ERSTER AKT
ERSTE SZENE
Rom. Eine Straße
Flavius, Marullus und ein Haufe von Bürgern.
FLAVIUS
Packt euch nach Haus, ihr Tagediebe, fort!
Ist dies ein Feiertag? Was? Wißt ihr nicht,
Daß ihr als Handwerksleut an Werkeltagen
Nicht ohn ein Zeichen der Hantierung dürft
Umhergehn? - Welch Gewerbe treibst du? Sprich!
ERSTER BÜRGER
Nun, Herr, ich bin ein Zimmermann.
MARULLUS
Wo ist dein ledern Schurzfell und dein Maß?
Was machst du hier in deinen Sonntagskleidern? -
Ihr, Freund, was treibt Ihr?
ZWEITER BÜRGER
Die Wahrheit zu gestehn, Herr, gegen einen feinen Arbeiter gehalten,
mache ich nur, sozusagen. Flickwerk.
MARULLUS
Doch welch Gewerb? Antworte gradezu!
ZWEITER BÜRGER
Ein Gewerbe, Herr, das ich mit gutem Gewissen treiben kann, wie
ich hoffe. Es besteht darin, einen schlechten Wandel zu verbessern.
MARULLUS
Welch ein Gewerb, du Schuft? Welch ein Gewerb?
ZWEITER BÜRGER
Nein, ich bitte Euch, Herr, laßt Euch die Geduld nicht reißen.
Wenn aber ja was reißt, so gebt Euch nur in meine Hand.
MARULLUS
Was meinst du damit? Mich in deine Hand geben, du naseweiser Bursch?
ZWEITER BÜRGER
Nun ja, Herr, damit ich Euch flicken kann.
FLAVIUS
Du bist ein Schuhflicker, nicht wahr?
ZWEITER BÜRGER
Im Ernst, Herr, ich bin ein Wundarzt für alte Schuhe; wenns
gefährlich mit ihnen steht, so mache ich sie wieder heil. So
hübsche Leute, als jemals auf Rindsleder getreten, sind auf
meiner Hände Werk einhergegangen.
FLAVIUS
Doch warum bist du in der Werkstatt nicht?
Was führst du diese Leute durch die Gassen?
ZWEITER BÜRGER
Meiner Treu, Herr, um ihre Schuhe abzunutzen, damit ich wieder Arbeit
kriege. Doch im Ernst, Herr, wir machen Feiertag, um den Cäsar
zu sehen und uns über seinen Triumph zu freuen.
MARULLUS
Warum euch freun? Was hat er wohl erobert?
Was für Besiegte führt er heim nach Rom
Und fesselt sie zur Zier an seinen Wagen?
Ihr Blöck, ihr Steine, schlimmer als gefühllos!
O harte Herzen, arge Männer Roms!
Habt ihr Pompejus nicht gekannt? Wie oft
Stiegt ihr hinan auf Mauern und auf Zinnen,
Auf Türme, Fenster, ja auf Feueressen,
Die Kinder auf dem Arm, und saßet da
Den lieben langen Tag, geduldig wartend,
Bis durch die Straßen Roms Pompejus zöge?
Und saht ihr seinen Wagen nur von fern,
Erhobt ihr nicht ein allgemeines Jauchzen,
So daß der Tiber bebt in seinem Bett,
Wenn er des Lärmes Widerhall vernahm
An seinen hohlen Ufern?
Und legt ihr nun die Feierkleider an?
Und spart ihr nun euch einen Festtag aus?
Und streut ihr nun ihm Blumen auf den Weg,
Der siegprangt über des Pompejus Blut?
Hinweg!
In eure Häuser lauft, fallt auf die Knie
Und fleht die Götter an, die Not zu wenden,
Die über diesen Undank kommen muß!
FLAVIUS
Geht, geht, ihr guten Bürger, und versammelt
Für dies Vergehen eure armen Brüder;
Führt sie zum Tiber, weinet eure Tränen
Ins Flußbett, bis der Strom, wo er am flachsten,
Die höchsten seiner Uferhöhen küßt.
Die Bürger ab.
Sieh, wie die Schlacken ihres Innern schmelzen!
Sie schwinden weg, verstummt in ihrer Schuld.
Geht Ihr den Weg, hinab zum Kapitol;
Hierhin will ich. Entkleidet dort die Bilder,
Seht Ihr mit Ehrenzeichen sie geschmückt.
MARULLUS
Ist das erlaubt?
Ihr wißt, es ist das Luperkalienfest.
