Erster Aufzug.
Erste Scene.
Der Hof in London.
König Heinrich, der Herzog von Lancaster, der Graf von
Westmorland, und andre Lords treten auf.
König Heinrich.
Von Sorgen erschüttert und von blassem Kummer abgehärmt,
finden wir endlich den Augenblik, wo der geschrekte Friede wieder
zu Athem kommen kan, um in abgebrochenen Accenten von neuen Arbeiten
zu reden, die an weit entfernten Ufern unsern Muth beschäftigen
sollen. Nicht länger soll diese Erde das Blut ihrer eignen
Kinder trinken, nicht länger einheimische Zwietracht ihre
Felder verheeren, und mit dem eisernen Tritt des Kriegs ihre blühenden
Auen zerstampfen. Diese gegeneinander rükende Schlacht-Ordnungen,
die gleich den Meteoren eines witternden Himmels, alle von einerley
Natur, von einerley Ursprung, noch kürzlich mit der ganzen
Wuth eines Bürgerkrieges auf einander stiessen, sollen nun
in gleichlauffenden Linien, in schöner einträchtiger
Ordnung, einen Weg ziehen; nicht länger sollen Brüder
gegen Brüder, Freunde gegen Freunde stehen; nicht länger
der mördrische Stahl, gleich einem übeleingescheideten
Messer, seinen eignen Herrn verwunden. Nein, meine Freunde; zu
jenem geheiligten Grabe Christi, unter dessen heilbringendem Creuz
wir zu streiten geschworen haben, wollen wir mit unserm Englischen
Kriegsheer ziehen, um diese Ungläubigen aus jenen heiligen
Gefilden zu treiben, über welche die gesegneten Füsse
gegangen sind, die vor vierzehnhundert Jahren zu unserm Heil an
das bittre Creuz genagelt worden sind. Jedoch dieses unser Vorhaben
ist schon ein Jahr alt; es ist unnöthig euch zu sagen, daß
wir gehen wollen, und wir sind izo nicht deßhalb zusammen
gekommen. Laßt mich also von euch vernehmen, mein geliebter
Vetter von Westmorland, was unsre Raths-Versammlung gestern wegen
dieser wichtigen Unternehmung geschlossen hat.
Westmorland.
Gnädigster Herr, man betrieb diese Geschäfte mit grossem
Eifer, und es wurden verschiedne Überschläge der Unkosten
entworfen: Als ein ganz unverhofter Courier, mit verdrießlichen
Zeitungen beladen, dazwischen kam, von denen die schlimmste war,
daß der edle Mortimer, der die Leute von Hereford-Schire
gegen den aufrührischen Glendower führte, von den Welschen
gefangen, und über tausend von seinen Leuten niedergemezelt
worden seyen, an deren todten Körpern die Weiber der Welschen
solche Mißhandlungen, eine so viehische schaamlose Verstümmlung
ausgeübt, die ohne Erröthen sich nicht erzählen
läßt.
König Heinrich.
Es scheint also, die Nachrichten von diesem Aufstand haben unser
Geschäfte nach dem gelobten Lande abgebrochen?
Westmorland.
Diese von noch mehrern begleitet, thaten es, Gnädigster Herr;
denn es kamen noch mehr ungleiche und mißbeliebige Zeitungen
aus Norden an. Am Kreuz-Erhöhungs-Tag geriethen dieser muthreiche
Hot-Spur, der junge Heinrich Percy, und Archibald, dieser tapfre
und ruhmvolle Schotte, zu Holmedon in ein blutiges Handgemeng,
soviel man aus den Anstalten und der Wut des Angriffs schliessen
konnte; denn derjenige, der diese Zeitung brachte, eilte mitten
in der stärksten Hize des Gefechts davon, ohne den Ausgang
abzuwarten.
König Heinrich.
Hier ist ein werther und getreu-eifriger Freund, Sir Walter Blunt,
der nur eben von seinem Pferd abgestiegen ist, um uns von Holmedon
die willkommne Nachricht zu bringen, daß der Graf von Douglas
geschlagen sey. Zehntausend kühne Schotten, und drey und
zwanzig Ritter sah Sir Walter auf den Ebnen von Holmedon in ihrem
Blute sich wälzen. Mordak, Grafen von Fife, den ältesten
Sohn des geschlagnen Douglas, und die Grafen von Athol, Murry,
Angus und Menteith hat Hot-Spur gefangen bekommen. Ist das nicht
eine schöne Beute? Eine edle That? Ha, Vetter, ist es nicht?
Westmorland.
In der That, ein Sieg, worauf ein Prinz stolz zu seyn Ursach hätte.
König Heinrich.
O warum nennst du dieses Wort, um traurige Gedanken in mir zu
erregen, und mich zur Sünde des Neids zu reizen, daß
Milord Northumberland der Vater eines so würdigen Sohns seyn
soll; eines Sohns, dessen Namen der Ruhm stets im Munde fährt;
der gleich dem höchsten Baum in einem Hayn, über alle
andre emporragt; der Liebling des Glüks, und ihr Stolz; indeß
daß ich mit eben dem Blik, der seinen Ruhm übersieht,
zügellose Schwelgerey und Schande die Stirne meines jungen
Harry besudeln sehe. O könnt' es bewiesen werden, daß
irgend eine nächtliche trippelnde Fee unsre Kinder in der
Wiege verwechselt, und meinen Sohn Percy, den Seinigen Plantagenet
genennt hätte! - - Aber laßt mich diesen Gedanken nicht
nachhängen - - Was denkt ihr Vetter, von dieses jungen Percy
Stolz? Er behält die Gefangenen, die er in diesem Gefechte
machte, für sich zurük; und läßt mir sagen,
daß ich keinen als Mordake, den Grafen von Fife, haben soll.
Westmorland.
Das ist seines Oheims Eingebung, das ist Worcester, der allen
Anscheinungen nach übel gegen euch gesinnt ist; der ists,
der ihn seine Federn aufblähen, und seinen jungen Kamm gegen
eure Hoheit emporsträuben macht.
König Heinrich.
Ich habe nach ihm geschikt, um ihn deßwegen zur Verantwortung
zu ziehen, und das ist die Ursach, weswegen wir genöthigt
sind, unser heiliges Vorhaben nach Jerusalem aufzuschieben. Vetter,
wir wollen auf nächsten Mittwoch unsern grossen Rath in Windsor
versammeln. Benachrichtiget die Lords hievon, aber eilet schleunig
zu uns zurük; dann es muß noch mehr gesagt und gethan
werden, als uns der Unwille izt zu sagen erlaubt.
Westmorland.
Ich gehorche, mein gebietender Herr.
(Sie gehen ab.)
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