Fünfte Scene.
Verwandelt sich in den Pallast.
Valentin, und Viola in Mannskleidern, treten auf.
Valentin.
Wenn der Herzog fortfährt euch so zu begegnen wie bisher,
Cäsario, so werdet ihr in kurzem einen grossen Weg machen;
er kennt euch kaum drey Tage, und er begegnet euch schon, als
ob es so viele Jahre wären.
Viola.
Ihr müßt entweder seiner Laune oder meiner Aufführung
nicht viel gutes zutrauen, wenn ihr die Fortsezung seiner Gunst
in Zweifel ziehet. Ist er denn so unbeständig in seinen Zuneigungen,
mein Herr?
Valentin.
Nein, das ist er nicht.
Der Herzog, Curio und Gefolge treten auf.
Viola.
Ich danke euch; hier kommt der Herzog.
Herzog.
Sah keiner von euch den Cäsario, he?
Viola.
Hier ist er, Gnädigster Herr, zu Befehl.
Herzog (zu den andern.)
Geht ihr ein wenig auf die Seite - - Cäsario, du weist
bereits nicht weniger als alles; ich habe dir das Innerste meines
Herzens entfaltet. Geh also zu ihr, mein guter Junge; laß
dich nicht abweisen, postiere dich vor ihrer Thüre, und sag
ihr, du werdest da wie eingewurzelt stehen bleiben, bis sie dir
Gehör gebe.
Viola.
Gnädigster Herr, wenn sie sich ihrer Betrübniß
so sehr überläßt, wie man sagt, so ist nichts
gewissers, als daß sie mich nimmermehr vorlassen wird.
Herzog.
Du must ungestüm seyn, schreyen, und eher über alle
Höflichkeit und Anständigkeit hinüberspringen,
als unverrichteter Sachen zurük kommen.
Viola.
Und gesezt, ich werde vorgelassen, Gnädigster Herr, was soll
ich sagen?
Herzog.
O dann entfalte ihr die ganze Heftigkeit meiner Liebe; preise
ihr meine ungemeine Treue an; es wird dir wol anstehen, ihr mein
Leiden vorzumahlen; sie wird es von einem jungen Menschen, wie
du, besser aufnehmen, und mehr darauf Acht geben, als wenn ich
einen Unterhändler von ernsthafteren Ansehen gebrauchte.
Viola.
Ich denke ganz anders, Gnädigster Herr.
Herzog.
Glaube mir's, mein lieber Junge; deine Jugend wäre schon
genug, diejenigen lügen zu heissen, die dich einen Mann nennten.
Dianens Lippen sind nicht sanfter und rubinfarbiger als die deinigen;
deine Stimme ist wie eines Mädchens, zart und hell, und dein
ganzes Wesen hat etwas weibliches an sich. Ich bin gewiß,
du bist unter einer Constellation gebohren, die dich in solchen
Unterhandlungen glüklich macht; du wirst meine Sache besser
führen, als ich selbst thun könnte. Geh also, sey glüklich
in deiner Verrichtung, und du sollst alles was mein ist, dein
nennen können.
Viola.
Ich will mein Bestes thun, Gnädigster Herr - - (vor sich.)
Eine beschwerliche Commission! Ich soll ihm eine andre kuppeln,
und wäre lieber selbst sein Weib.
(Sie gehen ab.)
Sechste Scene.
Olivia's Haus.
Maria und der Narr vom Hause treten auf.
Maria schilt den Narren aus, daß er so lange ausgeblieben,
und sagt ihm, die Gnädige Frau werde ihn davor hängen
lassen. Der Narr erwiedert dieses Compliment mit Einfällen,
an denen der Leser nichts verliehrt; man weiß daß
auch der allersinnreichste und unerschöpflichste Hans Wurst
doch endlich genöthiget ist, sich selbst zu wiederholen,
so gut als ein andrer wiziger Kopf; und so geht es Shakespears
Clowns oder Narren von Profeßion auch; sie haben ihre locos
communes, auf denen sie wie auf Steken-Pferden herumreiten,
wenn ihnen nichts bessers einfallen will; und dieser wird endlich
der Zuhörer und der Leser satt.
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