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Eilfte Scene.

Isabella.
Ich komme zu hören, was Euer Gnaden beliebt - -

Angelo.
Daß ihr es wissen möchtet, würde mir besser belieben, als daß ihr darnach fragt. Euer Bruder kan nicht bey Leben bleiben.

Isabella.
Ist es dieses? - - Der Himmel erhalte Eu. Gnaden.

(Sie will gehen.)

Angelo.
Und doch möcht' er noch eine Zeitlang leben, und das möchte seyn, so lang als ihr oder ich; aber er muß sterben.

Isabella.
Durch euer Urtheil?

Angelo.
Ja.

Isabella.
Wenn, ich bitte euch? Laßt ihm wenigstens so viel Zeit als er nöthig hat, damit seine Seele geheilt werden könne.

Angelo.
Ha? Pfui dieser garstigen Laster! Es wäre eben so gut denjenigen zu begnadigen, der einen schon gemachten Menschen aus der Natur weggestohlen hätte, als solchen Leuten, die das Bild des Himmels auf verbotne Stempel graben, ihre unverschämte Ueppigkeit zu verzeihen.

Isabella.
So wird im Himmel geurtheilt, aber nicht auf Erden.

Angelo.
Sagt ihr das? Nun will ich euch bald zum Stillschweigen bringen. Was wolltet ihr lieber, daß das gerechteste Gesez euerm Bruder das Leben nehme; oder daß ihr, um ihn zu retten, euern Leib eben so behandeln lassen müßtet, wie diejenige, die er beflekt hat?

Isabella.
Gnädiger Herr, glaubt mir das, ich wollte lieber meinen Leib preiß geben als meine Seele.

Angelo.
Ich rede nicht von eurer Seele; Sünden, wozu wir genöthiget werden, stehen nicht auf unsrer Rechnung.

Isabella.
Wie sagt ihr?

Angelo.
Ich will nicht davor gut stehen; denn ich kan vieles gegen das was ich gesagt habe, einwenden. Antwortet mir nur auf das: Ich, durch dessen Mund nur das Gesez redet, spreche das Todes-Urtheil wider euern Bruder aus: Wäre nicht Barmherzigkeit in einer Sünde, die ihr nur darum begienget, um euers Bruders Leben zu retten?

Isabella.
Schenket ihm das Leben, ich will es auf die Gefahr meiner Seele nehmen, dann ist gar keine Sünde darinn, sondern blosse Barmherzigkeit.

Angelo.
Hört mich nur, ihr versteht mich nicht; entweder seyd ihr unwissend, oder stellt euch so, und das ist nicht gut.

Isabella.
Laßt mich unwissend seyn, und in nichts gut, als in der demüthigen Erkenntniß, daß ich nicht besser bin.

Angelo.
So wünscht die Weisheit nur desto glänzender zu scheinen, wenn sie sich selbst tadelt; wie diese schwarze Tücher die eingehüllte Schönheit zehnmal lauter ankündigen als die enthüllte Schönheit selbst thun könnte. Aber höret mich, um besser verstanden zu werden, will ich deutlicher reden; euer Bruder muß sterben.

Isabella.
So.

Angelo.
Und wegen eines Verbrechens, worauf das Gesez diese Strafe gelegt hat.

Isabella.
Es ist wahr.

Angelo.
Gesezt, es wäre kein ander Mittel ihm das Leben zu retten (ich sage nicht, daß ich es gelten lassen würde, sondern nur um den Fall zu sezen) als daß ihr, seine Schwester, wofern jemand euer begehrte, den sein eigner Plaz oder sein Ansehen bey dem Richter in den Stand sezte, euern Bruder aus den Fesseln des Gesezes zu befreyen, und daß kein andres Mittel ihn zu retten wäre, als ihr müßtet entweder diesem vorausgesezten den Genuß eurer Schönheit überlassen, oder euern Bruder leiden sehen, was würdet ihr thun?*

Isabella.
Soviel für meinen armen Bruder, als für mich selbst; das ist, wär ich zum Tode verurtheilt, so wollt ich die Striemen scharfer Geisseln wie Rubinen tragen, und mich auf die Marterbank mit der Sehnsucht eines Kranken wie auf ein Ruhbette werfen, eh ich meinen Leib der Schande preiß geben wollte.

Angelo.
So müßte euer Bruder sterben.

Isabella.
Besser, daß ein Bruder einen einzigen Augenblik sterbe, als daß die Schwester, um ihn zu retten, ewig sterbe.

Angelo.
Wäret ihr in diesem Falle nicht eben so grausam als das Urtheil, das ihr so genennt habt?

