Zweyte Scene.
Westmorland zu den Vorigen.
York.
Was für ein stattlicher Kriegs-Oberster kommt hier auf uns
zu?
Mowbray.
Ich denke, es ist Milord von Westmorland.
Westmorland.
Heil und geneigten Gruß von unserm Feld-Herrn, dem Prinzen
John von Lancaster.
York.
Saget an, Milord von Westmorland, was ist der Beweggrund eurer
Anherkunft?
Westmorland.
An euch, Milord, soll dann vornehmlich der Inhalt meiner Rede
gerichtet seyn. Käme die Empörung in ihrer eignen Gestalt,
in verächtlichen, pöbelhaften Rotten, von blutigen Jünglingen
angeführt, von wilder Raubsucht gespornt, und von Lotterbuben
und Bettlern unterstüzt; wenn der Aufruhr, sage ich, in dieser
seiner wahren, natürlichen und eigenthümlichen Gestalt
erschiene, so würdet ihr, ehrwürdiger Vater, und diese
edeln Lords nicht hier seyn, seine verabscheute Häßlichkeit
mit euerm ehrenvollen Ansehn aufzuschmüken. Ihr, Milord Erzbischoff,
dessen Siz durch einheimischen Frieden beschüzt wird, dessen
Bart die Silber-Hand des Friedens berührt, dessen Gelahrtheit
und Wissenschaft der Friede begünstiget hat, und dessen weisser
Priester-Schmuk die Unschuld, die Sanftmuth und jede gesegnete
Eigenschaft des Friedens abbildet; warum übersezt ihr euch
selbst aus der Sprache des Friedens, die so viel Anmuth hat, in
die harte und rauhtönende Sprache des Kriegs? Warum, warum
verwandelt ihr eure Bücher in Hellebarden, eure Dinte in
Blut, eure Federn in Lanzen, und eure göttliche Zunge in
eine kriegrische Trompete?
York.
Warum thue ich diß? Das ist die Frage; und darauf antworte
ich kürzlich: Wir sind alle krank, und haben uns selbst durch
Ueppigkeit und Schwelgerey ein brennendes Fieber zugezogen, um
dessen willen wir izt bluten müssen; es ist die nemliche
Krankheit, an der unser voriger König Richard starb. Doch,
mein sehr edler Lord von Westmorland, meine Absicht ist hier nicht
den Arzt zu spielen; auch ist es weit von mir entfernt, als ein
Feind des Friedens, mich unter die Hauffen kriegrischer Männer
einzumengen; diese mir sonst fremde Gestalt ist nur auf eine Weile
angenommen, um ausschweiffende üppige Gemüther, die
das Uebermaaß ihres Glüks krank gemacht hat, wieder
in Ordnung zu bringen, und die Verstopfungen zu reinigen, die
den natürlichen Lauf unsers Lebens-Blutes selbst zu hemmen
angefangen haben. Ich will mich deutlicher erklären: Ich
habe das Uebel so unsre Waffen thun können, und dasjenige
so wir leiden, genau gegen einander abgewogen, und finde unsre
Beschwerden schwerer als unsre Verschuldungen. Wir sehen, welchen
Weg der Strom der Zeit läuft, und werden von der gewaltsam
daherstürmenden Gelegenheit aus unsrer friedsamen Sphäre
weggerissen. Wir werden den Inhalt aller unsrer Klagen, sobald
es die Zeit erheischen wird, Punct für Punct bekannt machen;
Klagen, die wir dem König schon vor langer Zeit vorgelegt
haben, ohne daß wir durch unser inständiges Bitten
erhalten konnten, nur angehört zu werden. Wenn wir beleidiget
werden, und unsre Beschwerungen entfalten wollen, so wird uns
der Zutritt zu seiner Person von eben denjenigen abgeschlagen,
die uns am meisten beleidiget haben. Die Gefahr jener neulichen
Tage, deren Andenken mit noch sichtbarem Blut auf die Erde geschrieben
ist; und die gegenwärtigen Beyspiele die uns jede Minute
darstellt, haben uns in diese übelanständige Waffen-Rüstung
gezwungen; nicht den Frieden oder irgend einen Zweig desselben
zu brechen, sondern vielmehr einen wahren und dauerhaften Frieden,
einen Frieden der den Namen mit der That führe, zu erzielen.
Westmorland.
Wenn ist euch jemals eine rechtliche Klage abgeschlagen worden?
Worinn seyd ihr von dem Könige zum Unmuth gereizt worden?
Welcher Peer ist heimlich aufgestiftet worden, euch anzutasten;
daß ihr dieses gesezwidrige blutige Patent der meuterischen
Empörung mit einem göttlichen Sigel gültig zu machen,
und das Schwerdt des Bürger-Kriegs einzusegnen berechtiget
seyn solltet?
York.
Mein Bruder General, das gemeine Wesen, ist durch eine ungerechte
Partheylichkeit gegen einige von seinen Kindern zum Nachtheil
der andern, in eine häusliche Tyrannie ausgeartet, welche
der besondere Gegenstand meiner Klagen ist.
Westmorland.
Es ist in diesem Stük noch nirgends keine Noth einer Staats-Verbesserung
vorhanden; und wann es wäre, so kommt sie euch nicht zu.
Mowbray.
Warum nicht ihm, für seinen Theil, und uns allen, die noch
die Schmerzen der Wunden der vorigen Zeiten, und die ungerechte
und drükende Hand der gegenwärtigen fühlen?
Westmorland.