FLAVIUS
Es tut nichts! Laßt mit den Trophäen Cäsars
Kein Bild behängt sein. Ich will nun umher
Und will den Pöbel von den Gassen treiben.
Das tut auch Ihr, wo Ihr gedrängt sie seht.
Dies wachsende Gefieder, ausgerupft
Der Schwinge Cäsars, wird den Flug ihm hemmen,
Der, über Menschenblicke hoch hinaus,
Uns alle sonst in knechtscher Furcht erhielte.
Beide ab.
ZWEITE SZENE
Daselbst. Ein öffentlicher Platz
In einem feierlichen Aufzuge mit Musik kommen Cäsar, Antonius,
zum heiligen Lauf gerüstet, Calpurnia, Portia, Decius, Cicero,
Brutus, Cassius und Casca; hinter ihnen ein großes Gedränge,
darunter ein Wahrsager.
CÄSAR
Calpurnia!
CASCA
Still
da! Cäsar spricht.
Die Musik hält inne.
CÄSAR
Calpurnia!
CALPURNIA
Hier,
mein Gemahl!
CÄSAR
Stellt dem Antonius grad Euch in den Weg,
Wenn er im Laufe kommt. - Antonius!
ANTONIUS
Erlauchter
Cäsar?
CÄSAR
Vergeßt, Antonius, nicht, in Eurer Eil
Calpurnia zu berühren; denn es ist
Ein alter Glaube: unfruchtbare Weiber,
Bei diesem heilgen Laufe angerührt,
Entladen sich des Fluchs.
ANTONIUS
Ich
werd es merken.
Wenn Cäsar sagt: Tu das!, so ists vollbracht.
CÄSAR
Beginnt; laßt nichts von den Gebräuchen aus!
Musik.
WAHRSAGER
Cäsar!
CÄSAR
He, wer ruft?
CASCA
Es schweige jeder Lärm; noch einmal still!
Die Musik hält inne.
CÄSAR
Wer ist es im Gedräng, der mich begehrt?
Durch die Musik dringt gellend eine Stimme,
Die Cäsar! ruft. Sprich! Cäsar neigt sein Ohr.
WAHRSAGER
Nimm vor des Märzen Idus dich in acht!
CÄSAR
Wer ist der Mann?
BRUTUS
Ein Wahrsager warnt Euch vor des Märzen Idus.
CÄSAR
Führt ihn mir vor, laßt sein Gesicht mich sehn!
CASCA
Komm aus dem Haufen, Mensch, und tritt vor Cäsar!
CÄSAR
Was sagst du nun zu mir? Sprich noch einmal!
WAHRSAGER
Nimm vor des Märzen Idus dich in acht!
CÄSAR
Er ist ein Träumer; laßt ihn gehn und kommt!
[Ein Marsch] Trompetenstoß.
Alle, bis auf Brutus und Cassius, gehen ab.
CASSIUS
Wollt Ihr den Hergang bei dem Wettlauf sehn?
BRUTUS
Ich nicht.
CASSIUS
Ich
bitt Euch, tuts!
BRUTUS
Ich hab am Spiel nicht Lust, mir fehlt ein Teil
Vom muntern Geiste des Antonius;
Doch muß ich Euch in Eurem Wunsch nicht hindern.
Ich laß Euch, Cassius.
CASSIUS
Brutus, seit kurzem geb ich acht auf Euch;
Ich find in Eurem Blick die Freundlichkeit,
Die Liebe nicht, an die Ihr mich gewöhnt;
Zu störrisch und zu fremd begegnet Ihr
Dem Freunde, der Euch liebt.
BRUTUS
Mein
Cassius,
Betrügt Euch nicht! Hab ich den Blick verschleiert,
So kehrt die Unruh meiner Mienen sich
Nur gegen mich allein. Seit kurzem quälen
Mich Regungen von streitender Natur,
Gedanken, einzig für mich selbst geschickt,
Die Schatten wohl auf mein Betragen werfen.
Doch laßt dies meine Freunde nicht betrüben,
Wovon Ihr einer sein müßt, Cassius,
Noch mein achtloses Wesen anders deuten,
Als daß, mit sich im Krieg, der arme Brutus
Den andern Liebe kundzutun vergißt.
CASSIUS
Dann, Brutus, mißverstand ich Euren Unmut.
Deshalb begrub hier diese Brust Entwürfe
Von großem Werte, würdige Gedanken.
Sagt, Brutus, könnt Ihr Euer Antlitz sehen?
BRUTUS
Nein, Cassius, denn das Auge sieht sich nicht
Als nur im Widerschein durch andre Dinge.
