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VIERTER AKT

ERSTE SZENE

Rom. Ein Zimmer in des Antonius Haus


Antonius, Octavius und Lepidus an einem Tische sitzend.

ANTONIUS
Die müssen also sterben, deren Namen
Hier angezeichnet stehn.

OCTAVIUS
                          Auch Euer Bruder
Muß sterben, Lepidus. Ihr willigt drein?

LEPIDUS
Ich willge drein.

OCTAVIUS
                   Zeichn ihn, Antonius!

LEPIDUS
Mit dem Beding, daß Publius nicht lebe,
Der Eurer Schwester Sohn ist, Mark Anton.

ANTONIUS
Er lebe nicht; sieh her, ein Strich verdammt ihn.
Doch, Lepidus, geht Ihr zu Cäsars Haus,
Bringt uns sein Testament; wir wollen sehn,
Was an Vermächtnissen sich kürzen läßt.

LEPIDUS
Wie? Soll ich hier Euch finden?

OCTAVIUS
Hier oder auf dem Kapitol.
Lepidus ab.

ANTONIUS
Das ist ein schwacher, unbrauchbarer Mensch,
Zum Botenlaufen nur geschickt. Verdient er,
Wenn man die dreibenamte Welt verteilt,
Daß er als dritter Mann sein Teil empfange?

OCTAVIUS
Ihr glaubtet es und hörtet auf sein Wort,
Wen man im schwarzen Rate unsrer Acht
Zum Tode zeichnen sollte.

ANTONIUS
Octavius, ich sah mehr Tag' als Ihr.
Ob wir auf diesen Mann schon Ehren häufen,
Um manche Last des Leumunds abzuwälzen,
Er trägt sie doch nur wie der Esel Gold,
Der unter dem Geschäfte stöhnt und schwitzt,
Geführt, getrieben, wie den Weg wir weisen;
Und hat er unsern Schatz, wohin wir wollen,
Gebracht, dann nehmen wir die Last ihm ab
Und lassen ihn als ledigen Esel laufen,
Daß er die Ohren schütteln mög und grasen
Auf offner Weide.

OCTAVIUS
                   Tut, was Euch beliebt;
Doch ist er ein geprüfter, wackrer Krieger.

ANTONIUS
Das ist mein Pferd ja auch, Octavius,
Dafür bestimm ich ihm sein Maß von Futter.
Ists ein-Geschöpf nicht, das ich lehre fechten,
Umwenden, halten, grade vorwärts rennen,
Des körperliches Tun mein Geist regiert?
In manchem Sinn ist Lepidus nichts weiter;
Man muß ihn erst abrichten, lenken, mahnen.
Ein Mensch von dürftgem Geiste, der sich nährt
Von Gegenständen, Künsten, Nachahmungen,
Die, alt und schon von andern abgenutzt,
Erst seine Mode werden. Sprecht nicht anders
Von ihm als einem Zubehör. - Und nun,
Octavius, vernehmet große Dinge:
Brutus und Cassius werben Völker an,
Wir müssen ihnen stracks die Spitze bieten!
Drum laßt die Bundsgenossen uns versammeln,
Die Freunde sichern, alle Macht aufbieten,
Und laßt zu Rat uns sitzen alsobald,
Wie man am besten Heimliches entdeckt
Und offnen Fährlichkeiten sicher trotzt.

OCTAVIUS
Das laßt uns tun; denn wir sind ganz umstellt,
Und viele Feinde bellen um uns her;
Und manche, so da lächeln, fürcht ich, tragen
Im Herzen tausend Unheil.
Beide ab.




ZWEITE SZENE

Vor Brutus' Zelte im Lager nahe bei Sardes


Trommeln werden gerührt. Brutus, Lucilius, [Lucius] Titinius und Soldaten treten auf. Pindarus [und Titinius kommen] kommt ihnen entgegen. Lucius in einiger Entfernung.

BRUTUS
Halt!

LUCILIUS
He! Gebt das Wort und haltet!

BRUTUS
Was gibts, Lucilius? Ist Cassius nahe?

LUCILIUS
Er ist nicht weit, und hier kommt Pindarus,
Im Namen seines Herrn Euch zu begrüßen.
Pindarus überreicht dem Brutus einen Brief.

