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Vorbemerkungen des Einsenders:

Ich habe Dorotheo Tiecks Übersetzung von Shakespeares The Tragedy of Coriolanus nicht nur aus einer mir zur Verfügung stehenden Buchausgabe eingescannt und die OCR-Ausgabe nachkorregiert, sondern auch mit dem englischen Originaltext verglichen. Dabei ging es mir nicht darum, Ungenauigkeiten in der Übersetzung der Dialoge aufzuspüren, die bei einem solchen Werk selbstverständlich unvermeidbar sind, sondern nur darum, festzustellen, ob die Übersetzung Passagen des Originals ausläßt (was nicht der Fall ist) oder andere schnell erkennbare Abweichungen enthält, z.B. abweichende Regieansweisungen.

Außerdem habe ich folgende offensichtliche Druckfehler korregiert: Forst --> First [ridges], Fünfhundert Simmen --> Fünfhundert Stimmen [five hundred voices], daß muß ich sagen --> das muß ich sagen [I warrant him], Dein Weib--> Sein Weib [His wife].

Für den Vergleich habe ich hauptsächlich die Version des Project Gutenberg Shakespeare Team's verwendet. Ich habe die Resultate dieses Vergleichs folgendermaßen in den Text eingebaut: Zusätzliche Texte im Original erscheinen in grüner Schrift in meiner eigenen Übersetzung. Texte der Übersetzung ohne Entsprechung im Original erscheinen in grünen, eckigen Klammern [ ].

Die Abweichungen beruhen keinesfalls alle auf einer Willkür der Übersetzerin, sondern (und das gilt in besonderem Maße für die Regieanweisungen) sehr oft auf unterschiedlichen Lesarten des englischen Textes, wie man bereits an den verschiedenen, online verfügbaren Versionen des Originaltextes ersehen kann: Die drei Versionen, die im amerikanischen Project Gutenberg angeboten werden, the Complete Moby Shakespeare (als HTML-Datei beim MIT, als Textdatei u.a. auf dem English Server der Carnegie Mellon University) und die digitale Rekonstruktion einer Ausgabe von 1725 in der digitalen Bibliothek der Universität Bielefeld.

William Shakespeare

Die Tragödie des Coriolanus

Übersetzt von Dorothea Tieck







PERSONEN

CAJUS MARCIUS CORIOLANUS, ein edler Römer
TITUS LARTIUS
COMINIUS
} Anführer gegen die Volsker
MENENIUS AGRIPPA, Coriolans Freund
SICINIUS VELUTUS
JUNIUS BRUTUS
} Volkstribunen
MARCIUS der jüngere, Coriolans kleiner Sohn
Ein römischer HEROLD
TULLUS AUFIDIUS, Anführer der Volsker
Ein HAUPTMANN des Aufidius
Mit Aufidius verschworene
Ein BÜRGER aus Antium
Zwei volskische WACHEN
VOLUMNIA, Coriolans Mutter
VIRGILIA, Coriolans Gemahlin
VALERIA, Virgilias Freundin
EDELFRAU, im Dienste der Virgilia
Römische und volskische Senatoren und Patrizier, Ädilen, Liktoren, Bürger, Soldaten, [ein Herold,] Boten, [Ratsdiener, ein Römer namens Nicanor, Dienerinnen der Virgilia; Senatoren von Corioli und von Antium, Bürger von Antinum, ein Hauptmann des Aufidius, Verschworene im Bunde mit Aufidius, volskische Krieger und Wachen, ein Volsker namens Adrian,] Diener des Aufidius und anderes Gefolge.

Szene: Rom und Umgebung; Corioli und Umgebung; Antium







ERSTER AKT

ERSTE SZENE

Rom. Eine Straße


Es tritt auf ein Haufe aufrührerischer Bürger mit Stäben, Knütteln und anderen Waffen.

ERSTER BÜRGER
Ehe wir irgend weitergehn, hört mich sprechen!

[ZWEITER BÜRGER] ALLE
Sprich, sprich!

ERSTER BÜRGER
Ihr alle seid entschlossen, lieber zu sterben als zu verhungern?

ALLE BÜRGER
Entschlossen! Entschlossen!

ERSTER BÜRGER
Erstlich wißt ihr: Cajus Marcius ist der Hauptfeind des Volkes.

ALLE BÜRGER
Wir wissens! Wir wissens!

ERSTER BÜRGER
Laßt uns ihn umbringen, dann können wir die Kornpreise selbst machen. Ist das ausgemacht?

ALLE BÜRGER
Kein Geschwätz mehr darüber. Wir wollens tun. Fort, fort!

ZWEITER BÜRGER
Noch ein Wort, meine guten Bürger!

ERSTER BÜRGER
Wir werden für arme Bürger angesehen, die Patrizier für die guten. Das, wovon der Adel schwelgt, würde uns nähren. Gäben sie uns nur das Überflüssige, ehe es verdirbt, so könnten wir glauben, sie nährten uns auf menschliche Weise; aber sie denken, so viel sind wir nicht wert. Der Hunger, der uns ausmergelt, der Anblick unsers Elends ist gleichsam ein Verzeichnis, in welchem sie ihr Wohlleben lesen. Unser Jammer ist ihnen Genuß. Dies wollen wir mit unsern Spießen rächen, ehe wir selbst Spießgerten werden. Denn das wissen die Götter: Ich rede so aus Hunger nach Brot und nicht aus Durst nach Rache.

ZWEITER BÜRGER
Wollt ihr besonders auf den Cajus Marcius losgehen?

[ALLE] ERSTER BÜRGER
Auf ihn zuerst, er ist ein wahrer Hund gegen das Volk.

ZWEITER BÜRGER
Bedenkt ihr auch, welche Dienste er dem Vaterlande getan hat?

ERSTER BÜRGER
Sehr wohl, und man könnte ihn auch recht gern dafür loben; aber er belohnt sich selbst dadurch, daß er so stolz ist.

ZWEITER BÜRGER
Nein, rede nicht so boshaft!

ERSTER BÜRGER
Ich sage euch, was er rühmlich getan hat, tat er nur deshalb. Wenn auch zu gewissenhafte Menschen so billig sind, zu sagen, es war für sein Vaterland, so tat ers doch nur, seiner Mutter Freude zu machen, und aus eigenem Stolz auch; denn sein Stolz ist ebenso groß als sein Verdienst.

ZWEITER BÜRGER
Was er an seiner Natur nicht ändern kann, das rechnet ihr ihm für ein Laster. Das dürft ihr wenigstens nicht sagen, daß er habsüchtig ist.

ERSTER BÜRGER
Wenn ich das auch nicht darf, werden mir doch die Anklagen nicht ausgehn. Er hat Fehler so überviel, daß die Aufzählung ermüdet.
Geschrei hinter der Szene.
Was für Geschrei ist das? Die andre Seite der Stadt ist in Aufruhr. Was stehn wir hier und schwatzen? Aufs Kapitol!

ALLE
Kommt, kommt!

ERSTER BÜRGER
Still, wer kommt hier?
[Menenius Agrippa tritt auf.]

ZWEITER BÜRGER
Der würdige Menenius Agrippa, einer, der das Volk immer geliebt hat.

ERSTER BÜRGER
Der ist noch ehrlich genug. Wären nur die übrigen alle so!
Menenius Agrippa tritt auf.

MENENIUS
Was habt ihr vor. Landsleute? Wohin geht ihr
Mit Stangen, Knütteln? Sprecht, was gibts? Ich bitt euch!

ERSTER BÜRGER
Unsre Sache ist dem Senat nicht unbekannt; sie haben davon munkeln hören seit vierzehn Tagen, was wir vorhaben, und das wollen wir ihnen nun durch Taten zeigen. Sie sagen, arme Klienten haben schlimmen Atem: sie sollen erfahren, daß wir auch schlimme Arme haben.

MENENIUS
Ei, Leute, gute Freund' und liebe Nachbarn,
Wollt ihr euch selbst zugrunde richten?

ERSTER BÜRGER
Nicht möglich, wir sind schon zugrunde gerichtet.

MENENIUS
Ich sag euch, Freund', es sorgt mit wahrer Liebe
Für euch der Adel. Eure Not betreffend,
Die jetzge Teurung, könntet ihr so gut
Dem Himmel dräun mit Knütteln, als sie schwingen
Gegen den Staat von Rom, des Lauf sich bricht
So grade Bahn, daß es zehntausend Zügel
Von härtrem Erz zerreißt, als jemals ihm
Nur eure Hemmung bietet. Diese Teurung,
Die Götter machen sie, nicht die Patrizier;
Gebeugte Knie, nicht Arme müssen helfen.
Ach, durch das Elend werdet ihr verlockt
Dahin, wo größres euch umfängt. Ihr lästert
Roms Lenker, die wie Väter für euch sorgen,
Wenn ihr wie Feinde sie verflucht.

ERSTER BÜRGER
Für uns sorgen! Nun, wahrhaftig, sie sorgten noch nie für uns! Uns verhungern lassen, und ihre Vorratshäuser sind vollgestopft mit Korn. Verordnungen machen gegen den Wucher, um die Wucherer zu unterstützen. Täglich irgendein heilsames Gesetz gegen die Reichen widerrufen und täglich schärfere Verordnungen ersinnen, die Armen zu fesseln und einzuzwängen. Wenn der Krieg uns nicht auffrißt, tun sie's; das ist ihre ganze Liebe für uns.

MENENIUS
Entweder müßt ihr selbst
Als ungewöhnlich tückisch euch bekennen,
Sonst schelt ich euch als töricht. Ich erzähl euch
Ein hübsches Märchen; möglich, daß ihrs kennt;
Doch, da's hier eben herpaßt, will ich wagen,
Es nochmals aufzuwärmen.

ERSTER BÜRGER
Gut, wir wollens anhören, Herr. Ihr müßt aber nicht glauben, unser Unglück mit einem Märchen wegfoppen zu können; doch, wenn Ihr wollt, her damit!

MENENIUS
Einstmals geschahs, daß alle Leibesglieder,
Dem Bauch rebellisch, also ihn verklagten,
Daß er allein nur wie ein Schlund verharre
In Leibes Mitte, arbeitlos und müßig,
Die Speisen stets verschlingend, niemals tätig
So wie die andern Glieder alle, die doch
Sähn, hörten, sprächen, dächten, gingen, fühlten
Und, wechselseitig unterstützt, dem Willen
Und dem gemeinsamen Bedürfnis dienten
Des ganzen Leibs. Der Bauch erwiderte -

ERSTER BÜRGER
Gut, Herr, was hat der Bauch denn nun erwidert?

MENENIUS
Ich sag es gleich. - Mit einer Art von Lächeln,
Das nicht von Herzen ging, nur gleichsam so
- Denn seht, ich kann den Bauch ja lächeln lassen
So gut als sprechen - gab er höhnisch Antwort
Den mißvergnügten Gliedern, die rebellisch
Die Einkünft ihm nicht gönnten; ganz so passend,
Wie ihr auf unsre Senatoren scheltet,
Weil sie nicht sind wie ihr.

ERSTER BÜRGER
                              Des Bauches Antwort. Wie!
Das fürstlich hohe Haupt, das wache Auge,
Das Herz: der kluge Rat, der Arm: der Krieger,
Das Bein: das Roß, die Zunge: der Trompeter,
Nebst andern Ämtern noch und kleinern Hülfen
In diesem unserm Bau, wenn sie -

MENENIUS
                                  Was denn,
Mein Treu, der Mensch da schwatzt! Was denn, was denn?

ERSTER BÜRGER
So würden eingezwängt vom Fresser Bauch,
Der nur des Leibes Abfluß -

MENENIUS
                              Gut, was denn?

ERSTER BÜRGER
Die andern Kräfte, wenn sie nun so klagten,
Der Bauch, was könnt er sagen?

MENENIUS
                                     Ihr sollts hören.
Schenkt ihr ein bißchen, was ihr wenig habt,
Geduld, so sag ich euch des Bauches Antwort.

ERSTER BÜRGER
Ihr macht es lang.

MENENIUS
                    Jetzt paßt wohl auf, mein Freund!
Eur höchst verständger Bauch, er war bedächtig,
Nicht rasch, gleich den Beschuldgern, und sprach so:
Wahr ists, ihr einverleibten Freunde, sagt' er,
Zuerst nehm ich die ganze Nahrung auf,
Von der ihr alle lebt; und das ist recht,
Weil ich das Vorratshaus, die Werkstatt bin
Des ganzen Körpers. Doch bedenkt es wohl:
Durch eures Blutes Ströme send ich sie
Bis an den Hof, das Herz - den Thron, das Hirn,
Und durch des Körpers Gäng und Kammern dann
Empfängt der stärkste Nerv, die feinste Ader
Von mir den angemeßnen Unterhalt,
Wovon sie leben. Und obwohl ihr alle -
Ihr guten Freund', habt acht, dies sagt der Bauch.

ERSTER BÜRGER
Gut! Weiter!

MENENIUS
              Seht ihr auch nicht all auf eins,
Was jeder einzelne von mir empfängt,
Doch kann ich Rechnung legen, daß ich allen
Das feinste Mehl von allem wiedergebe,
Und nur die Klei mir bleibt. - Wie meint ihr nun?

ERSTER BÜRGER
Das war 'ne Antwort. Doch wie paßt das hier?

MENENIUS
Roms Senatoren sind der gute Bauch,
Ihr die empörten Glieder; denn erwägt
Ihr Mühn, ihr Sorgen. Wohl bedenkt, was alles
Des Staates Vorteil heischt; so seht ihr ein,
Kein allgemeines Gut, was ihr empfangt,
Das nicht entsprang und kam zu euch von ihnen,
Durchaus nicht von euch selbst. Was denkt ihr nun?
Du, große Zeh in dieser Ratsversammlung?

ERSTER BÜRGER
Ich, die große Zehe? Warum die große Zehe?

MENENIUS
Weil du, der Niedrigst, Ärmst, Erbärmlichste
Von dieser weisen Rebellion, vorantrittst.
Du Schwächling ohne Kraft und Ansehn läufst
Voran und führst, dir Vorteil zu erjagen. -
Doch schwenkt nur eure Stäb und dürren Knüttel,
Rom und sein Rattenvolk zieht aus zur Schlacht,
Der eine Teil muß Tod sich fressen. -
Cajus Marcius tritt auf.
                                        Heil, edler Marcius!

MARCIUS
Dank euch! Was gibt es hier, rebellsche Schurken,
Die ihr das Jucken eurer Einsicht kratzt,
Bis ihr zu Aussatz werdet?

ERSTER BÜRGER
Von Euch bekommen wir doch immer gute Worte.

MARCIUS
Ein gutes Wort dir geben, hieße schmeicheln
Mehr als geschmacklos. Was verlangt ihr Hunde,
Die Krieg nicht wolln noch Frieden? Jener schreckt euch,
Und dieser macht euch frech. Wer euch vertraut,
Findt euch als Hasen, wo er Löwen hofft;
Wo Füchse, Gäns', Ihr seid nicht sichrer, nein,
Als glühnde Feuerkohlen auf dem Eis,
Schnee in der Sonne. Eure Tugend ist,
Den adeln, den Verbrechen niedrig machen,
Dem Recht zu fluchen, das ihn schlägt. Wer Größe
Verdient, verdient auch euern Haß, und eur Verlangen
Ist eines Kranken Gier, der heftig wünscht,
Was nur sein Übel mehrt. Wer sich verläßt
Auf eure Gunst, der schwimmt mit bleiernen Flossen,
Und haut mit Binsen Eichen nieder. Hängt euch!
Euch traun?
Ein Augenblick, so ändert ihr den Sinn,
Und nennt den edel, den ihr eben haßtet,
Den schlecht, der euer Abgott war. Was gibts?
Daß ihr, auf jedem Platz der Stadt gedrängt,
Schreit gegen den Senat, der doch allein,
Zunächst den Göttern, euch in Furcht erhält;
Ihr fräßt einander sonst. Was wollen sie?

MENENIUS
Nach eignem Preis das Korn, das, wie sie sagen,
Im Überfluß daliegt.

MARCIUS
                      Hängt sie! Sie sagens?
Beim Feuer sitzend wissen sie genau,
Was auf dem Kapitol geschieht, wer steigt,
Wer gilt, wer fällt; da stiften sie Faktionen
Und schließen Ehen, stärken die Partei
Und beugen die, die nicht nach ihrem Sinn,
Noch unter ihre Nägelschuh. Sie sagen,
Korn sei genug vorhanden?
Wenn sich der Adel doch der Mild entschlüge,
Daß ich mein Schwert ziehn dürft. Ich häufte Berge
Von Leichen der zerhaunen Sklaven, höher,
Als meine Lanze reicht.

MENENIUS
Nein, diese sind fast gänzlich schon beruhigt;
Denn, fehlt im Überfluß auch der Verstand,
So sind sie doch ausbündig feig. Doch sagt mir,
Was macht der andre Trupp?

MARCIUS
                            Schon ganz zerstreut.
Die Schurken!
Sie hungern, sagten sie, und ächzten Sprüchlein,
Als: Not bricht Eisen; Hunde müssen fressen;
Das Brot ist für den Mund; die Götter senden
Nicht bloß den Reichen Korn. - Mit solchen Fetzen
Macht sich ihr Klagen Luft; man hört sie gütig,
Bewilligt eine Fordrung - eine starke,
Des Adels Herz zu brechen, jede Kraft
Zu töten - und nun schmeißen sie die Mützen,
Als sollten auf des Mondes Horn sie hängen,
Frech laut und lauter jauchzend.

MENENIUS
Und was ward zugestanden?

MARCIUS
                           Fünf Tribunen,
Um ihre Pöbelweisheit zu vertreten,
Aus eigner Wahl: der ein ist Junius Brutus,
Sicinius und - was weiß ich - Tod und Pest!
Die Lumpen sollten eh die Stadt abdecken,
Als mich so weit zu bringen. Nächstens nun
Gewinnen sie noch mehr und fordern Größres
Mit Androhn der Empörung.

MENENIUS
                           Das ist seltsam.

MARCIUS
Geht, fort mit euch, ihr Überbleibsel!
Ein Bote tritt hastig auf.

BOTE
Ist Cajus Marcius hier?

MARCIUS
                         Nun ja! Was solls?

BOTE
Ich meld Euch, Herr, die Volsker sind in Waffen.

MARCIUS
Mich freuts! So werden wir am besten los
Den Überfluß, der schimmlig wird. - Seht da,
Die würdgen Väter!
Es treten auf Cominius, Titus Lartius und andre Senatoren, Junius Brutus und Sicinius Velutus.

ERSTER SENATOR
Marcius, was Ihr uns sagtet, ist geschehn:
Die Volsker sind in Waffen.

MARCIUS
                             Ja, sie führt
Tullus Aufidius, der macht Euch zu schaffen.
Ich sündige, seinen Adel ihm zu neiden,
Und wär ich etwas anders als ich bin,
So wünscht ich, er zu sein.

COMINIUS
                             Ihr fochtet miteinander.

MARCIUS
Wenn, halb und halb geteilt, die Welt sich zauste,
Und er auf meiner Seit, ich fiele ab,
Nur daß ich ihn bekämpft. Er ist ein Löwe,
Den ich zu jagen stolz bin.

ERSTER SENATOR
                             Darum, Marcius,
Magst du Cominius folgen in den Krieg.

COMINIUS
Ihr habt es einst versprochen.

MARCIUS
                                Herr. das hab ich,
Und halte Wort. Du, Titus Lartius, siehst
Noch einmal Tullus mich ins Antlitz schlagen.
Wie, bist du krank, bleibst aus?

TITUS
                                  Nein, Cajus Marcius;
Ich lehn auf eine Krück und schlage mit der andern,
Eh ich dies Werk versäum.

[MARCIUS] MENENIUS
                           O edles Blut!

ERSTER SENATOR
Begleitet uns zum Kapitol, dort harren
Die treusten Freunde unser.

TITUS
[zu Cominius:]
                             Geht voran -
[Zu Marcius:]
Folgt dem Cominius nach; wir folgen euch.
Ihr seid des Vorrangs würdig.

COMINIUS
                               Edler Marcius!

ERSTER SENATOR
zu den Bürgern.
Geht, macht euch fort! Nach Haus!

MARCIUS
                                   Nein, laßt sie folgen!
Die Volsker haben Korn; dahin ihr Ratten,
Die Scheuern freßt. Hochadlige Rebellen,
Eur Mut schlägt herrlich aus. Ich bitte, folgt!
Senatoren, Cominius, Marcius, Titus Lartius und Menenius gehn ab; die Bürger schleichen sich fort.

SICINIUS
War je ein Mensch so stolz wie dieser Marcius?

BRUTUS
Er hat nicht seinesgleichen.

SICINIUS
Als wir ernannt zu Volkstribunen wurden -

BRUTUS
Saht Ihr sein Aug, den Mund?

SICINIUS
                              Ja, und sein Höhnen.

BRUTUS
Gereizt schont selbst die Götter nicht sein Spott.

SICINIUS
Den keuschen Mond auch würd er lästern.

BRUTUS
Verschling ihn dieser Krieg; er ward zu stolz,
Weil er so tapfer ist.

SICINIUS
                        Solch ein Gemüt,
Gekitzelt noch vom Glück, verschmäht den Schatten,
Auf den er mittags tritt. Doch wunderts mich,
Wie nur sein Hochmut es erträgt, zu stehn
Unter Cominius.

BRUTUS
                 Ruhm, nach dem er zielt,
Und der schon reich ihn schmückt, wird besser nicht
Erhalten und erhöht, als auf dem Platz
Zunächst dem ersten; denn was nun mißlingt,
Das ist des Feldherrn Schuld, tut er auch alles,
Was Menschenkraft vermag, und schwindelköpfig
Heißt es vom Marcius dann: O hätte dieser
Den Krieg geführt!

SICINIUS
                    Gewiß, und geht es gut,
So raubt das Vorurteil, am Marcius hängend,
Cominius jegliches Verdienst.

BRUTUS
                               Jawohl.
Cominius' halben Ruhm hat Marcius schon,
Erwarb er ihn auch nicht; und jenes Fehler,
Sie werden Marcius' Ruhm, tat er auch selbst
Nichts Großes mehr.

SICINIUS
                      Kommt, laßt uns hin und hören
Die Amtseinsetzung, in was Art und Weise
Er, einzigartiger als je, nun geht
In diesen jetzigen Kampf.

BRUTUS
                           So gehn wir denn.
Beide ab.




ZWEITE SZENE

Corioli, das Staatsgebäude


Tullus Aufidius tritt auf mit einigen Senatoren.

ERSTER SENATOR
So glaubt Ihr wirklich denn, Aufidius,
Daß die von Rom erforschten unsern Plan,
Und wissen, was wir tun?

