Siebente Szene
Ein andrer Teil des Schlachtfeldes
Getümmel. Fluellen und Gower treten auf
Fluellen.
Die Puben und den Troß umbringen, 's ist ausdrücklich
gegen das Kriegsrecht, 's ist ein so ausgemachtes Stück Schelmerei,
versteht Ihr mich, als in der Welt nur vorkommen kann. Ist es
nicht so, auf Euer Gewissen?
Gower.
Es ist gewiß, sie haben keinen Buben am Leben gelassen,
und eben die feigen Hunde, die aus der Schlacht wegliefen, haben
diese Metzelei angerichtet; außerdem haben sie alles verbrannt
und weggeschleppt, was in des Königs Zelt war, weswegen der
König verdientermaßen jeden Soldaten seinem Gefangenen
die Kehle hat abschneiden lassen. Oh, er ist ein wackrer König!
Fluellen.
Ja, er ist zu Monmouth gepohren. Wie benennt Ihr den Namen
der Stadt, wo Alexander der Preite gepohren ist?
Gower.
Alexander der Große.
Fluellen.
Ei, ich bitte Euch, ist preit nicht groß? Der Preite,
oder der Große, oder der Starke, oder der Gewaltige, oder
der Heldenmütige, tun alle auf eins hinauslaufen, außer
daß die Redensart ein wenig verändert sein.
Gower.
Ich denke, Alexander der Große ist in Mazedonien geboren;
sein Vater ward Philipp von Mazedonien genannt, wo mir recht ist.
Fluellen.
Ja, ich denke, es ist in Mazedonien, wo Alexander gepohren
ist. Ich sage Euch, Kapitän, wenn Ihr in die Karten der Welt
hineinseht, so stehe ich dafür, Ihr werdet bei den Vergleichungen
zwischen Mazedonien und Monmouth finden, daß die Lagen,
versteht Ihr, von beiden gleich sein. Es befindet sich ein Fluß
in Mazedonien, und es befindet sich gleichfalls außerdem
ein Fluß zu Monmouth. Zu Monmouth heißt er Wye; aber
es will mir nicht in den Kopf fallen, wie der Name des andern
Flusses ist; aber es kommt auf eins heraus, es ist sich so gleich,
wie diese meine Finger meinen Fingern, und es geben Lachse in
beiden. Wenn Ihr Alexanders Leben wohl beachtet, so tut das Leben
Heinrichs von Monmouth ziemlich gut hintendrein kommen: denn in
allen Dingen sein Figuren. Alexander hat (wie Gott weiß
und Ihr wißt) in seinem Zorn und seiner Wut und seinem Grimm
und seiner Galle und seinen Launen und seinen Unwilligkeiten und
Entrüstungen und auch, weil er ein wenig im Kopfe benebelt
war, in seinen Biergelagen und seinem Ärger, seht Ihr, seinen
pesten Freund Clytus umgebracht.
Gower.
Darin ist ihm unser König nicht ähnlich, er hat
noch nie einen von seinen Freunden umgebracht.
Fluellen.
Es ist nicht wohl getan, versteht Ihr mich, einem die Geschichten
aus dem Munde zu nehmen, ehe sie zu Ende gebracht und vollkommen
sein. Ich rede nur in den Figuren und Vergleichungen desselbigen;
wie Alexander seinen Freund Clytus umbrachte, während er
bei seinen Biergelagen und seinen Krügen war: so ebenfalls
Heinrich Monmouth, während er bei gutem Verstande und gesunden
Sinnen war, tat er den fetten Ritter mit dem großen Bauchwamse
abschaffen, er war voller Späße und Pfiffe und Kniffe
und Possen; sein Name ist mir vergessen.
Gower.
Sir John Falstaff.
Fluellen.
Das ist er. Ich kann Euch sagen, es werden prafe Leute zu
Monmouth gepohren.
Gower.
Da kommt Seine Majestät.
Getümmel. König Heinrich mit einem Teil der englischen
Truppen, Warwick, Gloster, Exeter und andre treten auf.
König Heinrich.
Seit ich nach Frankreich kam, war ich nicht zornig
Bis eben jetzt. - Nimm die Trompete, Herold!
Jag zu den Reitern auf dem Hügel dort!
Wofern sie mit uns fechten wollen, heiß
Herab sie ziehn, wo nicht, das Schlachtfeld räumen;
Sie sind mit ihrem Anblick uns zur Last.