BRUTUS
Sein Gruß ist freundlich. Wißt, daß Euer Herr,
Von selbst verändert oder schlecht beraten,
Mir gültigen Grund gegeben, ungeschehn
Geschehenes zu wünschen. Aber ist er
Hier in der Näh, so wird er mir genugtun.

PINDARUS
Ich zweifle nicht, voll Ehr und Würdigkeit
Wird, wie er ist, mein edler Herr erscheinen.

BRUTUS
Wir zweifeln nicht an ihm. - Ein Wort, Lucilius:
Laßt mich erfahren, wie er Euch empfing.

LUCILIUS
Mit Höflichkeit und Ehrbezeugung gnug,
Doch nicht mit so vertrauter Herzlichkeit,
Nicht mit so freiem, freundlichem Gespräch,
Als er vordem wohl pflegte.

BRUTUS
                             Du beschreibst,
Wie warme Freund erkalten. Merke stets,
Lucilius, wenn Lieb erkrankt und schwindet,
Nimmt sie gezwungne Höflichkeiten an.
Einfältge, schlichte Treu weiß nichts von Künsten;
Doch Gleisner sind wie Pferde, heiß im Anlauf:
Sie prangen schön mit einem Schein von Kraft;
Und sollen sie den blutgen Sporn erdulden,
So sinkt ihr Stolz, und falschen Mähren gleich
Erliegen sie der Prüfung. - Naht sein Heer?

LUCILIUS
Sie wollten Nachtquartier in Sardes halten.
Der größte Teil, die ganze Reiterei,
Kommt mit dem Cassius.
Ein Marsch hinter der Szene.

BRUTUS
                        Horch! Er ist schon da.
Rückt langsam ihm entgegen!
Cassius tritt auf mit Soldaten.

CASSIUS
                             Halt!

BRUTUS
Halt! Gebt das Befehlswort weiter!

[SOLDATEN] ERSTER SOLDAT
[hinter der Szene.]
                                    Halt! -

ZWEITER SOLDAT
                                             Halt! -

DRITTER SOLDAT
                                                      Halt!

CASSIUS
Ihr tatet mir zu nah, mein edler Brutus.

BRUTUS
Ihr Götter, richtet! Tu ich meinen Feinden
Zu nah? Und sollt ichs meinem Bruder tun?

CASSIUS
Brutus, dies Euer förmliches Benehmen
Deckt Unrecht zu, und wenn Ihr es begeht -

BRUTUS
Seid ruhig, Cassius! Bringt leise vor,
Was für Beschwerd Ihr habt. - Ich kenn Euch wohl.
Im Angesicht der beiden Heere hier,
Die nichts von uns als Liebe sehen sollten,
Laßt uns nicht hadern. Heißt hinweg sie ziehn,
Führt Eure Klagen dann in meinem Zelt;
Ich will Gehör Euch geben.

CASSIUS
                            Pindarus,
Heißt unsre Obersten ein wenig weiter
Von diesem Platz hinweg die Scharen führen.

BRUTUS
Tut Ihr das auch, Lucilius. Laßt niemand,
Solang die Unterredung dauert, ein.
Laßt Lucius und Titinius Wache stehn.
Alle ab.




DRITTE SZENE

Im Zelte des Brutus


Brutus und Cassius treten auf, [Lucius und Titinius in einiger Entfernung davon].

CASSIUS
Eur Unrecht gegen mich erhellet hieraus:
Ihr habt den Lucius Pella hart verdammt,
Weil er bestochen worden von den Sardern;
Mein Brief, worin ich mich für ihn verwandt,
Weil ich ihn kenne, ward für nichts geachtet.

BRUTUS
Ihr tatet Euch zu nah, in solchem Fall zu schreiben.

CASSIUS
In solcher Zeit, wie diese, ziemt es nicht,
Daß jeder kleine Fehl bekrittelt werde.

BRUTUS
Laßt mich Euch sagen, Cassius, daß Ihr selbst
Verschrien seid, weil Ihr hohle Hände macht,
Weil Ihr an Unverdiente Eure Ämter
Verkauft und feilschet.

CASSIUS
                         Mach ich hohle Hände?
Ihr wißt wohl. Ihr seid Brutus, der dies sagt,
Sonst, bei den Göttern, wär dies Wort Eur letztes!

