Dritter Aufzug
Erste Szene
Der Wald. Die Elfenkönigin liegt noch schlafend
Squenz, Zettel, Schnock, Flaut, Schnauz, Schlucker treten auf
Zettel.
Sind wir alle beisammen?
Squenz.
Aufs Haar; und hier ist ein prächtig bequemer Platz zu
unserer Probe. Dieser grüne Fleck soll unser Theater sein,
diese Weißdornhecke unsre Kammer zum Anziehen, und wir wollen's
in Aktion vorstellen, wie wirs vor dem Herzoge vorstellen wollen.
Zettel.
Peter Squenz -
Squenz.
Was sagst du, lieber Sappermentszettel?
Zettel.
Es kommen Dinge vor in dieser Komödie von Pyramus und
Thisbe, die nimmermehr gefallen werden. Erstens: Pyramus muß
ein Schwert ziehen, um sich selbst umzubringen, und das können
die Damen nicht vertragen. He! Was wollt Ihr darauf antworten?
Schnauz.
Potz Kuckuck, ja! ein gefährlicher Punkt.
Schlucker.
Ich denke, wir müssen am Ende das Totmachen auslassen.
Zettel.
Nicht ein Tüttelchen; ich habe einen Einfall, der alles
gutmacht. Schreibt mir einen Prolog, und laßt den Prolog
verblümt zu verstehen geben, daß wir mit unsern Schwertern
keinen Schaden tun wollen; und daß Pyramus nicht wirklich
tot gemacht wird; und zu mehr besserer Sicherheit sagt ihnen,
daß ich, Pyramus, nicht Pyramus bin, sondern Zettel, der
Weber. Das wird ihnen schon die Furcht benehmen.
Squenz.
Gut, wir wollen einen solchen Prologus haben, und er soll
in Acht- und Sechssilbern geschrieben sein.
Zettel.
Nein, nehmt zwei mehr, laßt's Achtsilber sein.
Schnauz.
Werden die Damen nicht auch vor dem Löwen erschrecken?
Schlucker.
Ich fürcht es, davor steh ich euch.
Zettel.
Meister, ihr solltet dies bei euch selbst überlegen.
Einen Löwen - Gott behüt uns! - unter Damen zu bringen,
ist eine greuliche Geschichte; es gibt kein grausameres Wildbret
als so'n Löwe, wenn er lebendig ist; und wir sollten uns
vorsehn.
Schnauz.
Derhalben muß ein andrer Prologus sagen, daß er
kein Löwe ist.
Zettel.
Ja, ihr müßt seinen Namen nennen, und sein Gesicht
muß halb durch des Löwen Hals gesehen werden; und er
selbst muß durchsprechen und sich so oder ungefähr
so applizieren: Gnädige Frauen, oder schöne gnädige
Frauen, ich wollte wünschen, oder ich wollte ersuchen, oder
ich wollte gebeten haben, fürchten Sie nichts, zittern Sie
nicht so; mein Leben für das Ihrige! Wenn Sie dächten,
ich käme hieher als ein Löwe, so dauerte mich nur meine
Haut. Nein, ich bin nichts dergleichen; ich bin ein Mensch wie
andre auch; - und dann laßt ihn nur seinen Namen nennen
und ihnen rund heraus sagen, daß er Schnock der Schreiner ist.
Squenz.
Gut, so soll's auch sein. Aber da sind noch zwei harte Punkte:
nämlich, den Mondschein in die Kammer zu bringen; denn ihr
wißt, Pyramus und Thisbe kommen bei Mondschein zusammen.
Schnock.
Scheint der Mond in der Nacht, wo wir unser Spiel spielen?
Zettel.
Einen Kalender! Einen Kalender! Seht in den Almanach! Suchet
Mondschein! Suchet Mondschein!
Squenz.
Ja, er scheint die Nacht.
Zettel.
Gut, so könnt ihr ja einen Flügel von dem großen
Stubenfenster, wo wir spielen, offenlassen, und der Mond kann
durch den Flügel herein scheinen.
Squenz.
Ja, oder es könnte auch einer mit einem Dornbusch und
einer Laterne herauskommen und sagen, er komme, die Person des
Mondscheins zu defigurieren oder zu präsentieren. Aber da
ist noch ein Punkt: wir müssen in der großen Stube
eine Wand haben; denn Pyramus und Thisbe, sagt die Historie, redeten
durch die Spalte einer Wand miteinander.
Schnock.
Ihr bringt mein Leben keine Wand hinein. Was sagst du, Zettel?
Zettel.