AUFIDIUS
                          Glaubt Ihrs denn nicht?
Was ward wohl je gedacht in unserm Staat,
Das nicht, ehs körperliche Tat geworden,
Rom ausgeforscht? Noch sinds vier Tage nicht,
Daß man von dort mir schrieb; so, denk ich, lautet's -
Ich hab den Brief wohl hier - ja, dieser ists.
Er liest.
Geworben wird ein Heer, doch niemand weiß,
Ob für den Ost, den West. Groß ist die Teurung,
Das Volk im Aufruhr, und man raunt sich zu,
Cominius, Marcius, Euer alter Feind,
Der mehr in Rom gehaßt wird als von Euch,
Und Titus Lartius, ein sehr tapfrer Römer,
Daß diesen drein die Rüstung ward vertraut.
Wohins auch geht, wahrscheinlich trifft es euch;
Drum seht euch vor.

ERSTER SENATOR
                     Im Feld stehn unsre Scharen;
Wir zweifeln nie, daß Rom, uns zu begegnen,
Stets sei bereit.

AUFIDIUS
                   Und Ihr habt klug gehandelt,
Zu bergen Euern großen Plan, bis er
Sich zeigen mußte; doch im Brüten schon
Erkannt ihn Rom, so scheints; durch die Entdeckung
Wird unser Ziel geschmälert, welches war,
Zu nehmen manche Stadt, eh selbst die Römer
Bemerkt, daß wir im Gang.

ZWEITER SENATOR
                            Edler Aufidius,
Nehmt Eure Vollmacht, eilt zu Euren Scharen;
Laßt uns zurück, Corioli zu schützen.
Belagern sie uns hier, kommt zum Entsatz
Mit Eurem Heer zurück; doch sollt Ihr sehn,
Die Rüstung gilt nicht uns.

AUFIDIUS
                             O zweifelt nicht;
Ich sprech aus sichrer Nachricht. Ja, noch mehr:
Schon rückten einge Römerhaufen aus,
Und nur hieherwärts. Ich verlaß Euch, Väter.
Wenn wir und Cajus Marcius uns begegnen,
So ist geschworen, daß der Kampf nicht endet,
Eh einer fällt.

ALLE SENATOREN
                 Die Götter sein mit Euch!

AUFIDIUS
Sie schirmen Eure Ehren.

ERSTER SENATOR
Lebt Wohl!

ZWEITER SENATOR
Lebt Wohl!

[AUFIDIUS] ALLE
Lebt wohl!
Alle ab.




DRITTE SZENE

Rom, im Hause des Marcius


Volumnia und Virgilia sitzen auf zwei niedrigen Schemeln und nähen.

VOLUMNIA
Ich bitte dich, Tochter, sing, oder sprich wenigstens trostreicher; wenn mein Sohn mein Gemahl wäre, ich würde mich lieber seiner Abwesenheit erfreuen, durch die er Ehre erwirbt, als der Umarmungen seines Bettes, in denen ich seine Liebe erkennte. Da er noch ein zarter Knabe war und das einzige Kind meines Schoßes, da Jugend und Anmut gewaltsam alle Blicke auf ihn zogen, als die tagelangen Bitten eines Königs einer Mutter nicht eine einzige Stunde seines Anblicks abgekauft hätten, schon damals - wenn ich bedachte, wie Ehre solch ein Wesen zieren würde, und daß es nicht besser sei als ein Gemälde, das an der Wand hängt, wenn Ruhmbegier es nicht belebte - war ich erfreut, ihn da Gefahren suchen zu sehn, wo er hoffen konnte, Ruhm zu finden. In einen grausamen Krieg sandte ich ihn, aus dem er zurückkehrte, die Stirn mit Eichenlaub umwunden. Glaube mir, Tochter, mein Herz hüpfte nicht mehr vor Freuden, als ich zuerst hörte, es sei ein Knabe, als jetzt, da ich zuerst sah, er sei ein Mann geworden.

VIRGILIA
Aber wäre er nun in der Schlacht geblieben, teure Mutter, wie dann?

VOLUMNIA
Dann wäre sein Nachruhm mein Sohn gewesen; in ihm hätte ich mein Geschlecht gesehn. Höre mein offenherziges Bekenntnis: Hätte ich zwölf Söhne, jeder meinem Herzen gleich lieb und keiner mir weniger teuer als dein und mein guter Marcius, ich wollte lieber elf für ihr Vaterland edel sterben sehn, als einen einzigen in wollüstigem Müßiggang schwelgen.
Es tritt eine [Dienerin] Edelfrau auf.

[DIENERIN] EDELFRAU
Edle Frau, Valeria wünscht Euch zu sehn.

VIRGILIA
Ich bitte, erlaubt mir, mich zurückzuziehn.

VOLUMNIA
O nein! das sollst du nicht.
Mich dünkt, bis hier tönt deines Gatten Trommel,
Er reißt Aufidius bei den Haaren nieder;
Wie Kinder, vor dem Bären fliehn die Volsker.
Mich dünkt, ich sehs! So stampft er und ruft aus:
Memmen, heran! In Furcht seid ihr gezeugt,
Obwohl in Rom geboren! - Und er trocknet
Die blutge Stirn mit ehrner Hand, und schreitet
So wie ein Schnitter, der sich vorgesetzt,
Alles zu mähn, wo nicht, den Lohn zu missen.

VIRGILIA
Die blutge Stirn! O Jupiter, kein Blut!

VOLUMNIA
O schweig, du Törin! Schöner zierts den Mann
Als Goldtrophän. Die Brust der Hekuba
War schöner nicht, da sie den Hektor säugte,
Als Hektors Stirn, die Blut entgegenspritzte
Im Kampf den Griechenschwertern. - Sagt Valerien,
Wir sind bereit, sie zu empfangen.
[Dienerin] Edelfrau ab.

VIRGILIA
                                    Himmel,
Schütz ihn vorm grimmigen Aufidius!

VOLUMNIA
Er schlägt Aufidius' Haupt sich unters Knie
Und tritt auf seinen Hals.
[Valeria tritt auf.] Die Edelfrau kommt mit Valeria und ihrem Diener zurück.

VALERIA
Ihr edlen Frauen, Euch beiden guten Tag!

VOLUMNIA
Liebe Freundin -

VIRGILIA
Ich bin erfreut. Euch zu sehn, verehrte Frau.

VALERIA
Was macht Ihr beide? Ihr seid ausgemachte Stubenhocker. Wie! - Ihr sitzt hier und näht? - Ein artiges Vergnügen, das muß ich gestehn. - Was macht Euer kleiner Sohn?

VIRGILIA
Ich danke Euch, edle Frau, er ist wohl.

VOLUMNIA
Er mag lieber Schwerter sehn und die Trommel hören als auf seinen Schulmeister achtgeben.

VALERIA
O auf mein Wort, ganz der Vater! Ich kanns beschwören, er ist ein allerliebster Knabe. Nein wahrlich, ich beobachtete ihn am Mittwoch eine halbe Stunde ununterbrochen; er hat etwas so Entschlossenes in seinem Benehmen. Ich sah ihn einem glänzenden Schmetterlinge nachlaufen, und als er ihn gefangen hatte, ließ er ihn wieder fliegen, und nun wieder ihm nach, und fiel der Länge nach hin, und wieder aufgesprungen und ihn noch einmal gefangen. Hatte ihn sein Fall böse gemacht, oder was mochte ihm sonst sein; aber er knirschte so mit den Zähnen und zerriß ihn. Oh, Ihr könnt nicht glauben, wie er ihn zerfetzte.

VOLUMNIA
Ganz seines Vaters Art.

VALERIA
Ei, wahrhaftig, er ist ein edles Kind.

VIRGILIA
Ein kleiner Wildfang, Valeria.

VALERIA
Kommt, legt Eure Stickerei weg. Ihr müßt heut nachmittag mit mir die müßige Hausfrau machen.

VIRGILIA
Nein, teure Frau, ich werde nicht ausgehn.

VALERIA
Nicht ausgehn?

VOLUMNIA
Sie wird, sie wird.

VIRGILIA
Nein, gewiß nicht; erlaubt es mir! Ich will nicht über die Schwelle schreiten, eh mein Gemahl aus dem Kriege heimgekehrt ist.

VALERIA
Pfui, wollt Ihr so wider alle Vernunft Euch einsperren? Kommt mit, Ihr müßt eine gute Freundin besuchen, die im Kindbette liegt.

VIRGILIA
Ich will ihr eine schnelle Genesung wünschen und sie mit meinem Gebet besuchen, aber hingehn kann ich nicht.

VOLUMNIA
Nun, warum denn nicht?

VIRGILIA
Es ist gewiß nicht Trägheit oder Mangel an Liebe.

VALERIA
Ihr wäret gern eine zweite Penelope; und doch sagt man, alles Garn, das sie in Ulysses' Abwesenheit spann, füllte Ithaka nur mit Motten. Kommt; ich wollte, Eure Leinwand wäre so empfindlich wie Euer Finger, so würdet Ihr aus Mitleid aufhören, sie zu stechen. Kommt, Ihr müßt mitgehn!

VIRGILIA
Nein, Liebe, verzeiht mir; im Ernst, ich werde nicht ausgehn.

VALERIA
Ei wahrhaftig! Ihr müßt mitgehn, dann will ich Euch
auch herrliche Neuigkeiten von Eurem Gemahl erzählen.

VIRGILIA
O liebe Valeria, es können noch keine gekommen sein!

VALERIA
Wahrlich, ich scherze nicht mit Euch, es kam gestern abend Nachricht von ihm.

VIRGILIA
In der Tat?

VALERIA
Im Ernst, es ist wahr; ich hörte einen Senator davon erzählen. So war es: Die Volsker haben ein Heer ausrücken lassen, welchem Cominius, der Feldherr, mit einem Teil der römischen Macht entgegengegangen ist. Euer Gemahl und Titus Lartius belagern ihre Stadt Corioli; sie zweifeln nicht daran, sie zu erobern und den Krieg bald zu beendigen. Dies ist wahr, bei meiner Ehre, und nun bitte ich Euch, geht mit uns!

VIRGILIA
Verzeiht mir, gute Valeria; künftig will ich Euch in allem andern gehorchen.

VOLUMNIA
Ei, laßt sie, Liebe. Wie sie jetzt ist, würde sie nur unser Vergnügen stören.

VALERIA
Wirklich, das glaube ich auch. So lebt denn wohl. Kommt, liebe, teure Frau. Ich bitte dich, Virgilia, wirf deine Feierlichkeit zur Tür hinaus und geh noch mit.

VIRGILIA
Nein, auf mein Wort, Valeria! In der Tat, ich darf nicht; ich wünsche Euch viel Vergnügen.

VALERIA
Gut, so lebt denn wohl!
Alle ab.




VIERTE SZENE

Vor Corioli


Mit Trommeln und Fahnen treten auf Marcius, Titus Lartius, Anführer, Krieger. [Zu ihnen ein Bote.]

MARCIUS
Ein Bote kommt. Ich wett, es gab ein Treffen.

TITUS
Mein Pferd an Eures: Nein.

MARCIUS
                            Es gilt.

TITUS
                                      Es gilt.
Ein Bote tritt auf.

MARCIUS
Sprich, du: Traf unser Feldherr auf den Feind?

BOTE
Sie schaun sich an, doch sprachen sich noch nicht.

TITUS
Das gute Pferd ist mein.

MARCIUS
                          Ich kaufs Euch ab.

TITUS
Nein, ich verkauf und gebs nicht; doch Euch borg ichs
Für fünfzig Jahr. - Die Stadt nun fordert auf.

MARCIUS
Wie weit ab stehn die Heere?

BOTE
                              Kaum anderthalbe Meil.

MARCIUS
So hören wir ihr Feldgeschrei, sie unsers. -
Nun, Mars, dir fleh ich, mach uns rasch im Werk,
Daß wir mit dampfendem Schwert von hinnen ziehn,
Den kampfgescharten Freunden schnell zu helfen.
Komm, blas nun deinen Aufruf.
Es wird geblasen, auf den Mauern erscheinen Senatoren und andre.
Tullus Aufidius, ist er in der Stadt?

ERSTER SENATOR
Nein, auch kein Mann, der weniger euch fürchtet;
Was wenger noch als kaum ist.
Trommeln in der Ferne.
                               Horcht die Trommeln
[Kriegsmusik aus der Ferne.]
Von unsrer Jugend Schar! Wir brechen eh die Mauern,
Als daß sie uns einhemmten. Unsre Tore,
Zum Schein geschlossen, riegeln Binsen nur,
Sie öffnen sich von selbst.
Kriegsgeschrei in der Ferne.
                                  Horcht, in der Ferne!
[Kriegsgeschrei.]
Das ist Aufidius! Hört, wie er behandelt
Euer zerspaltnes Heer!

MARCIUS
                                  Ha, sie sind dran!

TITUS
Der Lärm sei unsre Weisung. Leitern her!
Die Volsker kommen [aus der Stadt] und ziehen über die Bühne.

MARCIUS
Sie scheun uns nicht; nein, dringen aus der Stadt.
Werft vor das Herz den Schild und kämpft mit Herzen,
Gestählter als die Schild! Auf, wackrer Titus!
Sie höhnen uns weit mehr, als wir gedacht;
Das macht vor Zorn mich schwitzen. Fort, Kamraden!
Wenn einer weicht, den halt ich für 'nen Volsker,
Und fühlen soll er meinen Stahl.
Kriegsgeschrei, Römer und Volsker gehn kämpfend ab. Die Römer werden zurückgeschlagen. Marcius kommt wieder.

MARCIUS
Die ganze Pest des Südens fall auf euch!
Schandflecke Roms ihr! Schwär und Beulen zahllos
Vergiften euch, daß ihr ein Abscheu seid,
Eh noch gesehn, und gegen Windeshauch
Euch ansteckt meilenweit! Ihr Gänseseelen
In menschlicher Gestalt! Vor Sklaven lauft ihr,
Die Affen schlagen würden? Höll und Pluto!
Wund rücklings, Nacken rot, Gesichter bleich
Vor Furcht und Fieberfrost. Kehrt um! Greift an!
Sonst, bei des Himmels Blitz, laß ich den Feind
Und stürz auf euch! Besinnt euch denn, voran!
Steht, und wir schlagen sie zu ihren Weibern,
Wie sie zu unsern Schanzen uns gefolgt!
Ein neuer Angriff, Volsker und Römer kämpfen. Die Volsker flüchten in die Stadt. Marcius verfolgt sie bis zum Tor.
Auf geht das Tor, nun zeigt euch, wackre Helfer!
Für die Verfolger hats das Glück geöffnet,
Nicht für die Fliehenden. Nach, und tut wie ich!
[Er stürzt in die Stadt, und das Tor wird hinter ihm geschlossen.] Er tritt durch das Tor.

ERSTER SOLDAT
Tolldreist! Ich nicht -

ZWEITER SOLDAT
                         Noch ich.
Marcius wird eingeschlossen.

[DRITTER] ERSTER SOLDAT
                                    Da seht: Sie haben
Ihn eingesperrt!

ALLE
                  Nun geht er drauf, das glaubt nur!
Kriegslärm dauert fort. Titus Lartius tritt auf.

TITUS
Was ward aus Marcius?

ALLE
                       Tot, Herr, ganz gewiß.

ERSTER SOLDAT
Den Fliehnden folgt' er auf den Fersen nach
Und mit hinein; sie augenblicks die Tore
Nun zugesperrt: Drin ist er, ganz allein
Der ganzen Stadt zu trotzen.

TITUS
                              Edler Freund!
Du, fühlend kühner als dein fühllos Schwert,
Wenn es sich biegt, feststehend, bist verloren, Marcius!
Der reinste Diamant, so groß wie du,
Wär nicht ein solch Juwel; du wärst ein Krieger
Nach Catos Sinn, nicht wild und fürchterlich
In Streichen nur; nein, deinem grimmen Blick
Und deiner Stimme donnergleichem Schmettern
Erbebten deine Feind, als ob die Welt
Im Fieber zitterte.
Marcius kommt zurück, blutend, von den Feinden verfolgt.

ERSTER SOLDAT
                     Seht, Herr!

TITUS
                                  Oh, da ist Marcius!
Laßt uns ihn retten oder mit ihm fallen!
Gefecht. Alle dringen in die Stadt.




FÜNFTE SZENE

In Corioli, eine Straße


Römer kommen mit Beute.

ERSTER RÖMER
Das will ich mit nach Rom nehmen.

ZWEITER RÖMER
Und ich dies.

DRITTER RÖMER
Hols der Henker, ich hielt das für Silber.
Kriegslärm dauert in der Ferne fort. Marcius und Titus treten auf mit einem Trompeter.

MARCIUS
Seht diese Trödler, die die Stunden schätzen
Nach halben Drachmen! Becher, bleierne Löffel,
Blechstückchen, Wämser, die der Henker selbst
Verscharrte mit dem Leichnam, stiehlt die Brut,
Eh noch die Schlacht zu Ende. - Haut sie nieder! -
O hört den fernen Schlachtenlärm! Zum Feldherrn!
Dort kämpft, den meine Seele haßt, Aufidius,
Und mordet unsre Römer. Drum, mein Titus,
Nimm eine Anzahl Volks, die Stadt zu halten;
Mit denen, die der Mut befeuert, eil ich,
Cominius beizustehn.

TITUS
                      Du blutest, edler Freund!
Die Arbeit war zu schwer, sie zu erneun
In einem zweiten Gang.

MARCIUS
                        Herr, rühmt mich nicht;
Dies Werk hat kaum mich warm gemacht. Lebt wohl!
Das Blut, das ich verzapft, ist mehr Arznei
Als mir gefährlich. Vor Aufidius so
Tret ich zum Kampf.

TITUS
                     Fortunas holde Gottheit
Sei jetzt in dich verliebt; ihr starker Zauber
Entwaffne deines Feindes Schwert. O Held,
Dein Knappe sei Glückseligkeit!

MARCIUS
                                 Dir helfend,
Wie ihrem teursten Liebling. Lebe wohl!
[Geht ab.]

TITUS
Ruhmwürdger Marcius! -
Marcius ab.
Geh du, blas auf dem Marktplatz die Trompete
Und ruf der Stadt Beamte dort zusammen,
Daß sie vernehmen unsern Willen. Fort!
Ab.




SECHSTE SZENE

In der Nähe von Cominius' Lager


Cominius und sein Heer auf dem Rückzuge.

COMINIUS
Erholt euch, Freunde! Gut gekämpft! Wir hielten
Wie Römer uns; nicht tollkühn dreist im Stehn,
Noch feig im Rückzug. Auf mein Wort, ihr Krieger,
Der Angriff wird erneut. Indem wir kämpften,
Erklang, vom Wind geführt, in Zwischenräumen
Der Freunde Schlachtruf. - O ihr Götter Roms!
Führt sie zu Ruhm und Sieg, so wie uns selbst,
Daß unsre Heere, lächelnd sich begegnend,
Euch dankbar Opfer bringen.
Ein Bote tritt auf.
                             Deine Botschaft?

BOTE
Die Mannschaft von Corioli brach aus
Und fiel den Marcius und den Lartius an.
Ich sah die Unsern zu den Schanzen fliehn,
Da eilt ich fort.

COMINIUS
                   Mich dünkt, sprichst du auch wahr,
So sprichst du doch nicht gut. Wie lang ists her?

BOTE
Mehr als 'ne Stunde, Herr.

COMINIUS
's ist keine Meil, wir hörten noch die Trommeln.
Wie - gingst du eine Stund auf diese Meile,
Und bringst so spät Bericht?

BOTE
                              Der Volsker Späher
Verfolgten mich, so lief ich einen Umweg
Von drei, vier Meilen; sonst bekamt Ihr, Herr,
Vor einer halben Stunde schon die Botschaft.
[Marcius tritt auf.]

COMINIUS
Doch, wer ist jener,
Der aussieht wie geschunden? O ihr Götter!
Er trägt des Marcius Bildung, und schon sonst
Hab ich ihn so gesehn.

MARCIUS
hinter der Bühne.
                        Komm ich zu spät?

COMINIUS
Der Schäfer unterscheidet nicht so gut
Schalmei und Donner, wie ich Marcius' Stimme
Von des geringren Manns.
Marcius tritt auf.

MARCIUS
                          Komm ich zu spät?

COMINIUS
Ja, wenn du nicht in fremdem Blut gekleidet,
In eignem kommst.

MARCIUS
                   O laßt mich Euch umschlingen,
Mit kräftgen Armen, wie als Bräutigam,
Mit freudgem Herzen, wie am Hochzeitstag,
Als Kerzen mir zu Bett geleuchtet!

COMINIUS
Mein Kriegesheld, wie gehts dem Titus Lartius?

MARCIUS
Wie einem, der geschäftig Urteil spricht,
Zum Tode den verdammt, den zur Verbannung,
Den frei läßt, den beklagt, dem andern droht.
Er hält Corioli im Namen Roms
So wie ein schmeichelnd Windspiel an der Leine,
Die er nach Willkür löst.

COMINIUS
                           Wo ist der Sklav,
Der sprach, sie schlügen Euch zurück ins Lager?
Wo ist er? Ruft ihn her.

MARCIUS
                          Nein, laßt ihn nur.
Die Wahrheit sprach er; doch die edlen Herrn,
Das niedre Volk - verdammt: für sie Tribunen! -,
Die Maus läuft vor der Katze nicht, wie sie
Vor Schuften rannten, schlechter als sie selbst.

COMINIUS
Wie aber drangt Ihr durch?

MARCIUS
Ist zum Erzählen Zeit? Ich denke nicht.
Wo ist der Feind? Seid Ihr des Feldes Herr?
Wo nicht, was ruht Ihr, bis Ihrs seid?

COMINIUS
                                        O Marcius!
Wir fochten mit Verlust und zogen uns
Zurück, den Vorteil uns zu wahren.

MARCIUS
Wie steht ihr Heer? Wißt Ihr, auf welcher Seite
Die beste Mannschaft ist?

COMINIUS
                           Ich glaube, Marcius,
Im Vordertreffen kämpfen die Antiaten,
Ihr bestes Volk; Aufidius führt sie an,
Der ihrer Hoffnung Seel und Herz.

MARCIUS
                                  Ich bitt dich,
Bei jeder Schlacht, in der vereint wir fochten,
Bei dem vereint vergoßnen Blut, den Schwüren,
Uns ewig treu zu lieben; stell mich grade
Vor die Antiaten und Aufidius hin,
Und säumt nicht länger! Nein, im Augenblick
Erfülle Speer- und Schwertgetön die Luft,
Und proben wir die Stunde!

COMINIUS
                            Wünscht ich gleich,
Du würdest in ein laues Bad geführt,
Dir Balsam aufgelegt; doch wag ich nie
Dir etwas zu verweigern. Wähl dir selbst
Für diesen Kampf die besten.