BRUTUS
Des Cassius Name adelt die Bestechung,
Darum verbirgt die Züchtigung ihr Haupt.

CASSIUS
Die Züchtigung!

BRUTUS
Denkt an den März, denkt an des Märzen Idus!
Hat um das Recht der große Julius nicht
Geblutet? Welcher Bube legt' an ihn
Die Hand wohl, schwang den Stahl, und nicht ums Recht?
Wie? Soll nun einer derer, die den ersten
Von allen Männern dieser Welt erschlugen,
Bloß, weil er Räuber schützte, sollen wir
Mit schnöden Gaben unsre Hand besudeln?
Und unsrer Würden weiten Kreis verkaufen
Für so viel Plunders, als man etwa greift?
Ein Hund sein lieber und den Mond anbellen,
Als solch ein Römer!

CASSIUS
                     Brutus, reizt mich nicht!
Ich wills nicht dulden. Ihr vergeßt Euch selbst,
Wenn Ihr mich so bedrängt; ich bin ein Krieger,
Erfahrner, älter, mehr als Ihr im Stand
Bedingungen zu machen.

BRUTUS
                        Redet nur,
Ihr seid es doch nicht, Cassius.

CASSIUS
                                  Ich bins.

BRUTUS
Ich sag. Ihr seid es nicht.

CASSIUS
Drängt mich nicht mehr, ich werde mich vergessen;
Gedenkt an Euer Heil, reizt mich nicht länger!

BRUTUS
Geht, dürftiger Mann!

CASSIUS
Ists möglich?

BRUTUS
               Hört mich an, denn ich will reden!
Muß ich mich Eurer jähen Hitze fügen?
Muß ich erschrecken, wenn ein Toller auffährt?

CASSIUS
Ihr Götter, Götter, muß ich all dies dulden?

BRUTUS
All dies? Noch mehr! Ergrimmt, bis es Euch birst,
Das stolze Herz. Geht doch, zeigt Euren Sklaven,
Wie rasch zum Zorn Ihr seid, und macht sie zittern.
Muß ich beiseit mich drücken, muß den Hof
Euch machen? Muß ich dastehn und mich krümmen
Vor Eurer krausen Laune? Bei den Göttern!
Ihr sollt hinunterwürgen Euer Gift,
Und wenn Ihr börstet; denn von heute an
Dient Ihr zum Scherz, ja zum Gelächter mir,
Wenn Ihr Euch so gebärdet.

CASSIUS
                            Dahin kams?

BRUTUS
Ihr sagt, daß Ihr ein beßrer Krieger seid:
Beweist es denn, macht Euer Prahlen wahr,
Es soll mir lieb sein; denn, was mich betrifft,
Ich werde gern von edlen Männern lernen.

CASSIUS
Ihr tut zu nah, durchaus zu nah mir, Brutus!
Ich sagt, ein ältrer Krieger, nicht ein beßrer.
Sagt ich, ein beßrer?

BRUTUS
Und hättet Ihrs gesagt, mir gilt es gleich.

CASSIUS
Mir hätte Cäsar das nicht bieten dürfen.

BRUTUS
O schweigt! Ihr durftet ihn auch so nicht reizen.

CASSIUS
Ich durfte nicht?

BRUTUS
                   Nein.

CASSIUS
                          Wie, durft ihn nicht reizen?

BRUTUS
Ihr durftet es für Euer Leben nicht!

CASSIUS
Wagt nicht zu viel auf meine Liebe hin!
Ich möchte tun, was mich nachher gereute.

BRUTUS
Ihr habt getan, was Euch gereuen sollte.
Eur Drohn hat keine Schrecken, Cassius,
Denn ich bin so bewehrt durch Redlichkeit,
Daß es vorbeizieht wie der leere Wind,
Der nichts mir gilt. Ich sandte hin zu Euch
Um eine Summe Golds, die Ihr mir abschlugt.
Ich kann kein Geld durch schnöde Mittel heben,
Beim Himmel! Lieber prägt ich ja mein Herz
Und tröpfelte mein Blut für Drachmen aus,
Als daß ich aus der Bauern harten Händen
Die jämmerliche Habe winden sollte
Durch irgendeinen Schlich. - Ich sandt um Gold zu Euch,
Um meine Legionen zu bezahlen;
Ihr schlugt mirs ab: war das, wie Cassius sollte?
Hätt ich dem Cajus Cassius so erwidert?
Wenn Marcus Brutus je so geizig wird,
Daß er so lumpge Pfennige den Freunden
Verschließt, dann rüstet eure Donnerkeile,
Zerschmettert ihn, ihr Götter!