CASSIUS
So
ists;
Und man beklagt sich sehr darüber, Brutus,
Daß Ihr nicht solche Spiegel habt, die Euren
Verborgnen Wert Euch in die Augen rückten,
Auf daß Ihr Euren Schatten säht. Ich hörte,
Wie viele von den ersten Männern Roms
- Nur Cäsarn nehm ich aus -, von Brutus redend
Und seufzend unter dieser Zeiten Joch,
Dem edlen Brutus ihre Augen wünschten.
BRUTUS
Auf welche Wege, Cassius, lockt Ihr mich,
Daß Ihr mich heißt in meinem Innern suchen,
Was doch nicht in mir ist?
CASSIUS
Drum, lieber Brutus, schickt Euch an zu hören.
Und weil Ihr wißt. Ihr könnt Euch selbst so gut
Nicht sehn als durch den Widerschein, so will
Ich, Euer Spiegel, Euch bescheidentlich
Von Euch entdecken, was Ihr noch nicht wißt.
Und denkt von mir kein Arges, werter Brutus.
Wär ich ein Lacher aus der Menge, pflegt ich
Mein Herz durch Alltagsschwüre jedem neuen
Beteurer auszubieten, wenn Ihr wüßtet,
Daß ich die Menschen streichle, fest sie herze
Und dann sie lästre, oder wenn Ihr wüßtet,
Daß ich beim Schmaus mich mit der ganzen Schar
Verbrüdre, müßtet Ihr Euch vor mir hüten.
Trompeten und Freudengeschrei.
BRUTUS
Was heißt dies Jauchzen? Wie ich fürchte, wählt
Das Volk zum König Cäsarn.
CASSIUS
Fürchtet
Ihrs?
Das hieße ja. Ihr möchtet es nicht gern.
BRUTUS
Nein, Cassius, nicht gern; doch lieb ich ihn.
Doch warum haltet Ihr mich hier so lange?
Was ist es, das Ihr mir vertrauen möchtet?
Ists etwas, dienlich zum gemeinen Wohl,
Stellt Ehre vor ein Auge, Tod vors andre,
Und beide seh ich gleichen Mutes an.
Die Götter sein mir günstig, wie ich mehr
Die Ehre lieb, als vor dem Tod mich scheue.
CASSIUS
Ich weiß, daß diese Tugend in Euch wohnt,
So gut ich Euer äußres Ansehn kenne.
Wohl! Ehre ist der Inhalt meiner Rede.
Ich weiß es nicht, wie Ihr und andre Menschen
Von diesem Leben denkt; mir, für mich selbst,
Wär es so lieb, nicht da sein, als zu leben
In Furcht vor einem Wesen wie ich selbst.
Ich kam wie Cäsar frei zur Welt, so Ihr;
Wir nährten uns so gut, wir können beide
So gut wie er des Winters Frost ertragen.
Denn einst, an einem rauhen stürmschen Tage,
Als wild der Tiber an sein Ufer tobte,
Sprach Cäsar zu mir: Wagst du, Cassius, nun
Mit mir zu springen in die zornge Flut
Und bis dorthin zu schwimmen? - Auf dies Wort,
Bekleidet, wie ich war, stürzt ich hinein
Und hieß ihn folgen; wirklich tat ers auch.
Der Strom brüllt' auf uns ein; wir schlugen ihn
Mit wackern Sehnen, warfen ihn beiseit
Und hemmten ihn mit einer Brust des Trotzes.
Doch eh wir das gewählte Ziel erreicht,
Rief Cäsar: Hilf mir, Cassius, ich sinke! -
Ich, wie Äneas, unser großer Ahn,
Aus Trojas Flammen einst auf seinen Schultern
Den alten Vater trug, so aus den Wellen
Zog ich den müden Cäsar. - Und der Mann
Ist nun zum Gott erhöht, und Cassius ist
Ein arm Geschöpf und muß den Rücken beugen,
Nickt Cäsar nur nachlässig gegen ihn.
Als er in Spanien war, hatt er ein Fieber,
Und wenn der Schaur ihn ankam, merkt ich wohl
Sein Beben: ja, er bebte, dieser Gott!
Das feige Blut der Lippen nahm die Flucht.
Sein Auge, dessen Blick die Welt bedroht,
Verlor den Glanz, und ächzen hört ich ihn.
Ja, dieser Mund, der horchen hieß die Römer
Und in ihr Buch einzeichnen seine Reden,
Ach, rief: Titinius, gib mir zu trinken! -
Wie'n krankes Mädchen. Götter, ich erstaune,
Wie nur ein Mann so schwächlicher Natur
Der stolzen Welt den Vorsprung abgewann
Und nahm die Palm allein.
