Zweite Szene
Zimmer in Fluths Hause
Falstaff und Frau Fluth treten auf
Falstaff.
Frau Fluth, Euer Kummer hat mein Leid aufgezehrt. Ich sehe,
Ihr seid voll frommer Rücksicht in Eurer Liebe, und ich verspreche
Euch Erwidrung bis auf die Breite eines Haars; nicht allein, Frau
Fluth, in der gemeinen Pflicht der Liebe, sondern in allen ihren
Ornamenten, Ausstaffierungen und Zeremonien. Aber seid Ihr jetzt
vor Euerm Mann recht sicher?
Frau Fluth.
Er ist auf der Vogelbeize, lieber Sir John.
Frau Page (draußen).
Heda! ho! Gevatterin Fluth! He, holla! -
Frau Fluth.
Tretet in die Kammer, Sir John.
(Falstaff ab.)
Frau Page kommt.
Frau Page.
Nun, wie steht's, mein Kind, wer ist außer Euch im Hause?
Frau Fluth.
Ei, niemand als meine Leute.
Frau Page.
Wirklich?
Frau Fluth.
Nein, im vollen Ernst! - (Leise.) Sprich lauter!
Frau Page.
Nun, das freut mich ja, daß Ihr niemand hier habt.
Frau Fluth.
Wieso?
Frau Page.
Ei, Frau Fluth, Euer Mann hat wieder seine alten Schrollen;
er macht da solchen Lärm mit meinem Mann, schimpft so auf
alle Ehemänner, flucht so auf alle Evastöchter, von
welcher Farbe sie auch sein mögen, und gibt sich solche Püffe
vor die Stirn und schreit dabei: «Wachst heraus! Wachst
heraus!» - daß alle Tollheit, die ich noch je erlebt
habe, nur Sanftmut, Zahmheit und Geduld gegen diese seine jetzige
Raserei ist. Ich bin froh, daß Ihr den fetten Ritter nicht
hier habt.
Frau Fluth.
Wie, spricht er von ihm?
Frau Page.
Von niemand als von ihm; und schwört, er sei das letztemal,
als er ihn gesucht, in einem Korbe herausgeschafft, versichert
meinem Mann, jetzt sei er hier, und hat ihn und seine übrige
Gesellschaft von ihrer Jagd abgerufen, um einen zweiten Versuch
seiner Eifersucht anzustellen. Aber ich bin froh, daß der
Ritter nicht hier ist, nun soll er seine Torheit inne werden.
Frau Fluth.
Wie nah ist er, Frau Page? -
Frau Page.
Ganz dicht, am Ende der Straße; er muß gleich
da sein.
Frau Fluth.
Ich bin verloren! der Ritter ist hier.
Frau Page.
Nun, so wirst du aufs äußerste beschimpft, und
er ist ein Kind des Todes. Was das für eine Frau ist! Fort
mit ihm! Fort mit ihm! Lieber Schimpf als Mord! -
Frau Fluth.
Wo soll er hin? Wie soll ich ihn fortschaffen? Soll ich ihn
wieder in den Korb stecken?
Falstaff kommt herein.
Falstaff.
Nein, ich will nicht wieder in den Korb. Kann ich nicht hinaus,
eh er kommt? -
Frau Page.
Ach, drei von Herrn Fluths Brüdern halten mit Pistolen
Wache an der Haustür, daß keiner entwischen möge;
sonst könntet Ihr wegschleichen, eh er käme. - Aber
was macht Ihr denn hier? -
Falstaff.
Was soll ich anfangen? Ich will in den Schornstein hinaufkriechen.
Frau Fluth.
Da schießen sie immer ihre Vogelflinten ab; kriecht
ins Ofenloch.
Falstaff.
Wo ist es?
Frau Fluth.
Er wird auch da suchen, glaubt mir! Da ist weder Schrank,
Koffer, Kiste, Lade, Brunnen noch Keller, von denen er nicht ein
Verzeichnis zur Erinnerung hat und sie nach der Liste durchgehn
wird. Hier im Hause könnt Ihr Euch nicht verstecken.
Falstaff.
So will ich hinaus.
Frau Fluth.
Wenn Ihr in Eurer eignen Gestalt hinausgeht, so seid Ihr des
Todes, Sir John, Ihr müßt verkleidet hinausgehn. Wie
könnten wir ihn wohl verkleiden? -
Frau Page.
Ach, liebe Zeit, das weiß ich nicht. Kein Weiberrock
wird weit genug für ihn sein, sonst könnte er einen
Hut aufsetzen, ein Backentuch umtun, einen Schleier überhängen
und so entkommen.
Falstaff.
Liebste Engel, denkt euch etwas aus; lieber alles versucht
als ein Unglück.
Frau Fluth.
Die Muhme meiner Magd, die dicke Frau aus Brentford, hat einen
Rock oben.
Frau Page.
Auf mein Wort, der wird ihm passen. Sie ist so dick als er;
und da ist auch ihr Schlapphut und Backentuch. Rennt hinauf, Sir
John.
Frau Fluth.
