Dritte Scene.
Pandolph zu den Vorigen.
König Philipp.
Hier kommt der heilige Legat des Papsts.
Pandolph.
Heil euch, ihr gesalbten Stadthalter des Himmels! An dich, König
Johann, geht meine heilige Gesandtschaft. Ich, Pandolph, Cardinal
Erz-Bischof von Meiland, und Legat des Papsts Innocentius allhier,
frage dich in seinem Namen auf dein Gewissen, warum du gegen die
Vorrechte der Kirche, unsrer heiligen Mutter, den erwählten
Erz-Bischof von Canterbüry, Stephan Langton, so vorsezlicher
und gewaltthätiger Weise von diesem heiligen Stuhl zurükstossest?
Dieses ists, was in unsers vorbesagten heiligsten Vaters, Papsts
Innocentius, Namen, ich dich fragen soll.
König Johann.
Was für ein irdischer Name kan den freyen Athem geheiligter
Könige zu Fragstüken anhalten? Du kanst keinen schlechtern,
unwürdigern und lächerlichern Namen erdenken, Cardinal,
um mich zu einer Antwort zu vermögen, als des Papsts seinen.
Sag ihm das, und seze noch dieses aus Englands Mund hinzu, daß
wir nicht gestatten werden, daß ein Italiänischer Priester
Zehnden oder Zoll in unsern Gebieten einziehe; sondern, so wie
wir in unsern Reichen, unter dem Himmel das oberste Haupt sind,
so wollen wir auch unter ihm, diesem grossen Oberherrn, allein
und ohne Beyhülf einer sterblichen Hand, dieses unser Ansehen
behaupten. Sagt das dem Papst, mit Beyseitsezung aller Ehrfurcht
gegen ihn und seine anmaßliche Autorität.
König Philipp.
Bruder von England, ihr lästert indem ihr so sprecht.
König Johann.
Ob gleich ihr und alle Könige der Christenheit euch von diesem
unruhigen Priester auf eine grobe Art hintergehen laßt,
daß ihr einen Fluch fürchtet, der sich mit Geld abkauffen
läßt, und durch das Verdienst von abschäzigem
Gold, Quark, Staub, verfälschten Ablaß von einem Menschen
erkauft, der bey diesem Handel den Ablaß sich selber abkauft,
ob gleich ihr und alle übrigen, euch so grob betrügen
laßt, diesen heiligen Taschenspieler mit Einkünften
zu überhäuffen; so hab ich doch Muth, ich allein, mich
dem Papst entgegenzusezen, und halte seine Freunde für meine
Feinde.
Pandolph.
So sey dann du, kraft der rechtmäßigen Gewalt die ich
habe, mit dem Fluch und Bann der Kirche belastet; und gesegnet
soll der seyn, der sich wider seine Lehenspflicht gegen einen
Kezer empört; und verdienstlich soll die Hand genennt werden,
canonisirt und als heilig verehrt, die, durch was für ein
Mittel es auch sey, dir dein verfluchtes Leben nimmt.
Constantia.
O laß es erlaubt seyn, daß mir Rom eine Weile Plaz
mache, ihm zu fluchen. Guter Vater Cardinal, sprich du Amen zu
meinen Flüchen; denn ohne eine Kränkung, wie die meinige,
ist keine Zunge, die Gewalt hat, ihm recht zu fluchen.
Pandolph.
Hier, Lady, ist die gesezmäßige Vollmacht, die meinen
Fluch rechtmäßig macht.
Constantia.
Ist es der meinige minder? Wenn das Gesez kein Recht thun kan,
so laßt rechtmäßig seyn, daß das Gesez
kein Unrecht hindre; das Gesez kan meinem Kinde hier sein Königreich
nicht geben; denn der, der von seinem Königreich Meister
ist, ist Meister vom Gesez; da nun das Gesez selbst vollkommnes
Unrecht ist, wie kan das Gesez meiner Zunge verbieten zu fluchen?
Pandolph.
Philipp von Frankreich, wenn du nicht selbst in den Bann fallen
willst, so laß die Hand dieses Erz-Kezers fahren, und biete
die ganze Macht von Frankreich wider ihn auf, es wäre dann,
daß er sich unter Rom demüthigte.
Elinor.
Wirst du blaß, Frankreich? Laß deine Hand nicht gehen.
Constantia.
Habe Sorge, Teufel, damit Frankreich sich nicht ändre, und
durch Zurükziehung seiner Hand die Hölle eine Seele
verliehre.
Oestreich.
König Philipp, gieb dem Cardinal Gehör.
Faulconbridge.
Und häng' ein Kalbsfell um seine ehrlosen Schultern.
Oestreich.
Gut, Galgenschwengel, ich muß diese Beleidigungen einsteken,
weil - -
Faulconbridge.
deine Hosen weit genug dazu sind, sie zu tragen.
König Johann.
