Neunte Scene.
(Verwandelt sich in ein Gefängniß.)
Der Herzog in einem Mönchshabit, und der Kerkermeister,
treten auf.
Herzog.
Gott grüsse euch, Kerkermeister; denn das seyd ihr, denke
ich.
Kerkermeister.
Ich bin's; was ist euer Wille, mein guter Pater?
Herzog.
Von Christlicher Liebe getrieben, und nach den Pflichten meines
Ordens komm' ich, die betrübten Seelen in diesem Gefängniß
zu besuchen; laßt mich sie sehen, damit ich die Natur ihrer
Sünden erkundigen, und nach Befinden mein Amt bey ihnen verrichten
könne.
Kerkermeister.
Ich wollte noch mehr thun als das, wenn es nöthig wäre.
Juliette tritt auf.
Kerkermeister.
Seht, hier kommt eine von meinen Gefangnen, ein Fräulein,
die in die Flammen ihrer eignen Jugend gefallen ist, und ihren
guten Namen darinn versengt hat: Sie ist schwanger, und der Vater
ihres Kinds ist zum Tode verurtheilt; ein junger Mann, der bereiter
ist, noch eine solche Sünde zu begehen, als für diese
zu sterben.
Herzog.
Wenn soll er sterben?
Kerkermeister.
Ich denke, morgen. (Zu Juliette.) Ich habe Vorsehung für
euch gethan, bleibt eine Weile, und ihr sollt weggeführt
werden.
Herzog.
Bereuet ihr, schönes Kind, die Sünde, die ihr begangen
habt?
Juliette.
Ich bereue sie und trage die Schmach gedultig.
Herzog.
Ich will euch lehren, wie ihr euer Gewissen prüfen könnt,
um zu erfahren, ob eure Busse aufrichtig ist oder nicht.
Juliette.
Ich will es gerne lernen.
Herzog.
Liebt ihr den Mann, der euch zu Falle gebracht hat?
Juliette.
Ja, so sehr als ich die Weibsperson liebe, die ihn zu Falle gebracht
hat.
Herzog.
Es scheint also, ihr habt aus beydseitigem Einverständniß
gesündiget.
Juliette.
So ist es.
Herzog.
Also war eure Sünde von einer schwerern Art, als die Seinige.
Juliette.
Ich bekenn' und bereu' es, mein Vater.
Herzog.
Es ist billig, meine Tochter; aber bereut ihr eure Sünde
vielleicht nur darum, weil sie euch in diese Schmach gebracht
hat, anstatt aus Betrübniß daß ihr den Himmel
beleidiget habt? Eine gewöhnliche Art von Reue, wodurch wir
beweisen, daß wir den Himmel nicht suchen weil wir ihn lieben,
sondern nur wenn wir seine Strafen fürchten.
Juliette.
Es reut mich, in so fern es ein Uebel ist, und ich ertrage die
Schmach mit Freuden.
Herzog.
Bleibet bey dieser Gesinnung. Euer Mitschuldiger muß, wie
ich höre, morgen sterben, und ich gehe izt zu ihm, ihn vorzubereiten.
Also geb ich euch meinen Segen.
(Er geht ab.)
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