Tun sie von beiden keins, so kommen wir
Und stäuben sie da weg, so rasch wie Steine,
Geschnellt aus den assyr'schen alten Schleudern.
Auch wollen wir erwürgen, die wir haben,
Und nicht ein Mann, der in die Händ uns fällt,
Soll Gnad erfahren. - Geht, sagt ihnen das!
Montjoye tritt auf.
Exeter.
Hier kommt der Herold der Franzosen, Herr.
Gloster.
Sein Blick ist demutsvoller, als er pflegte.
König Heinrich.
Nun, was will dieser Herold? Weißt du nicht,
Daß ich dies mein Gebein zur Lösung bot?
Kommst du um Lösung noch?
Montjoye.
Nein, großer König.
Ich komm zu dir um milde Zulassung,
Daß wir dies blutge Feld durchwandern dürfen,
Die Toten zu verzeichnen und begraben,
Die Edlen vom gemeinen Volk zu sondern,
Denn (o des Wehs!) viel' unsrer Prinzen liegen
Ersäuft und eingeweicht in Söldnerblut;
So taucht auch unser Pöbel rohe Glieder
In Prinzenblut, und ihre wunden Rosse,
Die Fersenbüschel tief im Blute, toben
Und schmeißen wütend mit bewehrten Hufen
Auf ihre toten Herrn, zum zweitenmal
Sie tötend. O vergönnt uns, großer König,
Daß wir das Feld in Ruh beschaun und ordnen
Die Leichen an.
König Heinrich.
Ich weiß in Wahrheit, Herold,
Nicht recht, ob unser oder nicht der Sieg,
Denn eurer Reiter zeigen sich noch viel
Und sprengen durch das Feld.
Montjoye.
Der Sieg ist Euer.
König Heinrich.
Gelobt sei Gott, nicht unsre Kraft dafür!
Wie heißt die Burg, die dicht hier neben steht?
Montjoye.
Man nennt sie Azincourt.
König Heinrich.
So heiße dies die Schlacht bei Azincourt,
Am Tag Crispinus-Krispians gefochten.
Fluellen.
Euer Großvater perühmten Andenkens, mit Euer Majestät
Erlaubnis, und Euer Großoheim Eduard, der Schwarze Prinz
von Wales, wie ich in den Chroniken gelesen habe, fochten hier
in Frankreich eine sehr prafe Schlacht.
König Heinrich.
Das taten sie, Fluellen.
Fluellen.
Eure Majestät sagt sehr wahr; wenn Eure Majestäten
dessen erinnerlich sein, die Welschen taten guten Dienst in einem
Garten, wo Lauch wuchs, und trugen Lauch auf ihren Monmouther
Mützen, welches, wie Eure Majestät weiß, bis auf
diese Stunde ein ehrenvolles Feldzeichen ist, und ich glaube,
Eure Majestät verschmähn es nicht, das Lauch auf Sankt
Davidstag zu tragen.
König Heinrich.
Ich trag es als denkwürdiges Ehrenzeichen: Denn ich bin
welsch, Ihr wißt es, guter Landsmann.
Fluellen.
Alles Wasser im Flusse Wye kann Euer Majestät welsches
Blut nicht aus Eurem Leibe waschen, das kann ich Euch sagen. Gott
segne es und erhalte es, solange als es Seiner Gnaden beliebt
und Seiner Majestät obendrein!
König Heinrich.
Hab Dank, mein guter Landsmann!
Fluellen.
Bei Jessus, ich bin Euer Majestät Landsmann, ich frage
nicht darnach, ob es jemand weiß; ich will es der sämtlichen
Welt bekennen, ich brauche mich Euer Majestät nicht zu schämen,
Gott sei gepriesen, solange Eure Majestät ein ehrlicher Mann
sein.
König Heinrich.
Erhalte Gott mich so! - zurückbegleiten
Laßt unsre Herold' ihn, und bringt mir dann
Genaue Nachricht von der Toten Zahl
Auf beiden Seiten! - Ruft den Kerl dort her!
(Er zeigt auf Williams. Montjoye und andre ab.)
Exeter.
Soldat, du mußt zum König kommen.
Williams tritt auf.
König Heinrich.
Soldat, warum trägst du den Handschuh an der Mütze?
Williams.
