Siebende Scene.
Escalus, Kerkermeister, Kupplerin, und Stadtbediente.
Escalus.
Geht, führt sie ins Gefängniß.
Kupplerin.
Ach, Gnädiger Herr, schonet meiner; Euer Gnaden wird von
jedermann für einen so mitleidigen Herrn gehalten! Ach mein
gütiger Herr!
Escalus.
Doppelt, dreyfach gewarnt werden, und doch immer in dem gleichen
Verbrechen fortzufahren - - das könnte die Gnade selbst zum
Tyrannen machen.
Kerkermeister.
Eine H** Wirthin, die das Handwerk eilf ganzer Jahre hinter einander
treibt, mit Euer Gnaden Erlaubniß.
Kupplerin.
Gnädiger Herr, das geschieht alles auf Anstiften eines gewissen
Lucio; Jungfer Käthchen Legdich wurde schwanger von ihm,
in des Herzogs Zeiten; er versprach ihr die Ehe; sein Kind ist
auf nächsten Philippi und Jacobi fünf Virtheil Jahr
alt; ich hab es selbst unterhalten, und das ist nun der Dank den
er mir davor giebt.
Escalus.
Dieser Lucio ist ein sehr ausgelassener Bursche; laßt ihn
vor uns ruffen. Weg mit ihr ins Gefängniß; fort, fort,
keine Worte mehr. (Sie gehen mit der Kupplerin ab.) Kerkermeister,
mein Bruder Angelo läßt sich nicht überreden;
Claudio muß morgen sterben, versorget ihn mit Geistlichen,
und mit allem was er zu seiner Vorbereitung nöthig hat. Wenn
mein Mitleiden ihm etwas helfen könnte, sollte es nicht so
seyn.
Kerkermeister.
Dieser Franciscaner ist bey ihm gewesen, und hat ihn zum Tod vorbereitet.
Escalus.
Guten Abend, Vater.
Herzog.
Heil und Segen sey mit euch!
Escalus.
Woher seyd ihr?
Herzog.
Nicht aus diesem Land, ob es mich gleich getroffen hat, eine Zeitlang
mich darinn aufzuhalten; ich bin ein Bruder aus einem gesegneten
Orden, und vor kurzem mit einem besondern Auftrag von seiner Heiligkeit
über das Meer gekommen.
Escalus.
Was giebt es Neues in der Welt?
Herzog.
Nichts, als eine Neuigkeit die so alt ist als die Welt, und die
doch die Neuigkeit jedes Tages ist, daß die Tugend siech
und das Laster munter, und daß es leichter ist, das Böse
zu strafen als selbst unverwerflich zu seyn. Ich bitte euch, mein
Herr, von was für einer Denkungsart war der Herzog?
Escalus.
Von einer, die sich nichts angelegner seyn läßt, als
sich selbst zu kennen.
Herzog.
Was für einem Vergnügen war er ergeben?
Escalus.
Wenn er sich über etwas freute, so war es mehr über
die Freude andrer Leute, als daß er an irgend etwas, das
ihn belustigen wollte, eine sonderliche Lust gehabt hätte.
Doch wir wollen ihn seinen Geschäften überlassen, und
nur bitten, daß sie glüklich seyn mögen; erlaubet
mir euch zu fragen, wie findet ihr den Claudio vorbereitet? Ich
höre, daß ihr ihn besucht habt.
Herzog.
Er bekennt, daß ihm sein Richter nicht zuviel gethan habe,
und ergiebt sich mit gelaßner Demuth in den Willen der Gerechtigkeit;
doch hat er Schwachheit genug gehabt, sich allerley betrügliche
Hoffnungen zum Leben zu machen, die ich ihm aber so benommen habe,
daß er izt entschlossen ist zu sterben.
Escalus.
Ihr habt gegen den Himmel und den Gefangnen die Pflichten euers
Berufs erfüllt. Ich habe mir für den armen Edelmann
so viel Mühe gegeben, als es die Bescheidenheit zuließ;
allein ich habe meinen Collegen Angelo so strenge gefunden, daß
er mich genöthiget hat ihm zu sagen, er sey in der That die
Gerechtigkeit selbst.
Herzog.
Wenn sein eignes Leben mit der Strenge seines Richter-Amts übereinstimmt,
wird es ihm wohl bekommen; wo nicht, so hat er sich selbst das
Urtheil gesprochen.
Escalus.
Ich gehe den Gefangnen zu besuchen; lebet wohl.
(Er geht ab.)
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