Jubelgeschrei. Trompeten.
BRUTUS
Ein
neues Jauchzen!
Ich glaube, dieser Beifall gilt den Ehren,
Die man auf Cäsars Haupt von neuem häuft.
CASSIUS
Ja, er beschreitet, Freund, die enge Welt
Wie ein Kolossus, und wir kleinen Leute,
Wir wandeln unter seinen Riesenbeinen
Und schaun umher nach einem schnöden Grab.
Der Mensch ist manchmal seines Schicksals Meister;
Nicht durch die Schuld der Sterne, lieber Brutus,
Durch eigne Schuld nur sind wir Schwächlinge.
Brutus und Cäsar - was steckt doch in dem »Cäsar«,
Daß man den Namen mehr als Euren spräche?
Schreibt sie zusammen: ganz so schön ist Eurer;
Sprecht sie: er steht den Lippen ganz so wohl;
Wägt sie: er ist so schwer; beschwört mit ihnen:
»Brutus« ruft Geister auf so schnell wie »Cäsar«.
[Jubelgeschrei.]
Nun denn, im Namen der gesamten Götter,
Mit was für Speise nährt denn Cäsar sich,
Daß er so groß ward? Zeit, du bist entehrt.
Rom, du verlorst die Kraft des Heldenstamms.
Welch Alter schwand wohl seit der großen Flut,
Das nicht geglänzt durch mehr als einen Mann?
Wer sagte jemals, wenn er sprach von Rom,
Es fass' sein weiter Kreis nur einen Mann?
Nun ist in Rom fürwahr des Raums genug,
Findt man darin nur einen einzgen Mann.
Oh, beide hörten wir von unsern Vätern:
Einst gab es einen Brutus, der so gern
Des alten Teufels Hof als einen König
Geduldet hätt in Rom.
BRUTUS
Daß Ihr mich liebt, bezweifl ich keineswegs;
Worauf Ihr bei mir dringt, das ahn ich wohl;
Was ich davon gedacht und von den Zeiten,
Erklär ich Euch in Zukunft. Doch für jetzt
Möcht ich, wenn ich Euch freundlich bitten darf,
Nicht mehr getrieben sein. Was Ihr gesagt,
Will ich erwägen; was Ihr habt zu sagen,
Mit Ruhe hören und gelegne Zeit,
So hohe Dinge zu besprechen, finden.
Bis dahin, edler Freund, beherzigt dies:
Brutus wär lieber eines Dorfs Bewohner,
Als sich zu zählen zu den Söhnen Roms
In solchem harten Stand, wie diese Zeit
Uns aufzulegen droht.
CASSIUS
Ich bin erfreut, daß meine schwachen Worte
Dem Brutus so viel Funken nur entlockt.
[Cäsar und sein Zug kommen zurück.]
BRUTUS
Das Spiel ist aus, und Cäsar kehrt zurück.
CASSIUS
Wenn sie uns nahn, zupft Casca nur am Ärmel,
Er wird nach seiner mürrschen Art Euch sagen,
Was von Belang sich heut ereignet hat.
Cäsar und sein Zug kommen zurück.
BRUTUS
Ich will es tun. Doch seht nur, Cassius,
Auf Cäsars Stirne glüht der zornge Fleck,
Die andern sehn gescholtnen Dienern gleich.
Calpurnias Wang ist blaß, und Cicero
Blickt so mit Frettchenaugen feurig drein,
Wie wir ihn wohl im Kapitol gesehn,
Wenn Senatoren ihn im Rat bestritten.
CASSIUS
Casca wird uns berichten, was es gibt.
CÄSAR
Antonius!
ANTONIUS
Cäsar?
CÄSAR
Laßt wohlbeleibte Männer um mich sein,
Mit glatten Köpfen und die nachts gut schlafen,
Der Cassius dort hat einen hohlen Blick;
Er denkt zuviel: die Leute sind gefährlich!
ANTONIUS
O fürchtet den nicht; er ist nicht gefährlich,
Er ist ein edler Mann von guten Gaben.
CÄSAR
Wär er nur fetter! Zwar ich fürcht ihn nicht;
Doch wäre Furcht nicht meinem Namen fremd,
Ich kenne niemand, den ich eher miede
Als diesen hagern Cassius. Er liest viel;
Er ist ein großer Prüfer und durchschaut
Das Tun der Menschen ganz; er liebt kein Spiel
Wie du, Antonius, hört nicht Musik;
Er lächelt selten und auf solche Weise,
Als Spott er sein, verachte seinen Geist,
Den irgendwas zum Lächeln bringen konnte.