CASSIUS
Ich schlug es Euch nicht ab.

BRUTUS
                              Ihr tatet es.

CASSIUS
Ich tats nicht; der Euch meine Antwort brachte,
War nur ein Tor. - Brutus zerreißt mein Herz!
Es sollt ein Freund des Freundes Schwächen tragen:
Brutus macht meine größer, als sie sind.

BRUTUS
Das tu ich nicht, bis Ihr damit mich quält.

CASSIUS
Ihr liebt mich nicht.

BRUTUS
                       Nicht Eure Fehler lieb ich.

CASSIUS
Nie konnt ein Freundesaug dergleichen sehn.

BRUTUS
Des Schmeichlers Auge säh sie nicht, erschienen
Sie auch so riesenhaft wie der Olymp.

CASSIUS
Komm, Mark Anton, und komm, Octavius, nur!
Nehmt eure Rach allein am Cassius,
Denn Cassius ist des Lebens überdrüssig,
Gehaßt von einem, den er liebt, getrotzt
Von seinem Bruder, wie ein Knecht gescholten.
Man späht nach allen meinen Fehlern, zeichnet
Sie in ein Denkbuch, lernt sie aus dem Kopf,
Wirft sie mir in die Zähne. - O ich könnte
Aus meinen Augen meine Seele weinen!
Da ist mein Dolch, hier meine nackte Brust;
Ein Herz drin, reicher als des Plutus Schacht,
Mehr wert als Gold; wo du ein Römer bist,
So nimms heraus. Ich, der dir Gold versagt,
Ich biete dir mein Herz. Stoß zu, wie einst
Auf Cäsar! Denn ich weiß, als du am ärgsten
Ihn haßtest, liebtest du ihn mehr, als je
Du Cassius geliebt.

BRUTUS
                     Steckt Euren Dolch ein!
Seid zornig, wenn Ihr wollt: es steh Euch frei!
Tut, was Ihr wollt, Schmähung soll Laune sein.
O Cassius, einem Lamm seid Ihr gesellt,
Das so nur Zorn hegt wie der Kiesel Feuer,
Der, viel geschlagen, flüchtge Funken zeigt
Und gleich drauf wieder kalt ist.

CASSIUS
                                   Lebt ich dazu,
Ein Scherz nur und Gelächter meinem Brutus
Zu sein, wenn Gram und böses Blut mich plagt?

BRUTUS
Als ich das sprach, hatt ich auch böses Blut.

CASSIUS
Gesteht Ihr so viel ein? Gebt mir die Hand!

BRUTUS
Und auch mein Herz!

CASSIUS
                     O Brutus!

BRUTUS
                                Was verlangt Ihr?

CASSIUS
Liebt Ihr mich nicht genug, Geduld zu haben,
Wenn jene rasche Laune, von der Mutter
Mir angeerbt, macht, daß ich mich vergesse?

BRUTUS
Doch, Cassius, künftig, wenn Ihr allzu streng
Mit Eurem Brutus seid, so will er denken,
Die Mutter schmäl aus Euch, und läßt Euch gehn.
Lärm hinter der Szene.

EIN POET
hinter der Szene.
Laßt mich hinein, ich muß die Feldherrn sehn.
Ein Zank ist zwischen ihnen; 's ist nicht gut,
Daß sie allein sind.

LUCILIUS
hinter der Szene.
                      Ihr sollt nicht hinein!

POET
hinter der Szene.
Der Tod nur hält mich ab.
Der Poet tritt ein, gefolgt von Lucilius und Titinius.

CASSIUS
                            Ei nun, was gibts?

POET
Schämt ihr euch nicht, ihr Feldherrn? Was beginnt ihr?
Liebt euch, wie sichs für solche Männer schickt;
Fürwahr, ich hab mehr Jahr als ihr erblickt.

CASSIUS
Ha, ha, wie toll der Zyniker nicht reimt!