MARCIUS
                              Das sind nur
Die Willigsten. Ist irgendeiner hier
- Und Sünde wärs, zu zweifeln -, dem die Schminke
Gefällt, mit der er hier mich sieht gemalt,
Der üblen Ruf mehr fürchtet als den Tod,
Und schön zu sterben wählt statt schlechten Lebens,
Sein Vaterland mehr als sich selber liebt:
Wer so gesinnt, ob einer oder viele,
Der schwing die Hand, um mir sein Ja zu sagen,
Und folge Marcius.
Alle jauchzen, schwingen die Schwerter, [drängen sich um ihn und] heben ihn auf ihren Armen empor und werfen ihre Mützen in die Luft.
Wie? Alle eins? Macht ihr ein Schwert aus mir?
Ist dies kein äußrer Schein, wer von euch allen
Ist nicht vier Volsker wert? Ein jeder kann
Aufidius einen Schild entgegentragen,
So hart wie seiner. Eine Anzahl nur,
Dank ich schon allen, wähl ich, und den andern
Spar ich die Arbeit für den nächsten Kampf,
Wie er sich bieten mag. Voran, ihr Freunde!
Vier meiner Männer will ich gleich erwählen,
Die größten Eifer zeigen.

COMINIUS
                            Kommt, Gefährten,
Beweist, daß ihr nicht prahltet, und ihr sollt
Uns gleich in allem sein.
Alle ab.




SIEBENTE SZENE

Das Tor vor Corioli


Titus Lartius, eine Besatzung in Corioli zurücklassend, geht dem Marcius und Cominius mit Trommeln und Trompeten entgegen, ihm folgt ein Anführer mit Kriegern und ein Kundschafter.

TITUS
Besetzt die Tore wohl, tut Eure Pflicht,
Wie ichs Euch vorschrieb. Send ich, schickt zur Hülfe
Uns die Centurien nach; der Rest genügt
Für kurze Deckung. Geht die Schlacht verloren,
So bleibt die Stadt uns doch nicht.

ANFÜHRER
                                     Traut auf uns.

TITUS
Fort! Und verriegelt hinter uns die Tore! -
Du, Bote, komm, führ uns ins römsche Lager!
Alle ab.




ACHTE SZENE

Schlachtfeld zwischen dem römischen und dem volskischen Lager


Kriegsgeschrei, Marcius und Aufidius, die einander begegnen.

MARCIUS
Mit dir nur will ich kämpfen, denn dich haß ich
Mehr als den Meineid.

AUFIDIUS
                       Ja, so haß ich dich.
Mir ist kein Drache Afrikas so greulich
Und giftig wie dein Ruhm. Setz deinen Fuß.

MARCIUS
Wer weicht, soll sterben als des andern Sklave,
Dann richten ihn die Götter.

AUFIDIUS
                              Flieh ich, Marcius,
So hetz mich gleich dem Hasen.

MARCIUS
Noch vor drei Stunden, Tullus,
Focht ich allein in Eurer Stadt Corioli
Und hauste ganz nach Willkür. Nicht mein Blut
Hat so mich übertüncht; drum spann die Kraft
Aufs höchste, dich zu rächen!

AUFIDIUS
                               Wärst du Hektor,
Der Ausbund eurer prahlerischen Ahnen,
Du kämst mir nicht von hier!
Sie fechten; einige Volsker kommen dem Aufidius zu Hülfe.
Dienstwillig und nicht tapfer! Ihr beschimpft mich
Durch so verhaßten Beistand.
Alle fechtend ab, von Marcius davongetrieben.




NEUNTE SZENE

Das römische Lager


Kriegsgeschrei. Man bläst zum Rückzug; Trompeten. Von einer Seite tritt auf Cominius mit seinem Heer, von der andern Marcius, den Arm in der Binde, und andre Römer.

COMINIUS
Erzählt ich dir dein Werk des heutgen Tages,
Du glaubtest nicht dein Tun; doch will ichs melden,
Wo Senatoren Trän und Lächeln mischen,
Wo die Patrizier horchen und erbeben,
Zuletzt bewundern, wo sich Fraun entsetzen
Und, froh erschreckt, mehr hören, wo der plumpe
Tribun, der, dem Plebejer gleich, dich haßt,
Ausruft, dem eignen Groll zum Trotz: Dank, Götter,
Daß unserm Rom ihr solche Helden schenktet! -
Doch kamst du nur zum Nachtisch dieses Festes,
Vorher schon voll gesättigt.
Titus Lartius kommt mit seinen Kriegern vom Kampfe.

TITUS
                              O mein Feldherr!
Hier ist das Streitroß, wir sind das Geschirr.
Hättst du gesehn -

MARCIUS
                    Still, bitt ich. Meine Mutter,
Die einen Freibrief hat, ihr Blut zu preisen,
Kränkt mich, wenn sie mich rühmt. Ich tat ja nur,
Was ihr: das ist, soviel ich kann, erregt,
Wie ihr es waret, für mein Vaterland.
Wer heut den guten Willen nur erfüllte,
Hat meine Taten überholt.

COMINIUS
                           Nicht darfst du
Das Grab sein deines Werts. Rom muß erkennen,
Wie köstlich sein Besitz. Es wär ein Hehl,
Ärger als Raub, nicht minder als Verleumdung:
Verbergen deine Tat und davon schweigen,
Was, durch des Preises höchsten Flug erhoben,
Bescheiden noch sich zeigt. Drum bitt ich dich,
Zum Zeichen, was du bist, und nicht als Lohn
Für all dein Tun, laß vor dem Heer mich reden!

MARCIUS
Ich hab so Wunden hier und da, die schmerzt es,
Sich so erwähnt zu hörn.

COMINIUS
                          Wenns nicht geschäh,
Vor Undank müßten sie zum Schwären kommen
Und mit dem Tod sich heilen. Von den Pferden
- Wir fingen viel und treffliche - und allen
Den Schätzen, in der Stadt, im Feld erbeutet,
Sei dir der zehnte Teil, ihn auszusuchen
Noch vor der allgemeinen Teilung, ganz
Nach deiner eignen Wahl.

MARCIUS
                          Ich dank dir, Feldherr;
Doch sträubt mein Herz sich, einen Lohn zu nehmen
Als Zahlung meines Schwerts. Ich schlag es aus
Und will nur so viel aus gemeiner Teilung,
Wie alle, die nur ansahn, was geschah.
Ein langer Trompetenstoß. Alle rufen: »Marcius! Marcius!«, werfen Mützen und Speere in die Höhe. Cominius und Lartius stehen barhäuptig da.
Daß die Drommeten, die ihr so entweiht,
Nie wieder tönen! Wenn Posaun und Trommel
Im Lager Schmeichler sind, mag Hof und Stadt
Ganz Lüge sein und Gleisnerei. Wird Stahl
Weich wie Schmarotzerseide, bleibe Erz
Kein Schirm im Kriege mehr! Genug, sag ich. -
Weil ich die blutge Nase mir nicht wusch
Und einen Schwächling niederwarf, was mancher
Hier unbemerkt getan, schreit ihr mich aus
Mit übertriebnem, unverständgem Zuruf,
Als säh ich gern mein kleines Selbst gefüttert
Mit Lob, gewürzt durch Lügen.

COMINIUS
                               Zu bescheiden!
Ihr seid mehr grausam eignem Ruhm, als dankbar
Uns, die ihn redlich spenden; drum erlaubt:
Wenn gegen Euch Ihr wütet, legen wir
Wie einem, der sich schadet, Euch in Fesseln
Und sprechen sichrer dann. Drum sei es kund
Wie uns der ganzen Welt, daß Cajus Marcius
Des Krieges Kranz erwarb. Und des zum Zeichen
Nehm er mein edles Roß, bekannt dem Lager,
Mit allem Schmuck, und heiß er von heut an,
Für das, was vor Corioli er tat,
Mit vollem Beifallsruf des ganzen Heeres:
Cajus Marcius Coriolanus. - Führe
Den zugefügten Namen allzeit edel!
Trompetenstoß. Man hört Trompeten und Trommeln.

ALLE
Cajus Marcius Coriolanus!

CORIOLANUS
Ich geh, um mich zu waschen;
Und ist mein Antlitz rein, so könnt Ihr sehn,
Ob ich erröte. Wie's auch sei, ich dank Euch.
Ich denk Eur Pferd zu reiten und allzeit
Mich wert des edlen Namensschmucks zu zeigen,
Nach meiner besten Kraft.

COMINIUS
                           Nun zu den Zelten,
Wo, eh wir noch geruht, wir schreiben wollen
Nach Rom von unserm Glück. Ihr, Titus Lartius,
Müßt nach Corioli. Schickt uns nach Rom
Die Führer, daß wir dort mit ihnen handeln
Um ihr und unser Wohl.

TITUS
                        Ich tu es, Feldherr.

CORIOLANUS
Die Götter spotten mein. Kaum schlug ich aus
Höchst fürstliche Geschenk und muß nun betteln
Bei meinem Feldherrn.

COMINIUS
                       Was es sei; gewährt.

CORIOLANUS
Ich wohnt einmal hier in Corioli
Bei einem armen Mann, er war mir freundlich;
Er rief mich an: ich sah ihn als Gefangnen;
Doch da hatt ich Aufidius im Gesicht,
Und Wut besiegte Mitleid. Gebt, ich bitte,
Frei meinen armen Wirt!

COMINIUS
                         O schöne Bitte!
Wär er der Schlächter meines Sohns, er sollte
Frei sein, so wie der Wind. Entlaßt ihn, Titus!

TITUS
Marcius, sein Nam?

CORIOLANUS
                    Bei Jupiter, vergessen! -
Ich bin erschöpft. - Ja - mein Gedächtnis schwindet.
Ist hier nicht Wein?

COMINIUS
                      Gehn wir zu unsern Zelten.
Das Blut auf Eurem Antlitz trocknet. Schnell
Müßt Ihr verbunden werden. Kommt!
Alle ab.




ZEHNTE SZENE

Das Lager der Volsker


Trompetenstoß. Hörner. Tullus Aufidius tritt auf, blutend, zwei oder drei Krieger mit ihm.

AUFIDIUS
Die Stadt ist eingenommen.

ERSTER KRIEGER
Sie geben auf Bedingung sie zurück.

AUFIDIUS
Bedingung! -
Ich wollt, ich wär ein Römer, denn als Volsker
Kann ich nicht das sein, was ich bin. - Bedingung!
Was für Bedingung kann wohl der erwarten,
Der sich auf Gnad ergab? - Marcius, fünfmal
Focht ich mit dir, so oft auch schlugst du mich,
Und wirst es, denk ich, treffen wir uns auch,
So oft wir speisen. - Bei den Elementen!
Wenn ich je wieder Bart an Bart, ihm stehe,
Muß ich ihn ganz, muß er mich ganz vernichten.
Nicht mehr, wie sonst, ist ehrenvoll mein Neid,
Denn, dacht ich ihn mit gleicher Kraft zu tilgen
Ehrlich im Kampf, hau ich ihn jetzt, wie's kommt;
Wut oder List vernicht ihn!

ERSTER KRIEGER
                             Teufel ist er.

AUFIDIUS
Kühner, doch nicht so schlau. Vergiftet ist
Mein Mut, weil er von ihm den Flecken duldet,
Verleugnet eignen Wert. Nicht Schlaf noch Tempel,
Ob nackt, ob krank, nicht Kapitol noch Altar,
Der Priester Beten noch des Opfers Stunde,
Vor denen jede Wut sich legt, erheben
Ihr abgenutztes Vorrecht gegen mich
Und meinen Haß auf ihn. Wo ich ihn finde,
Daheim, in meines Bruders Schutz, selbst da,
Dem gastlichen Gebot zuwider, wüsch ich
Die wilde Hand in seinem Herzblut. - Geht,
Erforscht, wie man die Stadt bewahrt, und wer
Als Geisel muß nach Rom.

ERSTER KRIEGER
                           Wollt Ihr nicht gehn?

AUFIDIUS
Man wartet meiner im Zypressenwald,
Südwärts der Mühlen; dahin bringt mir Nachricht,
Wie die Welt geht, daß ich nach ihrem Schritt
Ansporne meinen Lauf.

ERSTER KRIEGER
                       Das will ich, Herr.
Alle ab.







ZWEITER AKT

ERSTE SZENE

Rom, ein öffentlicher Platz


Es treten auf Menenius, Sicinius und Brutus.

MENENIUS
Der Augur sagte mir, wir würden heut Nachricht erhalten.

BRUTUS
Gute oder schlimme?

MENENIUS
Nicht nach dem Wunsch des Volks; denn sie lieben den Marcius nicht.

SICINIUS
Natur lehrt die Tiere selbst, ihre Freunde kennen.

MENENIUS
Sagt mir: Wen liebt der Wolf?

SICINIUS
Das Lamm.

MENENIUS
Es zu verschlingen, wie die hungrigen Plebejer den edlen Marcius möchten.

BRUTUS
Nun, der ist wahrhaftig ein Lamm, das wie ein Bär blökt.

MENENIUS
Er ist wahrhaftig ein Bär, der wie ein Lamm lebt. - Ihr seid zwei alte Männer: sagt mir nur eins, was ich euch fragen will.

[BRUTUS] BEIDE TRIBUNEN
Gut, Herr.

MENENIUS
In welcher Schlechtigkeit ist Marcius arm, in welcher ihr beide nicht reich seid?

BRUTUS
Er ist nicht arm an irgendeinem Fehler, sondern mit allen ausgestattet.

SICINIUS
Vorzüglich mit Stolz.

BRUTUS
Und im Prahlen übertrifft er jeden andern.

MENENIUS
Das ist doch seltsam! Wißt ihr beide wohl, wie ihr in der Stadt beurteilt werdet? Ich meine, von uns, aus den höhern Ständen. Wißt ihr?

[BRUTUS] BEIDE TRIBUNEN
Nun, wie werden wir denn beurteilt?

MENENIUS
Weil ihr doch eben vom Stolz sprachet - Wollt ihr nicht böse werden?

[BRUTUS] BEIDE TRIBUNEN
Nur weiter, Herr, weiter!

MENENIUS
Nun, es ist auch gleichgültig, denn ein sehr kleiner Dieb von Gelegenheit raubt euch wohl einen sehr großen Vorrat von Geduld. Laßt eurer Gemütsart den Zügel schießen und werdet böse, soviel ihr Lust habt; wenigstens, wenn es euch Vergnügen macht, es zu sein. Ihr tadelt Marcius wegen seines Stolzes?

BRUTUS
Wir tun es nicht allein, Herr.

MENENIUS
Das weiß ich wohl. Ihr könnt sehr wenig allein tun; denn eurer Helfer sind viele, sonst würden auch eure Taten außerordentlich einfältig herauskommen; eure Fähigkeiten sind allzu kindermäßig, um vieles allein zu tun. Ihr sprecht von Stolz. - O könntet ihr den Sack auf eurem Rücken sehn und eine glückliche Überschau eures eignen edlen Selbst anstellen. - O könntet ihr das!

[BRUTUS] BEIDE TRIBUNEN
Und was dann?

MENENIUS
Ei, dann entdecktet ihr ein paar so verdienstlose, stolze, gewaltsame, hartköpfige Magistratspersonen, alias Narren, als nur irgendwelche in Rom.

SICINIUS
Menenius, Ihr seid auch bekannt genug.

MENENIUS
Ich bin bekannt als ein launiger Patrizier und einer, der einen Becher heißen Weins liebt, mit keinem Tropfen Tiberwasser gemischt. Man sagt, ich sei etwas schwach darin, immer den ersten Kläger zu begünstigen; hastig und entzündbar bei zu kleinen Veranlassungen; einer, der mit dem Hinterteil der Nacht mehr Verkehr hat als mit der Stirn des Morgens. Was ich denke, sag ich, und verbrauche meine Bosheit in meinem Atem. Wenn ich zwei solchen Staatsmännern begegne, wie ihr seid - Lykurgusse kann ich euch nimmermehr nennen -, und das Getränk, das ihr mir bietet, meinem Gaumen widerwärtig schmeckt, so mache ich ein krauses Gesicht dazu. Ich kann nicht sagen: Euer Edlen haben die Sache sehr gut vorgetragen, wenn ich den Esel aus jedem eurer Worte herausgucken sehe; und obwohl ich mit denen Geduld haben muß, welche sagen, ihr seid ehrwürdige, stattliche Männer, so lügen doch die ganz abscheulich, welche behaupten, ihr hättet gute Gesichter. Wenn ihr dies auf der Landkarte meines Mikrokosmus entdeckt, folgt daraus, daß ich »auch bekannt genug« bin? Welch Unheil lesen eure blinden Scharfsichtigkeiten aus diesem Charakter heraus, um sagen zu können, daß ich »auch bekannt genug« bin?

BRUTUS
Geht, Herr, geht! Wir kennen Euch gut genug.

MENENIUS
Ihr kennt weder mich, euch selbst, noch irgend etwas. Ihr seid nach der armen Schelmen Mützen und Kratzfüßen ehrgeizig. Ihr bringt einen ganzen, ausgeschlagenen Vormittag damit zu, einen Zank zwischen einem Pomeranzenweibe und einem Kneipschenken abzuhören, und vertagt dann die Streitfrage über drei Pfennig auf den nächsten Gerichtstag. Wenn ihr das Verhör über irgendeine Angelegenheit zwischen zwei Parteien habt, und es trifft sich, daß ihr von der Kolik gezwickt werdet, so macht ihr Gesichter wie die Possenreißer, steckt die blutige Fahne gegen alle Geduld auf und brecht, nach einem Nachttopf brüllend, die Verhandlung ab, nachdem alles nur noch verwickelter geworden ist durch euer Verhör. Ihr stiftet keinen andern Frieden in dem Handel, als daß ihr beide Parteien Schurken nennt. Ihr seid ein paar seltsame Kreaturen!

BRUTUS
Geht, geht! Man weiß recht gut von Euch, daß Ihr ein beßrer Spaßmacher bei der Tafel seid als ein unentbehrlicher Beisitzer auf dem Kapitol.

MENENIUS
Selbst unsre Priester müssen Spötter werden, wenn ihnen so lächerliche Geschöpfe aufstoßen wie ihr. Wenn ihr auch am zweckmäßigsten sprecht, so ist es doch das Wackeln eurer Bärte nicht wert; und für eure Bärte wäre es ein zu ehrenvolles Grab, das Kissen eines Flickschneiders zu stopfen oder in eines Esels Packsattel eingesargt zu werden. Und doch müßt ihr sagen: Marcius ist stolz, der, billig gerechnet, mehr wert ist als alle eure Vorfahren seit Deucalion; wenn auch vielleicht einige der Besten von ihnen erbliche Henkersknechte waren. Ich wünsch Euer Gnaden einen guten Abend; längere Unterhaltung mit euch würde mein Gehirn anstecken, denn ihr seid ja die Hirten des Plebejerviehes. Ich bin so dreist, mich von euch zu beurlauben.
Brutus und Sicinius ziehen sich in den Hintergrund zurück. Volumnia, Virgilia und Valeria etc. kommen.
Wie gehts, meine ebenso schönen als ehrenwerten Damen? Luna selbst, wandelte sie auf Erden, wäre nicht edler. Wohin folgt Ihr Euren Augen so schnell?

VOLUMNIA
Ehrenwerter Menenius, mein Sohn Marcius kommt. Um der Juno willen, halt uns nicht auf!

MENENIUS
Wie, Marcius kommt zurück?

VOLUMNIA
Ja, teurer Menenius, und mit der herrlichsten Auszeichnung.

MENENIUS
Da hast du meine Mütze, Jupiter, und meinen Dank. Ha! Marcius kommt!

BEIDE FRAUEN
Ja, es ist wahr.

VOLUMNIA
Seht, hier ist ein Brief von ihm; der Senat hat auch einen, seine Frau einen, und ich glaube, zu Hause ist noch einer für Euch.

MENENIUS
Mein ganzes Haus muß heut nacht herumtanzen. Ein Brief an mich?

VIRGILIA
Ja, gewiß, es ist ein Brief für Euch da, ich habe ihn gesehn.

MENENIUS
Ein Brief an mich! Das macht mich für sieben Jahre gesund; in der ganzen Zeit will ich dem Arzt ein Gesicht ziehen. Das herrlichste Rezept im Galen ist dagegen nur Quacksalbsudelei und gegen dies Bewahrungsmittel nicht besser als ein Pferdetrank. Ist er nicht verwundet? Sonst pflegte er verwundet zurückzukommen.

VIRGILIA
O nein, nein, nein!

VOLUMNIA
O er ist verwundet, ich danke den Göttern dafür.

MENENIUS
Das tue ich auch, wenn es nicht zu arg ist. Bringt er Sieg in der Tasche mit? - Die Wunden stehn ihm gut.

VOLUMNIA
Auf der Stirn, Menenius. Er kommt zum drittenmal mit dem Eichenkranz heim.

MENENIUS
Hat er den Aufidius tüchtig in die Lehre genommen?

VOLUMNIA
Titus Lartius schrieb: Sie fochten miteinander, aber Aufidius entkam.

MENENIUS
Und es war Zeit für ihn, das kann ich ihm versichern. Hätte er ihm standgehalten, so hätte ich nicht mögen so gefidiust werden für alle Kisten in Corioli und das Gold, das in ihnen ist. Ist das dem Senat gemeldet?

VOLUMNIA
Liebe Frauen, laßt uns gehn! - Ja, ja, ja! - Der Senat hat Briefe vom Feldherrn, der meinem Sohn allein den Ruhm dieses Krieges zugesteht. Er hat in diesem Feldzuge alle seine frühern Taten übertroffen.

VALERIA
Gewiß, es werden wunderbare Dinge von ihm erzählt.

MENENIUS
Wunderbar? Ja, ich stehe Euch dafür, nicht ohne sein wahres Verdienst.

VIRGILIA
Geben die Götter, daß sie wahr seien!

VOLUMNIA
Wahr! Pah!

MENENIUS
Wahr? Ich schwöre, daß sie wahr sind. - Wo ist er verwundet?
Zu den Tribunen, die hervortreten.
Gott tröste Euer liebwertesten Gnaden, Marcius kommt nach Hause und hat nun noch mehr Ursach, stolz zu sein. - Wo ist er verwundet?

VOLUMNIA
In der Schulter und am linken Arm. Das wird große Narben geben, sie dem Volk zu zeigen, wenn er um seine Stelle sich bewirbt. Als Tarquin zurückgeschlagen wurde, bekam er sieben Wunden an seinem Leib.

MENENIUS
Eine im Nacken und zwei im Schenkel, es sind neun, soviel ich weiß.

VOLUMNIA
Vor diesem letzten Feldzuge hatte er fünfundzwanzig Wunden.

MENENIUS
Nun sind es siebenundzwanzig, und jeder Riß war eines Feindes Grab.
Trompeten und Freudengeschrei.
Hört die Trompeten!