Eilt, eilt, liebster Sir John! Frau Page und ich wollen nach
Leintüchern für Euern Kopf suchen.
Frau Page.
Geschwind, geschwind, wir wollen gleich kommen und Euch ankleiden.
Zieht derweil den Rock an.
(Falstaff geht hinauf.)
Frau Fluth.
Ich hoffe, mein Mann begegnet ihm in diesem Aufzuge; er kann
das alte Weib von Brentford nicht ausstehn; er schwört, sie
sei eine Hexe, hat ihr das Haus verboten und gedroht, sie durchzuklopfen.
Frau Page.
Der Himmel führe ihn zu deines Mannes Prügel, und
der Teufel führe hernach den Prügel! -
Frau Fluth.
Kommt denn mein Mann wirklich?
Frau Page.
Ja, in allem Ernst; und spricht noch dazu vom Korbe, wie er's
nun auch erfahren haben mag.
Frau Fluth.
Das müssen wir herausbringen, denn ich will meine Leute
bestellen, daß sie den Korb wieder hinaustragen und ihm
an der Tür begegnen wie das letztemal.
Frau Page.
Recht, aber er wird den Augenblick da sein; komm mit, wir
wollen ihn ankleiden wie die Hexe von Brentford.
Frau Fluth.
Ich will erst meinen Leuten Bescheid sagen, was sie mit dem
Korbe anfangen sollen. Geh hinauf, ich will ihm gleich die Leinentücher
bringen. (Sie geht ab.)
Frau Page.
An den Galgen mit dem unverschämten Knecht! Wir können
ihm nicht übel genug mitspielen.
Durch unser Beispiel leucht es allen ein,
Ein Weib kann lustig und doch ehrbar sein.
Spaß ist nicht Ernst; wohl sprach ein weiser Mund:
Das stillste Wasser hat den tiefsten Grund. (Geht ab.)
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Frau Fluth und die Knechte kommen mit dem Waschkorb.
Frau Fluth.
Geht, Leute, nehmt den Korb wieder auf die Schultern, der
Herr ist dicht am Hause; wenn er euch heißt ihn niedersetzen,
so tut's. Geschwind, macht fort. (Ab.)
Erster Knecht.
Komm, nimm ihn auf.
Zweiter Knecht.
Der Himmel gebe, daß nicht wieder ein Ritter drin stecke!
Erster Knecht.
Das hoff ich nicht; ich wollte lieber ebensoviel Blei tragen.
Es kommen Fluth, Schaal, Page, Evans und Cajus.
Fluth.
Gut; wenn's aber wahr ist, Herr Page, wie wollt Ihr's dann
rechtfertigen, daß Ihr mich als Narren behandelt? - Setzt
den Korb nieder, Schurken! Ruf mir einer meine Frau, - Prinz im
Korbe! - O ihr kupplerischen Schurken - es ist eine Rotte, eine
Bande, ein Komplott, eine Verschwörung wider mich; nun soll
der Teufel beschämt werden! Heda, Frau, sag ich! komm, komm
heraus; sieh nur, was für artige Wäsche du auf die Bleiche
schickst! -
Page.
Nun, das geht zu weit, Herr Fluth! Ihr dürft nicht länger
frei umhergehn, man muß Euch in Ketten legen.
Evans.
Ei, das ischt wahre Montsuchten, das ischt so toll als toller
Hund!
Schaal.
In der Tat, Herr Fluth, das ist nicht recht, in der Tat nicht.
Frau Fluth kommt.
Fluth.
Das sag ich auch. Kommt einmal her, Frau Fluth - Frau Fluth,
die sittsame Frau, das tugendhafte Weib, das ehrbare Gemüt,
das den eifersüchtigen Narren zum Manne hat! Ich habe keinen
Grund zum Argwohn, nicht wahr? -
Frau Fluth.
Der Himmel sei mein Zeuge, daß du keinen hast, wenn
du mir eine Untreue zutraust.
Fluth.
Recht so, eiserne Stirn, führe das nur so durch. Heraus
mit dir, Bursch! -
(Er reißt die Wäsche aus dem Korb.)
Page.
Das geht zu weit!
Frau Fluth.
Schämst du dich nicht? Laß doch das Zeug in Ruh! -
Fluth.
Gleich werd ich dich finden.
Evans.
Das sein Unvernunften! Wollt Ihr Eurer Frauen Kleider aufnehmen?
Kommt doch weg! -
Fluth.
Schüttet den Korb aus, sag ich! -
Frau Fluth.
Aber lieber Mann - - -
Fluth.
Herr Page, so wahr ich ein Mann bin, ward gestern einer in
diesem Korbe aus meinem Hause geschafft; warum könnt er nicht
wieder darin stecken? In meinem Hause ist er gewiß, meine
Kundschaft ist sicher, mein Argwohn ist gegründet; werft
mir alle Wäsche heraus.
Frau Fluth.
Wenn du jemand drin findest, so sollst du ihn tot machen wie
einen Floh.
Page.
Hier ist niemand.
Schaal.
