Vierte Scene.
Eine andre Strasse in London.
Prinz Heinrich und Poins.
Prinz Heinrich.
Du kanst mirs glauben, ich bin entsezlich müde.
Poins.
Wie, ist es dazu gekommen? Ich dachte, die Müdigkeit dürfte
keinen Königssohn angreiffen.
Prinz Heinrich.
Es ist doch so, ob meine Hoheit sich gleich entfärbt, es
zu gestehen. Kommt es nicht pöbelhaft an mir heraus, daß
ich einen Gelust nach Schmahl-Bier habe?
Poins.
In der That, ein Prinz sollte sich nie so sehr vergessen, an eine
so schwache Composition nur zu denken.
Prinz Heinrich.
Mein Appetit ist also vermuthlich nicht von königlicher Abkunft;
denn, in gutem Ernst, ich denke izt an die arme Creatur, Schmahl-Bier.
Aber in der That, diese gedemüthigen Gedanken erleiden mir
meine Hoheit gewaltig. Was für eine Unanständigkeit,
daß ich mich deines Namens erinnere? Oder daß ich
morgen dein Gesicht noch kenne? Oder daß ich weiß,
wie viele paar seidene Strümpfe du hast, (z. Ex. diese hier,
und deine Pfersich-Blüth farbene;) oder daß ich ein
Inventarium über deine Hemder bey mir trage, z. Ex. eines
für die Noth, und eins zum Ueberfluß, usw.
Poins.
Wie übel das zusammenhängt, daß ihr izt so alberne
Dinge sagt, nachdem ihr kaum so grosse Dinge gethan habt! Sagt
mir einmal, wie viele wakre junge Prinzen sind in der Welt die
es so machen würden wie ihr, wenn ihr Vater so krank läge,
als der eurige izt ist?
Prinz Heinrich.
Sol ich dir was sagen, Poins?
Poins.
Ja, aber einmal etwas recht gutes.
Prinz Heinrich.
Es soll für wizige Köpfe von so edler Geburt wie du,
gut genug seyn.
Poins.
So sagt es denn, ich kan alles anhören.
Prinz Heinrich.
Ich sage dir, es schikt sich nicht, daß ich izt traurig
aussehe, weil mein Vater krank ist; und doch könnt' ich dir
sagen, (als einem, den mir's beliebt, aus Mangel eines bessern,
meinen Freund zu nennen,) daß ich traurig seyn könnte,
im Ernst traurig.
Poins (spöttisch.)
In der That, die Ursache ist auch darnach.
Prinz Heinrich.
Bey dieser Hand, du denkst ich sey ein so verstokter Bube, als
du und Falstaff. Laß das Ende den Mann bewähren. Aber
ich sage dir, mein Herz blutet innwendig, daß mein Vater
so krank ist, wenn mir gleich der Umgang mit so schlimmer Gesellschaft
als du bist, die Freyheit benimmt, äusserliche Zeichen von
Schmerz an mir sehen zu lassen.
Poins.
Und warum das?
Prinz Heinrich.
Was würdest du von mir denken, wenn ich weinte?
Poins.
Ich dächte, du seyest ein so durchlauchtiger Heuchler, als
ein Cron-Prinz je gewesen ist.
Prinz Heinrich.
So würde jedermann denken, und du bist ein glüklicher
Geselle, daß du immer denkst wie jedermann denkt. Keines
Menschen in der Welt seine Gedanken bleiben besser in der allgemeinen
Landstrasse als die deinigen. Jedermann würde denken, ich
sey ein Heuchler, so ist es. Und was bewegt eure hochzuverehrende
Gedanken, so zu denken?
Poins.
Was? Weil ihr so lüderlich zu seyn geschienen habt, und mit
Falstaffen in so vertrauter Freundschaft gelebt habt.
Prinz Heinrich.
Und mit dir.
Poins.
Nein, bey diesem Tageslicht! Ich bin in keinem schlimmen Ruf,
ich darf zuhören, wenn von mir gesprochen wird. Das ärgste
was die Leute von mir sagen können, ist, daß ich ein
jüngerer Bruder bin, und daß ich flinke Hände
habe; und für diese zwey Dinge, ich muß es gestehen,
kan ich nichts. Seht, seht, da kommt Bardolph - -
Prinz Heinrich.
Und der Junge, den ich Falstaffen gab; der Junge sah doch wie
ein Christenmensch aus, da er ihn von mir bekam, und sieh, ob
ihn der feiste Spizbube nicht in einen ausgemachten Affen verwandelt
hat?
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