VOLUMNIA
Sie sind des Marcius Herold'! Vor sich trägt er
Gejauchz der Lust, läßt Tränen hinter sich.
Der finstre Tod liegt ihm im nervigen Arm;
Erhebt er ihn, so stürzt der Feinde Schwarm.
Trompeten. Es treten auf Cominius und Titus Lartius, zwischen ihnen Coriolanus mit einem Eichenkranz geschmückt, Anführer, Krieger, ein Herold.

HEROLD
Kund sei dir, Rom, daß Marcius ganz allein
Focht in Corioli und mit Ruhm erwarb
Zu Cajus Marcius einen Namen: dieser
Folgt ruhmvoll: Cajus Marcius Coriolanus. -
Gegrüßt in Rom, berühmter Coriolanus!
Trompeten.

ALLE
Gegrüßt in Rom, berühmter Coriolanus!

CORIOLANUS
Laßts nun genug sein, denn es kränkt mein Herz.
Genug, ich bitte!

COMINIUS
                   Sieh, Freund, deine Mutter!

CORIOLANUS
Oh!
Ich weiß, zu allen Göttern flehtest du
Für mein Gelingen.
Er kniet vor ihr nieder.

VOLUMNIA
Nein; auf, mein wackrer Krieger,
Mein edler Marcius, würdger Cajus, und
Durch taterkaufte Ehren neu benannt;
Wie wars doch? Coriolan muß ich dich nennen?
Doch sieh, dein Weib.

CORIOLANUS
                       Mein lieblich Schweigen, Heil!
Hättst du gelacht, kam auf der Bahr ich heim,
Da weinend meinen Sieg du schaust? O Liebe!
So in Corioli sind der Witwen Augen,
Der Mütter, Söhne klagend.

MENENIUS
Die Götter krönen dich!

CORIOLANUS
Ei, lebst du noch?
Zu Valeria.
                    O edle Frau, verzeiht!

VOLUMNIA
Wohin nur wend ich mich? Willkommen heim!
Willkommen, Feldherr! Alle sind willkommen!

MENENIUS
Willkommen tausendmal! Ich könnte weinen
Und lachen; ich bin leicht und schwer. Willkommen!
Ein Fluch entwurzle eines jeden Herz,
Der nicht mit Freuden dich erblickt. Euch drei
Muß Rom vergöttern. - Doch, auf Treu und Glauben,
Holzäpfel, alte, stehn noch hier, die niemals
Durch Pfropfen sich veredeln. Heil euch, Krieger!
Die Nessel nennen wir nur Nessel, und
Der Narren Fehler Narrheit.

COMINIUS
                             Stets der Alte!

CORIOLANUS
Immer Menenius, immer.

HEROLD
Platz da! Weiter.

CORIOLANUS
zu Frau und Mutter.
                   Deine Hand, und deine!
Eh noch mein eignes Haus mein Haupt beschattet,
Besuch ich erst die trefflichen Patrizier,
Von denen ich nicht Grüße nur empfing,
Auch mannigfache Ehren.

VOLUMNIA
                         Ich erlebt es,
Erfüllt zu sehn den allerhöchsten Wunsch,
Den kühnsten Bau der Einbildung. Nur eins
Bleibt noch als Wunsch, und das, ich zweifle nicht,
Wird unser Rom dir schenken.

CORIOLANUS
                              Gute Mutter,
Ich bin auf meinem Weg ihr Sklave lieber,
Als auf dem ihrigen mit ihnen Herrscher.

COMINIUS
Zum Kapitol.
Trompeten. Hörner. Sie gehn alle im feierlichen Zuge ab, wie sie kamen. Die Tribunen bleiben.

BRUTUS
Von ihm spricht jeder Mund; das blöde Auge
Trägt Brillen, ihn zu sehn. Die Amme, schwatzend,
Läßt bis zu Krämpfen ihren Säugling schrein,
Von ihm herplappernd. Seht, die Küchenschlampe
Knüpft um den rußigen Hals ihr bestes Leinen,
Die Wand erkletternd; Buden, Bänk und Fenster
Gefüllt, das Dach besetzt, der First beritten
Mit vielerlei Gestaltung: alle einig
In Gier, nur ihn zu schaun. Es drängen sich
Fast nie gesehne Priester durch den Schwarm
Und stoßen, um beim Pöbel Platz zu finden;
Verhüllte Fraun ergeben Weiß und Rot
Auf zartgeschonter Wang dem wilden Raub
Von Phöbus' Feuerküssen. Solch ein Wirrwarr,
Als wenn ein fremder Gott, der mit ihm ist,
Sich still in seine Menschenart geschlichen
Und ihm der Anmut Zauber mitgeteilt.

SICINIUS
Im Umsehn, glaub mir, wird er Konsul sein.

BRUTUS
Dann schlafe unser Amt, solang er herrscht.

SICINIUS
Er kann nicht mäßgen Schritts die Würden tragen
Vom Anfang bis zum Ziel; er wird vielmehr
Verlieren den Gewinn.

BRUTUS
                       Das ist noch Trost.

SICINIUS
O zweifelt nicht: das Volk, für das wir stehn,
Vergißt, nach seinem alten Grolle, leicht
Bei kleinstem Anlaß diesen neuen Glanz;
Und daß er Anlaß gibt, ist so gewiß,
Als ihn sein Hochmut spornt.

BRUTUS
                              Ich hört ihn schwören,
Würb er ums Konsulat, so wollt er nicht
Erscheinen auf dem Marktplatz, noch sich hüllen
Ins abgetragne, schlichte Kleid der Demut;
Noch, wie die Sitt ist, seine Wunden zeigend
Dem Volk, um ihren Übeln Atem betteln.

SICINIUS
                                        Gut!

BRUTUS
So war sein Wort. Eh gibt ers auf, als daß
Ers nimmt, wenn nicht der Adel ganz allein
Es durchsetzt mit den Vätern.

SICINIUS
                               Höchst erwünscht!
Bleibt er nur bei dem Vorsatz und erfüllt ihn,
Kommts zur Entscheidung.

BRUTUS
                          Glaubts, er wird es tun.

SICINIUS
Das wird für ihn, wie unser Wohl es will,
Der sichre Sturz.

BRUTUS
                   So muß es sich entscheiden,
Sonst fallen wir. Zu diesem Endzweck denn
Bereden wir das Volk, daß er sie stets
Gehaßt; und, hätt er Macht, zu Eseln sie
Umschafft', verstummen hieße ihre Sprecher
Und ihre Freiheit bräche, sie so haltend,
In Fähigkeit des Geists und Kraft zu handeln,
Von nicht mehr Seel und Tatkraft für die Welt
Als das Kamel im Krieg, das nur sein Futter
Erhält, um Last zu tragen, herbe Schläge,
Wenns unter ihr erliegt.

SICINIUS
                          Dies eingeblasen,
Wenn seine Frechheit einst im höchsten Flug
Das Volk erreicht - worans nicht fehlen wird,
Bringt man ihn auf, und das ist leichter noch
Als Hund' auf Schafe hetzen -, wird zur Glut,
Ihr dürr Gestrüpp zu zünden, dessen Dampf
Ihn schwärzen wird auf ewig.
Ein Bote tritt auf.

BRUTUS
                              Nun, was gibts?

BOTE
Ihr seid aufs Kapitol geladen. Sicher
Glaubt man, daß Marcius Konsul wird. Ich sah
Die Stummen drängen, ihn zu sehn, die Blinden,
Ihn zu vernehmen, Frauen warfen Handschuh',
Jungfraun und Mädchen Bänder hin und Tücher,
Wo er vorbeiging; die Patrizier neigten
Sich wie vor Jovis Bild. Das Volk erregte
Mit Schrein und Mützenwerfen Donnerschauer.
So etwas sah ich nie.

BRUTUS
                       Zum Kapitol!
Habt Ohr und Auge, wie's die Zeit erheischt,
Und Herz für die Entscheidung.

SICINIUS
                                Nehmt mich mit!
Alle ab.




ZWEITE SZENE

Rom. Das Kapitol


Zwei Ratsdiener, welche Polster legen.

ERSTER RATSDIENER
Komm, komm! Sie werden gleich hier sein. Wie viele werben um das Konsulat?

ZWEITER RATSDIENER
Drei, heißt es; aber jedermann glaubt, daß Coriolanus es bekommt.

ERSTER RATSDIENER
Das ist ein wackrer Gesell; aber er ist verzweifelt stolz und liebt das gemeine Volk nicht.

ZWEITER RATSDIENER
Ei, es hat viel große Männer gegeben, die dem Volk schmeichelten und es doch nicht liebten. Und es gibt manche, die das Volk geliebt hat, ohne zu wissen, warum. Also, wenn sie lieben, so wissen sie nicht, weshalb, und sie hassen aus keinem besseren Grunde; darum, weil es den Coriolanus nicht kümmert, ob sie ihn lieben oder hassen, beweist er die richtige Einsicht, die er von ihrer Gemütsart hat; und seine edle Sorglosigkeit zeigt ihnen dies deutlich.

ERSTER RATSDIENER
Wenn er sich nicht darum kümmerte, ob sie ihn lieben oder nicht, so würde er sich unparteiisch in der Mitte halten und ihnen weder Gutes noch Böses tun; aber er sucht ihren Haß mit größerm Eifer, als sie es ihm erwidern können, und unterläßt nichts, was ihn vollständig als ihren Gegner zeigt. Nun, sich die Miene geben, daß man nach dem Haß und dem Mißvergnügen des Volkes strebt, ist so schlecht, wie das, was er verschmäht: ihnen um ihrer Liebe willen zu schmeicheln.

ZWEITER RATSDIENER
Er hat sich um sein Vaterland sehr verdient gemacht. Und sein Aufstieg ist nicht über so bequeme Staffeln wie bei denen, welche geschmeidig und höflich gegen das Volk, mit geschwenkten Mützen, ohne weitre Tat, Achtung und Ruhm einfingen. Er aber hat seine Verdienste ihren Augen und seine Taten ihren Herzen so eingepflanzt, daß, wenn ihre Zungen schweigen wollten und dies nicht eingestehn, es eine Art von undankbarer Beschimpfung sein würde; es zu leugnen wäre eine Bosheit, die, indem sie sich selbst Lügen strafte, von jedem Ohr, das sie hörte, Vorwurf und Tadel erzwingen müßte.

ERSTER RATSDIENER
Nichts mehr von ihm; er ist ein würdiger Mann. Mach Platz, sie kommen.
Trompeten. Es treten auf: der Konsul Cominius, dem die Liktoren vorausgehen, Menenius, Coriolanus, mehrere Senatoren, Sicinius und Brutus. Senatoren und Tribunen nehmen ihre Plätze, die Tribunen abseits von den anderen.

MENENIUS
Da ein Beschluß gefaßt, der Volsker wegen,
Und wir den Titus Lartius heimberufen,
Bleibt noch als Hauptpunkt dieser zweiten Sitzung,
Des Helden edlen Dienst zu lohnen, der
So für sein Vaterland gekämpft. Geruht denn,
Ehrwürdige, ernste Väter, und erlaubt
Ihm, der jetzt Konsul ist und Feldherr war
In unserm wohlbeschloßnen Krieg, ein wenig
Zu sagen von dem edlen Werk, vollführt
Durch Cajus Marcius Coriolanus, der
Hier mit uns ist, um dankbar ihn zu grüßen
Durch Ehre, seiner wert.

ERSTER SENATOR
                          Cominius, sprich;
Laß, als zu lang, nichts aus. Wir glauben eh,
Daß unserm Staat die Macht zu lohnen fehlt,
Als uns der weitste Wille. Volksvertreter,
Wir bitten euer freundlich Ohr und dann
Eur günstig Fürwort beim gemeinen Volk,
Daß gelte, was wir wünschen.

SICINIUS
                               Wir sind hier
Auf freundliches Vernehmen; unsre Herzen
Nicht abgeneigt zu ehren, zu befördern
Ihn, der uns hier versammelt.

BRUTUS
                               Um so lieber
Tun wir dies freudigen Muts, gedenkt er auch
Des Volks mit beßrem Sinn, als er bisher
Es hat geschätzt.

MENENIUS
                   Das paßt nicht, paßt hier nicht.
Ihr hättet lieber schweigen solln. Gefällts euch,
Cominius anzuhören?

BRUTUS
                     Herzlich gern.
Doch war mein Warnen besser hier am Platz
Als der Verweis.

MENENIUS
                  Er liebt ja Euer Volk;
Doch zwingt ihn nicht, ihr Schlafgesell zu sein.
Edler Cominius, sprich!
Coriolanus steht auf und will gehn.
                         Nein, bleib nur sitzen!

ERSTER SENATOR
Bleib, Coriolanus, schäm dich nicht, zu hören,
Was edel du getan.

CORIOLANUS
                    Verzeiht mir, Väter,
Eh will ich noch einmal die Wunden heilen,
Als hören, wie ich dazu kam.

BRUTUS
                              Ich hoffe,
Mein Wort vertrieb Euch nicht.

CORIOLANUS
                                O nein! Doch oft
Hielt ich den Streichen stand und floh vor Worten.
Nicht schmeichelt und drum kränkt Ihr nicht. Eur Volk,
Das lieb ich nach Verdienst.

MENENIUS
                              Setzt Euch!

CORIOLANUS
                                           Eh ließ' ich
Im warmen Sonnenschein den Kopf mir kratzen,
Wenn man zum Angriff bläst, als, müßig sitzend,
Mein Nichts zum Fabelwerk vergrößern hören.
Geht ab.

MENENIUS
Volksvertreter!
Wie könnt er eurer scheckigen Brut wohl schmeicheln,
Wo einer gut im Tausend, wenn ihr seht,
Er wagt eh alle Glieder für den Ruhm,
Als eins von seinen Ohren, ihn zu hören?
Cominius, fahre fort!

COMINIUS
Mir fehlts an Stimme. Coriolanus' Taten
Soll man nicht schwach verkünden. Wie man sagt,
Ist Mut die erste Tugend und erhebt
Zumeist den Eigner; ist es so, dann wiegt
Den Mann, von dem ich sprech, in aller Welt
Kein andrer auf. Mit sechzehn Jahren schon,
Da, als Tarquin Rom überzog, da focht er
Voraus den Besten. Der Diktator, hoch
Und groß gepriesen stets, sah seinen Kampf;
Wie er, mit Amazonenkinn noch, jagte
Die bärtgen Lippen; zog aus dem Gedränge
Den hingestürzten Römer; schlug drei Feinde
Im Angesicht des Konsuls; traf Tarquin
Und stürzt' ihn auf das Knie. An jenem Tag,
Als er ein Weib konnt auf der Bühne spielen,
Zeigt' er sich ganz als Mann im Kampf; zum Lohn
Ward ihm der Eichenkranz. Sein zartes Alter
Gereift zum Manne, wuchs er, gleich dem Meer,
Und seit der Zeit, im Sturm von siebzehn Schlachten,
Streift' er den Kranz von jedem Schwert. Sein Letztes,
Erst vor, dann in Corioli, ist so,
Daß jedes Lob verarmt. Die Fliehnden hemmt' er,
Und durch sein hohes Beispiel ward dem Feigsten
Zum Spiel das Schrecknis. So wie Binsen tauchen
Dem Schiff im Segeln, wichen ihm die Menschen
Und schwanden seinem Streich. Sein Schwert, es wirkte
Als Todesstempel, wo es traf. Von Kopf bis Fuß
War er ein blutig Ding, des Zucken jeweils
Todesgeschrei erregt'. Allein betrat er
Das Todestor der Stadt, das er bemalt
Mit unentrinnbarm Weh; tritt, keiner half ihm,
Heraus und schlägt mit plötzlicher Verstärkung
Die Stadt, wie Götterkraft. Sein ist nun alles,
Da plötzlich weckt ihm Schlachtgetöse rufend
Den wachen Sinn, und schnell den Mut verdoppelnd,
Belebt sich frisch sein arbeitmüder Leib:
Er stürzt in neuen Kampf und schreitet nun
Blutdampfend über Menschenleben hin,
Als folg ihm Mord und Tod. Und bis wir Stadt
Und Schlachtfeld unser nannten, ruht' er nicht,
Um Atem nur zu schöpfen.

MENENIUS
                          Würdiger Mann!

ERSTER SENATOR
Im vollsten Maß ist er der Ehre wert,
Die seiner harrt.

COMINIUS
                   Die Beute stieß er weg.
Kostbare Dinge sah er an, als wärs
Gemeiner Staub und Kehricht; wenger nimmt er,
Als selbst der Geiz ihm gäbe. Ihm ist Lohn
Für Großtat, sie zu tun. Zufrieden ist er,
Sein Leben so zu opfern ohne Zweck.

MENENIUS
Er ist von wahrem Adel. Ruft ihn her!

ERSTER SENATOR
Ruft Coriolanus!

ERSTER RATSDIENER
                  Er tritt schon herein.
Coriolanus kommt zurück.

MENENIUS
Mit Freud ernennt dich, Coriolan, zum Konsul
Der sämtliche Senat.

CORIOLANUS
                      Stets weih ich ihm
Mein Leben, meinen Dienst.

MENENIUS
                            Jetzt bleibt nur noch,
Daß du das Volk anredest.

CORIOLANUS
                            Ich ersuch euch,
Erlaßt mir diesen Brauch; denn ich kann nicht
Das Kleid antun, entblößt stehn und sie bitten
Um ihre Stimmen, meiner Wunden wegen.
Erlaubt, die Sitte zu umgehn.

SICINIUS
                               Das Volk, Herr,
Besteht auf seinem Stimmrecht, läßt nicht fahren
Den kleinsten Punkt des Brauches.

MENENIUS
                                   Reizt es nicht,
Nein, bitte, fügt Euch dem Gebrauch und nehmt,
Wie es bisher die Konsuln all getan,
Die Würd in ihrer Form.

CORIOLANUS
                         's ist eine Rolle,
Die ich errötend spiel; auch wär es gut,
Dem Volke dies zu nehmen.

BRUTUS
                           Hört ihr das?

CORIOLANUS
Vor ihnen prahlen: Dies tat ich und das;
Geheilte Schmarren zeigen, die ich bergen sollte,
Als hätt ich sie um ihres Atems Lohn
Allein bekommen.

MENENIUS
                  Nein, du mußt dich fügen.
Ihr Volkstribunen, euch empfehlen wir:
Macht den Entschluß bekannt. Dem edlen Konsul
Sei alle Freud und Ehre!

SENATOREN
Den Coriolanus kröne Freud und Ehre!
Trompeten. [Die Senatoren] Alle außer Sicinius und Brutus gehn.

BRUTUS
Ihr seht, wie er das Volk behandeln will.

SICINIUS
Wenn sie's nur merkten. Er wird sie ersuchen,
Als achte er nicht, daß, worum er bittet,
In ihren Händen liegt.

BRUTUS
                        Jedoch sogleich
Erfahren sie, was hier geschah. Ich weiß,
Sie warten unser auf dem Markt.
Sie gehn ab.




DRITTE SZENE

Rom. Das Forum


Mehrere Bürger treten auf.

ERSTER BÜRGER
Ein und für allemal: Wenn er unsre Stimmen verlangt, können wir sie ihm nicht abschlagen.

ZWEITER BÜRGER
Wir können Freund, wenn wir wollen.

DRITTER BÜRGER
Wir haben freilich die Gewalt; aber es ist eine Gewalt, die wir nicht Gewalt haben, zu gebrauchen. Denn wenn er uns seine Wunden zeigt und seine Taten erzählt, so müssen wir unsre Zungen in diese Wunden legen und für ihn sprechen; ebenso, wenn er uns seine edlen Taten mitteilt, so müssen wir ihm unsre edle Anerkennung dieser mitteilen. Undankbarkeit ist ungeheuer; wenn die Menge nun undankbar wäre, das hieße, aus der Menge ein Ungeheuer machen; wir, die wir Glieder derselben sind, würden ja dadurch Ungeheuerglieder werden.

ERSTER BÜRGER
Und es fehlt wenig, daß wir für nichts besser gehalten werden; denn dazumal, als wir wegen des Korns einen Aufstand machten, scheute er sich nicht, uns die vielköpfige Menge zu nennen.

DRITTER BÜRGER
So hat uns schon mancher genannt. Nicht, weil von unsern Köpfen einige braun, einige schwarz, einige scheckig und einige kahl sind, sondern weil unser Witz so vielfarbig ist; und das glaube ich wahrhaftig, auch wenn alle unsre Witze aus einem und demselben Schädel herausgelassen würden, so flögen sie nach Ost, West, Nord und Süd; und wollte jeder seinen graden Weg suchen, so würden sie zugleich auf allen Punkten des Kompasses sein.

ZWEITER BÜRGER
Glaubst du das? Wohin, denkst du, würde dann mein Witz fliegen?

DRITTER BÜRGER
Oh, dein Witz kann nicht so schnell heraus als der von andern Leuten, denn er ist zu fest in einen Klotzkopf eingekeilt; aber wenn er seine Freiheit hätte, so würde er gewiß südwärts fliegen.

ZWEITER BÜRGER
Warum dahin?

DRITTER BÜRGER
Um sich in einem Nebel zu verlieren; wären nun drei Viertel davon in faulem Dunst weggeschmolzen, so würde der letzte Teil aus Gewissenhaftigkeit zurückkommen, um dir zu einer Frau zu verhelfen.

ZWEITER BÜRGER
Du hast immer deine Schwänke im Kopf. Schon gut, schon gut!

DRITTER BÜRGER
Seid ihr alle entschlossen, eure Stimmen zu geben? Aber das macht nichts; die größere Zahl setzt es durch. Ich bleibe dabei: Wenn er dem Volke geneigter wäre, so gab es nie einen bessern Mann.
[Coriolanus und Menenius treten auf.]
Hier kommt er, und zwar im Gewand der Demut. Gebt acht auf sein Betragen! - Wir müssen nicht so beisammen bleiben, sondern zu ihm gehn, wo er steht, einzeln oder zu zweien und dreien. Er muß jedem besonders seine Bitte vortragen, dadurch erlangt der einzelne die Ehre, ihm seine eigne Stimme mit seiner eignen Zunge zu geben. Darum folgt mir, und ich will euch anweisen, wie ihr zu ihm gehn sollt.

ALLE
Recht so, recht so!
Sie gehn ab. Coriolanus und Menenius treten auf.

MENENIUS
Nein, Freund, Ihr habt nicht recht. Wißt Ihr denn nicht,
Die größten Männer tatens.

CORIOLANUS
                                  Was nur sag ich?
»Ich bitte, Herr!« - Verdammt, ich kann die Zunge
In diesen Gang nicht bringen. »Seht die Wunden -
Im Dienst des Vaterlands empfing ich sie,
Als einge Eurer Brüder brüllend liefen
Vor unsern eignen Trommeln.«

MENENIUS
                              Nein. - Ihr Götter!
Nicht davon müßt Ihr reden. Nein, sie bitten,
An Euch zu denken.

