Vierte Scene.
Scroop zu den Vorigen.
Scroop.
Ein besseres Glük falle meinem Könige zu, als meine
kummerbeladne Zunge ihm ankündigen muß.
König Richard.
Mein Ohr ist offen, und mein Herz gerüstet; das schlimmste
was du sagen kanst, ist nur zeitlicher Verlust. Sagst du, mein
Königreich sey verlohren? Nun dann, es war meine Sorge; was
für ein Verlust ist es, seiner Sorgen entlediget zu werden?
Strebt Bolingbroke so groß zu werden als wir? Grösser
kan er nicht werden; und wenn er doch immer ein Unterthan des
Himmels bleibt, so bin ich das auch, und so bleibt er meines gleichen.
Empören sich unsre Unterthanen? Das können wir nicht
ändern; sie brechen ihre Treue gegen Gott eben sowol als
gegen uns. Ruffe immerhin Weh, Jammer, Verwüstung, Fall,
Untergang; das schlimmste ist der Tod, und der Tod hat seinen
unvermeidlichen Tag.
Scroop.
Es erfreut mich, daß Eure Majestät so gerüstet
ist, unglükliche Nachrichten zu ertragen. Wie ein ungestümer
stürmischer Tag, der die Silberströme so hoch über
ihre Ufer schwellen macht, als ob die ganze Welt in Thränen
zerflossen wäre: So hoch über alle Schranken schwellt
Bolingbroks Wuth, und bedekt euer geschrektes Land mit hartem
schimmerndem Stahl, und mehr als stählernen Herzen. Weisse
Bärte haben ihre nakten dünnbehaarten Schädel gegen
deine Majestät bewaffnet; Knaben mit Weiber-Stimmen bemühen
sich grob zu reden, und schmiegen ihre weiblichen Gelenke in unbiegsam
Waffen gegen deine Crone; ja selbst Kunkel-Weiber schwingen rostige
Hellebarden. Alte und Junge stehen gegen deinen Thron auf, und
alles geht schlimmer, als ich es auszusprechen vermag.
König Richard.
O nur zu gut, zu gut erzählst du eine so böse Geschichte.
Wo ist der Graf von Wiltschire? Was ist aus Buschy worden? Wo
ist Green? Daß sie den Feind so ruhig sich über unsre
Grenzen haben ausbreiten lassen? Wenn wir die Oberhand erhalten,
so sollen ihre Köpfe davor bezahlen. Ich zweifle nicht, sie
haben ihren Frieden mit Bolingbroke gemacht.
Scroop.
Sie haben Frieden mit ihm gemacht, in der That, Gnädigster
Herr.
König Richard.
O Bösewichter, Vipern, verdammte Verräther! Hunde, die
sich leicht gewinnen lassen, einem jeden liebzukosen! Schlangen,
die ich in meinem Busen erwärmte, und die nun mein Herz durchstechen!
Drey Judasse, jeder dreymal ärger als Judas! Haben sie Frieden
gemacht? Die flammende Hölle bekriege ihre beflekten Seelen
für diese Schandthat!
Scroop.
Die süsseste Liebe wird, wie ich sehe, wenn sie ihre Natur
ändert, zu bitterstem und tödtlichstem Haß. Entlasset
ihre Seelen wieder euers Fluchs; sie haben ihren Frieden mit Köpfen
gemacht, nicht mit Händen; diejenigen, denen ihr fluchet,
haben des Todes gewaltthätige Hand gefühlt, und ligen
tief in geweihtem Grund.
Aumerle.
Ist Buschy, Green, und der Graf von Wiltschire todt?
Scroop.
Ja, alle drey verlohren zu Bristol ihre Köpfe.
Aumerle.
Wo ist denn der Herzog, mein Vater, mit seinen Völkern?
König Richard.
