Dritte Scene.
Ariel zu Prospero.
Ariel.
Heil dir, mein grosser Meister! Ehrwürdiger Herr, Heil dir!
ich komme deine Befehle auszurichten; es sey nun zu fliegen oder
zu schwimmen, mich in die Flammen zu tauchen, oder auf den krausen
Wolken zu reiten; Ariel und alle seine Kräfte sind zu deinem
mächtigen Befehl.
Prospero.
Hast du, o Geist, den Sturm so ausgerichtet, wie ich dir befahl?
Ariel.
Bis auf den kleinsten Umstand. Ich kam an Bord des Königlichen
Schiffes, und sezte, in Flammen eingehüllt, bald das Vordertheil,
bald den Bauch, das Verdek und jede Cajüte in Schreken. Zuweilen
theilt' ich mich, und zündet' es an etlichen Orten zugleich
an, flammte in abgesonderten Klumpen Feuers auf dem Bramsteng,
den Segelstangen und dem Bögs-Priet-Mast; dann floß
ich wieder zusammen. Jupiters Blize selbst, die Vorläuffer
fürchterlicher Donner-Schläge, sind nicht behender zu
leuchten und wieder zu verschwinden; das schmetternde Gebrüll
der schweflichten Flammen schien den allmächtigen Neptunus
zu belagern, und seine kühne Woogen zittern zu machen, ja
seinen furchtbaren Dreyzak selbst zu erschüttern.
Prospero.
Mein wakrer, wakrer Geist! War einer unter diesen Leuten gesezt
und standhaft genug, bey einem solchen Getöse Meister von
sich selbst zu bleiben?
Ariel.
Keine einzige Seele, die nicht, von fieberhaften Schauern geschüttelt,
in irgend einen Ausbruch von Verzweiflung fiel. Alle, bis auf
die Schiffleute, verliessen das Schiff, das ganz von mir in Flammen
stuhnd, und stürzten sich in das schäumende Salzwasser.
Ferdinand, des Königs Sohn, war der erste, der mit berg an
stehendem Haar, eher Binsen als Haaren ähnlich, in die See
sprang. Die Hölle ist leer, schrie er, und alle Teufel sind hier.
Prospero.
Gut, das ist mein Geist! Aber war es nahe genug am Ufer?
Ariel.
Ganz nah, mein Gebieter.
Prospero.
Sind sie alle errettet, Ariel?
Ariel.
Es ist nicht ein Haar umgekommen, und auf ihren Kleidern ist nicht
ein Fleken, sondern sie glänzen frischer als zuvor. Wie du
mir befohlen hast, hab' ich sie truppenweise um die Insel her
zerstreut: den Sohn des Königs hab ich ganz allein ans Land
gebracht, und ihn in einem düstern Winkel der Insel verlassen,
wo er mit verschlungnen Armen traurig dasizt, und die Luft mit
seinen Seufzern abkühlt.
Prospero.
Was hast du denn mit dem Schiffsvolk auf dem königlichen
Schiffe, und mit dem ganzen Rest der Flotte gemacht?
Ariel.
Des Königs Schiff ist unbeschädigt in Sicherheit gebracht.
Ich hab es in eine tiefe Bucht der Bermudischen Inseln verborgen,
wohin du mich einst um Mitternacht schiktest, Thau zu holen. Die
Schiffleute, alle in den Raum zusammen gedrängt, habe ich
in einen bezauberten Schlaf versenkt; die übrigen Schiffe
der Flotte die ich zerstreut hatte, fanden sich wieder zusammen,
und sind auf der mittelländischen See im Begriff traurig
wieder heim nach Neapel zu segeln, in der Meynung, daß sie
des Königs Schiff scheitern, und seine hohe Person umkommen
gesehen haben.
Prospero.
Ariel, du hast meinen Auftrag pünctlich ausgerichtet; aber
es ist noch mehr Arbeit; wie viel ist es am Tage?
Ariel.
Höchstens zwey Stunden nach Mittag.
Prospero.
Die Zeit zwischen izt und Sechse muß von uns beyden als
höchst kostbar angewendet werden.
Ariel.
Ist noch mehr zu thun? Da du mir so viel Mühe auflegest,
so verstatte daß ich dich an etwas erinnre, so du mir versprochen
und noch immer nicht gehalten hast.
Prospero.
Wie? du bist übel aufgeräumt? Was verlangst du denn?
Ariel.
Meine Freyheit.
Prospero.
Eh deine Zeit aus ist? Nichts mehr davon!
Ariel.
Ich bitte dich, erinnere dich wie getreu ich dir gedient habe;
ich sagte dir keine Lügen vor, ich machte nie eines für
das andre, ich diente dir ohne Groll noch Murren; und du versprachest
mir ein ganzes Jahr nachzulassen.
Prospero.
Hast du vergessen, von was für einer Marter ich dich befreyet
habe?
Ariel.
Nein.
Prospero.
Du hast es vergessen, und hältst es für zuviel in dem
sumpfichten Grund des gesalznen Meeres für mich zu waten,
oder auf dem scharfen Nordwind zu rennen, oder in den Adern der
hartgefrornen Erde meine Geschäfte auszurichten.