CORIOLANUS
                    An mich denken! Hängt sie!
Vergäßen sie mich lieber, wie die Tugend,
Umsonst von Priestern eingeschärft.

MENENIUS
                                     Ich bitte!
Verderbt nicht alles, sprecht sie an; doch, bitt ich,
Anständger Weis'.
[Menenius ab. Es kommen zwei Bürger.]

CORIOLANUS
                   Heiß ihr Gesicht sie waschen
Und ihre Zähne putzen!
Menenius ab.
                        Ach, da kommt so 'n Paar!
Zwei Bürger kommen zurück.
Ihr wißt den Grund, weshalb ich hier bin, Freund.

ERSTER BÜRGER
Jawohl; doch sagt, was Euch dazu gebracht?

CORIOLANUS
Mein eigner Wert.

ZWEITER BÜRGER
                   Euer eigner Wert?

CORIOLANUS
                                      Ja. Nicht
Mein eigner Wunsch.

ERSTER BÜRGER
                     Wie, nicht Euer eigner Wunsch?

CORIOLANUS
Nein, Freund! Nie wars mein eigner Wunsch, mit Betteln
Den Armen zu belästgen.

ERSTER BÜRGER
                         Ihr müßt denken,
Wenn wir Euch etwas geben, ists in Hoffnung,
Durch Euch auch zu gewinnen.

CORIOLANUS
Gut, sagt mir denn den Preis des Konsulats.

ERSTER BÜRGER
Der Preis ist, freundlich drum zu bitten.

CORIOLANUS
                                           Freundlich?
Ich bitte, gönnt mirs. Wunden kann ich zeigen,
Wenn wir allein sind. - Eure Stimme, Herr!
Was sagt Ihr?

ZWEITER BÜRGER
               Würdger Mann, Ihr sollt sie haben!

CORIOLANUS
Geschloßner Kauf!
Zwei edle Stimmen also schon erbettelt.
Eure Pfennge hab ich! - Geht!

ERSTER BÜRGER
                               Doch das ist seltsam.

ZWEITER BÜRGER
Müßt ich sie nochmals geben - doch - meinthalb.
Sie gehn ab. Zwei andere Bürger kommen.

CORIOLANUS
Ich bitte euch nun, wenn sichs zu dem Tone eurer Stimmen paßt, daß ich Konsul werde; ich habe hier den üblichen Rock an.

DRITTER BÜRGER
Ihr habt Euch edel um Euer Vaterland verdient gemacht und habt Euch auch nicht edel verdient gemacht.

CORIOLANUS
Euer Rätsel?

DRITTER BÜRGER
Ihr waret eine Geißel für seine Feinde; Ihr waret eine Rute für seine Freunde. Ihr habt, die Wahrheit zu sagen, das gemeine Volk nicht geliebt.

CORIOLANUS
Ihr solltet mich für um so tugendhafter halten, da ich meine Liebe nicht gemein gemacht habe. Freund, ich will meinem geschworenen Bruder, dem Volk, schmeicheln, um eine beßre Meinung von ihm zu ernten: es ist ja eine Eigenschaft, die sie hoch anrechnen. Und da der Weisheit ihrer Wahl mein Hut lieber ist als mein Herz, so will ich mich auf die einschmeichelnde Verbeugung üben und mich mit ihnen abfinden auf ganz nachäffende Art. Das heißt, Freund, ich will die Bezauberungskünste irgendeines Volksfreundes nachäffen und den Verlangenden höchst freigebig mitteilen. Deshalb bitt ich Euch: laßt mich Konsul werden!

VIERTER BÜRGER
Wir hoffen, uns in Euch einen Freund zu erwerben, und geben Euch darum unsre Stimmen herzlich gern.

DRITTER BÜRGER
Ihr habt auch mehrere Wunden für das Vaterland empfangen.

CORIOLANUS
Ich will Eure Kenntnis nicht dadurch besiegeln, daß ich sie Euch zeige. Ich will Eure Stimmen sehr hoch schätzen und Euch nun nicht länger zur Last fallen.

BEIDE BÜRGER
Die Götter geben Euch Freude: das wünschen wir aufrichtig.
Die Bürger gehn ab.

CORIOLANUS
O süße Stimmen!
Lieber verhungert, lieber gleich gestorben,
Als Lohn erbetteln, den wir erst erworben.
Warum soll hier mit Wolfsgeheul ich stehn,
Um Hinz und Kunz und jeden anzuflehn
Um nutzlos Fürwort? Weils der Brauch verfügt.
Doch wenn sich alles vor Gebräuchen schmiegt,
Wird nie der Staub des Alters abgestreift,
Berghoher Irrtum wird so aufgehäuft,
Daß Wahrheit nie ihn überragt. Eh zahm
Noch Narr ich bin, sei aller Ehrenkram
Dem, dens gelüstet. - Halb ists schon geschehn,
Viel überstanden, mags nun weitergehn.
[Drei andre Bürger kommen.]
Mehr Stimmen noch!
Drei andere Bürger kommen zurück.
Eure Stimmen! Denn für eure Stimmen focht ich,
Für eure Stimmen wacht ich, für eure Stimmen
Hab ich zwei Dutzend Narben; achtzehn Schlachten
Hab ich gesehn, gehört; für eure Stimmen
Getan sehr vieles, minder, mehr. Eure Stimmen!
Gewiß, gern wär ich Konsul.

FÜNFTER BÜRGER
Er hat edel gehandelt, und kein redlicher Mann kann ihm seine Stimme versagen.

SECHSTER BÜRGER
Darum laßt ihn Konsul werden. Die Götter verleihen ihm Glück und machen ihn zum Freund des Volkes.

ALLE
Amen, Amen!
Gott schütz dich, edler Konsul!
Sie gehen ab.

CORIOLANUS
                                 Würdge Stimmen!
[Die Bürger gehn ab.]
Menenius, Sicinius und Brutus treten auf.

MENENIUS
Ihr gnügtet jetzt der Vorschrift. Die Tribunen
Erhöhen Euch durch Volkesstimm, es bleibt nur,
Daß im Gewand der Würde Ihr alsbald
Nun den Senat besucht.

CORIOLANUS
                        Ist dies nun aus?

SICINIUS
Genügt habt Ihr dem Brauche des Ersuchens,
Das Volk läßt Euch nun zu und ist geladen,
Zu der Bestätigung sich gleich zu sammeln.

CORIOLANUS
Wo? Im Senat?

SICINIUS
               Ja, Coriolanus, dort.

CORIOLANUS
Darf ich die Kleider wechseln?

SICINIUS
                                Ja, Ihr dürft es.

CORIOLANUS
Das will ich gleich; und kenn ich selbst mich wieder,
Mich zum Senat verfügen.

MENENIUS
Ich geh mit Euch. Wollt ihr uns nicht begleiten?

BRUTUS
Wir harren hier des Volks.

SICINIUS
                            Gehabt Euch wohl!
Coriolanus und Menenius gehn ab.
Er hats nun, und mich dünkt, sein Blick verriet, ihm
Ists warm ums Herz.

BRUTUS
                     Mit stolzem Herzen trug er
Der Demut Kleid. Wollt Ihr das Volk entlassen?
Die Bürger kommen zurück.

SICINIUS
Nun, Freunde, habt ihr diesen Mann erwählt?

ERSTER BÜRGER
Ja, unsre Stimmen hat er.

BRUTUS
Die Götter machen wert ihn eurer Liebe.

ZWEITER BÜRGER
Amen! Nach meiner armen, schwachen Einsicht
Verlacht' er uns, um unsre Stimmen bittend.

DRITTER BÜRGER
Gewiß, er höhnt' uns gradezu.

ERSTER BÜRGER
Nein, das ist seine Art; er höhnt' uns nicht.

ZWEITER BÜRGER
Du bist der Einzige, welcher sagt, er habe
Uns schmählich nicht behandelt. Zeigen sollt er
Die Ehrenmal', fürs Vaterland die Wunden!

SICINIUS
Nun, und das tat er doch?

MEHRERE BÜRGER
                           Nein, keiner sah sie.

DRITTER BÜRGER
Er habe Wunden, insgeheim zu zeigen,
Sprach er, und so den Hut verächtlich schwenkend:
Ich möchte Konsul sein, doch alter Brauch
Erlaubt es nicht als nur durch eure Stimmen.
Drum eure Stimmen! - Als wir eingewilligt,
Da hieß es: Dank für eure Stimmen, dank euch.
O süße Stimmen! Nun ihr gabt die Stimmen,
Stör ich euch länger nicht. - War das kein Hohn?

SICINIUS
Ihr waret blöde, scheints, dies nicht zu sehn;
Und, saht ihrs, allzu kindisch, freundlich doch
Die Stimmen ihm zu leihn.

BRUTUS
                           Was? Spracht ihr nicht
Nach Anweisung? Als er noch ohne Macht
Und nur des Vaterlands geringer Diener,
Da war er euer Feind, sprach stets der Freiheit
Entgegen und den Rechten, die ihr habt
Im Körper unsers Staats; und nun erhoben
Zu mächtgem Einfluß und Regierung selbst -
Wenn er auch da mit bösem Sinn verharrt,
Feind der Plebejer, könnten eure Stimmen
Zum Fluch euch werden! Konntet ihr nicht sagen:
Gebühr auch seinem edlen Tun nichts Mindres,
Als was er suche, mög er doch mit Huld,
Zum Lohn für eure Stimmen, euer denken,
Verwandelnd seinen Haß für euch in Liebe,
Euch Freund und Gönner sein?

SICINIUS
                              Spracht ihr nun so,
Wie man euch riet, so ward sein Geist erregt,
Sein Sinn geprüft, so ward ihm abgelockt
Ein gütiges Versprechen, woran ihr,
Wenn Ursach sich ergab, ihn mahnen konntet.
Wo nicht, so ward sein trotzig Herz erbittert,
Das keinem Punkt sich leicht bequemt, der irgend
Ihn binden kann; so, wenn in Wut gebracht,
Nahmt ihr den Vorteil seines Zornes wahr,
Und er blieb unerwählt.

BRUTUS
                         Bemerktet ihr,
Wie er euch frech verhöhnt', indem er bat,
Da eure Lieb er brauchte? Glaubt ihr denn,
Es werd euch nicht sein Hohn zermalmend treffen,
Wenn er die Macht hat? War in all den Körpern
Denn nicht ein Herz? Habt ihr nur deshalb Zungen,
Vernunfturteil zu überschrein?

SICINIUS
                                Habt ihr
Nicht Bitten sonst versagt? Und jetzo ihm,
Der euch nicht bat, nein, höhnte, wollt ihr schenken
Die Stimmen, die sonst jeder ehrt?

DRITTER BÜRGER
Noch ward er nicht ernannt, wir könnens weigern.

ZWEITER BÜRGER
Und wollens weigern!
Fünfhundert Stimmen schaff ich von dem Klang.

ERSTER BÜRGER
Ich doppelt das und ihre Freund als Zutat.

BRUTUS
So macht euch eilig fort! Sagt diesen Freunden,
Sie wählen einen Konsul, der der Freiheit
Sie wird berauben und so stimmlos machen
Wie Hunde, die man für ihr Kläffen schlägt
Und doch zum Kläffen hält.

SICINIUS
                            Versammelt sie
Und widerruft, nach reiferm Urteil, alle
Die übereilte Wahl! Denkt seines Stolzes
Wie seines alten Grolls auf euch, vergeßt nicht,
Wie er mit Hoffart trug der Demut Kleid,
Wie flehend er euch höhnt'! Nur eure Liebe,
Gedenkend seiner Dienste, hindert' euch,
Zu sehn, wie sein Benehmen jetzt erschien,
Das achtungslos und spöttisch er gestaltet
Nach eingefleischtem Haß.

BRUTUS
                           Legt alle Schuld
Uns, den Tribunen, bei und sprecht: wir drängten
Euch, keines Einwurfs achtend, so, daß ihr
Ihn wählen mußtet -

SICINIUS
                      Sagt, ihr stimmtet bei
Mehr, weil wirs euch befohlen als geleitet
Von eigner, wahrer Lieb; und eur Gemüt
Erfüllt von dem mehr, was ihr solltet tun,
Als was ihr wolltet, gabt ihr eure Stimmen
Ganz gegen euern Sinn. Gebt uns die Schuld!

BRUTUS
Ja, schont uns nicht; sagt, daß wir euch gepredigt,
Wie jung er schon dem Vaterland gedient,
Wie lang seitdem, aus welchem Stamm er sproßt,
Dem edlen Haus der Marcier; daher kam
Auch Ancus Marcius, Numas Tochtersohn,
Der nach Hostilius hier als König herrschte;
Das Haus gab uns auch Publius und Quintus,
Die uns durch Röhren gutes Wasser schafften;
Auch Censorinus, er, des Volkes Liebling,
Den, zweimal Censor, dieser Name schmückte,
Der war sein großer Ahn.

SICINIUS
                          Ein so Entsproßner,
Der außerdem durch eignen Wert verdiente
Den hohen Platz; wir schärften stets euch ein,
Sein zu gedenken; doch da ihr erwägt,
Messend sein jetzges Tun mit dem vergangnen,
Er werd euch ewig Feind sein, widerruft ihr
Den übereilten Schluß.

BRUTUS
                        Sagt, nimmer wärs geschehn
- Darauf kommt stets zurück - ohn unsern Antrieb.
Und eilt, wenn ihr die Stimmenzahl gezogen,
Aufs Kapitol!

MEHRERE BÜRGER
               Das wolln wir. Alle fast
Bereun schon ihre Wahl.
Die Bürger gehn ab.

BRUTUS
                         So gehs nun fort;
Denn besser ists, den Aufstand jetzt zu wagen,
Der später noch gefährlicher sich zeigte.
Wenn er, nach seiner Art, in Wut gerät
Durch ihr Verweigern, so bemerkt und nützt
Den Vorteil seines Zorns.

SICINIUS
                           Zum Kapitol!
Kommt, laßt uns dort sein vor dem Strom des Volks;
Dies soll, wie's gleichsam ist, ihr Wille scheinen,
Was unser Treiben war.
Sie gehn ab.







DRITTER AKT

ERSTE SZENE

Rom. Eine Straße


Hörner. Es treten auf Coriolanus, Menenius, Cominius, Titus Lartius, Senatoren und Patrizier.

CORIOLANUS
Tullus Aufidius drohte denn von neuem?

TITUS
Er tats; und das war auch die Ursach, schneller
Zu schließen den Vergleich.

CORIOLANUS
So stehn die Volsker nun wie sonst, bereit,
Wenn sich der Anlaß bietet, wieder uns
Zu überziehn.

COMINIUS
               Sie sind so matt, o Konsul,
Daß wir wohl kaum in unserm Lebensalter
Ihr Banner fliegen sehn.

CORIOLANUS
                          Saht ihr Aufidius?

TITUS
Ich gab ihm Sicherheit; er kam und fluchte
Ergrimmt den Volskern, die so niederträchtig
Die Stadt geräumt. Er lebt in Antium jetzt.

CORIOLANUS
Sprach er von mir?

TITUS
                    Das tat er, Freund.

CORIOLANUS
                                         Wie? Was?

TITUS
Wie oft er, Schwert an Schwert, Euch angerannt;
Daß er von allen Dingen auf der Welt
Euch hass' zumeist; sein Gut woll er verpfänden
Ohn Hoffnung des Ersatzes, könn er nur
Eur Sieger heißen.

CORIOLANUS
                    Dort in Antium lebt er?

TITUS
                                             In Antium.

CORIOLANUS
O hätt ich Ursach, dort ihn aufzusuchen,
Zu trotzen seinem Haß! Willkommen hier!
Sicinius und Brutus treten auf.
Ha, seht, das da sind unsre Volkstribunen,
Zungen des großen Mundes, mir verächtlich,
Weil sie mit ihrer Amtsgewalt sich brüsten,
Mehr als der Adel dulden kann.

SICINIUS
                                Nicht weiter!

CORIOLANUS
Ha, was ist das?

BRUTUS
                  Es ist gefährlich, geht Ihr -
Zurück!

CORIOLANUS
         Woher der Wechsel?

MENENIUS
                             Was geschah?

COMINIUS
Ward er vom Adel nicht und Volk bestätigt?

BRUTUS
Cominius, nein!

CORIOLANUS
                 Hatt ich von Kindern Stimmen?

ERSTER SENATOR
Macht Platz, Tribunen, er soll auf den Markt.

BRUTUS
Das Volk ist gegen ihn empört.

SICINIUS
                                Halt ein!
Sonst Unheil überall.

CORIOLANUS
                       Dies eure Herde?
Die müssen Stimmen haben, jetzt zum Ja
Und gleich zum Nein? - Und ihr, was schafft denn ihr?
Seid ihr das Maul, regiert nicht ihre Zähne?
Habt ihr sie nicht gehetzt?

MENENIUS
                             Seid ruhig, ruhig!

CORIOLANUS
Das ist nur ein Komplott und abgekartet,
Um die Gewalt des Adels zu zerbrechen.
Duldets - und lebt mit Volk, das nicht kann herrschen
Und nicht beherrscht sein.

BRUTUS
                            Nennt es nicht Komplott!
Das Volk schreit, Ihr verhöhntet es, und damals,
Als Korn umsonst verteilt ward, murrtet Ihr,
Schmähtet die Volkesfreunde, schaltet sie
Des Adels Feinde, Schmeichler, Zeitendiener.

CORIOLANUS
Nun, dies war längst bekannt.

BRUTUS
                               Allein nicht allen.

CORIOLANUS
Gabt Ihr die Weisung ihnen jetzt?

BRUTUS
                                   Ich, Weisung?

CORIOLANUS
Solch Tun sieht Euch schon ähnlich.

BRUTUS
                                     Nicht unähnlich,
Und jedenfalls doch besser als das Eure!

CORIOLANUS
Warum denn ward ich Konsul? Ha, beim Himmel!
Nichtswürdig will ich sein wie ihr, dann macht mich
Zu euerm Mittribun.

SICINIUS
                     Zu viel schon tut Ihr
Zur Aufreizung des Volks. Wollt Ihr die Bahn,
Die Ihr begannt, vollenden, sucht den Weg,
Den Ihr verloren habt, mit sanfterm Geist,
Sonst könnt Ihr nimmermehr als Konsul herrschen,
Noch als Tribun zur Seit ihm stehn.

MENENIUS
                                     Seid ruhig!

COMINIUS
Das Volk ward aufgehetzt, getäuscht. Solch Falschheit
Ziemt Römern nicht. Verdient hat Coriolan
Nicht, daß man ehrlos diesen Stein ihm lege
In seine Ehrenbahn.

CORIOLANUS
                     Vom Korn mir sprechen?
Dies war mein Wort, und ich wills wiederholen.

MENENIUS
Nicht jetzt, nicht jetzt!

ERSTER SENATOR
                           Nicht jetzt in dieser Hitze.

CORIOLANUS
Bei meinem Leben, jetzt laßt mich gewähren,
Ihr Freunde! Ihr vom Adel!
Fest schau die schmutzge, wankelmütge Menge
Mich an, der ich nicht schmeichle, und bespiegle
Sich selbst in mir! - Ich sag es wiederum:
Wir ziehn, sie hätschelnd, gegen den Senat
Unkraut der Rebellion, Frechheit, Empörung,
Wofür wir selbst gepflügt, den Samen streuten,
Da wir mit uns, der edlern Zahl, sie mengten,
Die keine andre Macht und Tugend missen,
Als die sie selbst an Bettler weggeschenkt.

MENENIUS
Nun gut, nichts mehr!

ERSTER SENATOR
                       Kein Wort mehr, laßt Euch bitten!

CORIOLANUS
Wie! Nicht mehr?
Hab ich mein Blut fürs Vaterland vergossen,
Furchtlos dem fremden Dräun, so soll die Brust
Laut schelten, bis sie bricht; Aussätzge schmähend,
Vor deren Pest uns graut, und streben doch,
Von ihnen angesteckt zu sein.

BRUTUS
                               Ihr sprecht vom Volk,
Als wäret Ihr ein Gott, gesandt zu strafen,
Und nicht ein Mensch, so schwach wie sie.

SICINIUS
                                           Gut wär es,
Wir sagten dies dem Volk.

MENENIUS
                           Wie, seinen Zorn?

CORIOLANUS
                                              Zorn!
Wär ich so sanft wie mitternächtger Schlaf,
Beim Jupiter, dies wäre meine Meinung!

SICINIUS
Und diese Meinung
Soll bleiben in sich selbst verschloßnes Gift,
Nicht andre mehr vergiften noch.

CORIOLANUS
                                  Soll bleiben?
Hört ihr der Gründlinge Triton? Bemerkt ihr
Sein herrschend Soll?

COMINIUS
                       's war ungesetzlich.

CORIOLANUS
                                              Soll!
Du guter, aber höchst unkluger Adel!
Ehrbare, doch achtlose Senatoren!
Wie gebt ihr so der Hydra nach, zu wählen
Den Diener, der mit eigenmächtgem Soll
- Er nur Trompet und Klang des Ungeheuers -
Frech euern Strom in sumpfgen Teich will leiten
Und eure Macht auf sich. Hat er Gewalt,
Neigt euch als blödgesinnt; wenn keine, weckt
Die Langmut, die Gefahr bringt. Seid ihr weise,
Gleicht nicht gemeinen Toren; seid ihrs nicht,
Legt ihnen Polster hin. Ihr seid Plebejer,
Wenn Senatoren sie; sie sind nichts Mindres,
Wenn durch der Stimmen Mischung nur nach ihnen
Das Ganze schmeckt. Sie wählten sich Beamte,
Und diesen, der sein Soll entgegensetzt,
Sein pöbelhaftes Soll, weit würdgerm Rat,
Als Griechenland nur je verehrt! Beim Zeus,
Beschimpft wird so der Konsul, und mein Herz weint,
Zu sehn, wie, wenn zwei Mächte sich erheben
Und keine herrscht. Verderben, ungesäumt,
Dringt in die Lücke zwischen beid und stürzt
Die eine durch die andre.

COMINIUS
                           Gut, zum Marktplatz!

CORIOLANUS
Wer immer riet, das Korn der Vorratshäuser
Zu geben unentgeltlich, wie's gebräuchlich
Manchmal in Griechenland -

MENENIUS
                            Genug! Nicht weiter!

CORIOLANUS
- Obgleich das Volk dort freire Macht besaß,
Der, sag ich, nährt Empörung, führt herbei
Den Untergang des Staats.

BRUTUS
                           Wie kann das Volk
Dem seine Stimme geben, der so spricht?

