Fünfte Scene.
Antipholis und Dromio von Ephesus zu den Vorigen.
Antipholis von Ephesus.
Justiz, Gnädigster Herr, o, lasset mir Justiz angedeyhen.
Um des Dienstes willen den ich euch einst that, da ich in der
Schlacht meinen Leib zu euerm Schild machte, und die Wunden auffieng,
die auf euch gezielt waren; um des Blutes willen, so ich damals
verlohr, euer Leben zu retten; lasset mir izt Justiz angedeyhen.
Aegeon.
Wenn Todesfurcht mein Auge nicht verfälscht, seh' ich hier
meinen Sohn Antipholis und Dromio.
Antipholis von Ephesus.
Justiz, theurer Fürst, gegen dieses Weibsbild hier; sie,
die ihr selbst mir zum Weibe gegeben habt, und die mich auf den
äussersten Grad betrogen und beschimpft hat. Sie übersteigt
alles was man sich einbilden kan, die Beleidigung, so sie mir
heute angethan hat.
Herzog.
Erzähle worinn, und du sollst mich gerecht finden.
Antipholis von Ephesus.
An diesem heutigen Tag, grosser Herzog, schloß sie die Thüre
vor mir zu, und schmaußte indessen mit Huren in meinem Hause.
Herzog.
Ein schweres Vergehen; sag', Weibsbild, thatest du das?
Adriana.
Nein, Gnädigster Herr; ich selbst, er und meine Schwester
haben heute mit einander zu Mittag gegessen; möge meine Seele
verlohren seyn, wenn dieses falsch ist; er legt mir das ungebührlich
zu.
Luciana.
Nimmermehr mög' ich den Tag wieder sehen, wenn das nicht
die reine Wahrheit ist, was sie Euer Durchlaucht gesagt hat.
Angelo.
O meineidige Weibsstüke! Sie schwören beyde falsch;
hierinn klagt sie der tolle Mann mit Recht an.
Antipholis von Ephesus.
Gnädigster Herr, ich weiß was ich rede; ich bin weder
betrunken noch von Zorn und Wuth verrükt, ob ich gleich auf
eine Art beleidiget bin, die einen gescheidtern Mann als ich bin,
rasend machen könnte. Dieses Weibsbild rigelte mich heut,
um Mittagessens-Zeit zum Hause hinaus; dieser Goldschmidt hier,
wenn er nicht mit ihr in Verständniß wäre, könnt'
es bezeugen, denn er war damals bey mir; und hernach verließ
er mich um eine Kette zu holen, die er mir ins Stachelschwein
zu bringen versprach, wo Balthasar und ich mit einander zu Mittag
assen. Wie wir gegessen hatten, und er nicht kam, gieng ich aus,
ihn aufzusuchen; ich traf ihn auf der Strasse an, und diesen Herrn
hier in seiner Gesellschaft. Hier schwur mich dieser meineidige
Goldschmidt zu Boden, daß ich die Kette würklich schon
von ihm empfangen hätte, die ich doch, weiß Gott, nicht
gesehen habe; und um deswillen ließ er mich durch einen
Gerichtsdiener in Verhaft nehmen. Ich bequemte mich, und schikte
meinen Kerl um eine Summe Ducaten nach Hause, er brachte mir aber
nichts zurük. Darauf bat ich den Gerichtsdiener höflich,
daß er in Person mit mir in mein Haus gehen möchte.
Unterwegs traffen wir auf mein Weib, ihre Schwester, und ein ganzes
Pak ihrer nichtswürdigen Mitgenossen; sie brachten einen
gewissen Zwik mit, einen ausgehungerten dürren Spizbuben,
ein pures Gerippe, einen Marktschreyer, der den Leuten wahrsagt,
einen armseligen, hol-augichten, scharfblikenden Tropf, einen
lebendigen Todten-Körper; dieser verfluchte Lumpen-Kerl,
den sie als einen Beschwörer mitgebracht hatten, gaffte mir
in die Augen, fühlte mir den Puls, und schrie: Ich sey besessen.
Sogleich fielen sie alle über mich her, banden mich, führten
mich heim, und liessen mich und meinen Knecht dort, beyde zusammengebunden,
in einem dunkeln und dumpfigen Gewölbe ligen; bis ich, nachdem
ich meine Bande mit den Zähnen von einander gebissen, meine
Freyheit wieder erhielt, und unmittelbar hieher zu Eu. Durchlaucht
lief; welche ich ersuche, mir wegen solcher unerhörten Beschimpfungen
und Kränkungen die vollständigste Genugthüung zu
verschaffen.
Angelo.
Gnädigster Herr, in so weit kan ich ihm Zeugniß geben,
daß er nicht bey Hause zu Mittag aß, sondern hinaus
geschlossen wurde.
Herzog.
Aber hatte er eine solche Kette von dir, oder nicht?
Angelo.
Er hatte sie, Gnädigster Herr, und da er hieher gelauffen
kam, sahen diese Leute, daß er die Kette am Halse trug.
Kauffmann.
Überdiß kan ich darauf schwören, daß diese
meine Ohren euch bekennen gehört haben, daß ihr die
Kette von ihm empfangen, nachdem ihr vorher auf dem Markte das
Gegentheil geschworen hattet; ich zog deßwegen den Degen
gegen euch, und da flohet ihr in diese Abtey hier, aus der ihr,
denk ich, durch ein Wunderwerk wieder heraus gekommen seyn müßt.
Antipholis von Ephesus.
Ich bin niemals in diese Abtey hinein gekommen, und niemals hast
du deinen Degen gegen mich gezogen; auch hab ich, so wahr mir
der Himmel helfe, die Kette nie gesehen; ihr beschuldiget mich
alles dessen mit Unrecht.
Herzog.
Wie, was für ein verworrener Handel ist das? Ich glaube,
ihr habt alle aus Circe's Becher getrunken: Wenn ihr ihn in dieses
Kloster getrieben hättet, so würd' er drinn seyn; wenn
er rasend wäre, so würd' er seine Klage nicht mit so
kaltem Blut vorbringen. Ihr sagt er habe zu Hause mit euch zu
Mittag gegessen; der Goldschmidt hier widerspricht euch das - -
Kerl, was sagst du?
Dromio von Ephesus.
Gnädigster Herr, er aß mit dieser hier zu Mittag, im
Stachelschwein.
Courtisane.
Das that er, und da zog er mir den Ring vom Finger.
Antipholis von Ephesus.
Das ist wahr, Gnädigster Herr, diesen Ring hatt' ich von
ihr.
Herzog (zur Courtisane)
Sahst du ihn in die Abbtey hier hinein gehen?
Courtisane.
So gewiß, Gnädigster Herr, als ich izt Eu. Durchlaucht
sehe.
Herzog.
Wie, das ist wunderlich; geht, ruft die Abbtißin heraus;
ich denke ihr seyd alle bezaubert oder toll.
(Einer geht zu der Abbtissin ab.)
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