BRUTUS
Ihr Schlingel, packt Euch! Fort, verwegner Bursch!

CASSIUS
Ertragt ihn, Brutus, seine Weis' ist so.

BRUTUS
Kennt er die Zeit, so kenn ich seine Laune.
Was soll der Krieg mit solchen Schellennarren?
Geh fort. Gesell!

CASSIUS
                   Fort, fort! Geh deines Wegs!
Der Poet ab. [Lucilius und Titinius kommen.]

BRUTUS
Lucilius und Titinius, heißt die Obersten
Auf Nachtquartier für ihre Scharen denken.

CASSIUS
Kommt selber dann und bringt mit euch Messala
Sogleich zu uns herein.
Lucilius und Titinius ab.

BRUTUS
Lucius, eine Schale Weins!
Lucius ab.

CASSIUS
Ich dachte nicht, daß Ihr so zürnen könntet.

BRUTUS
O Cassius, ich bin krank an manchem Gram.

CASSIUS
Ihr wendet Euren philosophischen Grundsatz
Nicht an, wenn Ihr zufällgen Übeln Raum gebt.

BRUTUS
Kein Mensch trägt Leiden besser. - Portia ist tot.

CASSIUS
Oh! Portia!

BRUTUS
             Sie ist tot.

CASSIUS
Lag das im Sinn Euch, wie entkam ich lebend?
O bittrer, unerträglicher Verlust!
An welcher Krankheit?

BRUTUS
                       Die Trennung nicht erduldend,
Und Gram, daß mit Octavius Mark Anton
So mächtig worden - denn mit ihrem Tod
Kam der Bericht -, das brachte sie von Sinnen,
Und wie sie sich allein sah, schlang sie Feuer.

CASSIUS
Und starb so?

BRUTUS
               Starb so.

CASSIUS
                          O ihr ewgen Götter!
Lucius kommt mit Wein und [Kerzen] einer Kerze.

BRUTUS
Sprecht nicht mehr von ihr! - Gebt eine Schale Weins!
Hierin begrab ich allen Unglimpf, Cassius.
Trinkt.

CASSIUS
Mein Herz ist durstig, dir Bescheid zu tun.
Füll, Lucius, bis der Wein den Becher kränzt;
Von Brutus' Liebe trink ich nie zuviel.
Trinkt.
[Titinius und Messala kommen.]

BRUTUS
Herein, Titinius!
Lucius ab. Titinius kommt mit Messala zurück.
                   Seid gegrüßt, Messala!
Nun laßt uns dicht um diese Kerze sitzen
Und, was uns frommt, in Überlegung ziehn.

CASSIUS
O Portia, bist du hin!

BRUTUS
                        Nicht mehr, ich bitt Euch! -
Messala, seht, ich habe Brief' empfangen,
Daß Mark Anton, mit ihm Octavius,
Heranziehn gegen uns mit starker Macht
Und ihren Heerzug nach Philippi lenken.

MESSALA
Ich habe Briefe von demselben Inhalt.

BRUTUS
Mit welchem Zusatz?

MESSALA
Daß durch Proskription und Achtserklärung
Octavius, Mark Anton und Lepidus
Auf hundert Senatoren umgebracht.

BRUTUS
Darüber weichen unsre Briefe ab.
Der meine spricht von siebzig Senatoren,
Die durch die Ächtung fielen; Cicero
Sei einer aus der Zahl.

CASSIUS
                         Auch Cicero?

MESSALA
Ja, er ist tot, und durch den Achtsbefehl. -
Kam Euer Brief von Eurer Gattin, Herr?

BRUTUS
Nein, Messala.

MESSALA
Und meldet Euer Brief von ihr Euch nichts?

BRUTUS
Gar nichts, Messala.

MESSALA
                      Das bedünkt mich seltsam.

BRUTUS
Warum? Wißt Ihr aus Eurem Brief von ihr?

MESSALA
Nein, Herr.

BRUTUS
Wenn Ihr ein Römer seid, sagt mir die Wahrheit!

MESSALA
Tragt denn die Wahrheit, die ich sag, als Römer:
Sie starb, und zwar auf wunderbare Weise.

BRUTUS
Leb wohl denn, Portia! - Wir müssen sterben,
Messala; dadurch, daß ich oft bedacht,
Sie müss' einst sterben, habe ich die Kraft,
Es jetzt zu tragen.