CORIOLANUS
Ich geb euch Gründe,
Mehr wert als ihre Stimmen: Korn, sie wissens,
War nicht von uns ein Dank; sie waren sicher,
Sie taten nichts dafür. Zum Krieg geworben,
Als selbst des Vaterlandes Herz erkrankte,
Da wollte keiner aus dem Tor: solch Eifer
Verdient nicht Korn umsonst. Hernach im Krieg
Ihr Meutern und Empören, ihres Mutes
Bestätigung, sprach schlecht ihr Lob. Die Klage,
Mit der sie oftmals den Senat beschuldigt,
Aus ungebornem Grund, kann nie erzeugen
Ein Recht auf freie Schenkung. Nun - was weiter?
Wie mag so vielgeteilter Schlund verdaun
Die Güte des Senats? Die Taten sprechen,
Was Worte sagen möchten: Wir verlangtens,
Wir sind der größre Hauf, und sie, recht furchtsam,
Sie gaben, was wir heischten. - So erniedern
Wir unser hohes Amt, sind schuld, daß Pöbel
Furcht unsre Sorgfalt schilt. Dies bricht dereinst
Die Schranken des Senats und läßt die Krähen
Hinein, daß sie die Adler hacken.

MENENIUS
                                   Kommt!
Genug!

BRUTUS
Übergenug!

CORIOLANUS
            Nein, nehmt noch mehr:
Was nur den Schwur, sei's göttlich, menschlich, heiligt,
Besiegle meinen Schluß. Die Doppelherrschaft,
Wo dieser Teil mit Grund verachtet, jener
Den andern grundlos schmäht, wo Adel, Rang und Weisheit
Nichts tun kann ohne jenes Ja und Nein
Des großen Unverstands - dies muß versäumen,
Was wahrhaft nötig ist, um Raum zu geben
Schwächlichem Wankelmut. Ist so versperrt
Das Ziel, so folgt: nichts kann geschehn zum Ziel.
Darum beschwör ich euch:
Ihr, die ihr wenger zaghaft seid als weise,
Die ihr mehr liebt des Staates feste Gründung,
Als Ändrung scheut, die höher stets geachtet
Ein edles Leben als ein langes, die
Nicht fürchtet, durch gewagte Kur zu retten
Den Leib vom sichern Tod: Mit eins reißt aus
Die vielgespaltne Zung, laßt sie nicht lecken
Dies Süß, das ihnen Gift ist. Eure Entehrung
Verstümmelt wahres Recht und raubt dem Staat
Die Lauterkeit, die ihn verklären sollte,
So daß ihm Macht fehlt, Gutes, das er möchte,
Zu tun, weil ihn das Böse stets verhindert.

BRUTUS
Er sprach genug.

SICINIUS
                  Er sprach als Hochverräter
Und soll es büßen, wie's Verrätern ziemt.

CORIOLANUS
Elender du! Schmach sei dein Grab! Was soll
Das Volk mit den kahlköpfigen Tribunen?
Anhangend ihnen weigerts den Gehorsam
Der höhern Obrigkeit. In einem Aufruhr,
Da nicht das Recht, nein, da die Not Gesetz war,
Da wurden sie gewählt. Zu beßrer Zeit
Sagt von dem Recht nun kühn: Dies ist das Recht -
Und schleudert in den Staub hin ihre Macht.

BRUTUS
Offner Verrat!

SICINIUS
                Der da ein Konsul? Nein!

BRUTUS
He, die Ädilen her! Laßt ihn verhaften!

SICINIUS
Geht, ruft das Volk!
Brutus geht ab.
                      Ich selbst, in seinem Namen,
Ergreife dich als Neurer und Empörer
Und Feind des Staats. Folg, ich befehl es dir,
Um Rechenschaft zu stehn!

CORIOLANUS
                           Fort, alter Bock!

SENATOREN UND PATRIZIER
Wir schützen ihn!

MENENIUS
                   Die Hand weg, alter Mann!

CORIOLANUS
Fort, morsches Ding, sonst schüttl ich deine Knochen
Dir aus den Kleidern.

SICINIUS
                       Helft, ihr Bürger, helft!
Brutus kommt zurück mit den Ädilen und einer Schar Bürger.

MENENIUS
Mehr Achtung beiderseits!

SICINIUS
                           Hier ist er, der euch
Ganz machtlos machen will!

BRUTUS
                            Greift ihn, Ädilen!

DIE BÜRGER
Nieder mit ihm! Zu Boden!
[Alle drängen sich um Coriolanus.]

[SENATOREN UND BÜRGER] ZWEITER SENATOR
[durcheinander.]
Waffen! Waffen!
Alle drängen sich um Coriolanus.
Tribunen! - Edle! - Bürger! - Haltet! Ha!
Sicinius! - Brutus! - Coriolanus! - Bürger!

[SENATOREN] BÜRGER
Den Frieden haltet! Frieden! Haltet alle!

MENENIUS
Was wird draus werden? Ich bin außer Atem,
Es droht uns Untergang! Ich kann nicht, sprecht,
Tribunen, ihr zum Volk! Coriolanus, ruhig!
Sprich, Freund Sicinius!

SICINIUS
                          Hört mich, Bürger! Ruhig!

DIE BÜRGER
Hört den Tribun! Still! Rede, rede, rede!

SICINIUS
Ihr seid daran, die Freiheit zu verlieren.
Marcius will alles von euch nehmen, Marcius,
Den eben ihr zum Konsul wähltet.

MENENIUS
                                  Pfui!
Dies ist der Weg zu zünden, nicht zu löschen.

ERSTER SENATOR
Die Stadt zu schleifen, alles zu zerstören.

SICINIUS
Was ist die Stadt wohl, als das Volk?

DIE BÜRGER
                                       Ganz recht!
Das Volk nur ist die Stadt.

BRUTUS
Durch aller Einstimmung sind wir erwählt
Als Obrigkeit des Volks.

DIE BÜRGER
                          Und sollt es bleiben!

MENENIUS
Ja, so siehts aus.

COMINIUS
Dies ist der Weg, um alles zu zerstören,
Das Dach zu stürzen auf das Fundament
Und zu begraben jede Rangordnung
In Trümmerhaufen!

SICINIUS
                   Dies verdient den Tod!

BRUTUS
Jetzt gilts, daß unser Ansehn wir behaupten
Oder verlieren. Wir erklären hier
Im Namen dieses Volks, durch dessen Macht
Wir sind erwählt für sie: Marcius verdient
Sogleich den Tod!

SICINIUS
                   Deshalb legt Hand an ihn,
Bringt zum Tarpejischen Felsen und von dort
Stürzt in Vernichtung ihn!

BRUTUS
                            Ädilen, greift ihn!

DIE BÜRGER
Ergib dich, Marcius!

MENENIUS
                      Hört ein einzig Wort!
Tribunen, hört! Ich bitt euch, nur ein Wort!

ÄDILEN
Still, Still!

MENENIUS
Seid, was ihr scheint. Freunde des Vaterlands!
Ergreift mit weiser Mäßgung, was gewaltsam
Ihr herzustellen strebt.

BRUTUS
                          Die kalten Mittel,
Sie scheinen kluge Hülf und sind nur Gift,
Wenn so die Krankheit rast. Legt Hand an ihn
Und schleppt ihn auf den Fels!

CORIOLANUS
                                Nein, gleich hier sterb ich.
Er zieht sein Schwert.
Es sah wohl mancher unter euch mich kämpfen;
Kommt und versucht nun selbst, was ihr nur saht!

MENENIUS
Fort mit dem Schwert! Tribunen, steht zurück!

BRUTUS
Legt Hand an ihn!

MENENIUS
                   Helft, helft dem Marcius, helft!
Ihr hier vom Adel, helft ihm, jung und alt!

DIE BÜRGER
Nieder mit ihm! Nieder mit ihm!
Handgemenge, die Tribunen, die Ädilen und das Volk werden hinausgetrieben.

MENENIUS
Geh! Fort, nach deinem Haus! Enteile schnell!
Zugrund geht alles sonst.

ZWEITER SENATOR
                           Fort!

CORIOLANUS
                                  Haltet stand!
Wir haben ebensoviel Freund als Feinde.

MENENIUS
Solls dahin kommen?

ERSTER SENATOR
                     Das verhütet, Götter!
Mein edler Freund, ich bitte, geh nach Haus,
Laß uns den Schaden heilen.

MENENIUS
                             Du kannst nicht
Die eigne Wunde pflegen. Fort, ich bitte!

COMINIUS
Freund, geh hinweg mit uns!

CORIOLANUS
O wären sie Barbaren! Und sie sinds,
Obwohl Roms Brut. Nicht Römer! Und sie sinds nicht,
Obwohl geworfen vor dem Kapitol.

MENENIUS
Komm!
Nimm deinen edlen Zorn nicht auf die Zunge;
Einst kommt uns beßre Zeit.

CORIOLANUS
                              Auf ebnem Boden
Schlüg ich wohl ihrer vierzig.

MENENIUS
                                Ich auch nehm es
Mit zwei der besten auf, ja, den Tribunen.

COMINIUS
Doch hier ist Übermacht nicht zu berechnen,
Und Mannheit wird zur Torheit, stemmt sie sich
Entgegen stürzendem Gebäud. Entfernt Euch,
Eh dieser Schwarm zurückkehrt, dessen Wut
Rast wie gehemmter Strom, und übersteigt,
Was sonst ihn niederhielt.

MENENIUS
                            Ich bitte, geh!
So seh ich, ob mein alter Witz noch anschlägt
Bei Leuten, die nur wenig haben. Flicken
Muß man den Riß mit Lappen jeder Farbe.

CORIOLANUS
Nun komm!
Coriolanus, Cominius und andere gehn ab.

ERSTER PATRIZIER
Der Mann hat ganz sein Glück zerstört.

MENENIUS
Sein Sinn ist viel zu edel für die Welt.
Er würd Neptun nicht um den Dreizack schmeicheln,
Nicht Zeus ums Donnern. Mund und Herz ist eins;
Was seine Brust nur schafft, kommt auf die Zunge,
Und ist er zornig, so vergißt er gleich,
Daß man den Tod je nannte.
Geräusch hinter der Szene.
                            Ein schöner Lärm.

ZWEITER PATRIZIER
O wären sie im Bett!

MENENIUS
O wären sie im Tiber! - Was, zum Henker,
Konnt er nicht freundlich sprechen!
Brutus, Sicinius, Bürger kommen zurück.

SICINIUS
                                     Wo ist die Viper,
Die unsre Stadt entvölkern möcht, um alles
In allem drin zu sein?

MENENIUS
                        Würdge Tribunen -

SICINIUS
Wir stürzen ihn von dem Tarpejischen Fels
Mit strenger Hand; er trotzte dem Gesetz,
Drum weigert das Gesetz ihm das Verhör;
Die Macht der bürgerlichen Strenge fühl er,
Die ihm so nichtig dünkt.

ERSTER BÜRGER
                           Er soll erfahren,
Des Volkes edler Mund sind die Tribunen,
Wir seine Hand.

MEHRERE BÜRGER
                 Er soll, er soll!

MENENIUS
                                    Freund -

SICINIUS
                                              Still!

MENENIUS
Schreit nicht Vertilgung, wo ein mäßges Jagen
Zum Ziel euch führen mag.

SICINIUS
                           Wie kommts, daß Ihr
Ihm halft, sich fortzumachen?

MENENIUS
                               Hört mich an:
Wie ich den Wert des Konsuls kenne, kenn ich
Auch seine Fehler.

SICINIUS
                    Konsul? Welcher Konsul?

MENENIUS
Der Konsul Coriolan.

BRUTUS
                      Er Konsul?

DIE BÜRGER
Nein, nein, nein, nein, nein!

MENENIUS
Vergönnt, ihr gutes Volk, und ihr, Tribunen,
Gehör, so möcht ich ein, zwei Worte sagen,
Die euch kein weitres Opfer kosten sollen
Als diese kurze Zeit.

SICINIUS
                       So faßt Euch kurz,
Denn wir sind fest entschlossen, abzutun
Den giftgen Staatsverräter; ihn verbannen
Läßt die Gefahr bestehn; ihn hier behalten
Ist sichrer Tod. Drum wird ihm zuerkannt:
Er stirbt noch heut.

MENENIUS
                      Verhüten das die Götter!
Soll unser hohes Rom, des Dankbarkeit
Für die verdienten Kinder steht verzeichnet
In Jovis Buch, entmenscht, verworfne Mutter,
Den eignen Sohn verschlingen?

SICINIUS
Ein Schad ist er, muß ausgeschnitten werden.

MENENIUS
Ein Glied ist er, das einen Schaden hat;
Abschneiden wäre tödlich, heilen leicht.
Was tat er Rom, wofür er Tod verdiente?
Weil er die Feind erschlug? Sein Blut, vergossen
- Und das, ich schwörs, ist mehr, als er noch hat,
Um manchen Tropfen -, floß nur für sein Land;
Wird, was ihm bleibt, vergossen durch sein Land,
Das wär uns allen, die es tun und dulden,
Ein ewges Brandmal.

SICINIUS
                     Das ist nur Gewäsch.

BRUTUS
Gänzlich verkehrt! Als er sein Land geliebt,
Ehrt' es ihn auch.

MENENIUS
                    Hat uns der Fuß gedient
Und wird vom Krebs geschädigt, denken wir
Nicht mehr der vorgen Dienste?

BRUTUS
                                Schweigt nur still.
Zu seinem Hause hin! Reißt ihn heraus,
Damit die Ansteckung von giftger Art
Nicht weiter fort sich zünde!

MENENIUS
                               Nur ein Wort!
So tigerfüßge Wut, sieht sie das Elend
Der ungehemmten Eile, legt zu spät
Blei an die Sohlen. - Drum verfahrt nach Recht,
Daß nicht, da er beliebt. Partein sich rotten
Und unser hohes Rom durch Römer falle!

BRUTUS
Wenn das geschäh -

SICINIUS
                    Was schwatzt Ihr da?
Wie er Gesetz verhöhnte, sahn wir ja.
Ädilen schlagen! Trotz uns bieten! Kommt!

MENENIUS
Erwägt nur dies: Er ist im Krieg erwachsen;
Seit er ein Schwert mocht heben, lernt er fein
Gesiebte Sprache nicht, wirft Mehl und Kleie
Nun im Gemengsel aus. Bewilligt mir,
Ich geh zu ihm und bring ihn friedlich her,
Wo nach der Form des Rechts er Rede steht
Auf seine äußerste Gefahr.

ERSTER SENATOR
                            Tribunen,
Die Weis' ist menschlich; allzu blutig würde
Der andre Weg, und im Beginnen nicht
Der Ausgang zu erkennen.

SICINIUS
                          Edler Menenius,
So handelt Ihr denn als des Volks Beamter! -
Leute, legt ab die Waffen!

BRUTUS
                            Geht nicht heim!

SICINIUS
Hin auf den Markt, dort treffen wir euch wieder,
Und bringt ihr Marcius nicht, so gehn wir weiter
Auf unserm ersten Weg.
[Ab.]

MENENIUS
                        Ich bring ihn euch.
Zu den Senatoren.
Geht mit mir, ich ersuch Euch. Er muß kommen,
Sonst folgt das Schlimmste.

ERSTER SENATOR
                             Laßt uns zu ihm gehn.
Alle ab.




ZWEITE SZENE

Rom. Zimmer in Coriolans Hause


Coriolanus tritt auf mit einigen Patriziern.

CORIOLANUS
Laßt sie mir um die Ohren alles werfen,
Mir drohn mit Tod durch Rad, durch wilde Rosse,
Zehn Berg auf den Tarpejischen Felsen türmen,
Daß sich der Absturz tiefer reißt, als je
Das Auge sieht: doch bleib ich ihnen stets
Also gesinnt!

ERSTER PATRIZIER
               Ihr handelt um so edler.
[Volumnia tritt auf.]

CORIOLANUS
Mich wundert, wie die Mutter
Mein Tun nicht billigt, die doch lumpge Sklaven
Sie stets genannt, Geschöpfe, nur gemacht,
Daß sie mit Pfenngen schachern, barhaupt stehn
In der Versammlung, gähnen, staunen, schweigen,
Wenn einer meines Ranges sich erhebt,
Redend von Fried und Krieg.
Volumnia tritt auf. Zu Volumnia.
                             Ich sprach von Euch.
Weshalb wünscht Ihr mich milder? Soll ich falsch sein
Der eignen Seele? Lieber sagt, ich spiele
Den Mann nur, der ich bin.

VOLUMNIA
                            O Sohn, Sohn, Sohn!
Hättst deine Macht du doch erst angelegt,
Eh du sie abgenutzt.

CORIOLANUS
                      Sie fahre hin!

VOLUMNIA
Du konntest mehr der Mann sein, der du bist,
Wenn du es wenger zeigtest; schwächer waren
Sie deinem Sinn entgegen, hehltest du
Nur etwas mehr, wie du gesinnt, bis ihnen
Die Macht gebrach, um dich zu kreuzen.

CORIOLANUS
                                        Hängt sie!

VOLUMNIA
Ja, und verbrennt sie!
Menenius kommt mit Senatoren.

MENENIUS
Kommt, kommt! Ihr wart zu rauh, etwas zu rauh;
Ihr müßt zurück, es bessern.

ERSTER SENATOR
                              Da hilft nichts.
Denn tut Ihr dieses nicht, reißt auseinander
Die Stadt und geht zugrund.

VOLUMNIA
                             O laß dir raten!
Ich hab ein Herz, unbeugsam, wie das deine,
Doch auch ein Hirn, das meines Zornes Ausbruch
Zu besserm Vorteil lenkt.

MENENIUS
                           Recht, edle Frau.
Denn eh er sich dem Pöbel beugte, wenns nicht
Die Fieberwut der Zeit als Mittel heischte
Dem ganzen Staat, schnallt' ich die Rüstung um,
Die ich kaum tragen kann.

CORIOLANUS
                           Was muß ich tun?

MENENIUS
Zu den Tribunen kehren.

CORIOLANUS
Was weiter dann?

MENENIUS
                  Bereun, was Ihr gesprochen.

CORIOLANUS
Um ihretwillen?
Nicht kann ichs um der Götter willen tun;
Muß ichs denn ihretwillen tun?

VOLUMNIA
                                Du bist zu herrisch.
Magst du auch hierin nie zu edel sein,
Gebietet Not doch auch. Du selbst oft sagtest,
Wie Ehr und feine List als treue Freunde
Im Krieg zusammen gehn. Ist dies, so sprich,
Wie sie im Frieden wohl sich schaden können,
Daß sie in ihm sich trennen?

CORIOLANUS
                              Pah!

MENENIUS
                                    Gut gefragt!

VOLUMNIA
Bringt es im Krieg dir Ehre, der zu scheinen,
Der du nicht bist - und großer Zwecke halb
Gebraucht ihr diese Politik -, entehrts nun,
Daß sie im Frieden soll Gemeinschaft halten
Mit Ehre, wie im Krieg, da sie doch beiden
Gleich unentbehrlich ist?

CORIOLANUS
                           Was drängst du so?

VOLUMNIA
Weil jetzt dir obliegt, zu dem Volk zu reden
Nicht nach des eignen Sinnes Unterweisung,
Noch in der Art, wie dir dein Herz befiehlt;
Mit Worten nur, die auf der Zunge wachsen,
Bastardgeburten, Lauten nur und Silben,
Die nicht des Herzens Wahrheit sind verpflichtet.
Dies, wahrlich, kann so wenig dich entehren,
Als eine Stadt durch sanftes Wort erobern,
Wo sonst dein Glück entscheiden müßt und Wagnis
Von vielem Blutvergießen. -
Ich wollte meine Art und Weise bergen,
Wenn Freund' und Glück es in Gefahr verlangten,
Und blieb in Ehr. - Ich steh hier auf dem Spiel,
Dein Weib, dein Sohn, die Edlen, der Senat,
Und du willst lieber unserm Pöbel zeigen,
Wie du kannst finster sehn, als einmal lächeln,
Um ihre Gunst zu erben und zu schützen,
Was ohne sie zugrund geht.

MENENIUS
                            Edle Frau!
Kommt, geht mit uns, sprecht freundlich und errettet
Nicht nur, was jetzt gefährlich, nein, was schon
Verloren war.

VOLUMNIA
               Ich bitte dich, mein Sohn,
Geh hin, mit dieser Mütz in deiner Hand,
So streck sie aus, tritt nah an sie heran,
Dein Knie berühr die Stein; in solchem Tun ist
Gebärd ein Redner, und der Einfalt Auge
Gelehrter als ihr Ohr. Den Kopf so neigend
Und oft auch so, dein stolzes Herz bestrafend,
Sei sanft, so wie die überreife Maulbeer,
Die jedem Drucke weicht. Dann sprich zu ihnen:
Du seist ihr Krieger, im Gelärm erwachsen,
Habst nicht die sanfte Art, die, wie du einsähst,
Dir nötig sei, die sie begehren dürften,
Würbst du um ihre Gunst; doch wolltest du
Dich künftig wandeln zu dem Ihrigen,
So weit Natur und Kraft in dir nur reichten.

MENENIUS
Das nur getan,
So wie sie sagt, sind alle Herzen dein,
Denn sie verzeihn so leicht, wenn du sie bittest,
Als sonst sie müßig schwatzen.

VOLUMNIA
                                O gib nach!
Laß dir nur diesmal raten! Weiß ich schon,
Du sprängst eh mit dem Feind in Feuerschlünde,
Als daß du ihm in Blumenlauben schmeichelst.
Cominius tritt auf.
Hier ist Cominius.
[Cominius tritt auf.]

COMINIUS
Vom Marktplatz komm ich, Freund, und dringend scheint,
Daß Ihr Euch sehr verstärkt, sonst hilft Euch nur
Flucht oder Sanftmut. Alles ist in Wut.

MENENIUS
Nur gutes Wort.

COMINIUS
                 Das, glaub ich, dient am besten,
Zwingt er sein Herz dazu.

VOLUMNIA
                           Er muß und will.
Laß dich erbitten; sag: Ich will, und geh!

CORIOLANUS
Muß ich mit bloßem Kopf mich zeigen? Muß ich
Mit niedrer Zunge Lügen strafen so
Mein edles Herz, das hier verstummt? Nun gut, ich tu's.
Doch käms nur auf das einzge Stück hier an,
Den Marcius, sollten sie zu Staub ihn stampfen
Und in den Wind ihn streun. - Zum Marktplatz nun!
Ihr zwingt mir eine Roll auf, die ich nie
Natürlich spiele.

COMINIUS
                   Kommt, wir helfen ein!

VOLUMNIA
O hör mich, holder Sohn: Du sagtest oft,
Daß dich mein Lob zum Krieger erst gemacht,
So spiel, mein Lob zu ernten, eine Rolle,
Die du noch nie geübt!

CORIOLANUS
                        Ich muß es tun.
Fort, meine Sinnesart! Komm über mich,
Geist einer Metze. Mein Kriegsschrei sei verwandelt,
Der in die Trommeln rief, jetzt in ein Pfeifchen,
Dünn wie des Hämlings, wie des Mädchens Stimme,
Die Kinder einlullt; eines Buben Lächeln
Wohn auf der Wange mir; Schulknabentränen
Verdunkeln mir den Blick; des Bettlers Zunge
Reg in dem Mund sich; mein bepanzert Knie,
Das nur im Bügel krumm war, beuge sich
Wie des, der Pfennige fleht! - Ich wills nicht tun,
Nicht so der eignen Wahrheit Ehre schlachten,
Und durch des Leibs Gebärdung meinen Sinn
Zu ewger Schand abrichten!