König Philipp, was sagst du zu dem Cardinal?
Constantia.
Was kan er anders sagen, als wie der Cardinal.
Ludwig.
Bedenket euch, Vater; die Frage ist, ob ihr euch den schweren
Fluch von Rom, oder den leichten Verlust von Englands Freundschaft
zuziehen wollt; wählet das leichteste Uebel.
Blanca.
Das ist Rom's Fluch.
Constantia.
Ludwig, halte fest; der Teufel versucht dich hier in Gestalt einer
schmuken jungen Braut.
König Johann.
Der König ist unruhig, und giebt keine Antwort.
Constantia (zu Philipp.)
O entfernt euch von ihm, und antwortet recht.
Oestreich.
Thut das, König Philipp, hängt nicht länger im
Zweifel.
Faulconbridge.
Häng nichts als ein Kalbsfell, du allerangenehmste Laus.
König Philipp.
Ich bin ganz in Verwirrung, und weiß nicht was ich sagen
soll.
Pandolph.
Die Verwirrung würde noch grösser seyn, wenn du exkomunicirt
und verflucht würdest.
König Philipp.
Guter ehrwürdiger Vater, sezet euch an meine Stelle, und
saget mir, was ihr thun würdet? Diese königliche Hand
und die meinige sind nur erst zusammengefügt, und eine innerliche
Vereinigung unsrer Seelen durch ein feyrliches Bündniß
und die ganze Stärke geheiligter Eydschwüre unauflöslich
gemacht worden. Der lezte Athem, den unsre Lippen zu Worten bildeten,
war festgeschworne Treue, Friede, Freundschaft und aufrichtige
Liebe zwischen uns und unsern Königreichen. Und unmittelbar
vor diesem Friedenschluß, nicht länger als daß
wir zu Beschwörung desselben die Hände waschen konnten,
waren sie, der Himmel weiß es, mit neuvergoßnem Blut
beflekt. Und sollen nun diese Hände, die nur erst davon gereiniget,
nur erst in Freundschaft zusammengefügt worden, sich wieder
trennen, die beschworne Treue brechen, und des Himmels spotten?
Sollen wir so unbeständige Kinder aus uns selbst machen,
einen Augenblik darauf wieder unsre Hände zurükzuziehen?
Soll die beschworne Treue wieder abgeschworen, und das Brautbette
des lächelnden Friedens von blutigem Krieg zertreten werden?
O heiliger Mann, mein ehrwürdiger Vater, laßt es nicht
so seyn! Erfindet, rathet, schlaget einen gelindern Weg vor, und
wir wollen uns glüklich schäzen, euch zu willfahren
und Freunde zu bleiben.
Pandolph.
Alle Form ist unförmlich, und jeder Weg ein Irrweg, der nicht
der Freundschaft mit England entgegensteht. Zu den Waffen also;
sey der Verfechter unsrer Kirche, oder die Kirche unsre Mutter
wird ihren Fluch über dich aussprechen, den Fluch einer Mutter
über einen rebellischen Sohn. Frankreich, es wäre dir
besser eine Schlange bey ihrer Zunge, einen ergrimmten Löwen
bey seiner mördrischen Taze, einen hungernden Tyger bey seinen
Zähnen zu halten, als in Freundschaft diese Hand zu halten,
die du hältst.
König Philipp.
Ich kan wohl meine Hand aber nicht meinen Eyd zurük ziehen.
Pandolph.
Du machst also die Pflicht zu einem Feind der Pflicht und sezest,
wie in einem Bürger-Krieg, Eyd gegen Eyd, und Versprechen
gegen Versprechen. Hast du nicht dein erstes Gelübde dem
Himmel gethan, nemlich ein Beschüzer unsrer Kirche zu seyn,
und muß dieses nicht zuerst erfüllt werden? Was du
seitdem geschworen hast, ist wieder dich selbst geschworen, und
kan nicht von dir vollzogen werden; denn wenn du geschworen hast
unrecht zu thun, so besteht das Unrecht darinn, wenn du deinen
Schwur hältst; und wenn du ihn nicht hältst, wofern
ihn zu halten unrecht ist, so kanst du deine Pflicht nicht besser
halten, als wenn du ihn nicht hältst. In diesem Fall ist
das Rechtmäßigste, zweymal Unrecht zu thun; es scheint
unrecht, aber das Unrecht wird dadurch wieder recht, und Untreue
heilt Untreue, wie Feuer in den gerösteten Adern eines Menschen,
der verbrennt wird, das Feuer kühlt. Die Religion ist es,
was beschworne Gelübde halten macht; allein du hast wider
die Religion geschworen; du schwörst bey etwas, wider welches
du schwörst, und machst einen Eid zur Sicherheit deiner Treue,
gegen einen Eid, dessen Treue du dadurch unsicher machst. Wenn
man schwört, so schwört man ja allein, daß man
nicht meineidig seyn soll; was für ein Gespötte wär'
es sonst zu schwören? Du aber schwörst allein, um falsch
zu schwören; und bist meineidig, wenn du hältst was
du geschworen hast.* Dein lezter Eid, den du gegen deinen ersten
geschworen hast, ist also in dir selbst eine Empörung gegen
dich selbst. Und du kanst nimmermehr einen bessern Sieg davon
tragen, als wenn du dein beßres Selbst gegen diese eiteln
schwindlichten Eingebungen waffnest; wozu unser Gebet, wenn du
es annehmen willst, dir beystehen soll. Wo nicht, so wisse, daß
unsre Flüche so heftig auf dich blizen sollen, daß
du nicht vermögend seyn wirst sie abzuschütteln, sondern
unter ihrer schwarzen Last in Verzweiflung sterben wirst.