Bei meiner Kavaliersparole, das ist nicht recht, Herr Fluth,
das bringt Euch keine Ehre.
Evans.
Herr Fluth, Ihr müßt peten und nicht tenen Phantastereien
Eures Herzens folken; tas sein Eifersuchten.
Fluth.
Nun gut, hier ist er nicht, den ich suche.
Page.
Nein, und sonst nirgend als in Euerm Gehirn.
Fluth.
Helft mir nur diesmal mein Haus durchsuchen; wenn ich nicht
finde, was ich suche, verlange ich keinen Firnis für meine
Schwäche; ihr sollt mich auf ewige Zeiten zu euerm Tischgespött
machen; die Leute sollen von mir sagen: so eifersüchtig als
Fluth, der den Galan seiner Frau in einer hohlen Walnuß
suchte. Tut mir noch einmal den Gefallen; noch einmal geht mit
mir auf das Suchen aus.
Frau Fluth.
Heda, Frau Page! kommt doch mit der alten Frau herunter, mein
Mann will ins Zimmer hinauf.
Fluth.
Alte Frau? Was ist das für eine alte Frau? -
Frau Fluth.
Nun, die Muhme meiner Magd aus Brentford.
Fluth.
Die Hexe, die Vettel, die alte spitzbübische Vettel;
habe ich ihr nicht mein Haus verboten? Sie hat ein Gewerbe hier
auszurichten, nicht wahr? Wir sind einfältige Männer,
wir merken nicht, was alles unter dem Vorwand des Wahrsagens mit
unterläuft. Sie gibt sich mit Zaubereien, Besprechungen,
Zeichendeuten und andern solchen Schelmereien ab; das alles geht
über unsern Horizont, wir wissen von nichts. Komm herunter,
du Hexe, du Zigeunerin; komm herunter, sag ich.
Frau Fluth.
Oh, mein lieber, süßer Mann! - liebe Herren, laßt
doch die alte Frau nicht schlagen! -
Falstaff kommt in Frauenkleidern, geführt von Frau Page.
Frau Page.
Kommt, Mutter Klatsch, kommt, gebt mir die Hand.
Fluth.
Ich will sie klatschen! Aus meinem Hause, du Hexe! - (Schlägt
ihn.) Du Zigeunerin, du Vettel, du Meerkatze, du garstiges
Tier! fort mit dir! Ich will dich wahrsagen und besprechen lehren!
- (Schlägt ihn.)
(Falstaff ab.)
Frau Page.
Schämt Ihr Euch nicht? Ich glaube, Ihr habt die arme
Frau totgeschlagen! -
Frau Fluth.
Wahrhaftig, das wird er noch tun, das wird dir recht viel
Ehre bringen.
Fluth.
An den Galgen mit der Hexe! -
Evans.
Pei meiner Treu, ich klaupe, tas Weib ischt wahrhaftige Hexe;
ich haps nicht kern, wann Weipspilt kroßen Part hat, ich
sah kroßen Part unter ihrem Packentuch.
Fluth.
Wollt ihr mitkommen, meine Herren? Ich bitt euch, kommt mit;
seht nur einmal zu, wie meine Eifersucht ablaufen wird. Wenn ich
diesmal ohne Fährte anschlage, so traut mir nie wieder, wenn
ich den Mund auftue.
Page.
Laßt uns seiner Grille noch ein wenig nachgeben; kommt,
ihr Herren. (Sie gehn ab.)
Frau Page.
Wahrhaftig, er hat ihn ganz erbärmlich geprügelt.
Frau Fluth.
Nein, beim Himmel, das hat er nicht; er schlug ihn ganz erbarmungslos,
wie mir schien.
Frau Page.
Der Prügel soll geweiht und in der Kirche aufgehängt
werden; er hat ein verdienstliches Werk getan.
Frau Fluth.
Was meint Ihr, können wir wohl als ehrliche Frauen und
mit gutem Gewissen ihn noch weiter mit unsrer Rache verfolgen? -
Frau Page.
Der Teufel der Lüsternheit ist gewiß ganz aus ihm
herausgebannt; wenn er dem Satan nicht durchaus verfallen ist,
mit Handgeld und Reukauf, so denk ich, versucht er's nicht wieder,
uns zum Bösen zu verführen.
Frau Fluth.
Sollen wir's unsern Männern sagen, wie wir ihm mitgespielt
haben?
Frau Page.
Ja, auf alle Weise; wär's auch nur, um deinem Mann die
Fratzen aus dem Kopf zu schaffen. Wenn sie es übers Herz
bringen können, den armen untugendlichen dicken Rotter noch
ferner zu plagen, so wollen wir ihnen wieder die Hand dazu bieten.
Frau Fluth.
Ich wette, sie werden ihn noch öffentlich beschimpft
haben wollen, und mir scheint auch, der Spaß wäre nicht
vollständig, wenn er nicht öffentlich beschimpft würde.
Frau Page.
Komm nur gleich in die Schmiede damit, ehe das Eisen kalt
wird. (Sie gehn ab.)
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