VOLUMNIA
                            Wie du willst.
Von dir zu betteln ist mir größre Schmach,
Als dir von ihnen. Alles fall in Trümmer!
Mag lieber deinen Stolz die Mutter fühlen,
Als stets Gefahr von deinem Starrsinn fürchten.
Den Tod verlach ich, großgeherzt wie du.
Mein ist dein Mut, ja, den sogst du von mir,
Dein Stolz gehört dir selbst.

CORIOLANUS
                               Sei ruhig, Mutter,
Ich bitte dich! - Ich gehe auf den Markt;
Schilt mich nicht mehr! Als Taschenspieler nun
Stehl ich jetzt ihre Herzen, kehre heim
Von jeder Zunft geliebt. Siehst du, ich gehe.
Grüß meine Frau. Ich kehr als Konsul wieder;
Sonst glaube nie, daß meine Zung es weit
Im Weg des Schmeichelns bringt.

VOLUMNIA
                                 Tu, was du willst!
Sie geht ab.

COMINIUS
Fort, die Tribunen warten. Rüstet Euch
Mit milder Antwort, denn sie sind bereit,
Hör ich, mit härtern Klagen, als die jetzt
Schon auf Euch lasten.

CORIOLANUS
»Mild« ist die Losung. Bitte, laßt uns gehn.
Laßt sie mit Falschheit mich beschuldgen, ich
Antworte ehrenvoll.

MENENIUS
                     Nur aber milde!

CORIOLANUS
Gut, milde sei's denn, milde!
Alle ab.




DRITTE SZENE

Rom. Das Forum


Sicinius und Brutus treten auf.

BRUTUS
Das muß der Hauptpunkt sein: daß er erstrebt
Tyrannische Gewalt; entschlüpft er da,
Treibt ihn mit seinem Volkshaß in die Enge,
Und daß er nie verteilen ließ die Beute,
Die den Antiaten abgenommen ward.
Ein Ädil tritt auf.
Kommt er?

ÄDIL
           Er kommt.

BRUTUS
                      Und wer begleitet ihn?

ÄDIL
                                              Der alte
Menenius und die Senatoren, die
Ihn stets begünstigt.

BRUTUS
                       Habt Ihr ein Verzeichnis
Von allen Stimmen, die wir uns verschafft,
Geschrieben nach der Ordnung?

ÄDIL
                               Ja, hier ists.

[BRUTUS] SICINIUS
Habt Ihr nach Tribus sie gesammelt?

ÄDIL
                                     Ja.

SICINIUS
So ruft nun ungesäumt das Volk hieher,
Und hören sie mich sagen: So solls sein,
Nach der Gemeinen Fug und Recht, sei's nun
Tod, Geldbuß oder Bann, so laß sie schnell
Tod rufen, sag ich Tod; Geldbuße, sag ich Buße;
Auf ihrem alten Vorrecht so bestehn
Und auf der Kraft in der gerechten Sache.

ÄDIL
Ich will sie unterweisen.

BRUTUS
Und haben sie zu schreien erst begonnen,
Nicht aufgehört, nein, dieser wilde Lärm
Muß die Vollstreckung augenblicks erzwingen
Der Strafe, die wir rufen.

ÄDIL
                            Wohl, ich gehe.

SICINIUS
Und mach sie stark und unserm Wink bereit,
Wann wir ihn immer geben.

BRUTUS
                           Macht Euch dran!
Der Ädil geht ab.
Reizt ihn sogleich zum Zorn; er ist gewohnt
Zu siegen, und ihm gilt als höchster Ruhm
Der Widerspruch. Einmal in Wut, nie lenkt er
Zur Mäßigung zurück; dann spricht er aus,
Was er im Herzen hat; genug ist dort,
Was uns von selbst hilft, ihm den Hals zu brechen.
[Es treten auf Coriolanus, Menenius, Cominius, Senatoren und Patrizier.]

SICINIUS
Nun seht, hier kommt er!
Es treten auf Coriolanus, Menenius, Cominius, Senatoren und Patrizier.

MENENIUS
                          Sanft, das bitt ich dich.

CORIOLANUS
Ja, wie ein Stallknecht, der für lumpgen Heller
Den Schurken zehnfach einsteckt. - Hohe Götter!
Gebt Rom den Frieden und den Richterstühlen
Biedere Männer! Pflanzet Lieb uns ein!
Füllt dicht mit Friedensprunk die Tempelhallen,
Und nicht mit Krieg die Straßen!

ERSTER SENATOR
                                  Amen! Amen!

MENENIUS
Ein edler Wunsch.
Der Ädil kommt mit Bürgern zurück.

SICINIUS
                   Ihr Bürger, tretet näher!
[Der Ädil kommt mit den Bürgern.]

ÄDIL
Auf die Tribunen merkt! Gebt acht! Still, still!

CORIOLANUS
Erst hört mich reden.

BEIDE TRIBUNEN
                       Gut, sprecht! Ruhig denn!

CORIOLANUS
Werd ich nicht weiter angeklagt als hier?
Wird alles jetzt gleich ausgemacht?

SICINIUS
                                     Ich frage:
Ob Ihr des Volkes Stimm Euch unterwerft,
Die Sprecher anerkennt und willig tragt
Die Strafe des Gesetzes für die Fehler,
Die man Euch dartun wird?

CORIOLANUS
                           Ich trage sie.

MENENIUS
O Bürger, seht! Er sagt, er will sie tragen:
Der Kriegesdienste, die er tat, gedenkt!
Seht an die Wunden, die sein Körper hat,
Sie gleichen Gräbern auf geweihtem Boden.

CORIOLANUS
Geritzt von Dornen, Schrammen, nur zum Lachen.

MENENIUS
Erwägt noch ferner:
Daß, hört ihr ihn nicht gleich dem Bürger sprechen,
Den Krieger findet ihr in ihm. Nehmt nicht
Den rauhen Klang für bös gemeintes Wort;
Nein, wie gesagt, so wie's dem Krieger ziemt,
Nicht feindlich euch.

COMINIUS
                       Gut, gut, nichts mehr!

CORIOLANUS
                                                 Wie kommts,
Daß ich, einstimmig anerkannt als Konsul,
Nun so entehrt bin, daß zur selben Stunde
Ihr mir die Würde nehmt?

SICINIUS
                          Antwortet uns!

CORIOLANUS
Sprecht denn, 's ist wahr, so sollt ich ja.

SICINIUS
Wir zeihn dich, daß du hast gestrebt, zu stürzen
Recht und Verfassung Roms und so dich selbst
Tyrannisch aller Herrschaft anzumaßen,
Und darum stehst du hier als Volksverräter.

CORIOLANUS
Verräter! -

MENENIUS
             Still nur, mäßig! Dein Versprechen!

CORIOLANUS
Der tiefsten Hölle Glut verschling das Volk!
Verräter ich! Du lästernder Tribun!
Und säßen tausend Tod in deinem Auge,
Und packten Millionen deine Fäuste,
Wärn doppelt die auf deiner Lügnerzunge:
Ich, ich sag dennoch dir, du lügst! - die Brust
So frei, als wenn ich zu den Göttern bete.

SICINIUS
Hörst du dies, Volk?

DIE BÜRGER
Zum Fels mit ihm! Zum Fels mit ihm!

SICINIUS
                                     Seid ruhig!
Wir brauchen neuer Fehl ihn nicht zu zeihn;
Was ihr ihn tun saht, reden hörtet,
Wie er euch fluchte, eure Diener schlug,
Streiche dem Recht erwidernd, denen trotzte,
Die, machtbegabt, ihn richten sollten: dies
So frevelhaft, so hochverräterisch,
Verdient den härtsten Tod.

BRUTUS
                            Doch, da er Dienste
Dem Staat getan -

CORIOLANUS
                   Was schwatzt Ihr noch von Diensten?

BRUTUS
Ich sag es, der ichs weiß.

CORIOLANUS
                            Ihr?

MENENIUS
                                  Ist es dies,
Was Eurer Mutter Ihr verspracht?

COMINIUS
                                  O hört.
Ich bitt Euch!

CORIOLANUS
                Nein, ich will nichts weiter hören.
Laß sie ausrufen: Tod vom steilen Fels,
Landflüchtges Elend, Schinden, eingekerkert
Zu schmachten, tags mit einem Korn - doch kauft ich
Nicht für ein gutes Wort mir ihre Gnade,
Nicht zähmt ich mich, für was sie schenken können,
Bekäm ichs für 'nen »guten Morgen« schon!

SICINIUS
Weil er, soviel er konnt, von Zeit zu Zeit,
Aus Haß zum Volke Mittel hat gesucht,
Ihm seine Macht zu rauben, und auch jetzt
Als Feind sich wehrt, nicht nur in Gegenwart
Erhabnen Rechts, nein, gegen die Beamten,
Die es verwalten: In des Volkes Namen
Und unsrer, der Tribunen, Macht verbannen
Wir augenblicklich ihn aus unsrer Stadt.
Bei Strafe, vom Tarpejischen Fels gestürzt
Zu sein, betret er nie die Tore Roms.
In 's Volkes Namen sag ich: So solls sein!

DIE BÜRGER
So soll es sein! So solls sein! Fort mit ihm!
Er ist verbannt, und also soll es sein!

COMINIUS
Hört mich, ihr Männer, Freunde hier im Volk!

SICINIUS
Er ist verurteilt. Nichts mehr!

COMINIUS
                                 Laßt mich sprechen!
Ich war eur Konsul, und Rom kann an mir
Die Spuren seiner Feinde sehn. Ich liebe
Des Vaterlandes Wohl mit zartrer Ehrfurcht,
Heiliger und tiefer als mein eignes Leben,
Mehr als mein Weib und ihres Leibes Kinder,
Die Schätze meines Bluts. Wollt ich nun sagen -

SICINIUS
Wir wissen, was Ihr wollt. Was könnt Ihr sagen?

BRUTUS
Zu sagen ist nichts mehr. Er ist verbannt
Als Feind des Volks und seines Vaterlands.
So solls sein.

DIE BÜRGER
                So solls sein! So soll es sein!

CORIOLANUS
Du schlechtes Hundepack, des Hauch ich hasse
Wie fauler Sümpfe Dunst, des Gunst mir teuer
Wie unbegrabner Männer totes Aas,
Das mir die Luft vergift't: ich banne dich!
Bleibt hier zurück mit euerm Unbestand;
Der schwächste Lärm mach euer Herz erbeben,
Eur Feind mit seines Helmbuschs Nicken fächle
Euch in Verzweiflung; die Gewalt habt immer,
Zu bannen eure Schützer, bis zuletzt
Eur stumpfer Sinn, der glaubt, erst wenn er fühlt,
Der nicht einmal euch selbst erhalten kann,
Stets Feind euch selbst, euch endlich unterwerfe
Als höchst verworfne Sklaven, einem Volk,
Das ohne Schwertstreich euch gewann. - So schmähend
Euch, eure Stadt, wend ich so meinen Rücken;
Noch anderswo gibts eine Welt.
Coriolanus, Cominius, Menenius, Senatoren und Patrizier gehen ab.

ÄDILEN
Des Volkes Feind ist fort, ist fort, ist fort!

DIE BÜRGER
Verbannt ist unser Feind, ist fort! Ho, ho!
Sie jauchzen und werfen ihre Mützen.

SICINIUS
Auf, geht ihm nach zum Tor hinaus und folgt ihm,
Wie er euch sonst mit bitterm Schmähn verfolgte!
Kränkt ihn, wie ers verdient! - Laßt eine Wache
Uns durch die Stadt begleiten.

DIE BÜRGER
Kommt, kommt! Ihm nach! Zum Tor hinaus! So kommt!
Edle Tribunen, euch der Götter Schutz!
Alle ab.







VIERTER AKT

ERSTE SZENE

Rom, vor einem Tore der Stadt


Es treten auf Coriolanus, Volumnia, Virgilia, Menenius, Cominius und mehrere junge Patrizier.

CORIOLANUS
Nein, weint nicht mehr; ein kurz Lebwohl! Das Tier
Mit vielen Köpfen stößt mich weg. Ei, Mutter,
Wo ist dein alter Mut? Du sagtest oft,
Es sei das Unglück Prüfstein der Gemüter,
Gemeine Not trag ein gemeiner Mensch,
Und stille See mit gleicher Kunst befahre
Ein jedes Boot; doch tiefe Todeswunden,
Die Glück in guter Sache schlägt, verlangten
Den höchsten Sinn. Du ludest oft mir auf
Belehrungen, die unbezwinglich machten
Die Herzen, die sie ganz durchdrangen.

VIRGILIA
O Himmel, Himmel!

CORIOLANUS
                   Nein, ich bitte, Frau -

VOLUMNIA
Die Pestilenz treff alle Zünfte Roms
Und die Gewerke Tod!

CORIOLANUS
                      Was, was! Ich werde
Geliebt sein, wenn ich bin gemißt. Nun, Mutter,
Wo ist der Geist, der sonst dich sagen machte,
Wärst du das Weib des Herkules gewesen,
Sechs seiner Taten hättest du getan,
Und deinem Mann so vielen Schweiß erspart? -
Cominius!
Frisch auf! Gott schütz euch! - Lebt wohl, Frau und Mutter!
Mir gehts noch gut. - Menenius, alter, treuer,
Salzger als jüngern Manns sind deine Tränen,
Und giftig deinem Aug. - Mein weiland Feldherr,
Ich sah dich finster, und oft schautest du
Herzhärtend Schauspiel: sag den bangen Frauen,
Beweinen Unvermeidliches sei Torheit
Sowohl als drüber lachen. - Weißt du, Mutter,
Mein Wagnis war dein Trost ja immer, und,
Das glaube fest, geh ich auch jetzt allein,
So wie ein Drache einsam, den die Höhle
Gefürchtet macht, besprochen mehr, weil nicht gesehn,
Dein Sohn ragt über dem Gemeinen stets;
Wo nicht, fällt er durch Tück und niedre List.

VOLUMNIA
Mein großer Sohn!
Wo willst du hin? Nimm für die erste Zeit
Cominius mit, bestimme dir den Lauf,
Statt wild dich jedem Zufall preiszugeben,
Der auf dem Weg dich anfällt.

CORIOLANUS
                               O ihr Götter!

COMINIUS
Den Monat bleib ich bei dir; wir bedenken,
Wo du verweilen magst, von uns zu hören
Und wir von dir, daß, wenn die Zeit den Anlaß
Für deine Rückberufung reift, wir nicht
Nach einem Mann die Welt durchsuchen müssen,
Die Gunst verlierend, welche stets erkaltet,
Ist jener fern, der sie bedarf.

CORIOLANUS
                                 Leb wohl!
Du trägst der Jahre viel, hast übersatt
Kriegsschwelgerei, mit einem umzutreiben,
Des Gier noch frisch. Bringt mich nur aus dem Tor! -
Komm, süßes Weib, geliebte Mutter und
Ihr wohlerprobten Freunde; bin ich draußen,
Sagt Lebewohl und lächelt! Bitte, kommt!
Solang ich überm Boden bin, sollt ihr
Stets von mir hören und nie etwas andres,
Als was dem frühern Marcius gleicht.

MENENIUS
                                      So würdig,
Wie man nur hören kann. Laßt uns nicht weinen!
Könnt ich nur sieben Jahr herunterschütteln
Von diesen alten Gliedern - bei den Göttern!
Ich wollt auf jedem Schritt dir folgen.

CORIOLANUS
                                         Kommt! -
Deine Hand!
Alle ab.




ZWEITE SZENE

Rom. Eine Straße nahe beim Tor


Sicinius, Brutus und ein Ädil treten auf.

SICINIUS
Schickt sie nach Hause, er ist fort. Nicht weiter!
Getroffen hat es die Patrizier, die
Fest zu ihm hielten, wie wir sahen.

BRUTUS
                                     Zeigten
Wir unsre Macht, laßt uns demütger scheinen,
Nun es geschehn, als da's im Werden.

SICINIUS
                                      Schickt sie heim!
Sagt ihnen, fort sei nun ihr großer Feind
Und neu befestigt ihre Macht.

BRUTUS
                               Entlaßt sie! -
Der Ädil geht ab.
Hier kommt die Mutter.
[Volumnia, Virgilia und Menenius treten auf.]

SICINIUS
                        Laßt uns fort!

BRUTUS
                                        Weshalb?

SICINIUS
Man sagt, sie rast.

BRUTUS
                     Sie hat uns schon gesehn.
Weicht ihr nicht aus!
Volumnia, Virgilia und Menenius treten auf.

VOLUMNIA
                       Ha, wohlgetroffen!
Der Götter aufgehäufte Strafen lohnen
Euch eure Liebe.

MENENIUS
                  Still, seid nicht so laut!

VOLUMNIA
Könnt ich vor Tränen nur, ihr solltet hören -
Doch sollt ihr etwas hören.
Zu Brutus.
                             Wollt ihr gehn?

VIRGILIA
zu Sicinius.
Auch ihr sollt bleiben! - Hätt ich doch die Macht,
Das meinem Mann zu sagen.

SICINIUS
                           Seid Ihr männisch?

VOLUMNIA
Ja, Narr. Ist das 'ne Schande? Seht den Narren!
War nicht ein Mann ihr Vater? Warst du fuchsisch,
Zu bannen ihn, der Wunden schlug für Rom,
Mehr als du Worte sprachst?

SICINIUS
                             O gütger Himmel!

VOLUMNIA
Mehr edle Wunden als du kluge Worte,
Und zu Roms Heil! Eins sag ich dir - doch geh!
Nein, bleiben sollst du! Wäre nur mein Sohn,
Sein gutes Schwert in Händen, in Arabien,
Und dort vor ihm dein Stamm.

SICINIUS
                              Was dann?

VIRGILIA
                                         Was dann?
Er würde dort dein ganz Geschlecht vertilgen.

VOLUMNIA
Bastard' und alles.
O Wackrer, du trägst Wunden viel für Rom!

MENENIUS
Kommt, kommt, seid ruhig!

SICINIUS
Ich wollt, er wär dem Vaterland geblieben
Was er ihm war, statt selbst den edlen Knoten
Zu lösen, den er schlang.

BRUTUS
                           So wünscht ich auch.

VOLUMNIA
So wünscht ich auch? Ihr hetztet auf den Pöbel,
Katzen, die seinen Wert begreifen können
Wie die Mysterien ich, die nicht der Himmel
Der Erd enthüllen will.

BRUTUS
                         Kommt, laßt uns gehn!

VOLUMNIA
Nun ja, ich bitt euch, geht!
Ihr tatet wackre Tat. - Hört dies noch erst:
So weit das Kapitol hoch überragt
Das kleinste Haus in Rom, so weit mein Sohn,
Der Gatte dieser Frau - hier dieser, seht ihr? -,
Den ihr verbanntet, überragt euch alle.

BRUTUS
Genug. Wir gehn.

SICINIUS
                  Was bleiben wir, gehetzt
Von einer, der die Sinne fehlen?

VOLUMNIA
                                  Nehmt
Noch mein Gebet mit euch.
Die Tribunen gehn ab.
O hätten doch die Götter nichts zu tun,
Als meine Flüch erfüllen. - Träf ich sie
Nur einmal tags, erleichtern würds mein Herz
Von schwerer Last.

MENENIUS
                    Ihr gabt es ihnen derb,
Und habt auch Grund. Speist Ihr mit mir zu Nacht?

VOLUMNIA
Zorn ist mein Nachtmahl; so mich selbst verzehrend,
Verschmacht ich an der Nahrung. Laßt uns gehn!
Laßt dieses schwache Wimmern, klagt wie ich,
Der Juno gleich, im Zorn! Kommt, kommt!
Volumnia und Virgilia ab.

MENENIUS
                                         Pfui, pfui!
[Sie gehn ab.]




DRITTE SZENE

Landstraße zwischen Rom und Antium


Ein Römer und ein Volsker, die sich begegnen.

RÖMER
Ich kenne Euch recht gut, Freund, und Ihr kennt mich auch. Ich denke. Ihr heißt Adrian?

VOLSKER
Ganz recht. Wahrhaftig, ich hatte Euch vergessen.

RÖMER
Ich bin ein Römer und tue jetzt wie Ihr Dienste gegen Rom. Kennt Ihr mich nun?

VOLSKER
Nikanor, nicht?

RÖMER
Ganz recht.

VOLSKER
Ihr hattet mehr Bart, als ich Euch zuletzt sah; aber Euer Gesicht wird mir durch Eure Zunge kenntlich. Was gibt es Neues in Rom? Ich habe einen Auftrag vom Staat der Volsker, Euch dort auszukundschaften, und Ihr habt mir eine Tagereise erspart.

RÖMER
In Rom hat es einen seltsamen Aufstand gegeben: das Volk gegen die Senatoren, Patrizier und Edeln.

VOLSKER
Hat es gegeben? Ist es denn nun vorbei? Unser Staat denkt nicht so; sie machen die stärksten Rüstungen und hoffen, sie in der Hitze der Entzweiung zu überfallen.

RÖMER
Der große Brand ist gelöscht, aber eine geringe Veranlassung würde ihn wieder in Flammen setzen, denn den Edeln geht die Verbannung des würdigen Coriolan so zu Herzen, daß sie ganz in der Stimmung sind, dem Volk alle Gewalt zu nehmen und ihnen ihre Tribunen auf immer zu entreißen. Dies glimmt unter der Asche, das kann ich Euch versichern, und ist fast reif zum heftigsten Ausbruch.

VOLSKER
Coriolan verbannt?

RÖMER
Ja, verbannt.

VOLSKER
Mit der Nachricht werdet Ihr willkommen sein, Nikanor.

RÖMER
Das Wetter ist jetzt gut für euch. Man pflegt zu sagen, die beste Zeit, eine Frau zu verführen, sei, wenn sie sich mit ihrem Manne überworfen hat. Euer edler Tullus Aufidius kann sich in diesem Kriege hervortun, da sein großer Gegner Coriolanus jetzt für sein Vaterland nicht tätig ist.

VOLSKER
Das kann ihm nicht fehlen. Wie glücklich war ich. Euch so unvermutet zu begegnen! Ihr habt meinem Geschäft ein Ende gemacht, und ich will Euch nun freudig nach Hause begleiten.

RÖMER
Ich kann Euch vor dem Abendessen noch höchst sonderbare Dinge von Rom erzählen, die seinen Feinden sämtlich zum Vorteil gereichen. Habt ihr ein Heer bereit? Wie?