Und solche Männer haben nimmer Ruh,
Solang sie jemand größer sehn als sich;
Das ist es, was sie so gefährlich macht.
Ich sag dir eher, was zu fürchten stände,
Als was ich fürchte; ich bin stets doch Cäsar.
Komm mir zur Rechten, denn dies Ohr ist taub,
Und sag mir wahrhaft, was du von ihm denkst!
Cäsar und sein Gefolge ab; Casca bleibt zurück.
CASCA
Ihr zogt am Mantel mich; wollt Ihr mich sprechen?
BRUTUS
Ja, Casca, sag uns, was sich heut begeben,
Daß Cäsar finster sieht.
CASCA
Ihr wart ja bei ihm; wart Ihr nicht?
BRUTUS
Dann fragt ich Casca nicht, was sich begeben.
CASCA
Nun, man bot ihm eine Krone an, und als man sie ihm anbot, schob
er sie mit dem Rücken der Hand zurück; so -; und da erhob
das Volk ein Jauchzen.
BRUTUS
Worüber jauchzten sie zum andern Mal?
CASCA
Nun, auch darüber.
CASSIUS
Sie jauchzten dreimal ja; warum zuletzt?
CASCA
Nun, auch darüber.
BRUTUS
Wurd ihm die Krone dreimal angeboten?
CASCA
Ei gewiß wurde sie's, und er schob sie dreimal zurück;
jedesmal sachter als das vorige Mal; und bei jedem Zurückschieben
jauchzten meine ehrlichen alten Freunde.
CASSIUS
Wer bot ihm die Krone an?
CASCA
Je nun, Antonius.
BRUTUS
Sagt uns die Art und Weise, lieber Casca!
CASCA
Ich kann mich ebensogut hängen lassen, als Euch die Art und
Weise erzählen; es waren nichts als Possen, ich gab nicht acht
darauf. Ich sah den Mark Anton ihm eine Krone anbieten - doch eigentlich
wars keine rechte Krone, es war so 'ne Art von Stirnband - und wie
ich Euch sagte, er schob sie einmal beiseite; aber bei alledem hätte
er sie nach meinem Bedünken gern gehabt. Dann bot er sie ihm
nochmals an, und dann schob er sie nochmals zurück; aber nach
meinem Bedünken kam es ihn hart an, die Finger wieder davonzutun.
Und dann bot er sie ihm zum dritten Male an, er schob sie zum dritten
Male zurück, und jedesmal, daß er sie ausschlug, kreischte
das Gesindel, und klatschten in die rauhen Fäuste und warfen
die schweißigen Nachtmützen in die Höhe und gaben
eine solche Last stinkenden Atems von sich, weil Cäsar die
Krone ausschlug, daß Cäsar fast daran erstickt wäre;
denn er ward ohnmächtig und fiel nieder, und ich für mein
Teil wagte nicht zu lachen, aus Furcht, ich möchte den Mund
auftun und die böse Luft einatmen.
CASSIUS
Langsam, ich bitt Euch! Wie? Er fiel in Ohnmacht?
CASCA
Er fiel auf dem Marktplatze nieder, hatte Schaum vor dem Munde und
war sprachlos.
BRUTUS
Das mag wohl sein; er hat die fallende Sucht.
CASSIUS
Nein, Cäsar hat sie nicht. Doch Ihr und ich
Und unser wackrer Casca, wir haben sie.
CASCA
Ich weiß nicht, was Ihr damit meint; aber ich bin gewiß,
Cäsar fiel nieder. Wenn das Lumpenvolk ihn nicht beklatschte
und auszischte, je nachdem er ihnen gefiel oder mißfiel, wie
sie es mit den Komödianten auf dem Theater machen, so bin ich
kein ehrlicher Kerl.
BRUTUS
Was sagt' er, als er zu sich selber kam?
CASCA
Ei nun, eh er hinfiel, als er merkte, daß der gemeine Haufe
sich freute, daß er die Krone ausschlug, so riß er euch
sein Wams auf und bot ihnen seinen Hals zum Abschneiden - triebe
ich irgend 'ne Hantierung, so will ich mit den Schuften zur Hölle
fahren, wo ich ihn nicht beim Wort genommen hätte - und damit
fiel er hin. Als er wieder zu sich selbst kam, sagte er, wenn er
irgendwas Unrechtes getan oder gesagt hätte, so bäte er
Ihre Edeln, es seinem Übel beizumessen. Drei oder vier Weibsbilder,
die bei mir standen, riefen: Ach die gute Seele!, und vergaben ihm
von ganzem Herzen. Doch das gilt freilich nicht viel; wenn er ihre
Mütter totgeschlagen hätte, sie hättens ebensogut
getan.
