Zurück zur Startseite Zurück zur Homepage
Zurück zur Startseite
Shakespeares Biographie
Alle Dramen
Schülerwissen
Die Sonette
Verfilmungen
Fragen & Antworten
Shakespeare in Englisch
Elizabethanisches Zeitalter
Shakespeare im Internet
Gästebuch
Impressum



    



FÜNFTE SZENE

Ein abgelegenerer Teil [der Terrasse] des Schloßes


Der Geist und Hamlet kommen.

HAMLET
Wo führst du hin mich? Red, ich geh nicht weiter.

GEIST
Hör an!

HAMLET
         Ich wills.

GEIST
                     Schon naht sich meine Stunde,
Wo ich den schweflichten, qualvollen Flammen
Mich übergeben muß.

HAMLET
                      Ach, armer Geist!

GEIST
Beklag mich nicht, doch leih dein ernst Gehör
Dem, was ich kund will tun.

HAMLET
                             Sprich! Mir ists Pflicht
Zu hören.

GEIST
           Auch zu rächen, wenn du erst
Wirst hörn.

HAMLET
              Was?

GEIST
                    Ich bin deines Vaters Geist;
Verdammt auf eine Zeitlang, nachts zu wandern
Und tags, gebannt, zu fasten in der Glut,
Bis die Verbrechen meiner Zeitlichkeit
Hinweggeläutert sind. Wär mirs nicht untersagt,
Das Innre meines Kerkers zu enthüllen,
So höb' ich eine Kunde an, von der
Das kleinste Wort die Seele dir zermalmte,
Dein junges Blut erstarrte, deine Augen
Wie Stern' aus ihren Kreisen schießen machte,
Dir die verworrnen krausen Locken trennte
Und sträubte jedes einzelne Haar empor
Wie Nadeln an dem zorngen Stacheltier;
Doch diese ewge Offenbarung faßt
Kein Ohr von Fleisch und Blut. - Horch, horch, o horch!
Wenn du je deinen teuren Vater liebtest -

HAMLET
O Himmel!

GEIST
- räch seinen schnöden, unerhörten Mord!

HAMLET
Mord?

GEIST
Ja, schnöder Mord, wie er aufs beste ist,
Doch dieser unerhört und unnatürlich.

HAMLET
Eil, ihn zu melden, daß ich auf Schwingen, rasch
Wie Andacht und des Liebenden Gedanken,
Zur Rache stürmen mag!

GEIST
                        Du scheinst mir willig;
Auch wärst du träger als das feiste Kraut,
Das ruhig Wurzel treibt an Lethes Bord,
Erwachtest du nicht hier. Nun, Hamlet, höre:
Es heißt, daß, als ich schlief in meinem Garten,
Mich eine Schlange stach; so wird das Ohr des Reichs
Durch den erlognen Hergang meines Todes
Schmählich getäuscht! Doch wisse, edler Jüngling,
Die Schlang, die deines Vaters Leben stach,
Trägt seine Krone jetzt.

HAMLET
O mein prophetisches Gemüt! Mein Oheim?

GEIST
Ja, der blutschänderische Ehebrecher,
Durch Witzes Zauber, durch Verrätergaben
- O arger Witz und Gaben, die imstand
So zu verführen sind! - gewann den Willen
Der scheinbar tugendsamen Königin
Zu schnöder Lust. O Hamlet, welch ein Abfall!
Von mir, des Liebe von der Echtheit war,
Daß Hand in Hand sie mit dem Schwure ging,
Den ich bei der Vermählung tat, erniedert
Zu einem Sünder, von Natur durchaus
Armselig gegen mich!
Allein wie Tugend nie sich reizen läßt,
Buhlt Unzucht auch um sie in Himmelsbildung;
So Lust, gepaart mit einem lichten Engel,
Wird dennoch eines Götterbettes satt
Und hascht nach Wegwurf. -
Doch still, mich dünkt, ich wittre Morgenluft:
Kurz laß mich sein. - Da ich im Garten schlief,
Wie immer meine Sitte nachmittags,
Beschlich dein Oheim meine sichre Stunde
Mit Saft verfluchten Bilsenkrauts im Fläschchen,
Und träufelt' in den Eingang meines Ohrs
Das schwärende Getränk, wovon die Wirkung
So mit des Menschen Blut in Feindschaft steht,
Daß es durch die natürlichen Kanäle
Des Körpers hurtig wie Quecksilber läuft,
Und wie ein saures Lab, in Milch getropft,
Mit plötzlicher Gewalt gerinnen macht
Das leichte, reine Blut. So tat es meinem,
Und Aussatz schuppte sich mir augenblicklich,
Wie einem Lazarus, mit ekler Rinde
Ganz um den glatten Leib.
So ward ich schlafend und durch Bruderhand
Um Leben, Krone, Weib mit eins gebracht,
In meiner Sünden Blüte hingerafft,
Ohn Abendmahl, ohn Beicht, ohn letzte Ölung,
Die Rechnung nicht geschlossen, ins Gericht
Mit aller Schuld auf meinem Haupt gesandt.

