Vierte Scene.
Verwandelt sich in den Audienz-Saal zu Windsor.
König Heinrich, der Prinz von Wales, Lords und Gefolge
treten auf.
König Heinrich.
Lords, verlaßt uns eine Weile; der Prinz von Wales und ich
müssen allein mit einander sprechen; aber entfernt euch nicht
weit, denn wir werden euch bald wieder nöthig haben.
(Die Lords gehen ab.)
Ich weiß nicht, ob es Gott so haben will, daß zu
Befriedigung seines geheimen Grimms über irgend eine mißfällige
That meines Lebens aus meinem eignen Blut ein Rächer und
eine Peitsche für mich entstehen sollte; aber der ganze Zusammenhang
deiner Aufführung und Lebensart läßt mich nichts
anders glauben, als daß du ganz allein zum Werkzeug der
heissen Rache des Himmels wieder mich bestimmt bist. Oder sage
mir, wär es sonst möglich, daß so zügellose
und niederträchtige Neigungen, so elende, so pöbelhafte,
so schändliche, so ruchlose Handlungen, so nichtswürdige
Belustigungen, eine so verächtliche, so wilde Gesellschaft,
als diejenige womit du gepaart oder mit der du vielmehr ganz in
eins verwachsen bist, fähig seyn sollten, dich deiner angebohrnen
Hoheit vergessen zu machen, und dein fürstliches Herz zu
sich herunter zu ziehen?
Prinz Heinrich.
Gnädigster Herr, ich wünschte daß ich von allen
Vergehungen so frey wäre, als ich gewiß bin, mich von
vielen reinigen zu können, die mir zur Last gelegt werden.
Indessen erlaubet mir wenigstens so viele Nachsicht von Euer Majestät
zu erbitten, daß, wenn viele von diesen nachtheiligen Erzählungen,
womit niederträchtige Zeitungs-Mäkler das Ohr der Fürsten
zu umsumsen pflegen, sich falsch befinden, meine aufrichtige Reue
wegen einiger würklicher Vergehungen, worinn meine Jugend
ausschweiffend und tadelhaft gewesen ist, Vergebung erlangen möge.
König Heinrich.
Der Himmel vergebe dir! Aber laß mich dir mein Erstaunen
darüber bezeugen, Harry, daß deine Neigungen sich so
weit von dem edeln Flug aller deiner Vorältern entfernen.
Du hast durch deine rohe Lebensart deinen Plaz im Staats-Rath
verlohren, der nun durch deinen jüngern Bruder erfüllt
wird; du hast die Herzen des ganzen Hofs, und alle Prinzen von
meinem Blut verlohren. Niemand hoffet oder erwartet etwas Gutes
von deiner Zeit, und jede Seele sagt sich selbst prophetisch deinen
Fall vorher. Hätte ich deine Sitten gehabt, hätt' ich
in den Augen der Welt mich so gemein und verächtlich gemacht,
durch eine so pöbelhafte Gesellschaft mir selbst meinen Werth
benommen; die Meynung, die mir zur Crone half, würde dem
vorigen Besizer treu geblieben seyn, und mich in ruhmloser Verbannung,
unbemerkt und in der Menge des verdienstlosen Hauffens, verlohren,
vergessen haben. Aber da ich selten gesehen wurde, erschien ich
niemals, ohne wie ein Comet, jedes Aug' auf mich zu ziehen. Die
Väter sagten dann zu ihren Kindern: Diß ist er! Wo,
wo? fragten andre; welcher ist Bolingbroke? Und dann stahl ich,
wie ein andrer Prometheus, diese huldreiche Leutseligkeit vom
Himmel, dieses göttliche Feuer, wodurch die Könige die
Liebe ihrer Unterthanen nähren, entzog die Herzen des Volks
durch die Demuth, in die ich mich einkleidete, ihrem Oberherrn,
und empfieng lautes Zujauchzen und frolokende Grüsse, selbst