BRUTUS
Und darauf ging er so verdrießlich weg?
CASCA
Ja.
CASSIUS
Hat Cicero etwas gesagt?
CASCA
Ja, er sprach griechisch.
CASSIUS
Was wollt er denn?
CASCA
Ja, wenn ich Euch das sage, so will ich Euch niemals wieder vor
die Augen kommen. Aber die ihn verstanden, lächelten einander
zu und schüttelten die Köpfe. Doch was mich anlangt, mir
war es griechisch. Ich kann Euch noch mehr Neues erzählen:
Dem Marullus und Flavius ist das Maul gestopft, weil sie Binden
von Cäsars Bildsäulen gerissen haben. Lebt wohl! Es gab
noch mehr Possen, wenn ich mich nur darauf besinnen könnte.
CASSIUS
Wollt Ihr heute abend bei mir speisen, Casca?
CASCA
Nein, ich bin schon versagt.
CASSIUS
Wollt Ihr morgen bei mir zu Mittag speisen?
CASCA
Ja, wenn ich lebe und Ihr bei Eurem Sinne bleibt und Eure
Mahlzeit das Essen verlohnt.
CASSIUS
Gut, ich erwart Euch.
CASCA
Tut das; lebt beide wohl!
Ab.
BRUTUS
Was für ein plumper Bursch ist dies geworden!
Er war voll Feuer als mein Schulgenoß.
CASSIUS
Das ist er jetzt noch bei der Ausführung
Von jedem kühnen, edlen Unternehmen,
Stellt er sich schon so unbeholfen an.
Dies rauhe Wesen dient gesundem Witz
Bei ihm zur Brüh; es stärkt der Leute Magen,
Eßlustig seine Reden zu verdaun.
BRUTUS
So ist es auch. Für jetzt verlaß ich Euch,
Und morgen, wenn Ihr wünscht mit mir zu sprechen,
Komm ich zu Euch ins Haus; doch wenn Ihr wollt,
So kommt zu mir, und ich will Euch erwarten.
CASSIUS
Das will ich; bis dahin gedenkt der Welt.
Brutus ab.
Gut, Brutus, du bist edel; doch ich sehe,
Dein löbliches Gemüt kann seiner Art
Entwendet werden. Darum ziemt es sich,
Daß Edle sich zu Edlen immer halten.
Wer ist so fest, den nichts verführen kann?
Cäsar ist feind mir, und er liebt den Brutus,
Doch wär ich Brutus nun, er Cassius,
Er sollte mich nicht lenken. Diese Nacht
Werf ich ihm Zettel von verschiednen Händen,
Als ob sie von verschiednen Bürgern kämen,
Durchs Fenster, alle voll der großen Meinung,
Die Rom von seinem Namen hegt, wo dunkel
Auf Cäsars Ehrsucht soll gedeutet sein.
Dann denke Cäsar seines nahen Falles;
Wir stürzen bald ihn - oder dulden alles.
Ab.
DRITTE SZENE
Daselbst. Eine Straße. [Ungewitter]
Donner und Blitz. Casca, mit gezogenem
Schwert, und Cicero kommen von verschiedenen Seiten.
CICERO
Guten Abend, Casca! Kommt Ihr her vom Cäsar?
Warum so atemlos und so verstört?
CASCA
Bewegts Euch nicht, wenn dieses Erdballs Feste
Wankt wie ein schwaches Rohr? O Cicero!
Ich sah wohl Stürme, wo der Winde Schelten
Den knotgen Stamm gespaltet, und ich sah
Das stolze Meer anschwellen, wüten, schäumen,
Als wollt es an die drohnden Wolken reichen;
Doch nie bis heute nacht, noch nie bis jetzt
Ging ich durch einen Feuerregen hin.
Entweder ist im Himmel innrer Krieg;
Wo nicht, so reizt die Welt durch Übermut
Die Götter, uns Zerstörung herzusenden.
CICERO
Ja, saht Ihr sonst noch andre Wunderdinge?
CASCA
Ein Sklave, den Ihr wohl von Ansehn kennt,
Hob seine linke Hand empor; sie flammte
Wie zwanzig Fackeln auf einmal, und doch,
Die Glut nicht fühlend, blieb sie unversengt.