Oestreich.
Rebellion, offenbare Rebellion - -
Faulconbridge.
Kan es denn nicht seyn? Ist denn kein Kalbsfell da, das dir dein
Maul stopfen kan?
Ludwig.
Vater, zu den Waffen.
Blanca.
An deinem Hochzeit-Tage? Wider das Blut, mit dem du dich vermählt
hast? Wie? Sollen erschlagne Menschen unserm Fest beywohnen? Sollen
brausende Trompeten und lautlermende Trummeln, den Tact zu unserm
hochzeitlichen Gepränge geben? O höre mich, mein Gemahl,
(o Himmel! wie neu ist dieses Wort in meinem Munde!) um dieses
Namens willen, den meine Zunge izt zum erstenmal ausspricht, auf
meinen Knien, bitt' ich dich, ergreiffe die Waffen nicht gegen
meinen Oheim.
Constantia.
O, auf meinen Knien bitte ich dich, und sollt ich so lange knien,
bis sie hart würden, du tugendhafter Dauphin, wende die vom
Himmel zugedachte Rache nicht ab.
Blanca.
Izt ist die Gelegenheit, da du mir deine Liebe beweisen kanst;
was für ein Beweggrund kan mehr bey dir gelten, als der Name
einer Gemahlin?
Constantia.
Das was ihn und dich aufrecht erhält, seine Ehre. O deine
Ehre, Ludwig, deine Ehre! - -
Ludwig.
Ich erstaunen wie Euer Majestät so kalt seyn kan, da so wichtige
Betrachtungen auf sie würken.
Pandolph.
Ich will den Fluch über sein Haupt aussprechen.
König Philipp.
Du sollst es nicht nöthig haben. England, ich falle von dir
ab.
Constantia.
O edle Wiederkehr der verbannten Majestät!
Elinor.
O schändliche Empörung der Französischen Unbeständigkeit!
König Johann.
Frankreich, du sollst diese Stunde noch in dieser Stunde bereuen.
Blanca.
So muß die Sonne in Blut untergehen. Schöner Tag, fahr'
wohl! Wo ist die Parthey mit der ich gehen muß? Ich stehe
zwischen beyden, jede Armee hat eine Hand, und indem ich beyde
halte, reissen sie sich in ihrer Wuth von einander, und zerstüken
mich. Gemahl, ich kan nicht beten, daß du gewinnen mögest;
Oheim, ich bin gezwungen zu beten, daß du verliehrest; Vater,
ich kan das Glük nicht auf deine Seite wünschen; Großmutter,
ich will nicht wünschen, daß deine Wünsche erhört
werden; keine Parthey kan gewinnen, ohne daß ich auf der
andern verliehre.
Ludwig.
Folget mir, Madame, euer Glük hängt nun von dem meinigen
ab.
Blanca.
Wo mein Glük lebt, stirbt mein Leben.
König Johann.
Vetter, geh und ziehe unsre Völker zusammen. (Faulconbridge
geht ab.) Frankreich, ich bin von einem Grimm entflammt,
dessen Hize nichts als Blut, das Blut, das kostbarste Blut von
Frankreich löschen kan.
König Philipp.
Deine Wuth soll dich aufzehren, und du sollt in Asche zusammenfallen,
eh unser Blut diß Feuer löschen soll. Sieh zu dir selbst,
du wagest viel.
König Johann.
Nicht mehr als der so mir dräuet. Zun Waffen! hinweg!
(Sie gehen ab.)
* In dieser langen Rede läßt Shakespear den Legaten
seine Geschiklichkeit in der Casuistik zeigen; und das abentheurliche
Gemengsal von Wortspielen und Non-sens, woraus sie besteht, soll,
nach seiner Absicht die Scholastische Dialectik lächerlich
machen. Wenn der Legat, wie im Verfolg des Stüks geschieht,
als ein Staatsmann redet, spricht er aus einem ganz andern Ton;
und ich vermuthe, die Absicht war zu zeigen, daß die Römischen
Höflinge ungleich bessere Politici als Theologi seyen.
Warbürton.
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