Mit Euer Majestät Erlaubnis, 's ist das Pfand von einem,
mit dem ich mich schlagen sollte, wenn er noch am Leben ist.
König Heinrich.
Ein Engländer?
Williams.
Mit Euer Majestät Erlaubnis, ein Schelm, der mir letzte
Nacht was vorschwadronierte, dem ich, wenn er noch lebt und jemals
das Herz hat, seinen Handschuh zu fordern, geschworen habe, ich
wollte ihm eine Ohrfeige geben; oder wenn ich meinen Handschuh
an seiner Mütze zu sehen kriege (und er schwur, so wahr er
ein Soldat wäre, er wollte ihn tragen, wenn er am Leben bliebe),
so will ich ihn ihm tüchtig herunterschlagen.
König Heinrich.
Was denkt Ihr, Kapitän Fluellen? Schickts sich, daß
ein Soldat seinen Schwur hält?
Fluellen.
Nach meinem Gewissen ist er sonst eine Memme und ein Hundsfott,
mit Euer Majestät Erlaubnis.
König Heinrich.
Es könnte aber sein, daß sein Feind ein vornehmer
Edelmann wäre, ganz darüber hinaus, sich mit einem seines
Standes einzulassen.
Fluellen.
Wenn er auch ein so guter Edelmann wie der Teifel ist, wie
Luzifer und Beelzebub selbst, so ist es doch notwendig, schauen
Euer Gnaden, daß er seinen Schwur und seinen Eid hält.
Wenn er wortbrüchig ist, seht nur an, so ist seine Reputation
ein so ausgemachter Hundsfott und Hanswurst, als jemand mit seinen
schwarzen Schuhen auf Gottes Grund und Boden getreten hat: nach
meinem Gewissen, seht Ihr.
König Heinrich.
So halte deinen Schwur, Bursche, wenn du den Kerl antriffst.
Williams.
Das will ich, gnädigster Herr, wo ich das Leben behalte.
König Heinrich.
Unter wem dienst du?
Williams.
Unter Kapitän Gower, gnädigster Herr.
Fluellen.
Gower sein ein guter Kapitän und von guter Wissenschaft
und Literatur in dem Kriegswesen.
König Heinrich.
Ruf ihn her zu mir, Soldat.
Williams.
Das will ich, gnädigster Herr. (Ab.)
König Heinrich.
Hier, Fluellen, trage du dies Ehrenzeichen von mir und steck
es an deine Mütze. Als Alençon und ich zusammen am
Boden lagen, riß ich diesen Handschuh von seinem Helm; wenn
irgend jemand ihn zurückfordert, so ist er ein Freund Alençons
und ein Feind unserer Person; wenn du so einem begegnest, so greife
ihn, wo du mich liebst.
Fluellen.
Eure Gnaden tun mir so große Ehre an, als in dem Herzen
seiner Untertanen begehrt werden kann. Ich möchte gern den
Menschen sehn, der nur zwei Beine hat, der sich durch diesen Handschuh
beleidigt finden wird, das ist alles; aber ich möchte es
gern einmal sehen, und es gefalle Gott in seiner Gnade, daß
ich es doch sehen möchte.
König Heinrich.
Kennst du Gower?
Fluellen.
Zu Eurem Befehl, er ist mein werter Freund.
König Heinrich.
Ich bitte dich, geh ihn suchen und bring ihn zu meinem Zelte.
Fluellen.
Ich will ihn holen. (Ab.)
König Heinrich.
Mylord von Warwick und mein Bruder Gloster,
Folgt dem Fluellen auf den Fersen nach;
Der Handschuh, den ich ihm als Ehrenzeichen
Gegeben, trägt vielleicht ihm eine Maulschell ein;
Er ist von dem Soldaten. Nach dem Handel
Sollt ich ihn selber tragen. Folgt ihm, Vetter;
Wenn der Soldat ihn schlägt - und, wie ich schließe
Nach seinem derben Wesen, hält er Wort -
So könnt ein plötzlich Unheil draus entstehn;
Denn den Fluellen kenn ich als beherzt,
Wenn man die Gall ihm reizt, wie Pulver hitzig,
Und schnell, Beleidigungen zu erwidern.
Folgt ihm und seht, daß sie kein Leid sich tun! -
Ihr geht mit mir, mein Oheim Exeter. (Alle ab.)
|