Auch kam - seitdem steckt ich mein Schwert nicht ein -
Beim Kapitol ein Löwe mir entgegen;
Er gaffte starr mich an, ging mürrisch weiter
Und tat mir nichts. Auf einen Haufen hatten
Wohl hundert bleiche Weiber sich gedrängt,
Entstellt von Furcht; die schwuren, daß sie Männer
Mit feurigen Leibern wandern auf und ab
Die Straßen sahn. Und gestern saß der Vogel
Der Nacht sogar am Mittag auf dem Markte
Und kreischt' und schrie. Wenn dieser Wunderzeichen
So viel zusammentreffen, sage niemand:
Dies ist der Grund davon, sie sind natürlich -
Denn Dinge schlimmer Deutung, glaub ich, sinds
Dem Himmelsstrich, auf welchen sie sich richten.
CICERO
Gewiß, die Zeit ist wunderbar gelaunt;
Doch Menschen deuten oft nach ihrer Weise
Die Dinge, weit entfernt vom wahren Sinn.
Kommt Cäsar morgen auf das Kapitol?
CASCA
Ja, denn er trug es dem Antonius auf,
Euch kundzutun, er werde morgen kommen.
CICERO
Schlaft wohl denn, Casca! Dieser Aufruhr läßt
Nicht draußen weilen.
CASCA
Cicero,
lebt wohl!
Cicero ab. Cassius tritt auf.
CASSIUS
Wer da?
CASCA
Ein Römer.
CASSIUS
Casca,
nach der Stimme.
CASCA
Eur Ohr ist gut. Cassius, welch eine Nacht!
CASSIUS
Die angenehmste Nacht für wackre Männer.
CASCA
Wer sah den Himmel je so zornig drohn?
CASSIUS
Die, welche so voll Schuld die Erde sahn.
Ich für mein Teil bin durch die Stadt gewandert,
Mich unterwerfend dieser grausen Nacht,
Und so entgürtet, Casca, wie Ihr seht,
Hab ich die Brust dem Donnerkeil entblößt.
Und wenn des Blitzes schlängelnd Blau zu öffnen
Des Himmels Busen schien, bot ich mich selbst
Dem Strahl des Wetters recht zum Ziele dar.
CASCA
Warum versuchtet Ihr den Himmel so?
Es steht dem Menschen Furcht und Zittern an,
Wenn die gewaltgen Götter solche Boten
Furchtbarer Warnung, uns zu schrecken, senden.
CASSIUS
O Casca, Ihr seid stumpf; der Lebensfunke,
Der glühen sollt in Römern, fehlt Euch, oder
Ihr braucht ihn nicht. Ihr seht bleich aus und starrt,
Von Furcht ergriffen und versenkt in Staunen,
Des Himmels ungewohnten Grimm zu schauen.
Doch wolltet Ihr den wahren Grund erwägen,
Warum die Feuer, die irren Geister alle,
Was Tier' und Vögel macht vom Stamm entarten
Und Greise faseln, Kinder prophezein,
Warum all diese Dinge ihr Gesetz,
Natur und angeschaffne Gaben wandeln
In Mißbeschaffenheit: nun so erkennt Ihr,
Der Himmel hauchte diesen Geist in sie,
Daß sie der Furcht und Warnung Werkzeug würden
Für irgendeinen mißbeschaffnen Zustand.
Nun könnt ich, Casca, einen Mann dir nennen,
Ganz ähnlich dieser schreckenvollen Nacht,
Der donnert, blitzt, die Gräber öffnet, brüllt,
So wie der Löwe dort im Kapitol;
Ein Mann, nicht mächtiger als ich und du
An Leibeskraft, doch drohend angewachsen
Und furchtbar, wie der Ausbruch dieser Gärung.
CASCA
's ist Cäsar, den Ihr meint. Nicht, Cassius?
CASSIUS
Es sei auch, wer es sei! Die Römer haben
Jetzt Mark und Bein, wie ihre Ahnen hatten;
Doch weh uns! Unsrer Väter Geist ist tot,
Und das Gemüt der Mütter lenkt uns nun,
Denn unser Joch und Dulden zeigt uns weibisch.
CASCA
Ja freilich heißts, gewillt sei der Senat,
Zum König morgen Cäsarn einzusetzen;
Er soll zur See, zu Land die Krone tragen
An jedem Ort, nur in Italien nicht.
CASSIUS
Ich weiß, wohin ich diesen Dolch dann kehre;
Den Cassius soll von Knechtschaft Cassius lösen.