in der Gegenwart des gekrönten Königs. Auf diese Art
erhielt ich mich immer frisch und neu in den Augen der Menge;
und meine Gegenwart, mit desto größrer Pracht begleitet,
je seltner sie war, schien jedesmal ein öffentliches Fest,
das mit allgemeinen Freuden-Zeichen gefeyrt wurde. Der hüpfende
König trabte indeß in einer Gesellschaft von Hofnarren
und schaalen Wizlingen, (wie dürre Reiser gleich angezündt
und gleich verbrennt), auf und nieder, vergab seine Königliche
Würde, mengte sich unter unbärtige Spaßvögel
und Geken, und erlaubte ihnen seine Majestät durch Scherze
und unanständige Vertraulichkeit zu entweihen; er ließ
sich, wie die gemeinsten Pflastertreter, in allen Gassen sehen,
und sättigte die Leute durch seinen täglichen Anblik
so sehr, bis er ihnen ekelhaft wurde. Mußte er sich hernach
bey öffentlichen Anläsen sehen lassen, so ward er nur,
wie der Gukguk im Brachmonat, gehört, nicht geachtet; geseh'n,
aber mit dem nachläßigen Blik, der über einen
alltäglichen Gegenstand hinweggleitet; nicht mit dem weitoffnen
wundervollen Auge, das auf die sonnengleiche Majestät geheftet
wird, wenn sie selten aus ihrer Verhüllung hervorglänzt;
sondern mit schläfrigen, gesenkten Augliedern, mit dem düstern
verdrießlichen Blik, den man auf einen Feind wirft, von
dessen Gegenwart man belästigt, gedrükt und überfüllt
wird. Und in eben dieser Linie, Harry, stehst du. Du hast deine
fürstliche Vorrechte verlohren, indem du dich niederträchtiger
Gesellschaft Preiß gegeben hast. Nicht ein einziges Auge,
das nicht deines alltäglich gewordnen Anbliks überdrüßig
ist; das meinige ausgenommen, das dich zu sehen verlangt hat,
und nun, wider meinen Willen, von den Zeichen einer allzugrossen
Zärtlichkeit überfließt.
Prinz Heinrich.
Ich werde mich beeifern, mein gnädigster Herr, künftig
mehr ich selbst zu seyn.
König Heinrich.
Um alles in der Welt, was du in dieser Stunde bist, war Richard
damals da ich aus Frankreich zu Ravenspurg ans Land sezte, und
gerade was ich damals war, ist Percy izt. Bey meinem Scepter und
bey meiner Seele! er hat mehr würklichen Antheil am Staat,
als du, der künftige Thronfolger. Ohne Recht, ohne den Schatten
eines Rechts füllt er die Felder mit Harnischen, erhebt sein
Haupt gegen des Löwen gewafnete Tazen, und, ob er gleich
nicht älter ist als du, führt er doch bejahrte Helden
und ehrwürdige Bischöffe zu blutigen Schlachten an.
Was für eine unsterbliche Ehre hat er an dem ruhmvollen Dowglas
eingelegt, dessen grosse Thaten und seltne Kriegs-Erfahrenheit
ihm den Namen des größten Feldherrn in allen Christlichen
Königreichen erworben haben? Dreymal hat dieser Hot-Spur,
dieser Kriegs-Gott in Windeln, dieser unmündige Held, den
grossen Douglas in offner Schlacht überwunden, einmal ihn
sogar gefangen genommen, aber wieder in Freyheit gesezt, und einen
Freund aus ihm gemacht, um mit seinem Beystand den Frieden und
die Sicherheit unsers Throns zu erschüttern. Und was sagst
du hiezu? Percy, Northumberland, der Erzbischoff von York, Douglas
und Mortimer, haben einen Bund gegen uns gemacht, und empören
sich - - Aber wem, und wozu erzähl' ich diese Neuigkeiten?