O! Frage nicht wo er ist; und niemand rede mehr von Trost! Von
Gräbern laßt uns reden, von Würmern und Grabschriften;
laßt uns den Staub zu unserm Papier machen, und mit regnenden
Augen unsern Jammer auf den Busen der Erde schreiben. Laßt
uns von Testamenten reden, und unsre Ausrichter erwählen
- - doch nein - - Was können wir vermachen, als unsre abgelegte
Leiber der Erde? Unsre Länder, unser Leben, alles ist Bolingbroks,
und wir können nichts unser nennen als den Tod, und dieses
Bißchen Erde, das unsre Gebeine deken wird. Ums Himmels
willen! laßt uns hier auf den Boden niedersizen, und einander
melancholische Geschichten vom Tod der Könige erzählen;
wie einige entsezt, andre im Krieg erschlagen worden; andre von
den Geistern derjenigen verfolgt, so sie aus dem Wege geräumt
hatten; andre von ihren Weibern vergiftet, andre im Schlaf umgebracht,
alle ermordet! - - denn in der holen Crone, die eines Königs
sterbliche Schläfe umfaßt, hält der Tod seinen
Hof; da sizt das groteske Ungeheuer und spottet mit grinsendem
Lächeln seines Pomps, erlaubt ihm einen Athem-Zug, eine kleine
Scene lang zu herrschen, gefürchtet zu werden, und mit Bliken
zu tödten, lispelt ihm eitle schwülstige Gedanken ein,
als ob das Fleisch, worinn sein Leben eingeschlossen ist, unzerstörbares
Metall sey; und wann er ihn so bethört hat, kommt er zulezt,
durchbort mit einer kleinen Steknadel seine Schläfe, und
gute Nacht König! - - Bedekt eure Häupter, und verspottet
nicht Fleisch und Blut mit feyrlicher Ehrerbietung; werfet Ehrfurcht,
Titel, Ceremoniel, und alle diese Zeichen der Unterwürfigkeit
weg; ihr habt mich diese ganze Zeit her mißkannt. Ich lebe
von Athem wie ihr, ich habe Bedürfnisse wie ihr, fühle
Schmerzen, habe Freunde vonnöthen, wie ihr; so abhängig,
wie ich also bin, wie könnt ihr mir sagen: ich sey ein König?
Bischoff.
Gnädigster Herr, weise Männer bejammern niemals ihre
gegenwärtigen Uebel, sondern kommen gegenwärtig den
Uebeln zuvor, die sie künftig bejammern müßten.
Den Feind fürchten, giebt, da die Furcht die Stärke
schwächt, dem Feind einen Zuwachs von Stärke in unsrer
Schwäche, und so haben wir an unsrer eignen Thorheit einen
Feind mehr. Fürchtet euch, so seyd ihr geschlagen; kan es
euch schlimmer gehen, wenn ihr euch wehret? Fechtet ihr und kommt
um, so sterbt ihr doch edler, als wenn ihr aus Zagheit umkommt.
Aumerle.
Mein Vater hat Truppen; schiket nach ihm, und lernet aus einem
Gliedmaß einen Leib machen.
König Richard.
Du beschiltst mich mit Recht. Stolzer Bolingbroke, ich komme,
um durch Streiche deinen oder meinen lezten Tag zu entscheiden.
Dieser fiebrische Schauer von Furcht ist vorüber; es ist
eine leichte Arbeit zu gewinnen was unser eigen ist. Sage, Scroop,
wo ligt unser Oheim mit seiner Macht? Antworte etwas besseres,
als deine düstern Blike versprechen.
Scroop.
Wol mögt ihr aus meinen düstern und kummerbeladnen Augen
urtheilen, daß meine Zunge noch eine bösere Zeitung
zu erzählen hat, wie man aus der Beschaffenheit des Himmels
auf das heitre oder ungestüme Ende eines Tages zu schliessen
pflegt. Ich mache den Peiniger, indem ich das ärgste was
ich sagen muß, in die Länge ziehe. Euer Oheim York
hat sich mit Bolingbroke vereiniget, alle eure Nordischen Schlösser
sind übergeben, und aller euer südlicher Adel ist in
Waffen auf seiner Parthey.
König Richard.
Du hast genug gesagt. Wehe dir, Vetter, daß du mich von
diesem guten Weg, worauf ich war, in Verzweiflung geführt
hast. Was sagt ihr izt? Was für Hoffnung haben wir nun? Beym
Himmel! ich hasse den auf ewig, der mir zumuthen will, noch etwas
zu hoffen. Geht nach Flint-Castle, dort will ich mich ungestört
dem Gefühl meines Jammers überlassen. Entlasset die
Mannschaft die ich noch habe, laßt sie zu demjenigen gehen,
der Hoffnung hat zu steigen. Ich habe keine mehr. Wende mir niemand
etwas gegen diß ein; aller Rath ist umsonst.
Aumerle.
Nur ein Wort, Gnädigster Herr - -
König Richard.
Schmeicheleyen in solchen Umständen worinn ich bin, machen
meine Wunden nur tiefer. Entlaßt meine Leute; laßt
sie gehen, laßt sie aus Richards Nacht in Bolingbroks aufgehenden
Tag.
(Sie gehen ab.)
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