Sechste Scene.
Lady Percy zu Hot-Spur.
Hot-Spur.
- - Was giebt's, Käthe? Ich muß dich in zwo Stunden
verlassen.
Lady.
O mein liebster Lord, warum seyd ihr so allein? Wegen was für
eines Verbrechens ist eure Gemahlin diese Nacht von ihres Harrys
Bette verbannt worden? Sage mir, mein Liebster, was ist es, das
dir deinen Appetit, dein Vergnügen und deinen Schlaf raubt?
Warum heftest du deine Augen auf den Boden? Warum fährst
du so oft auf, wenn du allein sizest? Warum hast du die frische
Farbe deiner Wangen verlohren? Und warum giebst du mein Kleinod,
meine Rechte an dich, der trübsinnigen Schwermuth preiß?
Unter deinem unruhigen Schlummer hab ich an deiner Seite gewacht,
und dich von Krieg und Schlachten murmeln gehört; du redtest
mit deinem Pferde, oder rieffest, Courage! Zum Treffen!
Du redtest von Ausfällen und Rükzügen; von Laufgräben,
Zelten, Palisaden, Schanzen, Brustwehren, Carthaunen, Canonen,
Feldschlangen, von Ranzionen der Gefangnen, und von erschlagnen
Soldaten - - Deine Seele war so sehr mit kriegrischer Arbeit beschäftigt,
und hat selbst im Schlaf dich in eine so große Bewegung
gesezt, daß grosse Schweißtropfen auf deiner Stirne
gestanden, und die Muskeln deines Gesichts aufgelauffen sind,
wie wir an Leuten sehen, denen vor allzuhastiger Bewegung der
Athem zurück bleibt. O! was für schrekenvolle Zeichen
sind das! Ihr habt irgend ein schweres Geschäfte vor euch,
und ich muß es wissen, oder ihr liebt mich nicht.
Ein Bedienter kommt herein.
Hot-Spur.
He! ist Willhelm mit dem Paquet abgegangen?
Bedienter.
Ja, Milord, schon vor einer Stunde.
Hot-Spur.
Hat der Kellner diese Pferde vom Scheriff gebracht?
Bedienter.
Eines, Milord, bracht' er eben izt.
Hot-Spur.
Was für eines? Den Rothschimmel, mit den gestuzten Ohren,
nicht wahr?
Bedienter.
Ja, Gnädiger Herr.
Hot-Spur.
Dieser Rothschimmel soll mein Thron seyn. Gut, ich will ihn gleich
besteigen. O Esperance!* Führte ihn der Kellner in
den Parc?
Lady.
Aber höret, Milord - -
Hot-Spur.
Was willt du sagen, Milady?
Lady.
Was führt euch dann weg?
Hot-Spur.
Wie? Mein Pferd, Liebe, mein Pferd.
Lady.
Weg mit dir, du tollköpfiger Affe! Eine Wiesel hat nicht
so viel Spleen als ihr - - Bey meiner Treue, ich will euer Geschäfte
wissen, das will ich. Ich fürchte mein Bruder Mortimer geht
damit um, seinen Anspruch gelten zu machen, und verlangt euern
Beystand; aber wenn ihr geht - -
Hot-Spur.
Soweit zu Fuß zu gehen, würde mich müde machen,
Liebe.
Lady.
Kommt, kommt, ihr kleiner Papagay, antwortet mir geradezu auf
das was ich euch frage. Ich breche dir deinen kleinen Finger ab,
Harry, wenn du mir nicht die ganze Wahrheit gestehst.
Hot-Spur.
Weg, weg, kleiner Kindskopf - - Lieben! Ich liebe dich nicht,
ich denke nicht an dich, Käthe; es ist izt keine Zeit mit
Puppen zu spielen, und mit Lippen zu fechten. Izt ist es um blutige
Nasen, und gespaltete Hirnschädel zu thun - - Was sagst du,
Käthe? Was willt du von mir?
Lady.
Liebt ihr mich dann nicht mehr? In der That nicht. Gut, so thut
es nicht. Denn wenn ich nicht mehr verdiene, von euch geliebt
zu werden, so bin ich auch nicht werth, daß ich mich selbst
liebe. Liebt ihr mich nicht? Nein, sag mir's, redst du im Scherz
oder nicht?
Hot-Spur.
Komm, willt du mich reiten sehen? Wenn ich zu Pferd bin, dann
will ich schwören, daß ich dich unendlich liebe. Aber
hörst du, Käthe, du mußt mich nicht weiter ausfragen,
wohin ich gehe; noch Muthmassungen anstellen, warum? Wohin ich
muß, muß ich, und um es kurz zu machen, diesen Abend
müssen wir scheiden, liebste Käthe. Ich weiß daß
du verständig bist, aber doch nicht verständiger als
Harry Percy's Weib. Du hast Muth, so viel ein Weibsbild haben
soll; und an Verschwiegenheit übertrift dich gewiß
kein Frauenzimmer in der Welt. Ich zweifle also keinen Augenblik
daran, daß du nichts sagen wirst, wenn du nichts weißst;
und in so weit hab' ich ein vollkommnes Zutrauen zu dir, meine
süsse Käthe.
Lady.
Wie? In so weit?
Hot-Spur.
Nicht einen Zollbreit mehr. Aber hörst du, Käthe, wohin
ich gehe, sollt du auch gehen. Heute will ich abreisen, und morgen
sollst du mir folgen. Bist du nun zufrieden, Käthe?
Lady.
Ich muß wohl.
(Sie gehen ab.)
* Dieses französische Wort ist vermuthlich da, damit es
die Lady Percy nicht verstehen solle.
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