Zehnte Scene.
Verwandelt sich in das Gefängniß zu Pomfret-Castle.
König Richard tritt auf.
König Richard.
Ich studiere schon lange, wie ich dieses Gefängniß, worinn ich lebe, mit der Welt
vergleichen wolle; und weil die Welt volkreich ist, und hier kein anders Geschöpf als ich
selbst, so kan ich nicht damit zurecht kommen. Und doch will ich's versuchen - - Mein Gehirn
soll das Weib meiner Seele werden, und meine Seele, der Vater; und diese zwey sollen ein Geschlecht
von Gedanken mit einander zeugen, und diese Gedanken sollen diese kleine Welt bevölkern,
humorisirt, wie die Einwohner der grossen Welt, denn kein Gedank' ist zufrieden. Sogar die besten
(die Gedanken von göttlichen Dingen) sind mit Zweifeln untermischt, und sezen das Wort selbst
dem Wort entgegen; zum Exempel: Kommt, ihr Kleinen; und dann wieder: Es ist so schwer zu kommen, als
einem Cameel durch ein Nadelöhr zu gehen. - - Gedanken, die nach Unabhänglichkeit
streben, brüten unmögliche Wunder aus, - - wie diese schwachen Nägel mir eine
Oeffnung durch die steinernen Rippen dieser Kerker-Mauren krazen könnten, und weil sie es nicht
können, so zerplazen sie an ihrem eignen schwellenden Stolz. Gedanken, die nach Vergnügen
streben, schmeicheln sich selbst, »sie seyen nicht die ersten Sclaven des Glüks, und
werden nicht die lezten seyn,« (wie schelmisches Bettelvolk, wenn sie im Stok sizen, sich damit
trösten, daß schon viele da gesessen sind, und noch viele sizen werden.) Und in diesem
Gedanken finden sie eine Art von Erleichterung, indem sie ihr eignes Elend auf dem Rüken derer
tragen, die ehmals das nemliche ausgestanden haben. So spiel ich, in einem Gefängniß,
mancherley Personen, wovon keine mit sich selbst zufrieden ist. Zuweilen bin ich ein Fürst; dann
macht Verrätherey, daß ich mich zu einem Bettler wünsche, und das bin ich. Alsdann
überredet mich die Dürftigkeit, es sey mir besser gewesen, da ich ein Fürst war, und
dann werd' ich wieder gefürstet; und unvermerkt besinn' ich mich, daß mich Bolingbroke
entfürstet hat, und da bin ich wieder nichts - - Was ich aber seyn mag, so ist doch dieses
gewiß, weder ich noch irgend ein andrer, wer er seyn mag, wird eher nicht zur Ruhe kommen, bis
er nicht mehr ist - - Hör' ich nicht Musik? (Eine Musik.)
Ha, ha! Haltet den Tact; wie widrig die anmuthigste Musik ist, wenn das Zeitmaaß gebrochen, und
die Proportion nicht gehalten wird! So ist es auch mit der Musik des menschlichen Lebens - - Wie
kommt es, daß ich ein so feines Ohr habe, von dem kleinsten Mißklang einer verstimmten
Sayte, oder eines verspäteten Tons beleidigt zu werden; und daß ich kein Ohr hatte, die
schlechte Zusammenstimmung in meinem Staat, das gebrochne Zeitmaaß in meiner Regierung zu
bemerken? Ich verderbte die Zeit; nun verderbt die Zeit mich. Die Zeit hat nun ihre Stunden-Uhr aus
mir gemacht; meine Gedanken sind die Minuten, und meine jammernden Seufzer die Töne, die an mein
Herz anschlagen, und so die Stunden anzeigen - - Diese Musik macht mich närrisch - -
laßt sie schweigen; wenn sie gleich schon öfters närrischen Leuten wieder zu ihrem
Verstand geholfen hat, so scheint es doch an mir, daß sie kluge Leute närrisch mache. Und
doch gesegnet sey der, so sie mir giebt; es ist immer ein Zeichen seiner Liebe, und Liebe zu Richard
ist ein seltnes Kleinod in einer Welt, wo der Haß allezeit den Fall begleitet.
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