Isabella.
So wie eine schändliche Ranzion, und eine freye Begnadigung von zweyerley Häusern sind; so ist auch ganz gewiß nicht die mindeste Verwandtschaft zwischen einer gesezmäßigen Barmherzigkeit, und einer lasterhaften Erlösung.

Angelo.
Ihr schienet lezthin das Gesez für einen Tyrannen, und den Fehltritt euers Bruders eher für eine Kurzweil als für ein Verbrechen anzusehen.

Isabella.
Verzeihet mir Gnädiger Herr; um zu erhalten was wir suchen, sind wir oft genöthiget nicht zu sagen, was wir denken. Aus Liebe zu einem unglüklichen Bruder wünschte ich die That entschuldigen zu können, die ich verabscheue.

Angelo.
Wir sind alle gebrechlich.

Isabella.
Wär' es nicht so, so möchte mein Bruder immerhin sterben.

Angelo.
Die Weiber sind auch gebrechlich.

Isabella.
Ja, wie die Spiegel, worinn sie sich beschauen; die Weiber! Der Himmel stehe ihnen bey! Die Männer verderben ihre angebohrne Unschuld zum Vortheil ihrer Leidenschaften; ja, nennet uns zehenmal gebrechlich, denn wir sind sanft wie unsre Bildung, und weich genug jeden fremden Eindruk anzunehmen.

Angelo.
So denke ich auch; und durch das Zeugniß euers eignen Geschlechts laßt mich kühner werden. Ich halte euch bey euern Worten. Seyd was ihr seyd, ein Weib; wenn ihr mehr seyd, seyd ihr keines. Seyd ihr's, wie diese Gestalt auf eine so reizende Art es bezeuget, so zeiget es izt, indem ihr diese geweyhte Liverey ableget.

Isabella.
Ich habe nur eine Zunge; ich bitte Euer Gnaden, deutlich zu sprechen.

Angelo.
Ich liebe euch.

Isabella.
Mein Bruder liebte die Juliette, und ihr sagt mir, daß er dafür sterben müsse.

Angelo.
Er soll nicht sterben, wenn ihr meine Liebe begünstiget.

Isabella.
Ich weiß daß eure Tugend die Freyheit hat, ein wenig schlimmer zu scheinen als sie ist, um andre auf die Probe zu sezen.

Angelo.
Glaubt mir, auf meine Ehre, meine Worte erklären meine Absicht.

Isabella.
Ha! was für eine Ehre? und was für eine Absicht? O! Schein! Schein! Ich will dich ausruffen, Angelo; siehe zu! Unterzeichne mir diesen Augenblik die Begnadigung meines Bruders, oder ich will so laut als ich schreyen kan, der Welt sagen, was für ein Mann du bist.

Angelo.
Wer wird dir glauben, Isabella? Mein unbeflekter Name, mein strenges Leben, mein Ansehen im Staat, mein blosses Zeugniß wider dich, werden deine Anklage so sehr überwiegen, daß du in deiner eignen Aussage erstiken und nach Verläumdung stinken wirst. Der erste Schritt ist gethan, und nun will ich meinem sinnlichen Theil den Zügel lassen. Bereite dich meiner erhizten Begierde nachzugeben, lege alle Sprödigkeit, alle diese verzögernden Erröthungen ab, die das verbannen warum sie bitten; erlöse deinen Bruder, indem du deinen Leib meinem Willen überlassest; oder er muß nicht nur den Tod sterben, sondern deine Sprödigkeit soll seinen Tod durch langsame Martern verlängern. Bringe mir morgen die Antwort, oder, bey der Leidenschaft, die mich izt beherrschst, ich will ein Tyrann gegen ihn werden. Was euch betrift, sagt was ihr könnt; meine Lügen überwiegen eure Wahrheiten.

(Er geht ab.)

Isabella.
Gegen wen soll ich mich beklagen? Würd' ich diß erzählen, wer würde mir glauben? Ich will zu meinem Bruder gehen. Ob er gleich durch Antrieb des wallenden Blutes gefallen ist, so hat er doch so viel Empfindung von Ehre, daß wenn er auch zwanzig Häupter auf zwanzig Blöke hinzustreken hätte, er eher sie alle hingeben würde, eh seine Schwester ihren Leib zu einer so schändlichen Beflekung mißbrauchen lassen sollte. Leb' also keusch, Isabella, und stirb du, Bruder; unsre Keuschheit ist mehr als unser Bruder; inzwischen will ich ihm das Zumuthen dieses Angelo kund machen, und ihn sterben lehren, damit seine Seele leben möge.


* Die unrichtige Construction dieser Rede ist im Original, und man hat sie beybehalten, weil sie die Verwirrung ausdrukt, worinn sich Angelo in diesem Augenblik befinden mußte. Zurück


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