[HAMLET]
O schaudervoll! O schaudervoll, höchst schaudervoll!

[GEIST]
Hast du Natur in dir, so leid es nicht,
Laß Dänmarks königliches Bett kein Lager
Für Blutschand und verruchte Wollust sein!
Doch wie du immer diese Tat betreibst,
Befleck dein Herz nicht; dein Gemüt ersinne
Nichts gegen deine Mutter; überlaß sie
Dem Himmel und den Dornen, die im Busen
Ihr stechend wohnen. Lebe wohl mit eins:
Der Glühwurm zeigt, daß sich die Frühe naht,
Und sein unwirksam Feuer wird schon blasser.
Ade! Ade! Ade! Gedenke mein!
Ab.

HAMLET
O Heer des Himmels! Erde! - Was noch sonst?
Nenn ich die Hölle mit? O pfui! Halt, halt, mein Herz!
Ihr meine Sehnen, altert nicht sogleich,
Tragt fest mich aufrecht! Dein gedenken? Ja,
Du armer Geist, solang Gedächtnis haust
In dem zerstörten Ball hier. Dein gedenken?
Ja, von der Tafel der Erinnrung will ich
Weglöschen alle törichten Geschichten,
Aus Büchern alle Sprüche, alle Bilder,
Die Spuren des Vergangnen, welche da
Die Jugend einschrieb und Beobachtung;
Und dein Gebot soll leben ganz allein
Im Buche meines Hirnes, unvermischt
Mit minder würdgen Dingen. Ja, beim Himmel!
O höchst verderblich Weib!
O Schurke, lächelnder, verdammter Schurke!
Schreibtafel her, ich muß mirs niederschreiben,
Daß einer lächeln kann und immer lächeln
Und doch ein Schurke sein; zum wenigsten
Weiß ich gewiß, in Dänmark kanns so sein.
Schreibt.
Da steht Ihr, Oheim! - Jetzt zu meiner Losung!
Sie heißt: Ade, ade! Gedenke mein! -
Ich habs geschworen.

HORATIO
hinter der Szene.
Mein Prinz! Mein Prinz!

MARCELLUS
hinter der Szene.
Prinz Hamlet!

HORATIO
hinter der Szene.
               Gott beschütz ihn!

HAMLET
So sei es!

MARCELLUS
hinter der Szene.
            Heda, ho! Mein Prinz!

HAMLET
Ha, heißa, Junge! Komm, Vogel, komm!
Horatio und Marcellus kommen.

MARCELLUS
Wie stehts, mein gnädger Herr?

HORATIO
Was gibts, mein Prinz?

HAMLET
O wunderbar!

HORATIO
Sagt, bester, gnädger Herr!

HAMLET
                             Nein, Ihr verratets.

HORATIO
Ich nicht, beim Himmel, Prinz.

MARCELLUS
                                Ich gleichfalls nicht.

HAMLET
Was sagt Ihr? Sollts 'ne Menschenseele denken? -
Doch Ihr wollt schweigen? -

HORATIO und MARCELLUS
                             Ja, beim Himmel, Prinz!

HAMLET
Es lebt kein Schurk im ganzen Dänemark,
Der nicht ein ausgemachter Bube wär.

HORATIO
Es braucht kein Geist vom Grabe herzukommen,
Uns das zu sagen.

HAMLET
                   Richtig, Ihr habt recht!
Und so, ohn alle weitre Förmlichkeit,
Denk ich, wir schütteln uns die Händ und scheiden;
Ihr tut, was Euch Beruf und Neigung heißt
- Denn jeder Mensch hat Neigung und Beruf,
Wie sie denn sind -, ich für mein armes Teil,
Seht Ihr, will beten gehn.