Wie, Harry, muß ich vielleicht dich selbst, den nächsten
an meinem Herzen und an meinem Thron, auch dich, unter meine Feinde
zählen? Du bist fähig genug, aus unterwürfiger
feiger Niederträchtigkeit, oder einem Anstoß von Spleen,
in Percys Solde wider mich zu fechten; und, wie ein Hund um seine
Fersen dich schmiegend, und höflich einen gnädigen Blik
von ihm erbuhlend, zu zeigen, wie sehr du abgeartet bist.
Prinz Heinrich.
Denket nicht so, Gnädigster Herr, ihr werdet es anders finden,
und der Himmel verzeihe denen, die mich in Eu. Majestät Gedanken
so tief erniedriget haben. Aber an Percys Kopf will ich mich rechtfertigen,
und am Schluß irgend eines glorreichen Tages, mit dem Bewußtseyn,
daß ich's werth bin, euch sagen, ich sey euer Sohn; und
das soll der Tag seyn, er komme wann er will, da dieser Sohn der
Ehre und des Ruhms, dieser tapfre Hot-Spur, dieser überall
geprießne Ritter, und euer nichts geachteter Harry, im blutigen
Felde zusammen kommen werden. Möchte immerhin jede Ehre die
auf seinem Helm sizt, und jede Schmach über meinem Haupte
sich verdoppeln! Denn er soll kommen, der Tag, da dieser junge
Nordische Held seine glänzenden Thaten gegen meine Verachtung
austauschen soll. Percy ist nur mein Factor, Gnädigster Herr,
der glorreiche Thaten für mich aufhäuffen muß;
ich will ihn zu einer scharfen Rechenschaft ziehen, und er soll
mir jeden Ruhm, nicht den kleinsten ausgenommen, einhändigen,
oder ich will ihm die Rechnung aus seinem Herzen reissen. Diß
versprach ich im Namen des Himmels hier; und wenn ich lebe, um
es zu vollbringen, so erlaubet mir Eu. Majestät zu bitten,
daß es als eine Genugthüung für die Ausschweiffungen
meiner Jugend angesehen werde. Wo nicht, so bezahlt das Ende des
Lebens alle Schulden, und eher will ich hundert tausend Tode sterben,
eh ich den kleinsten Theil dieses Gelübds brechen sollte.
König Heinrich.
Hundert tausend Rebellen sterben durch diese Erklärung. Du
sollst einen Auftrag, und hiezu unbeschränkte Vollmacht bekommen.
Blunt kommt herein.
Was bringst du neues, Blunt? Deine Blike kündigen etwas
Unerwartetes vorher.
Blunt.
Der Lord Mortimer von Schottland hat die Nachricht eingesandt,
daß Dowglas und die Englischen Rebellen den eilften dieses
Monats zu Schrewsbury sich vereinigen würden. Sie machen
ein furchtbares Heer aus, wenn jeder von den Verschwornen sein
Versprechen hält, so furchtbar, als jemals die Empörung
in einem Staat aufgebracht hat.
König Heinrich.
Der Graf von Westmorland, und mein Sohn Johann von Lancaster,
sind heute schon aufgebrochen; denn diese Nachricht ist schon
fünf Tage alt. Auf nächste Mittwoche, Harry, sollt du,
und Donnstags wollen wir selbst ausziehen, und zu Bridgnorth wollen
wir zusammentreffen. Du, Harry, sollt deinen Marsch durch Glocester-Schire
nehmen; und in zwölf oder vierzehn Tagen soll unsre ganze
Macht zu Bridgnorth sich vereinbaren. Hinweg! jeder Augenblik,
um den wir uns verspäten, ist ein Vortheil für sie.
(Sie gehen ab.)
Fünfte und sechste Scene.
Ein paar pöbelhafte und schmuzige Zwischen-Scenen aus
dem Wirthshaus zum Bären-Kopf in East-Cheap, zwischen Falstaff,
Bardolph, der Wirthin, dem Prinzen und Peto.
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