Einer oder der andre muß Wand vorstellen; und laßt
ihn ein bißchen Kalk, oder ein bißchen Lehm, oder
ein bißchen Mörtel an sich haben, um Wand zu bedeuten;
und laßt ihn seine Finger so halten, und durch die Klinze
sollen Pyramus und Thisbe wispern.
Squenz.
Wenn das sein kann, so ist alles gut. Kommt, setzt euch, jeder
Mutter Sohn, und probiert eure Parte. Pyramus, Ihr fangt an; wann
Ihr Eure Rede ausgeredet habt, so tretet hinter den Zaun; und
so jeder nach seinem Stichwort.
Droll tritt auf.
Droll.
Welch hausgebacknes Volk macht hier sich breit,
So nah der Wiege unsrer Königin?
Wie? gibt's ein Schauspiel? Ich will Hörer sein,
Mitspieler auch vielleicht, nachdem sich's fügt.
Squenz.
Sprecht, Pyramus; Thisbe, tretet vor.
Pyramus.
«Thisbe, wie eine Blum' von Giften duftet süß -»
Squenz.
Düften! Düften!
Pyramus.
«- - von Düften duftet süß,
So tut dein Atem auch, o Thisbe, meine Zier.
Doch horch, ich hör ein' Stimm; es ist mein Vater gwiß;
Bleib eine Weile stehn, ich bin gleich wieder hier.» (Ab.)
Droll (beiseite).
Ein seltnes Stück von einem Pyramus. (Ab.)
Thisbe.
Muß ich jetzt reden?
Squenz.
Ja, zum Henker, freilich müßt Ihr; Ihr müßt
wissen, er geht nur weg, um ein Geräusch zu sehen, das er
gehört hat, und wird gleich wiederkommen.
Thisbe.
«Umstrahlter Pyramus, an Farbe lilienweiß
Und rot wie eine Ros auf triumphierndem Strauch;
Du muntrer Juvenil, der Männer Zier und Preis,
Treu wie das treuste Roß, das nie ermüdet auch.
Ich will dich treffen an, glaub mir, bei Nickels Grab.»
Squenz.
Ninus' Grab, Kerl. Aber das müßt Ihr jetzt noch
nicht sagen, das antwortet Ihr dem Pyramus. Ihr sagt Euren ganzen
Part auf einmal her, Stichwörter und den ganzen Plunder.
- Pyramus, tretet auf, Euer Stichwort ist schon dagewesen; es
ist: «ermüdet auch.»
Zettel mit einem Eselskopfe und Droll kommen zurück.
Thisbe.
Uf - «So treu, wie's treuste Pferd, das nie ermüdet
auch.»
Pyramus.
«Wenn, Thisbe, ich wär schön, so wär ich
einzig dein.»
Squenz.
O greulich! erschrecklich! Es spukt hier. Ich bitt euch, Meister!
lauft, Meister! Hilfe! (Sie laufen davon.)
Droll.
Nun jag ich euch und führ euch kreuz und quer
Durch Dorn, durch Busch, durch Sumpf, durch Wald.
Bald bin ich Pferd, bald Eber, Hund und Bär,
Erschein als Werwolf und als Feuer bald,
Will grunzen, wiehern, bellen, brummen, flammen
Wie Eber, Pferd, Hund, Bär und Feur zusammen. (Ab.)
Zettel.
Warum laufen sie weg? Dies ist eine Schelmerei von ihnen,
um mich fürchten zu machen.
Schnauz kommt zurück.
Schnauz.
O Zettel! du bist verwandelt! Was seh ich an dir?
Zettel.
Was du siehst? Du siehst deinen eigenen Eselskopf. Nicht?
(Schnauz ab.)
Squenz kommt zurück.
Squenz.
Gott behüte dich, Zettel! Gott behüte dich! du bist
transferiert. (Ab.)
Zettel.
Ich merke ihre Schelmerei: sie wollen einen Esel aus mir machen,
mich fürchten machen, wenn sie können. Aber ich will
hier nicht von der Stelle; lass' sie machen, was sie wollen; ich
will hier auf und ab spazieren und singen, damit sie sehen, daß
ich mich nicht fürchte.
(Er singt.)
| Die Schwalbe, die den Sommer bringt,
Der Spatz, der Zeisig fein,
Die Lerche, die sich lustig schwingt
Bis in den Himmel 'nein -:
|
Titania (erwachend).
Weckt mich von meinem Blumenbett ein Engel?
Zettel (singt).
Der Kuckuck, der der Grasmück
So gern ins Nestchen heckt
Und lacht darob mit arger Tück
Und manchen Ehmann neckt -:
|
Denn sein Rufen soll eine gar gefährliche Vorbedeutung sein,
und wem jückt es nicht ein bißchen an der Stirne, wenn
er sich Kuckuck grüßen hört?
