Siebende Scene.
Ludwig.
Es ist nichts in der Welt, das mir mehr Vergnügen geben kan;
das Leben ist mir so ekelhaft als ein zweymal erzähltes Mährchen,
das die schlaffen Ohren eines schläfrigen Menschen plagt.
Eine bittre Schmach hat den angenehmen Geschmak der Welt verderbt,
so daß sie izt nach lauter Schande und Bitterkeit schmekt.
Pandolph.
Eh eine heftige Krankheit geheilt wird, unmittelbar vor dem Augenblik
der wiederkehrenden Gesundheit, ist der Anstoß am heftigsten;
scheidende Uebel scheinen am schlimmsten, indem sie verschwinden.
Was habt ihr denn durch den Verlust dieses Tages verlohren?
Ludwig.
Alle ruhmvollen, frohen, glüklichen Tage meines Lebens.
Pandolph.
Glaubet mir, dann hättet ihr verlohren, wenn ihr diesen Tag
gewonnen hättet. Nein, nein; wenn's das Glük am besten
mit den Menschen meynt, so sieht es sie mit einem dräuenden
Auge an. Es ist unglaublich, wie viel König Johann gerade
dadurch verlohren hat, was er für klaren Gewinn rechnet.
Schmerzt es euch nicht, daß Arthur sein Gefangner ist?
Ludwig.
So herzlich, als er sich freut daß er ihn hat.
Pandolph.
Euer Verstand ist noch so jung als euer Blut. Nun höre mich
aus einem prophetischen Geiste reden; der blosse Athem der Worte
die ich reden werde, soll jeden Staub, jeden Strohhalm, jedes
kleine Hinderniß aus dem Wege wehen, der deinen Fuß
gerade zu Englands Thron führen wird; höre also! Johann
hat sich Arthurs bemächtiget, und es ist unmöglich,
daß, so lange warmes Leben in seinen jungen Adern spielt,
Johann, der seinen Thron usurpirt, eine Stunde, ein Minute, ja
nur einen Augenblik ruhig athmen könnte. Ein Scepter der
mit einer unrechtmäßigen Hand geführt wird, muß
so gewaltthätig erhalten werden, als er gewonnen worden;
und wer auf einem schlüpfrigen Plaz steht, ist nicht so zärtlich,
daß ihm etwas zu garstig seyn sollte, woran er sich halten
kan. Damit Johann stehen könne, muß Arthur fallen;
und so sey es, da es nicht anders seyn kan.
Ludwig.
Aber was kan ich durch Arthurs Fall gewinnen?
Pandolph.
Vermöge des Rechts eurer Gemalin Blanca, könnt ihr alsdann
in alle Ansprüche Arthurs eintreten.
Ludwig.
Und Ansprüche, Leben und alles verliehren, wie Arthur.
Pandolph.
Wie grün und jung ihr in dieser alten Welt noch seyd! König
Johann thut das wichtigste für euch; die Umstände conspiriren
mit euch, und der, so in Vergiessung des rechtmäßigen
Bluts seine Sicherheit sucht, wird nichts als eine blutige und
unsichre Sicherheit finden. Diese Uebelthat wird die Herzen seines
ganzen Volks erkälten, und ihren Eifer für ihn so sehr
gefrieren machen, daß sie den schlechtesten Anlas, seiner
Regierung ein Ende zu machen, mit Freuden ergreiffen werden. Es
wird keine natürliche Ausdünstung in der Luft seyn,
kein Mißgriff der Natur, kein Wetter-Tag, kein gemeiner
Sturmwind, keine gewöhnliche Naturbegebenheit, denen sie
nicht eine übernatürliche Ursache geben, die sie nicht
Meteore, Wunderzeichen, Mißgeburten und Vorbedeutungen,
kurz, Zungen des Himmels nennen werden, die überlaut wider
Johann um Rache schreyen.
Ludwig.
Es ist aber möglich, daß er dem jungen Arthur das Leben
läßt, und sich begnügt, ihn in einer ewigen Gefangenschaft
zu halten.
Pandolph.
O Prinz, wenn er von eurer Annäherung hören wird, und
Arthur nicht schon fort ist, so stirbt er denselben Augenblik:
Und dann werden die Herzen aller seiner Unterthanen sich wider
ihn empören, sich nach Veränderung sehnen, und von dieser
blutigen That Anlas zu Aufruhr und Krieg nehmen. Mich däucht,
ich sehe diesen Lermen schon vor meinen Füssen; und o! was
kan für euch glüklichers gebrütet werden, als was
ich gesagt habe! - - Der Bastard Faulconbridge ist nun in England,
brandschäzet die Kirche, und übet unchristliche Gewaltthätigkeit
aus. Wenn nur zwölf bewehrte Franzosen dort wären, sie
würden wie ein Zusammenruf seyn, und in einem Augenblik zehntausend
Engländer an ihrer Seite sehen; oder wie ein kleiner Schneeball,
der sich herabwälzt und ein Berg wird. Edler Dauphin, folge
mir zum Könige; es ist erstaunlich, was für Folgen aus
ihrem Mißverständniß gezogen werden können.
Izt, da ihre Seelen von Unwillen bis oben an gefüllet sind,
izt England zu; ich will an dem Könige treiben.
Ludwig.
Grosse Beweggründe zeugen grosse Thaten; wir wollen gehen;
wenn ihr Ja sagt, wird der König gewiß nicht Nein sagen.
(Sie gehen ab.)
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