Darin, ihr Götter, macht ihr Schwache stark,
Darin, ihr Götter, bändigt ihr Tyrannen:
Nicht felsenfeste Burg noch ehrne Mauern
Noch dumpfe Keller noch der Ketten Last
Sind Hindernisse für des Geistes Stärke;
Das Leben, dieser Erdenschranken satt,
Hat stets die Macht, sich selber zu entlassen.
Und weiß ich dies, so wiss' auch alle Welt:
Den Teil der Tyrannei, der auf mir liegt,
Werf ich nach Willkür ab.
Fortdauernder Donner.
CASCA
Das
kann auch ich.
So trägt ein jeder Sklav in eigner Hand
Gewalt, zu brechen die Gefangenschaft.
CASSIUS
Warum denn wäre Cäsar ein Tyrann?
Der arme Mann! Ich weiß, er wär kein Wolf,
Wenn er nicht säh, die Römer sind nur Schafe;
Er wär kein Leu, wenn sie nicht Rehe wären.
Wer eilig will ein mächtig Feuer machen,
Nimmt schwaches Stroh zuerst; was für Gestrüpp
Ist Rom, und was für Plunder, wenn es dient
Zum schlechten Stoff, der einem schnöden Dinge
Wie Cäsarn Licht verleiht? Doch, o mein Gram,
Wo führtest du mich hin? Ich spreche dies
Vielleicht vor einem willgen Knecht; dann weiß ich,
Daß ich muß Rede stehn; doch führ ich Waffen,
Und mich bekümmern die Gefahren nicht.
CASCA
Ihr sprecht mit Casca, einem Mann, der nie
Ein Ohrenbläser war. Hier, meine Hand!
Werbt nur Partei zur Abstellung der Übel,
Und dieser Fuß soll Schritt mit jedem halten,
Der noch so weit geht.
CASSIUS
Ein
geschloßner Handel!
Nun, Casca, wißt: Ich habe manche schon
Der Edelmütigsten von Rom beredet,
Mit mir ein Unternehmen zu bestehn
Von ehrenvoll-gefährlichem Erfolg.
Ich weiß, sie warten in Pompejus' Halle
Jetzt eben mein; denn in der furchtbarn Nacht
Kann niemand unter freiem Himmel dauern.
Des Elementes Antlitz und Gestalt
Ist wie das Werk beschaffen, das wir treiben:
Höchst blutig, feurig und höchst fürchterlich.
[Cinna tritt auf.]
CASCA
Seid still ein Weilchen, jemand kommt in Eil.
CASSIUS
Ich hör am Gange, daß es Cinna ist;
Er ist ein Freund. -
Cinna tritt auf.
Cinna,
wohin so eilig?
CINNA
Euch sucht ich. Wer ist das? Metellus Cimber?
CASSIUS
Nein, es ist Casca, ein Verbündeter
Zu unsrer Tat. Werd ich erwartet, Cinna?
CINNA
Das ist mir lieb. Welch eine grause Nacht!
Ein paar von uns sahn seltsame Gesichte.
CASSIUS
Werd ich erwartet, sagt mir?
CINNA
Ja,
Ihr werdet es. O Cassius, könntet Ihr
In unsern Bund den edlen Brutus ziehn -
CASSIUS
Seid ruhig! Guter Cinna, diesen Zettel,
Seht, wie Ihr in des Prätors Stuhl ihn legt,
Daß Brutus nur ihn finde; diesen werft
Ihm in das Fenster; diesen klebt mit Wachs
Ans Bild des alten Brutus. Dies getan,
Kommt zu Pompejus' Hall und trefft uns dort.
Sind Decius Brutus und Trebonius da?
CINNA
Ja, alle, bis auf Cimber, und der sucht
In Eurem Haus Euch auf. Gut, ich will eilen,
Die Zettel anzubringen, wie Ihr wünscht.
CASSIUS
Dann stellt Euch ein bei des Pompejus Bühne.
Cinna ab.
Kommt, Casca, laßt uns beide noch vor Tag
In seinem Hause Brutus sehn! Drei Viertel
Von ihm sind unser schon; der ganze Mann
Ergibt sich bei dem nächsten Angriff uns.
CASCA
Oh, er sitzt hoch in allen Volkes Herzen,
Und was in uns als Frevel nur erschiene,
Sein Ansehn wird es, wie der Stein der Weisen,
In Tugend wandeln und in Würdigkeit.
CASSIUS
Ihn, seinen Wert, wie sehr wir ihn bedürfen,
Habt Ihr recht wohl getroffen. Laßt uns gehn,
Es ist nach Mitternacht; wir wollen ihn
Vor Tage wecken und uns sein versichern.
Beide ab.
Erster Aufzug
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