Sechste Scene.
Ariel treibt Caliban, Stephano und Trinculo in ihren gestohlnen
Kleidern vor sich her.
Stephano.
Jedermann sorge nur für andre Leute, und niemand bekümmre
sich um sich selbst; denn es ist alles nur Zufall und blindes
Glük; Courasche, du dikwanstiges Ungeheuer, Courasche!
Trinculo.
Wenn die Spionen, die ich in meinen Augen habe, die Wahrheit sagen,
so ist das ein hübscher Anblik.
Caliban.
O Setebos, das sind brave Geister, in der That! Wie fein mein
Meister ist! Aber ich fürchte, er wird mich züchtigen.
Sebastian.
Ha, ha; was für Dinge sind das, Antonio? Kan man die um Geld
haben?
Antonio.
Ich denk' es; einer davon ist ein Fisch wie sich's gehört,
und vermuthlich feil.
Prospero.
Beobachtet nur die Physionomie dieser Bursche, meine Herren, und
sagt dann, ob sie nicht die Wahrheit redt? Dieses mißgeschaffnen
Schurken seine Mutter war eine Hexe, und eine so mächtige,
daß sie den Mond beherrschen, Ebbe und Fluth erregen, und
ihre Befehle über die Grenzen ihrer Macht ausdehnen konnte.
Diese drey haben mich beraubt; und dieser Halb-Teufel, (denn er
ist ein Bastard von einem Teufel,) machte mit ihnen einen Anschlag
wider mein Leben; zween von diesen Gesellen werdet ihr für
die eurige erkennen; was dieses Geschöpf der Finsterniß
betrift, so muß ich bekennen, daß es mir zugehört.
Caliban.
Ich werde zu Tode gezwikt werden.
Alonso.
Ist das nicht Stephano, mein besoffner Kellermeister?
Sebastian.
Er ist würklich besoffen; woher kriegte er Wein?
Alonso.
Und Trinculo ist so voll daß er wakelt; wo können sie
dieses grosse Elixir gefunden haben, das sie übergüldet*
hat? Wie kamst du in diesen Pökel?
Trinculo.
Sire, ich bin immer in diesem Pökel gelegen, seitdem ich
euch das leztemal sah, ich sorge, ich werd ihn nimmer wieder aus
dem Leibe kriegen; ich darf nicht fürchten, daß mich
die Fliegen beschmeissen.
Sebastian.
Wie geht's, Stephano?
Stephano.
Rührt mich nicht an, ich bin nicht mehr Stephano, ich bin
lauter Wunde.**
Prospero.
Und doch wolltest du König über diese Insel seyn, Schurke.
Stephano.
So würde ich ein siecher König gewesen seyn.
Alonso (auf Caliban deutend.)
Das ist ein so seltsames Ding als ich je eines gesehen habe.
Prospero.
Er ist so ungestalt in seinen Sitten als in seiner Bildung. Geh,
Schurke, in meine Celle, nimm deine Cameraden mit dir, und räume
alles hübsch auf, so lieb dir deine Begnadigung ist.
Caliban.
Ja, das will ich; und ich will künftig gescheidter seyn,
und mich um eure Gnade bemühen. Was für ein dreyfach
gedoppelter Esel war ich, diesen besoffnen Kerl für einen
Gott zu halten, und diesem dummköpfigten Narren Ehre zu erweisen?
Prospero.
Geh deines Weges.
Alonso.
Fort, und thut euern Trödel wieder hin, wo ihr ihn gefunden habt.
Prospero.
Sire, ich lade Euer Majestät und euer Gefolg in meine arme
Celle ein, um darinn diese einzige Nacht zuzubringen, wovon ich
euch einen Theil mit Gesprächen vertreiben will, deren Inhalt
euch, wie ich hoffe, keine lange Weile lassen wird; mit der Geschichte
meines Lebens, und den besondern Umständen, die sich, seitdem
ich in diese Insel kam, zugetragen haben. Morgen will ich euch
alsdann auf euer Schiff bringen, und so nach Neapel, wo ich Hoffnung
habe, die Vermählung dieser unsrer geliebten Kinder feyrlich
begangen zu sehen, und dann nach Meiland zurük zu kehren,
wo jeder dritter Gedanke mein Grab seyn soll.
Alonso.
Mich verlangt mit Ungeduld die Geschichte euers Lebens zu hören,
welche nicht anders als voll ausserordentlicher Sachen seyn kan.
Prospero.
Ich will euch alles entdeken, und verspreche euch eine ruhige
See, glükliche Winde, und so schnelle Seegel, daß wir
eure Flotte bald eingeholt haben wollen - - mein Ariel, das ist
deine lezte Arbeit; dann kehr' auf immer frey in dein Element
zurük, und lebe wohl - - Folget mir, wenn es euch gefällt.
(Alle gehen ab.)
* Eine Anspielung auf das Elixirium magnum, oder trinkbare
Gold der Alchymisten.
Warbürton.
** Bey Durchlesung dieses Stüks muthmaßte ich immer,
daß Shakespear es von einem Italiänischen Scribenten
entlehnt haben möchte, da die Einheiten alle so regelmässig
darinn beobachtet sind, welches ausser den Italiänern, damals
keine andre dramatische Poeten thaten, und welches unser Autor
nirgends als in diesem Stük gethan hat, nichts zu gedenken,
daß die Personen dieses Stüks alle Italiäner sind.
Ich wurde in dieser Vermuthung noch mehr bestärkt, wie ich
auf diese Stelle kam. Ein Spaß soll darinn ligen, das ist
klar; aber wo er ligt, ist schwer zu sagen. Ich vermuthe, es war
ein Wortspiel im Original, das sich nicht übersezen ließ;
vielleicht hieß es, ich bin nicht Stephano, sondern Staffilato,
indem dieses Wort im Italiänischen einen bedeutet, der
wol zerkrazt und zerstochen ist, welches würklich der Fall
war, worinn sich diese Bursche im 4ten Aufzug befanden. - - In
Riccoboni's Verzeichniß Italiänischer Schauspiele,
befinden sich auch: Il Negromante di L. Ariosto, prosa e verso,
und Il Negromante Palliato di Gio-Angelo Petrucci, prosa. Ob
aber der Sturm aus einem von diesen beyden entlehnt seyn mag,
kan ich nicht sagen, da ich sie nicht gesehen habe.
Warbürton.
Der Uebersezer würde erfreut seyn, wenn er seinen Lesern
über diesen Punct aus dem Wunder helfen könnte; da er
aber hiezu keine Gelegenheit gehabt, so ist alles was er sagen
kan, daß wenn auch Shakespear die Idee und die Anlage dieses
Stüks aus einem Italiänischen genommen hätte, es
schwerlich auf eine andre Art geschehen sey, als wie man vom Milton
sagen kan, daß er das verlohrne Paradies aus einer Italiänischen
Comödie von Erschaffung der Welt entlehnt habe.
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