Siebende Scene.
Ein Garten im Hofe der Königin.
Die Königin tritt mit zwoen Damen auf.
Königin.
Was für eine Kurzweil wollen wir uns in diesem Garten machen,
um unsre kummervolle Gedanken zu vertreiben?
Lady.
Gnädigste Frau, wir wollen mit Kugeln spielen.
Königin.
Das würde mich denken machen, daß die Welt voller Rauhigkeit
und Zaken ist, und daß mein Glük, wie eine Kugel, die
ihre Kraft verlohren hat, seitwärts rennt.
Lady.
Madam, so wollen wir tanzen.
Königin.
Meine Füsse können kein Maaß* im Vergnügen
halten, wenn mein armes Herz kein Maaß in seinem Kummer
hält. Also nichts vom Tanzen, Mädchen; irgend ein andres
Spiel.
Lady.
So wollen wir Mährchen erzählen, Gnädigste Frau.
Königin.
Traurige oder lustige?
Lady.
Von beyderley Gattung, Madam.
Königin.
Von keiner von beyden, Mädchen. Die Frölichen würden
nur die Erinnerung meiner Schmerzen desto lebhafter machen, weil
sie mir die Freude zeigten, die mir fehlt; und die Traurigen würden
noch mehr Bekümmerniß zu derjenigen hinzuthun, die
ich schon habe.
Lady.
So wollen wir singen, Gnädigste Frau.
Königin.
Es ist gut, wenn du Ursache dazu hast; aber du würdest mir
besser gefallen, wenn du weinen würdest.
Lady.
Ich könnte wol weinen, Gnädigste Frau, wenn es euch
besser machte.
Königin.
Und ich könnte weinen, wenn mir weinen besser machte, ohne
daß ich eine Thräne von dir entlehnen müßte.
Aber warte, hier kommen die Gärtner. Wir wollen uns in den
Schatten dieser Bäume verbergen - - Sie werden vom Staat
reden, wie alle Welt, wenn eine Veränderung im Werk ist.
Ein Gärtner mit zween Garten-Jungen tritt auf;
die Königin und ihre Damen treten bey Seite.
Gärtner.
Geh, binde du jene hängenden Apricosen auf, die, wie ungerathene
Kinder, ihren Vater durch ihr verschwendrisches Gewicht zu Boden
ziehen; unterstüze ein wenig die neigenden Zweige. Geh du,
und haue, gleich einem Nachrichter, die Köpfe der zu hochaufschiessenden
Stauden-Gewächse ab, die zu übermüthig in unserm
gemeinen Wesen aussehen. In unsrer Regierung muß alles eben
seyn. Unterdessen daß ihr so beschäftigst seyd, will
ich gehen, und das unnüze Unkraut ausjäten, das den
gesunden Pflanzen die Nahrung entzieht.
Junge.
Wie verlangt ihr von uns, daß wir in dem Bezirk eines Zauns,
Geseze, Form, und gehöriges Ebenmaaß beobachten, und
wie in einem Model einen wolgeordneten Staat zeigen? Indeß
daß unser vom Meer eingeschloßner Garten, das ganze
Land voller Unkraut ist, seine schönsten Blumen zerknikt,
seine fruchtbaren Bäume alle ungepuzt, seine Zäune eingerissen,
seine Knoten alle verwirrt sind, und seine heilsamen Gewächse
von Raupen wimmeln?
Gärtner.
Schweige du; derjenige, dessen Frühling so wild und zügellos
war, hat nun den Fall seiner Blätter erfahren. Der Epheu,
der unter dem Schirm seiner weitverbreiteten Zweige emporwuchs,
und ihn zu unterstüzen schien, indem er ihn aussog, ist aller
bis auf die Wurzeln, von Bolingbroke ausgereutet worden; ich meyne
den Grafen von Wiltschire, Buschy, und Green.
Junge.
Was, sind sie todt?
Gärtner.
Das sind sie, und Bolingbroke hat sich des verunglükten Königs
bemächtiget. Wie beklagenswerth ist es, daß er sein
Land nicht so gehalten hat, wie wir unsern Garten. Wir verwunden
die Rinde unsrer Frucht-Bäume, weil der zu grosse Ueberfluß
von Saft sie geil und üppig machen, und durch zuviel Reichthum
zu grund richten würde. Hätte er es mit den Menschen
so gemacht, die zu groß und üppig wuchsen, sie möchten
die Zeit erlebt haben daß sie ihm nüzliche Früchte
getragen, und er, daß er sie gekostet hätte. Wir schneiden
alle überflüßigen Aeste weg, damit die tragenden
Zweige leben mögen; hätt' er's auch so gemacht, so würd'
er selbst die Crone getragen haben, die ihm Verschwendung und
Müßiggang so bald vom Haupte gerissen.
Junge.
Was? denkt ihr dann, der König werde abgesezt werden?
Gärtner.
Unterdrükt ist er schon, und abgesezt wird er ohne Zweifel
werden. Es sind in verwichner Nacht Briefe von einem Freund des
Herzogs von York angekommen, welche schlimme Zeitungen erzählen.
Königin.
O, ich werde zu todt gepreßt, wenn ich länger schweige
- - Du Ebenbild Adams, in diesen Garten gesezt, seiner zu pflegen,
wie untersteht sich deine Zunge so leidige Zeitungen anzukündigen.
Was für eine Eva, was für eine Schlange hat dir eingegeben,
einen zweyten Fall des verfluchten Menschen zu machen? Wie, sagst
du, König Richard ist entsezt? Darfst du, kaum ein bessers
Ding als die Erde die du gräbst, seinen Fall weissagen? Sprich,
wo, wenn und wie kamst du zu dieser bösen Zeitung? Sprich,
du Unglükseliger!
Gärtner.
Verzeihet mir, Madam. Ich habe wenig Freude davon, diese Neuigkeiten
zu sagen, aber man versichert, daß sie wahr seyen. König
Richard ist in Bolingbroks mächtiger Gewalt. Ihr Glük
wird gegen einander abgewogen. In euers Herrn Waagschale ist nichts
als er selbst, und etliche wenige Eitelkeiten, die ihn leicht
machen; aber in der Schaale des grossen Bolingbroks ligen, ausser
ihm selbst, alle Pairs von England, und mit diesen wiegt er den
König Richard zu Boden. Eilet nur nach London, und ihr werdet
es so finden; ich sage nichts, als was jedermann weiß.
Königin.
Du behendes Unglük, das so leicht auf den Füssen ist,
geht deine Gesandtschaft nicht mich an? Warum bin ich dann die
lezte, die sie erfährt? O du denkst mich auf die Lezte zu
sparen, damit ich deine Schmerzen desto länger fühle.
[** Kommt, Lädies, wir wollen gehen, um in London Londons
König im Jammer aufzusuchen. Wie, ward ich hiezu gebohren,
daß mein gedemüthigter Blik den Triumph des stolzen
Bolingbroks vermehren soll? Gärtner, für diese Zeitung,
die du mir erzählt hast, wünsch' ich, daß die
Pflanzen, die du pflanzest, nimmer wachsen mögen.
(Sie geht ab.)
Gärtner.
Arme Königin, möchte, wenn es dir helfen könnte,
dein Fluch an meinem Fleisse wahr werden! - - Hier ließ
sie eine Thräne fallen; - - hier, an diesem Ort will ich
einen Rautenstok sezen, zum Andenken, daß eine Königin
hier geweint hat.]
(Geht ab.)
* Wortspiel mit dem Wort measure, welches Cadenz, und
Maaß heißt.
** Was in [ ] eingeschlossen ist, sind Reime im Original.
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