Zweyte Scene.
Der König von England, Faulconbridge, Elinor, Blanca,
Pembroke und andre zu den Vorigen.
König Johann.
Friede sey mit Frankreich, wenn Frankreich im Frieden unsern rechtmäßigen
Einzug in unsre Stadt gestattet; wo nicht, so blute Frankreich,
und der Friede schwinge sich gen Himmel, indeß daß
wir, Gottes grimmvoller Sachwalter, den stolzen Uebermuth züchtigen,
der seinen Frieden in den Himmel zurük treibt.
König Philipp.
Friede sey mit England, wenn dieser Krieg aus Frankreich nach
England zurükkehrt, um dort im Frieden zu leben. Wir lieben
England, und nur um Englands willen, schwizen wir hier unter der
Last der Waffenrüstung. Diese unsre Arbeit sollte dein freywilliges
Werk seyn. Aber du bist so weit entfernt, England zu lieben, daß
du seinen rechtmäßigen König unterdrükt,
die Erbfolge aufgehoben, die Kindheit des gesezmäßigen
Erben mißbraucht, und an der jungfräulichen Ehre der
Crone Gewalt verübt hast. Schaue hier auf deines Bruders
Gottfrieds Gesicht! Diese Augen, diese Stirne, sind nach den seinigen
abgedrukt; in diesem kleinen Inbegriff ist die vollständige
Form enthalten, die in Gottfried verstarb, und die Hand der Zeit
wird diese verjüngte Gestalt in einen eben so grossen Format
ausdehnen. Dieser Gottfried war von Geburt dein ältrer Bruder,
und dieser hier ist sein Sohn. England war Gottfrieds Recht, und
dieser hat es von Gottfried ererbt; wie kommt es dann, um Gottes
willen! daß du ein König genennt wirst, so lange lebendiges
Blut in diesen Schläfen schlägt, die einen Anspruch
an die Crone haben, welche du zur Ungebühr trägst?
König Johann.
Von wem hast du diesen grossen Auftrag, Frankreich, mich zur Antwort
auf deine Fragstüke zu ziehen?
König Philipp.
Von diesem obersten Richter, der in königlichen Seelen den
edlen Gedanken erwekt, gewaltthätigen und ungerechten Thaten
nachzufragen. Dieser Richter hat mich zum Beschüzer dieses
Knabens gemacht; unter seinem Schuze klag' ich deine Ungerechtigkeit
an, und mit seinem Beystand hoff' ich sie zu bestraffen.
König Johann.
Du massest dich eines Ansehens an, das dir nicht zukommt.
König Philipp.
Entschuldige es; es geschieht, um ungerechte Anmassung niederzuschlagen.
Elinor.
Wer ist der, den du einer unrechtmäßigen Anmassung
beschuldigest?
Constantia.
Laßt mich die Antwort geben: Der anmaßliche König,
dein Sohn.
Elinor.
Hinweg, Unverschämte; dein Bastard soll König seyn,
damit du eine Königin seyn, und die ganze Welt hofmeistern
könnest!
Constantia.
Mein Bette war deinem Sohn immer so getreu, als das deinige deinem
Gemahl; und dieser Knabe sieht seinem Vater Gottfried gleicher
als Johann dir, ob ihr gleich an Sitten einander so gleich seyd
als der Regen dem Wasser, und der Teufel seiner Mutter. Mein Sohn
ein Bastard! Bey meiner Seele, ich glaube nimmermehr, daß
sein Vater so ächt war als er ist; es kann nicht seyn, wenn
gleich du seine Mutter wärest.
Elinor.
Das ist eine feine Mutter, Junge, die deinen Vater beschimpft.
Constantia.
Das ist eine feine Großmutter, Junge, die dich beschimpfen
will.
Oestreich.
Stille!
Faulconbridge.
Horcht dem Ausruffer.
Oestreich.
Wer Teufel bist du?
Faulconbridge.
Einer der den Teufel mit euch spielen will, Herr, sobald er euch
und euern Ueberzug* allein zu paken kriegen kan. Ihr seyd der
Hase im Sprüchwort, der todte Löwen beym Bart zupft;
ich will euch das Fell einschmauchen, wenn ich euch kriege; nehmt
euch in acht; in der That, ich will, in der That.
Blanca.
O wie wohl stuhnd dem dieser Löwen-Rok an, der dem Löwen
diesen Rok abzog!
Faulconbridge.
Er ligt so stattlich auf seinem Rüken, als des grossen Alcides
Löwenhaut auf dem Rüken eines Esels; aber, Esel, ich
will euch diese Last von euerm Rüken abnehmen, oder euch
noch eine auflegen, davon euch die Schultern krachen sollen.
Herzog.
Was für ein Schwärmer ist das, der unsre Ohren mit einem
solchen Uebermaaß von vergeblichem Athem betäubt? König
Philipp, entschliesset euch ohne längeres Zaudern, was wir
thun wollen.
König Philipp.
