Maß für Maß
Entstehung |
1604 |
Eintrag ins Buchhändlerregister |
8. November 1623 |
Erste Veröffentlichungen |
1623 im Ersten Folio |
Erste Aufführungen |
26. Dezember 1604, Schloss Whitehall |
Die Stadt Vienna treibt dem moralischen Ruin entgegen. Der
Verfall der Sitten ist so fortgeschritten, daß als nächstes
das Chaos droht.
Der regierende Herzog, lange Zeit zu weich, zu milde, zu
nachsichtig, muß handeln: strengere Saiten sollen aufgezogen
werden. Ein altes über die Jahre nicht zur Anwendung
gekommenes Gesetz, das Sittenlosigkeit rigoros bestraft, soll
reaktiviert werden und mit unerbittlicher Strenge zur Anwendung
kommen.
Das ist in Shakespeares "Maß für Maß"
der Ausgangspunkt für eine Geschichte, in deren Verlauf
und Verwicklung menschliche Laster und Tugenden auf ihre Spitze
getrieben werden. Ein fast verwirrendes Kaleidoskop krimineller
Machenschaften stellt sich dar.
In kaum einem anderen Stück des großen elisabethanischen
Dramatikers werden böse und gut, stark und schwach, zynisch
und naiv so durcheinander geschüttelt. Am Schluß
bleibt alles fragwürdig auch die Werte.
Der Herzog gibt vor, eine längere Reise antreten zu
wollen und betraut für die Zeit seiner Abwesenheit einen
noch jungen, aber sehr befähigten Mann, die Regierungsgeschäfte
mit allen Vollmachten wahrzunehmen: Angelo. Dieser Angelo
scheint ein Muster an Unbestechlichkeit und Integrität
zu sein; an seiner Lebensführung klebt kein Makel. Er
müßte befähigt sein, das Steuer des Staatsschiffs
herumzureißen und es von den Klippen des Verfalls hinweg
in sicheres Fahrwasser zu lenken.
Indes: der Herzog geht keineswegs auf Reisen! Als einfacher
Mönch verkleidet, beobachtet er jeden Schritt seines
Stellvertreters. Dieser wird sehr bald mit einem heiklen Fall
konfrontiert. Ein junger Adeliger, Claudio, hat verlobt
zwar, aber noch nicht mit ihr verehelicht seine Geliebte
geschwängert. Darauf steht Todesstrafe, und Angelo ist
entschlossen, sie vollziehen zu lassen. Da erscheint bei ihm
eine Novizin, Isabella, die Schwester des unglücklichen
Claudio, und bittet um Gnade für den Bruder. Diese Isabella
ist fast ein weibliches Gegenstück zu Angelo: von ebenso
moralischer Strenge und mit ebensolcher Konsequenz im Denken
und Handeln. Angelo ist entschlossen, die Bitte der jungen
Frau abzuweisen, aber da geschieht ihm etwas, das mit einem
Schlag seine Stellung, sein Amt und nicht zuletzt ihn selbst
nachdrücklich in Frage stellt. Ihn ergreift ein heftiges
Verlangen, diese junge Klosternovizin zu besitzen.
Er stellt die Bedingung, wenn Claudio begnadigt werden soll,
dann müsse Isabella ihm zu Willen sein. Für Isabella
heißt das, der Bruder wird sterben, und sie selbst wird
sich, mehr denn je überzeugt von der Verderbtheit der
Welt, für immer hinter Klostermauern zurückziehen.
An dieser Stelle greift nun, unerkannt durch seine Mönchskutte,
der Herzog ein. Er rät Isabella, zum Schein auf Angelos
Bedingung einzugehen. Die Liebesnacht wird verabredet, aber
nicht Isabella wird das Bett mit Angelo teilen, sondern dessen
vor Jahren von ihm verlassene Verlobte Mariana. Das alles
scheint den jungen Claudio nicht retten zu können: Angelo
gibt trotzdem den Befehl zu seiner Hinrichtung.
Am Ende erscheinen alle vor dem von seiner angeblichen Reise
zurückgekehrten Herzog: Täter und Opfer, Rechenschaft
wird gefordert. Eine Zeitlang scheinen Machtmißbrauch,
Erpressung, Verrat die Oberhand zu behalten, aber schließlich
neigt sich die Waage zugunsten des Rechts. Dunkle Machenschaften
werden aufgedeckt, die Täter entlarvt.
Maß für Maß so spricht der Herzog
das Urteil und setzt die Pfeiler für den Bau seiner Ordnung.
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