Titania.
Ich bitte dich, du holder Sterblicher,
Sing noch einmal! Mein Ohr ist ganz verliebt
In deine Melodie; auch ist mein Auge
Betört von deiner lieblichen Gestalt;
Gewaltig treibt mich deine schöne Tugend,
Beim ersten Blick dir zu gestehn, zu schwören:
Daß ich dich liebe.
Zettel.
Mich dünkt, Madame, Sie könnten dazu nicht viel
Ursache haben. Und doch, die Wahrheit zu sagen, halten Vernunft
und Liebe heutzutage nicht viel Gemeinschaft. Schade, daß
ehrliche Nachbarn sie nicht zu Freunden machen wollen! Gelt, ich
kann auch spaßen, wenn's darauf ankommt.
Titania.
Du bist so weise, wie du reizend bist.
Zettel.
Das nun just auch nicht. Doch, wenn ich Witz genug hätte,
um aus diesem Walde zu kommen, so hätte ich just so viel,
als mir nötig täte.
Titania.
Begehre nicht, aus diesem Hain zu fliehn;
Du mußt hier, willig oder nicht, verziehn.
Ich bin ein Geist von nicht gemeinem Stande;
Ein ewger Sommer zieret meine Lande;
Und sieh, ich liebe dich! drum folge mir.
Ich gebe Elfen zur Bedienung dir;
Sie sollen Perlen aus dem Meer dir bringen
Und, wenn du leicht auf Blumen schlummerst, singen.
Ich will vom Erdenstoffe dich befrein,
Daß du so luftig sollst wie Geister sein.
Senfsamen! Bohnenblüte! Motte! Spinnweb!
Vier Elfen treten auf.
Erster Elf.
Hier!
Zweiter Elf.
Und ich!
Dritter Elf.
Und ich!
Vierter Elf.
Und ich!
Alle.
Was sollen wir?
Titania.
Gefällig seid und dienstbar diesem Herrn.
Hüpft, wo er geht, und gaukelt um ihn her;
Sucht Aprikos' ihm auf und Stachelbeer';
Maulbeeren gebt ihm, Feigen, Purpurtrauben;
Ihr müßt der Biene Honigsack ihm rauben;
Zur Kerze nehmt von ihr ein wächsern Bein
Und steckt es an bei eines Glühwurms Schein,
Zu leuchten meinem Freund Bett aus und ein;
Mit bunter Schmetterlinge Flügelein
Wehrt fächelnd ihm vom Aug den Mondenschein.
Nun, Elfen, huldigt ihm und neigt euch fein.
Erster Elf.
Heil dir, Sterblicher!
Zweiter Elf.
Heil!
Dritter Elf.
Heil!
Vierter Elf.
Heil!
Zettel.
Ich flehe Euer Gnaden von ganzem Herzen um Verzeihung, Ich
bitte um Euer Gnaden Namen.
Spinnweb.
Spinnweb.
Zettel.
Ich wünsche näher mit Ihnen bekannt zu werden, guter
Musje Spinnweb. Wenn ich mich in den Finger schneide, werde ich
so frei sein, Sie zu gebrauchen. - Ihr Name, ehrsamer Herr?
Bohnenblüte.
Bohnenblüte.
Zettel.
Ich bitte Sie, empfehlen Sie mich Madame Hülse, Ihrer
Frau Mutter, und Herrn Bohnenschote, Ihrem Herrn Vater. Guter
Herr Bohnenblüte, auch mit Ihnen hoffe ich näher bekannt
zu werden. - Ihren Namen, mein Herr, wenn ich bitten darf.
Senfsamen.
Senfsamen.
Zettel.
Lieber Musje Senfsamen, ich kenne Ihre Geduld gar wohl. Jener
niederträchtige und ungeschlachte Kerl, Rinderbraten, hat
schon manchen wackern Herrn von Ihrem Hause verschlungen. Sei'n
Sie versichert, Ihre Freundschaft hat mir schon oft die Augen
übergehen machen. Ich wünsche nähere Bekanntschaft,
lieber Musje Senfsamen.
Titania.
Kommt, führt ihn hin zu meinem Heiligtume!
Mich dünkt, von Tränen blinke Lunas Glanz;
Und wenn sie weint, weint jede kleine Blume
Um einen wild zerrißnen Mädchenkranz.
Ein Zauber soll des Liebsten Zunge binden:
Wir wollen still den Weg zur Laube finden.
(Alle ab.)
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