MESSALA
So trägt ein großer Mann ein großes Unglück.

CASSIUS
Durch Kunst hab ich so viel hievon als Ihr,
Doch die Natur ertrügs in mir nicht so.

BRUTUS
Wohlan, zu unserm lebenden Geschäft!
Was denkt Ihr? Ziehn wir nach Philippi gleich?

CASSIUS
Mir scheints nicht ratsam.

BRUTUS
                            Euer Grund?

CASSIUS
                                         Hier ist er:
Weit besser ist es, wenn der Feind uns sucht;
So wird er, sich zum Schaden, seine Mittel
Erschöpfen, seine Krieger müde machen.
Wir liegen still indes, bewahren uns
In Ruh, wehrhaftem Stand und Munterkeit.

BRUTUS
Den bessern Gründen müssen gute weichen.
Das Land von hier bis nach Philippi hin
Beweist uns nur aus Zwang Ergebenheit,
Denn murrend hat es Lasten uns gezahlt.
Der Feind, indem er durch dasselbe zieht,
Wird seine Zahl daraus ergänzen können
Und uns, erfrischt, vermehrt, ermutigt nahn.
Von diesem Vorteil schneiden wir ihn ab,
Wenn zu Philippi wir die Stirn ihm bieten,
Dies Volk im Rücken.

CASSIUS
                      Hört mich, lieber Bruder!

BRUTUS
Erlaubt mir gütig! - Ferner müßt Ihr merken,
Daß wir von Freunden alles aufgeboten,
Daß unsre Legionen übervoll
Und unsre Sache reif. Der Feind nimmt täglich zu;
Wir, auf dem Gipfel, stehn schon an der Neige.
Es gibt Gezeiten für der Menschen Treiben;
Nimmt man die Flut wahr, führt sie uns zum Glück,
Versäumt man sie, so muß die ganze Reise
Des Lebens sich durch Not und Klippen winden.
Wir sind nun flott auf solcher hohen See
Und müssen, wenn der Strom uns hebt, ihn nutzen,
Wo nicht, verlieren, was zur See wir wagten.

CASSIUS
So zieht denn, wie Ihr wollt; wir rücken selbst
Dem Feind entgegen nach Philippi vor.

BRUTUS
Die tiefe Nacht hat das Gespräch beschlichen,
Und die Natur muß frönen dem Bedürfnis,
Das mit ein wenig Ruh wir täuschen wollen.
Ist mehr zu sagen noch?

CASSIUS
                         Nein. Gute Nacht!
Früh stehn wir also morgen auf und fort.

BRUTUS
Lucius, mein Schlafgewand!
[Lucius ab.]
                            Lebt wohl, Messala!
Gute Nacht, Titinius! Edler, edler Cassius,
Gute Nacht und sanfte Ruh!

CASSIUS
                            O teurer Bruder,
Das war ein schlimmer Anfang dieser Nacht.
Nie trenne solcher Zwiespalt unsre Herzen,
Nie wieder, Brutus!

BRUTUS
                     Alles steht ja wohl.

CASSIUS
Nun gute Nacht!

BRUTUS
                 Gute Nacht, mein guter Bruder!

TITINIUS und MESSALA
Mein Feldherr, gute Nacht!

BRUTUS
                            Lebt alle wohl!
Cassius, Titinius und Messala ab. Lucius kommt zurück mit dem Nachtkleide.

BRUTUS
Gib das Gewand! - Wo hast du deine Laute?

LUCIUS
Im Zelte hier.

BRUTUS
                Wie? Schläfrig? Armer Schelm,
Ich schelt dich nicht; du hast dich überwacht.
Ruf Claudius her und andre meiner Leute,
Sie sollen hier im Zelt auf Kissen schlafen.

LUCIUS
Varro und Claudius!
Varro und Claudius kommen.

VARRO
                     Ruft mein Gebieter?

BRUTUS
Ich bitt euch, liegt in meinem Zelt und schlaft;
Bald weck ich euch vielleicht, um irgendwas
Bei meinem Bruder Cassius zu bestellen.

VARRO
Wenns Euch beliebt, wir wollen stehn und warten.

