Dritte Scene.
Der Prinz Heinrich, nunmehr König Heinrich der fünfte,
zu den Vorigen.
Ober-Richter.
Gott erhalte Eu. Majestät.
König Heinrich.
Dieses ungewohnte und strozende Kleid, Majestät, sizt mir
lange nicht so leicht als ihr euch einbildet. Brüder, eure
Traurigkeit ist, wie mich däucht, mit Furcht vermischt; diß
ist der Englische, nicht der Türkische Hof; kein Amurath
folgt auf einen Amurath, sondern Heinrich auf Heinrich. Und doch
seyd immerhin traurig, meine Brüder; aber, da die Ursache
dazu uns allen gemein ist, so betrachtet sie auch nicht anders
als wie eine Last, die uns gemeinschaftlich zu tragen auferlegt
ist. Von mir seyd versichert, daß ich euer Vater sowol als
euer Bruder seyn will: Schenket mir nur eure Liebe, und überlaßt
mir eure Sorgen. Weint, daß Heinrich todt ist, ich thue
es auch; aber ein Heinrich lebt, der alle diese Thränen,
soviel ihrer sind, in eben so viele glükselige Stunden verwandeln wird.
Lancaster. Glocester. Clarence.
Wir hoffen nichts anders von Eu. Majestät.
König Heinrich.
Ihr seht mich alle mit seltsamen Gesichtern an, sonderlich ihr.
(Zum Lord Ober-Richter.) Ich denke,
ihr seyd versichert, daß ich euch nicht liebe.
Ober-Richter.
Ich bin versichert, daß, wenn ich nach Biligkeit beurtheilt
werde, Eu. Majestät keine Ursache hat mich zu hassen.
König Heinrich.
Keine? Soll ein Prinz von meinen Hoffnungen so grosse Beleidigungen
vergessen können, als mir von euch wiederfahren sind? Wie?
den Cron-Erben von England auszuschalten, öffentlich zu beschimpfen
und ins Gefängniß zu schiken? War das eine Kleinigkeit?
Kan das in Lethe gewaschen, und vergessen werden?
Ober-Richter.
Ich stellte damals die Person euers Vaters vor, nicht die meinige.
Ich war mit der Handhabung seines Gesezes, und der öffentlichen
Gerechtigkeit beschäftiget, als es Euer Hoheit beliebte,
mein Amt, die Majestät und Gewalt des Gesezes, und des Königs,
den ich vorstellte, zu vergessen, und in meinem Richter-Stuhl
gewaltsame Hand an mich zu legen. Als einen Verbrecher gegen die
Person euers Vaters, ließ ich euch, kraft der Autorität
die mir anvertraut war, in Verhaft nehmen; und wenn ich daran
unrecht that, so laßt es euch immerhin gefallen, einen Sohn
zu bekommen, der eurer Verordnungen spotte, der die Gerechtigkeit
von euern ehrwürdigen Bänken herabreisse, den Lauf der
Geseze hemme, und das Schwerdt stumpf mache, das eure eigne Person
und die allgemeine Sicherheit beschüzt; ja der euer königliches
Ebenbild schmählich antaste, und eure Handlungen in der Person
euers Repräsentanten verspotte. Fraget eure königlichen
Gedanken, macht den Fall zum eurigen, seyd nun der Vater, und
stellt euch einen Sohn vor, von dem euer Ansehn so sehr angegriffen
werde; und dann bildet euch ein, daß ich eure Parthey nehme,
und in euerm Namen und durch eure Macht euern Sohn so zur Gebühr
weise. Nach dieser kalten Ueberlegung sprecht mein Urtheil, und
saget nun, da ihr ein König seyd, was ich gethan habe, das
meinem Amt, meiner Person, und der Majestät meines Königs
nicht gemäß war?
König Heinrich.
Ihr habt vollkommnes Recht, Milord, und wäget diese Sache
richtig ab; fahret also fort, die Wage und das Schwerdt zu tragen;
und möchtet ihr, mit immersteigenden verdienten Ehren, so
lange leben, biß ihr einen Sohn von mir sehet, der, wenn
er euch so beleidigt hätte, euch so gehorche wie ich that:
So würd ich's erleben, wie damals mein Vater sagen zu können:
Glüklich bin ich, daß ich einen Mann habe, der Muth
genug hat, die Justiz gegen meinen eignen Sohn auszuüben;
und nicht weniger glüklich, daß ich einen Sohn habe,
der seine Grösse so willig in die Hände der Gerechtigkeit
überliefert - - Zum Beweiß also, daß ich eure
Tugend ehre, übertrag' ich euch ferner das unbeflekte Schwerdt,
das ihr bißher getragen habt, mit der Erinnerung, daß
ihr eben diesen gerechten, kühnen und unpartheyischen Geist,
den ihr damals gegen mich gezeigt habet, über alle eure Handlungen
herrschen lasset. Hier habt ihr meine Hand, daß ihr bey
meiner Jugend die Stelle eines Vaters vertreten sollt; meine Stimme
soll tönen, was ihr meinem Ohr eingebet, und Eure Weisheit
und wohlgeübte Erfahrenheit soll in allen meinen Entschliessungen
mich leiten. Und, ihr Prinzen alle, glaubet mir, ich bitte euch,
mein Vater hat den besten Theil meines Herzens mit sich ins Grab
genommen; und ich lebe nur mit seinem Geist, die Erwartungen der
Welt zu beschämen, voreilige Weissagungen zu vereiteln, und
die schlimme Meynung auszulöschen, die man nach meinem äusserlichen
Schein von mir gefaßt hat. Die Fluth meines Bluts, die bisher
von vielen Ausschweiffungen aufgeschwollen daherströmte,
soll nun zum Meer zurük ebben, und daselbst mit dem allgemeinen
Staat der Wasser vermengt, hinfort in festlicher Majestät
einherfliessen. Wir sind nun im Begriff unser Parlament zusammen
zu beruffen, und wir werden vor allen Dingen darauf bedacht seyn,
unsern edeln Staatsrath, in welchem ihr, mein Vater, (zum Lord
Ober-Richter,) den Vorsiz haben sollt, mit würdigen Gliedern
zu verstärken; damit der grosse Körper unsers Staats
mit den bestregierten Nationen in gleicher Linie stehe, und Krieg
oder Frieden oder beydes zugleich, uns bekannte und vertraute
Sachen seyn mögen. Sobald unsre Crönung vorbey seyn
wird, werden wir, wie ich schon erinnert, unsern ganzen Staat
zusammen beruffen, und, wenn der Himmel meine guten Absichten
bekräftiget, so soll kein Prinz noch Pair eine gerechte Ursache
finden zu wünschen, daß der Himmel Heinrichs glükliches
Leben um einen einzigen Tag verkürzen möge.
(Sie gehen ab.)
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