Sechste Szene.
Der Kerkermeister, ein Bedienter.
Bedienter.
Er giebt nur einer Partey Gehör; er wird gleich kommen: Ich
will ihm sagen, daß ihr hier seyd.
Kerkermeister.
Ich bitte euch, thut es; ich möchte wissen, was sein Wille
ist; vielleicht ihn wieder frey zu lassen - - Ach! Er hat kaum
mehr als in einem Traum gesündiget; alle Stände, alle
Alter riechen nach diesem Laster - - und er soll dafür sterben.
Angelo zu den Vorigen.
Angelo.
Nun, was giebt es, Kerkermeister?
Kerkermeister.
Ist es Euer Gnaden Wille, daß Claudio morgen sterben solle?
Angelo.
Sagt' ich dir nicht schon, ja? Hast du nicht Befehl? Wozu brauchst
du noch einmal zu fragen?
Kerkermeister.
Aus Furcht, ich möchte zu rasch seyn. Mit Euer Gnaden Erlaubniß,
ich habe den Fall schon erlebt, da der Richter nach der Vollziehung
sein Urtheil gerne wiederruffen hätte.
Angelo.
Thu du deine Pflicht, und laß das meine Sorge seyn; thu
deine Pflicht, oder gieb dein Amt auf; und es soll dir keine Mühe
mehr gemacht werden.
Kerkermeister.
Ich bitt' unterthänig um Verzeihung, Gnädiger Herr -
- Und was soll ich mit der winselnden Juliette anfangen? Sie ist
ihrer Entbindung sehr nahe.
Angelo.
Bringe sie an einen bequemem Ort, und das unverzüglich.
Der Bediente.
Gnädiger Herr, hier ist die Schwester des verurtheilten Manns,
und bittet vor Euer Gnaden gelassen zu werden.
Angelo.
Hat er eine Schwester?
Kerkermeister.
Ja, Gnädiger Herr, eine sehr tugendhafte junge Person, die
im Begriff ist eine Klosterfrau zu werden, wenn sie es nicht schon
ist.
Angelo.
Gut; laß sie herein kommen.
(Bedienter geht ab.)
Sorgt ihr davor, daß die Hure in einen andern Ort gebracht
werde; laßt ihr bloß die nothdürftige, und keine
überflüssige Unterhaltung geben; es soll Befehl deshalb
ertheilt werden.
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