selbst seine
Sprache, sein Gang, seine Art sich zu kleiden, seine Manieren,
seine Neigungen, sogar seine Laune und sein Humor, waren das Muster,
wornach alle andre sich bildeten; ein jeder schäzte sich
selbst nur so viel, als er ihm ähnlich zu seyn glaubte. Und
diesen Mann, o! dieses Wunder von einem Mann, ihn, der an Verdiensten
niemand über sich hatte, ihn ließt ihr allein, mit
einer Hand voll Leute, die ganze Gewalt des Kriegs-Gottes auszuhalten;
verließt ihn, in Umständen, wo nichts als der Schall
von Hot-Spurs Namen fähig war Widerstand zu thun - - O! nimmer,
nimmer beleidigt seinen abgeschiednen Geist so sehr, daß
ihr euer Wort andern besser haltet als ihm! Laßt sie allein:
Der Marschall und der Erzbischoff sind stark genug. Hätte
mein liebster Harry nur die Hälfte ihrer Anzahl gehabt, so
würd' ich diesen Augenblik, an Hot-Spurs Naken hangend, von
Monmouths Grabe reden können.
Northumberland.
Uebel mög' es euch bekommen, schöne Tochter, daß
ihr durch frische Klagen eine alte Wunde wieder aufreisset. Aber
ich muß gehen, und mich der Gefahr dort entgegen stellen,
oder sie wird mich anderswo selbst suchen, und mich weniger gerüstet
finden.
Lady Northumberland.
Flieht nach Schottland, bis der Adel und die empörten Gemeinen
ihre Stärke ein wenig versucht haben.
Lady Percy.
Wenn sie einen Vortheil über den König erhalten haben,
dann vereiniget euch mit ihnen, und macht die Starken stärker.
Aber, um unsrer Aller willen, laßt sie vorher ihre Kräfte
allein versuchen. Das mußt euer Sohn thun, ihr ließ't
es geschehen, so wurd' ich eine Wittwe; und nimmer werd' ich Leben
genug haben, sein Andenken* aus meinen Augen so lange zu beregnen,
bis es zum Gedächtniß meines edeln Gemals an den Himmel
empor wachse.
Northumberland.
Kommt, kommt, geht mit mir hinein; mein Gemüth ist izt wie
die Fluth, wenn sie zu ihrer grösten Höhe hinaufgeschwollen
ist; sie steht dann still, und fliesset weder vorwärts noch
zurük. Ich wünschte herzlich, daß ich mit dem
Erzbischoff mich vereinbaren könnte; aber tausend Ursachen
halten mich zurük. Ich will mich entschliessen nach Schottland
zu gehen, und dort warten, bis Zeit und bessere Umstände
meinen Beytritt fordern.
(Sie gehen ab.)
[Die übrigen sechs Scenen in diesem Aufzug, stellen dasjenige
vor, was bey dem Soupé des Sir John Falstaff in
Gesellschaft der liebenswürdigen Dortchen Tear-Scheet und
der Frau Wirthin zum Bärenkopf in East-Cheap vorgegangen;
die Händel zwischen Falstaff und Pistol, die Verwandlung
des Prinzen in einen Keller-Buben, und den zärtlichen Abschied
zwischen Dortchen Tear-Scheet und Falstaff, welcher mitten aus
seinen Vergnügungen fortgerissen wird, um zur Armee abzugehen.
Es sind Scenen aus Bierschenken und Bordelhäusern, in Ostadens
Geschmak nach dem Leben gemahlt. Der Genie unsers Autors zeigt
sich vielleicht in gewisser Maaße so groß darinn,
als in den schönsten Scenen des Hamlet oder des Kauffmanns
von Venedig; aber die ekelhafte Unsittlichkeit derselben verbietet
uns sie zu übersezen, und würde auf jedem anderm Theater
als dem zu London, auch ihre öffentliche Aufführung
verbieten.]
* Eine Anspielung auf den Rosmarin, der, weil er ein Cephalicon
ist, in unsers Autors Zeiten Remembrance, Andenken,
genannt wurde.
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