O Milord Mowbray, betrachtet die Zeiten in der natürlichen
Verknüpfung mit ihren Ursachen und Umständen, und ihr
werdet bekennen müssen, daß es in der That die Zeit
und nicht der König ist, worüber ihr euch zu beklagen
habt. Und dennoch kan ich, was eure eigne Person betrift, nicht
absehen, wie ihr, weder vorn König, noch der dermaligen Zeit,
nur einen Zoll breit Grund hernehmen könnt, Beschwerden darauf
zu bauen. Wurdet ihr nicht in alle Herrschaften und Güther
des Herzogs von Norfolk, eures edeln und ruhmwürdigen Vaters,
wieder eingesezt?
Mowbray.
Womit hatte mein Vater verdient ihrer entsezt zu werden, wenn
ich diese Wieder-Einsezung für etwas mehr halten soll, als
was man mir schuldig war? Wider seinen Willen und sein Herz, wurde
der König, der ihn liebte, durch die damalige Verfassung
des Staats gezwungen, ihn zu verbannen. Und o! damals, da Harry
Bolingbroke und er sich in ihre Sättel geschwungen hatten,
da ihre schnaubenden Rosse ungeduldig dem Sporn zum Angriff entgegenwieherten,
da sie ihre Lanzen eingelegt, ihre Visiere herabgezogen hatten,
da ihre feurigen Augen aus stählernen Oeffnungen hervor funkelten,
und die laute Trompete sie zum Kampf zusammenblies; damals, damals,
(da nichts anders meinen Vater von Bolingbroks Brust hätte
zurükhalten können) als der König seinen Stab hinwarf,
warf er sein eigen Leben hin, warf er sich selbst hin, und das
Leben aller derjenigen, die durch Anklage oder durch die Wuth
des Schwerdts unter Bolingbroke gefallen sind.
Westmorland.
Ihr redet hier, Lord Mowbray, und wißt nicht was ihr redet.
Der Graf von Hereford wurde damals für den tapfersten Ritter
von ganz England gehalten. Wer weiß, auf wen das Glük
gelächelt hätte? Und hätt' auch euer Vater den
Sieg erhalten, so würde er ihn gewiß nimmermehr aus
Coventry hinausgetragen haben. Das ganze Land haßte ihn,
und schrie ihm mit einer allgemeinen Stimme Flüche zu; alle
ihre Liebe, alle ihre Wünsche, waren für Hereford, den
Gegenstand ihrer brünstigen Zuneigung, dem sie, in der That,
mehr Segnungen zurieffen, mehr Beyfall zujauchzten, als dem König
selbst - - Doch diß führt mich nur von meinem Vorhaben
ab: Ich komme hier von dem Prinzen unserm Feldherrn, euern Beschwerden
nachzufragen, und euch in seiner Durchlaucht Namen zu sagen, daß
er euch Gehör geben will, und daß euch alle billige
Forderungen, die ihr machen könnt, zugestanden werden sollen,
ohne daß auch nur der blosse Gedanke, daß ihr Feinde
gewesen seyd, dagegen in Betracht kommen solle.
Mowbray.
Er hat uns gezwungen, ihm dieses Anerbieten abzudringen, welches
aus blosser Politik, nicht aus guter Meynung gemacht wird.
Westmorland.
Mowbray, ihr treibet die Einbildung zu weit, wenn ihr es so aufnehmt.
Dieses Anerbieten kommt aus Gnade, nicht aus Furcht. Denn seht,
dort, nah genug, um von euern Bliken erreicht zu werden, ligt
unser Heer, und, bey meiner Ehre! keine Seele in ihm, die nicht
den blossen Gedanken der Furcht verschmähe. Unsre Schlacht-Ordnung
hat mehr Männer von Namen als die eurige, unsre Leute sind
geübter in den Waffen, unsre Munition ist zum wenigsten eben
so stark, und unsre Sache die bessere. Wie könnte, bey solchen
Umständen, unser Herz schlechter seyn? Sagt also nicht, unser
Anerbieten sey abgedrungen.
Mowbray.
Gut, mit meinem Willen wird man sich in keine Unterhandlungen
einlassen.
Westmorland.
Das beweist nur die Schändlichkeit euers Vergehens; ein böser
Schade leidet kein Anrühren.
Hastings.
Hat der Prinz John Vollmacht von seinem Vater, sich auf alle Bedingungen,
worauf wir schlechterdings bestehen mögen, einzulassen, und
den Vergleich einzurichten, wie es ihm und uns gefallen mag?
Westmorland.
Das ligt in dem Namen unsers Generals; mich wundert, wie ihr eine
so überflüßige Frage thun möget.
York.
Wenn dieses ist, Milord von Westmorland, so nehmt dieses Papier;
es enthält alle unsre Beschwerungen: Wird allen hierinn erwähnten
Puncten abgeholfen, uns und allen unsern Anhängern, gegenwärtigen
und abwesenden, der Pardon in gehöriger Form ertheilt, und
eine vollständige Sicherheit unsrer Freyheit und unsers Eigenthums
für's Künftige gewähret werden; so sind wir bereit
die Waffen niederzulegen, und in unsre gesezmäßige
Ordnung wieder einzutreten.
Westmorland.
Ich will es dem Feldherrn überbringen. Gefällt es euch,
Milords, so wollen wir im Gesicht unsrer beydseitigen Armeen wieder
zusammen kommen, um entweder die Sache gütlich zu enden,
(welches der Himmel geben wolle!) oder die Schwerdter sogleich
herbeyzuruffen, die den Ausschlag geben müssen.
York.
Wir sind es zufrieden, Milord.
(Westmorland geht ab.)
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