Weiber und Narren, brecht eure Conferenz ab. König Johann,
hier ist mein Vortrag in wenig Worten: England, Irrland, Anjou,
Touraine und Maine fordre ich im Namen des jungen Arthurs von
dir; willt du sie abtreten, und die Waffen niederlegen?
König Johann.
Eher mein Leben - - Ich biete dir Troz deßhalb, Frankreich.
Arthur von Bretagne, begieb dich in meinen Schuz, und ich will
dir aus Liebe mehr geben, als der feige Arm von Frankreich jemals
für dich gewinnen kan. Ergieb dich, Junge.
Elinor.
Komm zu deiner Groß-Mama, Kind.
Constantia, (indem sie eine kindische Art zu reden
affectirt.)
Thu's, Kind, geh zu Groß-Mama, Kind. Gieb Groß-Mama
Königreich, und Groß-Mama giebt dem Kind ein Zukerchen,
eine Kirsche, eine Feige; es ist eine gute Groß-Mama.
Arthur.
Meine liebe Mutter, gebt euch zufrieden. Ich wollt', ich läge
tief in meinem Grab; ich bin nicht werth, daß man soviel
Lerms meinetwegen mache.
Elinor.
Seine Mutter beschämt ihn so, der arme Junge, er weint.
Constantia.
Das Unrecht, das ihm seine Großmutter zufügt, nicht
die Schande die ihm seine Mutter macht, zieht diese den Himmel
rührenden Perlen aus seinen armen Augen, die der Himmel als
ein Schuzgeld annehmen wird; ja mit diesen Thränen wird sich
der Himmel gewinnen lassen, sich seines Rechts anzunehmen, und
euch zur Straffe zu ziehen.
Elinor.
Ungeheuer, scheuest du dich nicht, Himmel und Erde zu lästern?
Constantia.
Ungeheuer, scheust du dich nicht, Himmel und Erde zu beleidigen?
Wie kanst du mich anklagen, daß ich lästre? Du und
die deinigen usurpiren die Länder, Regalien und Gerechtsame
dieses unterdrukten Waysen; es ist der Sohn deines ältesten
Sohns, und in nichts unglüklich als darinn, daß er
von dir abstammt. Deine Sünden werden an diesem armen Kinde
heimgesucht; der Ausspruch des Gesezes ligt auf ihm, da er nur
im dritten Glied von deinem Sündempfangenden Leib entfernt
ist.
König Johann.
Tollhäuslerin, hört auf!
Constantia.
Ich habe nur das noch zu sagen, daß er nicht nur um ihrer
Sünde willen gestraft wird, sondern Gott hat ihre Sünde
und sie zur Strafe dieses entfernten Abkömmlings gemacht,
der um ihrentwillen gestraft wird, und mit ihrer Strafe ihre Sünde;
sein Unrecht, ihr Unrecht, der Büttel ihrer Sünde, alles
in der Person dieses Kindes gestraft, und alles um ihrentwillen;
daß sie die Pest!**
Elinor.
Du unverständiges Lästermaul, ich kan ein Testament
aufweisen, das deines Sohnes Recht entkräftet.
Constantia.
So, wer zweifelt daran? Ein Testament? - - Ein falsches Testament,
ein Weiber-Testament, einer unnatürlichen Großmutter
Testament.
König Philipp.
Stille, Lady; schweigt oder mäßigt euch; es schikt
sich übel für diese Versammlung diesen euern übeltönenden
Wiederholungen immer Halt zu ruffen. Laßt eine Trompete
diese Leute von Angiers auf die Mauern fordern; sie sollen sich
erklären, wessen Recht sie gelten lassen wollen, Arthur's
oder Johann's.
(Trompeten.)
* Um diese und verschiedne andre in einer der folgenden Scenen
vorkommenden Spöttereyen und Grobheiten, die Faulconbridge
dem Herzog von Oestreich sagt, zu verstehen, muß man wissen,
daß dieser Herzog mit einer Löwenhaut umhüllt
auf der Bühne erscheinen muß. König Richard hatte,
wie man sagt, während seinem berühmten Kreuzzug, worinn
er seine persönliche Herzhaftigkeit und Stärke durch
eine Menge ritterlicher Thaten bewies, auch einen ausserordentlich
grossen Löwen bezwungen, und die Haut desselben, zum Zeichen
dieses Siegs, nachher allezeit getragen oder bey sich geführt.
Dieser Haut bemächtigte sich der Herzog von Oestreich, nachdem
er, wie bekannt ist, den König Richard, durch Hinterlist
und Betrug in seine Gewalt bekommen; und soll, aus einer allerdings
lächerlichen Pralerey, selbige, als eine Beute, die er einem
so grossen Helden wie Richard abgenommen, nach dessen Tod allezeit
getragen haben.
** Dieses Ungeheuer von einer aller Sprach- und Vernunftlehre
trozbietenden Rede, hat man, da ihr ohnehin nicht zu helfen ist,
von Wort zu Wort geben wollen, wie sie der Autor giebt; Deutschen
Unsinn für Englischen Unsinn.
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