Ariel.
Das thu ich nicht, mein gebietender Herr.
Prospero.
Du lügst, boshaftes Ding. Hast du die scheußliche Zauberin
Sycorax vergessen, die von Alter und Neid in einen Reif zusammengewachsen
war? Hast du sie vergessen?
Ariel.
Nein, Herr.
Prospero.
Du hast; wo war sie gebohren? Sprich, erzähl es mir.
Ariel.
In Argier, mein Herr.
Prospero.
So, war sie? ich muß alle Monat einmal mit dir wiederholen
was du gewesen bist, um dir das Gedächtniß ein wenig
anzufrischen. Diese verdammte Hexe Sycorax, war wegen manchfaltiger
Uebelthaten und Zaubereysünden, die zu ungeheuer sind, als
daß ein menschliches Ohr sie ertragen könnte, wie du
weist, von Argier verbannt; um eines einzigen willen das sie gethan
hatte, wollten sie ihr das Leben nicht nehmen. Ists nicht so?
Ariel.
Ja, mein Herr.
Prospero.
Diese blauaugichte Unholdin ward schwängern Leibes hiehergebracht,
und von den Schiffleuten hier zurükgelassen; du, mein Sclave,
warest nach deiner eignen Aussage, damals ihr Diener. Und weil
du zu Verrichtung ihrer irdischen und abscheulichen Aufträge
ein zu zärtlicher Geist warst, und ihre grossen Befehle ausschlugest;
so schloß sie dich in ihrer unerbittlichen Wuth, mit Hülfe
ihrer stärkern Diener in eine gespaltne Fichte, in deren
Klamme eingekerkert du zwölf peinvolle Jahre verharren mußtest,
bis sie starb und dich in diesem elenden Zustand ließ, worinn
du die Gegend umher, soweit als man das Getöse von Mühlrädern
hören kan, mit Aechzen und Winseln erfülltest. Damals
war dieses Eiland, (ausser einem Sohn, den sie hier geworfen hatte,
einen rothgeflekten ungestalten Wechselbalg) mit keiner menschlichen
Gestalt geziert.
Ariel.
Ja, Caliban ihr Sohn.
Prospero.
Dummes Ding, das ists was ich sage; eben dieser Caliban, den ich
nun in meinen Dinsten habe. Du weist am besten in was für
einer Quaal ich dich hier fand; dein Winseln machte Wölfe
mit dir heulen, und durchbohrte die wilde Brust des immerzürnenden
Bärs; es war eine Marter, wie die Verdammten ausstehen müssen,
und Sycorax selbst war nicht im Stande sie wieder aufzuheben:
meine Kunst war es, als ich hieher kam und dich hörte, welche
die bezauberte Fichte zwang sich zu öffnen, und dich herauszulassen.
Ariel.
Ich danke dir, mein Gebieter.
Prospero.
Wenn du noch einmal murrest, so will ich eine Eiche spalten, und
dich in ihr knottichtes Eingeweide einklammern, bis du zwölf
Winter weggeheult hast.
Ariel.
Vergieb mir, mein Gebieter, ich will alle deine Befehle vollziehen,
und willig und behend in meinen Spükereyen seyn.
Prospero.
Thue das, so will ich dich in zween Tagen frey lassen.
Ariel.
Das ist mein großmüthiger Meister! Was soll ich thun?
Sage was? Was soll ich thun?
Prospero.
Geh, nimm die Gestalt einer Meernymphe an, aber mache dich jedem
andern Auge als dem meinigen unsichtbar. Geh, und komm in dieser
Gestalt wieder hieher; mache hurtig.
(Ariel verschwindt.)
Erwache, mein theures Herz, erwache, du hast wohl geschlafen
- - Erwache!
Miranda.
Die Seltsamkeit eurer Geschichte hat meinen Kopf ganz schwer gemacht.
Prospero.
Muntre dich auf; komm mit, wir wollen den Caliban meinen Sclaven
besuchen, der uns niemals eine freundliche Antwort giebt.
Miranda.
Es ist ein Nichtswürdiger, mein Herr, ich mag ihn nicht gerne
ansehen.
Prospero.
Und doch, so wie er ist können wir nicht ohne ihn seyn; er
macht uns unser Feuer, schaft unser Holz herbey und thut uns Dienste,
die uns zu statten kommen. He! Sclave! Caliban! du Kloz du, gieb
Antwort!
Caliban (hinter der Scene.)
Es ist Holz genug drinnen.
Prospero.
Komm hervor, sag' ich, es ist eine andre Arbeit für dich
da, komm, du Schildkröte! Nun, wie lange - - -
(Ariel erscheint in Gestalt einer Wasser-Nymphe.)
Eine artige Erscheinung! Mein muntrer Ariel, ich habe dir etwas
ins Ohr zu sagen - -
Ariel.
Es soll geschehen, mein Gebieter.
(Geht ab.)
Prospero.
Du krötenmäßiger Sclave, vom Teufel selbst mit
der Hexe, die dich gebohren hat, gezeugt! hervor!
Vorige Szene
| Zurück zum Index |
Nächste Szene
|