HORATIO
Dies sind nur wirblichte und irre Worte, Herr.

HAMLET
Es tut mir leid, daß sie Euch ärgern, herzlich;
Wahrhaftig herzlich.

HORATIO
                      Kein Ärgernis, mein Prinz!

HAMLET
Doch, bei Sankt Patrik, gibt es eins, Horatio;
Groß Ärgernis. Was die Erscheinung angeht,
Ich sag Euch, 's ist ein ehrliches Gespenst.
Die Neugier, was es zwischen uns doch gibt,
Bemeistert, wie Ihr könnt. Und nun, Ihr Lieben,
Wofern Ihr Freunde seid, Mitschüler, Krieger,
Gewährt ein Kleines mir!

HORATIO
                          Was ists? Wir sind bereit.

HAMLET
Macht nie bekannt, was Ihr die Nacht gesehn!

HORATIO und MARCELLUS
Wir wollens nicht, mein Prinz.

HAMLET
                                 Gut, aber schwört!

HORATIO
Auf Ehre, Prinz, ich nicht!

MARCELLUS
                             Noch ich, auf Ehre!

HAMLET
Schwört auf mein Schwert!

MARCELLUS
                                Wir haben schon geschworen.

HAMLET
Im Ernste, auf mein Schwert, im Ernste.

GEIST
unter der Erde.
                                          Schwört!

HAMLET
Haha, Bursch, sagst du das? Bist du da, Grundehrlich?
Wohlan - Ihr hört im Keller den Gesellen -
Bequemt Euch denn, zu schwören!

HORATIO
                                 Sagt den Eid!

HAMLET
Niemals von dem, was Ihr gesehn, zu sprechen,
Schwört auf mein Schwert!

GEIST
unter der Erde.
                           Schwört!

HAMLET
Hic et ubique? Wechseln wir die Stelle!
Hierher, Ihr Herren, kommt
Und legt die Hände wieder auf mein Schwert;
Schwört auf mein Schwert,
Niemals von dem, was Ihr gehört, zu sprechen.

GEIST
unter der Erde.
Schwört [auf sein Schwert]!

HAMLET
Brav, alter Maulwurf! Wühlst so hurtig fort?
O trefflicher Minierer! - Nochmals weiter, Freunde!

HORATIO
Beim Sonnenlicht, dies ist erstaunlich fremd.

HAMLET
So heiß als einen Fremden es willkommen.
Es gibt mehr Ding' im Himmel und auf Erden,
Als Eure Schulweisheit sich träumt, Horatio.
Doch kommt!
Hier, wie vorhin, schwört mir, so Gott Euch helfe,
Wie fremd und seltsam ich mich nehmen mag,
Da mirs vielleicht in Zukunft dienlich scheint,
Ein wunderliches Wesen anzulegen,
Ihr wollet nie, wenn Ihr alsdann mich seht,
Die Arme so verschlingend, noch die Köpfe
So schüttelnd, noch durch zweifelhafte Reden,
Als: Nun, nun, wir wissen - oder: Wir könnten,
Wenn wir wollten - oder: Ja, wenn wir reden möchten -
Oder: Es gibt ihrer, wenn sie nur dürften -
Und solch verstohlnes Deuten mehr, verraten,
Daß Ihr von mir was wisset: Dieses schwört,
So Gott in Nöten und sein Heil Euch helfe!

GEIST
unter der Erde.
                                            Schwört!

HAMLET
Ruh, ruh, verstörter Geist! - Nun, liebe Herrn,
Empfehl ich Euch mit aller Liebe mich,
Und was ein armer Mann, wie Hamlet ist,
Vermag, Euch Lieb und Freundschaft zu bezeugen,
So Gott will, soll nicht fehlen. Laßt uns gehn
Und, bitt ich, stets den Finger auf den Mund!
Die Zeit ist aus den Fugen; Fluch der Pein,
Muß ich sie herzustelln geboren sein! -
Nun kommt, laßt uns zusammen gehn.
Alle ab.


 

Vorherige Szene < Hamlet > Nächste Akt

 

 

 

 

© 1997 - 2004 Andriz. Keine Vervielfältigung ohne erfolgte Genehmigung von Andriz oder den jeweiligen Autoren.