BRUTUS
Das nicht, nein, legt euch nieder, meine Freunde!
[Die beiden Diener legen sich nieder.]
Vielleicht verändert noch sich mein Entschluß. -
Sieh, Lucius, hier das Buch, das ich so suchte;
Ich steckt es in die Tasche des Gewandes.
Die Diener legen sich nieder.

LUCIUS
Ich wußte wohl, daß mein Gebieter mir
Es nicht gegeben.

BRUTUS
                   Hab Geduld mit mir,
Mein guter Junge, ich bin sehr vergeßlich.
Hältst du noch wohl die müden Augen auf
Und spielst mir ein paar Weisen auf der Laute?

LUCIUS
Ja, Herr, wenns Euch beliebt.

BRUTUS
                               Das tuts, mein Junge.
Ich plage dich zu viel, doch du bist willig.

LUCIUS
Es ist ja meine Pflicht.

BRUTUS
                          Ich sollte dich
Zur Pflicht nicht über dein Vermögen treiben;
Ich weiß, daß junges Blut auf Schlafen hält.

LUCIUS
Ich habe schon geschlafen, mein Gebieter.

BRUTUS
Nun wohl denn, und du sollst auch wieder schlafen.
Ich will nicht lang dich halten; wenn ich lebe,
Will ich dir Gutes tun.
[Musik und ein Lied.] Lucius spielt und singt, bis er einschläft.
Die Weis' ist schläfrig. - Mörderischer Schlummer,
Legst du die bleierne Keul auf meinen Knaben,
Der die Musik macht? - Lieber Schelm, schlaf wohl,
Ich tu dirs nicht zuleid, daß ich dich wecke.
Nickst du, so brichst du deine Laut entzwei;
Ich nehm sie weg, und schlaf nun, guter Knabe. -
Laßt sehn! Ist, wo ich aufgehört zu lesen,
Das Blatt nicht eingelegt? Hier, denk ich, ists.
[Er setzt sich.] Der Geist Cäsars erscheint.
Wie dunkel brennt die Kerze! - Ha, wer kommt?
Ich glaub, es ist die Schwäche meiner Augen,
Die diese schreckliche Erscheinung schafft.
Sie kommt mir näher. - Bist du irgendwas?
Bist du ein Gott, ein Engel oder Teufel,
Der starren macht mein Blut, das Haar mir sträubt?
Gib Rede, was du bist!

GEIST
Dein böser Engel, Brutus.

BRUTUS
                           Weswegen kommst du?

GEIST
Um dir zu sagen, daß du zu Philippi
Mich sehn sollst.

BRUTUS
                   Gut, ich soll dich wiedersehn?

GEIST
Ja, zu Philippi!
[Verschwindet.]

BRUTUS
Nun, zu Philippi will ich denn dich sehn.
Der Geist verschwindet.
Nun ich ein Herz gefaßt, verschwindest du;
Gern spräch ich mehr mit dir noch, böser Geist. -
Bursch! Lucius! - Varro! Claudius! Wacht auf!
Claudius!

LUCIUS
           Die Saiten sind verstimmt.

BRUTUS
Er glaubt, er sei bei seiner Laute noch.
Erwache, Lucius!

LUCIUS
                  Herr?

BRUTUS
Hast du geträumt, daß du so schrieest, Lucius?

LUCIUS
Ich weiß nicht, mein Gebieter, daß ich schrie.

BRUTUS
Ja doch, das tatst du; sahst du irgendwas?

LUCIUS
Nichts auf der Welt.

BRUTUS
Schlaf wieder, Lucius. - Heda, Claudius!
Zu Varro.
Du, Bursch, wach auf!

VARRO
                       Herr?

CLAUDIUS
                              Herr?

BRUTUS
Weswegen schriet ihr so in eurem Schlaf?

VARRO und CLAUDIUS
Wir schrieen, Herr?

BRUTUS
                     Ja! Saht ihr irgendwas?

VARRO
Ich habe nichts gesehn.

CLAUDIUS
                         Ich gleichfalls nicht.

BRUTUS
Geht und empfehlt mich meinem Bruder Cassius;
Er lasse früh voraufziehn seine Macht,
Wir wollen folgen.

VARRO und CLAUDIUS
Herr, es soll geschehn.
Alle ab.


Vierter Aufzug

 

 

 

 

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