VOLSKER
Ja, und ein wahrhaft königliches. Die Centurionen und ihre Mannschaften sind schon formiert und stehn im Sold, so daß sie jede Stunde aufbrechen können.

RÖMER
Es freut mich, daß sie so marschfertig sind, und ich denke, ich bin der Mann, der sie sogleich in Bewegung setzen wird. Also herzlich willkommen, und höchst vergnügt durch Eure Gesellschaft.

VOLSKER
Ihr nehmt mir die Worte aus dem Munde; ich habe die meiste Ursach, mich dieser Zusammenkunft zu freuen.

RÖMER
Gut, laßt uns zusammen gehn!
Sie gehn ab.




VIERTE SZENE

Antium. Vor Aufidius' Haus


Coriolanus tritt auf in geringem Anzuge verkleidet und verhüllt.

CORIOLANUS
Dies Antium ist ein hübscher Ort. O Stadt,
Ich bins, der dir die Witwen schuf. Manch Erben
Der schönen Häuser hört ich in der Schlacht
Stöhnen und sterben. - Drum erkenn mich nicht,
Sonst morden mich mit Bratspieß deine Weiber,
In kindscher Schlacht mit Steinen deine Knaben.
Es kommt ein Bürger.
Gott grüß Euch, Herr!

DER BÜRGER
                       Und Euch!

CORIOLANUS
                                  Zeigt mir, ich bitte,
Wo Held Aufidius wohnt. Ist er in Antium?

BÜRGER
Ja, und bewirtet heut in seinem Haus
Die Ersten unsrer Stadt.

CORIOLANUS
                         Wo ist sein Haus?

BÜRGER
Dies ist's, Ihr steht davor.

CORIOLANUS
                              Lebt wohl, ich dank Euch!
Der Bürger geht ab.
O Welt, du rollend Rad! Geschworne Freunde,
Die in zwei Busen nur ein Herz getragen,
Die Zeit und Bett und Mahl und Arbeit teilten,
Vereinigt stets als wie ein Zwillingspaar
In ungetrennter Liebe, brechen aus
Urplötzlich durch den Hader um ein Nichts
In bittern Haß. So auch erboste Feinde,
Die Haß und Grimm nicht schlafen ließ vor Planen,
Einander zu vertilgen, durch 'nen Zufall,
Ein Ding, kein Ei wert, werden Herzensfreunde,
Und Doppel-Gatten ihre Kinder. So auch ich.
Ich hasse den Geburtsort, liebe hier
Die Feindesstadt. - Hinein! Erschlägt er mich,
So übt er gutes Recht; nimmt er mich auf,
So dien ich seinem Land.
[Geht hinein.]




FÜNFTE SZENE

Antium. Halle in Aufidius' Hause


Man hört Musik von innen; es kommt ein Diener.

ERSTER DIENER
Wein, Wein! Was ist das für Aufwartung? - Ich glaube, die Burschen schlafen alle.
Ab.
Ein zweiter Diener kommt.

ZWEITER DIENER
Wo ist Cotus? Der Herr ruft ihn. Cotus!
Ab.
Coriolanus tritt auf.

CORIOLANUS
Ein hübsches Haus; das Mahl riecht gut. Doch ich
Seh keinem Gaste gleich.
Der erste Diener kommt wieder.

ERSTER DIENER
Was wollt Ihr, Freund? Woher kommt Ihr? Hier ist kein Platz für Euch. Bitte, geht fort!

CORIOLANUS
Ich habe bessern Willkomm nicht verdient,
Wenn Coriolan ich bin.
Der zweite Diener kommt.

ZWEITER DIENER
Wo kommst du her, Freund? Hat der Pförtner keine Augen im Kopf, daß er solche Gesellen herein läßt? Bitte, geh fort!

CORIOLANUS
Weg!

ZWEITER DIENER
Weg? Geh du weg!

CORIOLANUS
Du bist mir lästig.

ZWEITER DIENER
Bist du so trotzig? Man wird schon mit dir sprechen.
Der dritte Diener kommt. Der erste geht zu ihm.

DRITTER DIENER
Was ist das für ein Mensch?

ERSTER DIENER
Ein so wunderlicher, wie ich noch keinen sah. Ich kann ihn nicht aus dem Hause kriegen. Ich bitte, ruf doch mal den Herrn her.

DRITTER DIENER
Was habt Ihr hier zu suchen, Mensch? Bitte, scher dich aus dem Haus!

CORIOLANUS
Laßt mich hier stehn, nicht schad ich euerm Herd.

DRITTER DIENER
Wer seid Ihr?

CORIOLANUS
Ein Mann von Stande.

DRITTER DIENER
Ein verwünscht armer.

CORIOLANUS
Gewiß, das bin ich.

DRITTER DIENER
Ich bitte Euch, armer Mann von Stande, sucht Euch ein andres Quartier; hier ist kein Platz für Euch. - Ich bitte Euch, packt Euch fort!

CORIOLANUS
Geht eurer Arbeit nach! Weg! Stopft euch mit kalten Bissen.
Stößt den Diener weg.

DRITTER DIENER
Was, Ihr wollt nicht? Bitte, sage doch dem Herrn, was er hier für einen seltsamen Gast hat.

ZWEITER DIENER
Das will ich.
Geht ab.

DRITTER DIENER
Wo wohnst du?

CORIOLANUS
Unter dem Firmament.

DRITTER DIENER
Unter dem Firmament?

CORIOLANUS
Ja.

DRITTER DIENER
Wo ist das?

CORIOLANUS
In der Stadt der Geier und Krähen.

DRITTER DIENER
In der Stadt der Geier und Krähen? Was das für ein Esel ist! So wohnst du auch wohl bei den Dohlen?

CORIOLANUS
Nein, ich diene nicht deinem Herrn.

[ERSTER] DRITTER DIENER
Kerl, was hast du mit meinem Herrn zu schaffen?

CORIOLANUS
Nun, das ist doch schicklicher, als wenn ich mit deiner Frau zu schaffen hätte. Du schwatzt und schwatzt! - Trag deine Teller weg. Marsch!
Er schlägt ihn hinaus. Aufidius tritt auf und der zweite Diener.

AUFIDIUS
Wo ist der Mensch?

ZWEITER DIENER
Hier, Herr. Ich hätte ihn wie einen Hund hinausgeprügelt, ich wollte nur die Herren drinnen nicht stören.

AUFIDIUS
Woher kommst du? - Was willst du? - Dein Name? - Weshalb antwortest du nicht? - Sprich, Mensch, wie heißt du?

CORIOLANUS
schlägt den Mantel auseinander.
Wenn, Tullus,
Du noch nicht mich erkennst, und, mich beschauend,
Nicht findest, wer ich bin, zwingt mich die Not,
Mich selbst zu nennen.

AUFIDIUS
                        Und wie ist dein Name?
Die Diener ziehen sich zurück.

CORIOLANUS
Ein Name, schneidend für der Volsker Ohr
Und rauhen Klangs für dich.

AUFIDIUS
                             Wie ist dein Name?
Du hast 'nen wüsten Schein, und deine Mien ist
Gebieterisch. Ist auch zerfetzt dein Tauwerk,
Zeigst du als wackres Schiff dich. Wie dein Name?

CORIOLANUS
Zieh deine Stirn in Falten. Kennst mich jetzt?

AUFIDIUS
Nicht kenn ich dich. Dein Name?

CORIOLANUS
Mein Nam ist Cajus Marcius, der dich selbst
Vorerst und alle deine Landsgenossen
Sehr schwer verletzt' und elend machte; Zeuge:
Mein dritter Name Coriolan. Die Kriegsmühn,
Die Todsgefahr und all die Tropfen Bluts,
Vergossen für das undankbare Rom,
Das alles wird bezahlt mit diesem Namen,
Er, starkes Mahnwort und Anreiz zu Haß
Und Feindschaft, die du mir mußt hegen. Nur
Der Name bleibt. Die Grausamkeit des Volks,
Ihr Neid, gestattet von dem feigen Adel,
Der gänzlich mich verließ, verschlang das andre.
Sie duldetens, mich durch der Sklaven Stimmen
Aus Rom gezischt zu sehn. Diese Verruchtheit
Bringt mich an deinen Herd; die Hoffnung nicht,
Versteh mich recht, mein Leben zu erhalten,
Denn fürchtet ich den Tod, so mied ich wohl
Von allen Menschen dich zumeist; nein, Haß,
Ganz meinen Neidern alles wettzumachen,
Bringt mich hieher. Wenn du nun in dir trägst
Ein Herz des Grimms, das Rache heischt für alles,
Was dich als Mann gekränkt, und die Verstümmlung
Und Schmach in deinem ganzen Land will enden,
Mach dich gleich dran, daß dir mein Elend nütze,
Daß dir mein Rachedienst zur Wohltat werde,
Denn ich bekämpfe
Mein gifterfülltes Land mit aller Wut
Der Höllengeister. Doch wenns so sich fügt,
Daß du's nicht wagst und bist ermüdet, weiter
Dein Schicksal zu versuchen, bin auch ich,
Mit einem Wort, des Lebens überdrüssig;
Dann biet ich dir und deinem alten Haß
Hier meine Gurgel. Schneidest du sie nicht,
So würdest du nur als ein Tor dich zeigen;
Denn immer hab ich dich mit Grimm verfolgt
Und Tonnen Blutes deinem Land entzapft.
Ich kann nur leben dir zum Hohn, es sei denn,
Um Dienste dir zu tun.

AUFIDIUS
                        O Marcius, Marcius!
Ein jedes Wort von dir hat eine Wurzel
Des alten Neids mir aus der Brust gejätet.
Wenn Jupiter
Von jener Wolk uns als Orakel riefe:
»Wahr ists!«, nicht mehr als dir würd ich ihm glauben.
Ganz edler Marcius, o laß mich umwinden
Den Leib mit meinen Armen, gegen den
Mein fester Speer wohl hundertmal zerbrach,
Und schlug den Mond mit Splittern. Hier umfang ich
Den Amboß meines Schwerts und ringe nun
So edel und so heiß mit deiner Liebe,
Als je mein eifersüchtger Mut gerungen
Mit deiner Tapferkeit. Laß mich bekennen:
Ich liebte meine Braut, nie seufzt' ein Mann
Mit treurer Seele; doch dich, edles Wesen,
Zu sehn hier macht mein Herz entzückt mehr tanzen,
Als da mein neuvermähltes Weib zuerst
Mein Haus betrat. Du Mars, ich sage dir,
Ganz fertig steht ein Kriegsheer, und ich wollte
Noch einmal dir den Schild vom Arme hauen,
Wo nicht den Arm verlieren. Zwölfmal hast du
Mich ausgeklopft, und jede Nacht seitdem
Träumt ich vom Balgen zwischen dir und mir.
Wir waren beid in meinem Schlaf am Boden,
Die Helme reißend, bei der Kehl uns packend,
Halbtot vom Nichts erwacht ich. - Edler Marcius,
Hätt ich nicht andern Streit mit Rom, als nur,
Daß du von dort verbannt, ich böte auf
Von zwölf zu siebzig alles Volk, um Krieg
Ins Herz des undankbaren Roms zu gießen
Mit überschwellnder Flut. - O komm, tritt ein
Und nimm die Freundeshand der Senatoren,
Die jetzt hier sind, mir Lebewohl zu sagen,
Der eure Länderein angreifen wollte,
Wenn auch nicht Rom selbst.

CORIOLANUS
                             Götter, seid gepriesen!

AUFIDIUS
Willst du nun selbst als unumschränkter Herr
Dein eigner Rächer sein, so übernimm
Die Hälfte meiner Macht, bestimme du,
Wie dir gefällt, da du am besten kennst
Des Landes Kraft und Schwäche, deinen Weg,
Sei's, anzuklopfen an die Tore Roms,
Sei's, sie an fernen Grenzen heimzusuchen,
Erst schreckend, dann vernichtend. Doch tritt ein
Und sei empfohlen jenen, daß sie Ja
Zu deinen Wünschen sprechen. - Tausend Willkomm!
Und mehr mein Freund als du je Feind gewesen,
Und, Marcius, das ist viel. Komm, deine Hand!
Coriolanus und Aufidius gehn ab.

ERSTER DIENER
Das ist eine wunderliche Veränderung.

ZWEITER DIENER
Bei meiner Hand, ich dachte ihn mit einem Prügel hinauszuschlagen, und doch ahnte mir, seine Kleider machten von ihm eine falsche Aussage.

ERSTER DIENER
Was hat er für einen Arm! Er schwenkte mich herum mit seinem Daum und Finger, wie man einen Kreisel tanzen läßt.

ZWEITER DIENER
Nun, ich sah gleich an seinem Gesicht, daß was Besonderes in ihm steckte. Er hatte dir eine Art von Gesicht, sag ich - ich weiß nicht, wie ich es nennen soll.

ERSTER DIENER
Das hatte er. Er sah aus, gleichsam - ich will mich hängen lassen, wenn ich nicht dachte, es wäre mehr in ihm, als ich denken konnte.

ZWEITER DIENER
Das dachte ich auch, mein Seel. Er ist geradezu der herrlichste Mann in der Welt.

ERSTER DIENER
Das glaube ich auch. Aber einen besseren Krieger als ihn kennst du doch wohl!

ZWEITER DIENER
Wer? Der Herr?

ERSTER DIENER
Ja, das ist keine Frage.

ZWEITER DIENER
Der wiegt sechs solche auf.

ERSTER DIENER
Nein, das nun auch nicht; doch ich halte ihn für einen bessern Krieger.

ZWEITER DIENER
Mein Treu, sieh, man kann nicht sagen, was man davon denken soll; was die Verteidigung einer Stadt betrifft, da ist unser Feldherr vorzüglich.

ERSTER DIENER
Ja, und auch für den Angriff.
Der dritte Diener kommt zurück.

DRITTER DIENER
O Bursche, ich kann euch Neuigkeiten erzählen, Neuigkeiten, ihr Flegel!

DIE BEIDEN ANDERN
Was, was, was? Laß hören!

DRITTER DIENER
Ich wollte kein Römer sein, lieber alles in der Welt; lieber wäre ich ein verurteilter Mensch.

ERSTER UND ZWEITER DIENER
Warum, warum?

DRITTER DIENER
Nun, der ist da, der unsern Feldherrn immer zwackte, der Cajus Marcius.

ERSTER DIENER
Warum sagtest du, unsern Feldherrn zwacken?

DRITTER DIENER
Ich sage just nicht, unsern Feldherrn zwacken; aber er war ihm doch immer gewachsen.

ZWEITER DIENER
Kommt, wir sind Freunde und Kameraden. Er war ihm immer zu mächtig, das habe ich ihn selbst sagen hören.

ERSTER DIENER
Er war ihm, kurz und gut, zu mächtig. Vor Corioli hackte und zackte er ihn wie eine Karbonade.

ZWEITER DIENER
Und hätte er was von einem Kannibalen gehabt, so hätte er ihn wohl gebraten und aufgegessen dazu.

ERSTER DIENER
Aber dein andres Neues?

DRITTER DIENER
Nun, da drinnen machen sie so viel Aufhebens von ihm, als wenn er der Sohn und Erbe des Mars wäre. Obenan gesetzt bei Tische, von keinem der Senatoren gefragt, der sich nicht barhäuptig vor ihn hinstellt. Unser Feldherr selbst tut, als wenn er seine Geliebte wäre, segnet sich mit Berührung seiner Hand und dreht das Weiße in den Augen heraus, wenn er spricht. Aber der Grund und Boden meiner Neuigkeit ist: Unser Feldherr ist mitten durchgeschnitten und nur noch die Hälfte von dem, was er gestern war; denn der andre hat die andre Hälfte auf Ansuchen mit Genehmigung der ganzen Tafel. Er sagt, er will gehn und den Torwächter von Rom bei den Ohren packen, er will alles vor sich niedermähen und sich glatten Weg machen.

ZWEITER DIENER
Und er ist der Mann danach, es zu tun, mehr als irgend jemand, den ich kenne.

DRITTER DIENER
Es zu tun? Freilich wird ers tun! Denn versteht, Leute, er hat ebensoviel Freunde als Feinde; und diese Freunde, Leute, wagten gleichsam nicht, versteht mich, Leute, sich als seine Freunde, wie man zu sagen pflegt, zu zeigen, solange er in Mißkreditierung war.

ERSTER DIENER
In Mißkreditierung? Was ist das?

DRITTER DIENER
Aber Leute, wenn sie seinen Helmbusch wieder hoch sehen werden und den Mann in seiner Kraft, so werden sie aus ihren Höhlen kriechen wie Kaninchen nach dem Regen und ihm alle nachlaufen.

ERSTER DIENER
Aber wann geht das los?

DRITTER DIENER
Morgen, heute, sogleich. Ihr werdet die Trommel heut nachmittag schlagen hören, es ist gleichsam noch eine Schüssel zu ihrem Fest, die verzehrt werden muß, ehe sie sich den Mund abwischen.

ZWEITER DIENER
Nun, so kriegen wir doch wieder eine muntre Welt. Der Friede ist zu nichts gut als Eisen zu rosten, Schneider zu vermehren und Bänkelsänger zu schaffen.

ERSTER DIENER
Ich bin für den Krieg, sage ich, er übertrifft den Frieden wie der Tag die Nacht, er ist munter, lebhaft, man bekommt was zu hören, immer was Neues; Friede ist geradezu Schlaglähmung, Schlafsucht, schal, faul, taub, unempfindlich und bringt mehr Bastarde hervor, als der Krieg Menschen erwürgt.

ZWEITER DIENER
Richtig; und wie man auf gewisse Weise den Krieg Notzucht nennen kann, so macht, ohne Widerrede, der Friede viele Hahnrei.

ERSTER DIENER
Ja, und er macht, daß die Menschen einander hassen.

DRITTER DIENER
Und warum? Weil sie dann einander weniger nötig haben. Der Krieg ist mein Mann. - Ich hoffe, Römer sollen noch ebenso wohlfeil werden als Volsker. - Sie stehn auf, sie stehn auf!

ALLE
Hinein, hinein!
Alle ab.




SECHSTE SZENE

Rom. Ein öffentlicher Platz


Sicinius und Brutus treten auf.

SICINIUS
Man hört von ihm nichts, hat ihn nicht zu fürchten.
Was ihn gestärkt, ist zahm; der Friede jetzt
Und Ruh im Volke, welches sonst empört
Und wild. Wir machen seine Freund erröten,
Daß alles blieb im ruhgen Gleis. Sie sähen
Viel lieber, ob sie selbst auch drunter litten,
Aufrührerhaufen unsre Straßen stürmen,
Als daß der Handwerksmann im Laden singt
Und alle freudig an die Arbeit gehn.
[Menenius tritt auf.]

BRUTUS
Wir griffen glücklich durch. Ist das Menenius?

SICINIUS
Er ist es. Oh, er wurde sehr geschmeidig
Seit kurzem. -
Menenius tritt auf.

BRUTUS
                Seid gegrüßt!

MENENIUS
                              Ich grüß euch beide.

SICINIUS
Euer Coriolanus wird nicht sehr vermißt,
Als von den Freunden nur; die Stadt besteht
Und würde stehn, wenn er sie mehr noch haßte.

MENENIUS
Gut ists und könnte noch weit besser sein,
Hätt er sich nur gefügt.

SICINIUS
                          Wo ist er? Wißt Ihrs?

MENENIUS
Ich hörte nichts; auch seine Frau und Mutter
Vernehmen nichts von ihm.
Es kommen [mehrere] drei oder vier Bürger.

DIE BÜRGER
Der Himmel schütz euch!

SICINIUS
                         Guten Abend, Nachbarn!

BRUTUS
Guten Abend allen! Allen guten Abend!

ERSTER BÜRGER
Wir, unsre Fraun und Kinder sind verpflichtet,
Auf Knien für euch zu beten.

SICINIUS
                              Gehs euch wohl.

BRUTUS
Lebt wohl, ihr Nachbarn. Hätte Coriolanus
Euch so geliebt wie wir!

DIE BÜRGER
                          Der Himmel segn euch!

DIE TRIBUNEN
Lebt wohl, lebt wohl!
Die Bürger gehn ab.

SICINIUS
Dies ist beglücktre wohl und liebre Zeit,
Als da die Burschen durch die Straßen liefen,
Zerstörung brüllend.

BRUTUS
                      Cajus Marcius war
Im Krieg ein würdger Held, doch unverschämt
Von Stolz gebläht, ehrgeizig übers Maß,
Selbstsüchtig -

SICINIUS
                 Unumschränkte Macht erstrebend
Ohn andern Beistand.

MENENIUS
                      Nein, das glaub ich nicht.

SICINIUS
Das hätten wir, so daß wirs all beweinten,
Empfunden, wär er Konsul nur geblieben.

BRUTUS
Die Götter wandtens gnädig ab, und Rom
Ist frei und sicher ohne ihn.
Ein Ädil kommt.

ÄDIL
                               Tribunen,
Da ist ein Sklave, den wir festgesetzt;
Der sagt: Es brach mit zwei verschiednen Heeren
Der Volsker Macht ins römische Gebiet,
Und mit des Krieges fürchterlichster Wut
Verwüsten sie das Land.

MENENIUS
                         Das ist Aufidius,
Der, da er unsers Marcius' Bann gehört,
Die Hörner wieder ausstreckt in die Welt,
Die er einzog, als Marcius stand für Rom,
Und nicht ein Blickchen wagte.

SICINIUS
                                Ei, was schwatzt Ihr
Von Marcius da.

BRUTUS
Peitscht diesen Lügner aus! Es kann nicht sein.
Sie wagen nicht den Bruch.

MENENIUS
                            Es kann nicht sein?
Wohl sagt uns die Erinnrung, daß es sein kann;
Dreimal bezeugt es uns dasselbe Beispiel
In meiner Zeit. Sprecht doch mit dem Gesellen,
Eh ihr ihn straft, fragt ihn, wo ers gehört;
Ihr möchtet sonst wohl eure Warnung peitschen,
Den Boten schlagen, der euch wahren will
Vor dem, was zu befürchten.

SICINIUS
                             Sprecht nicht so!
Ich weiß, es kann nicht sein.

BRUTUS
                               Es ist unmöglich.
Ein Bote kommt.

BOTE
In größter Eil versammelt der Senat
Sich auf dem Kapitol. Sie hörten Botschaft,
Die ihr Gesicht entfärbt.

SICINIUS
                           Das macht der Sklave.
Laßt vor dem Volk ihn peitschen; sein Verhetzen -
Nichts als sein Märchen -

BOTE
                           Nicht doch, werter Herr!
Des Sklaven Wort bestätigt sich, und weit,
Weit schlimmer, als er aussagt.

SICINIUS
                                 Wie, weit schlimmer?

BOTE
Es wird von vielen Zungen frei gesprochen,
Ob glaublich, weiß ich nicht, es führe Marcius,
Aufidius zugesellt, ein Heer auf Rom,
So weite Rache schwörend, wie der Anfang
Der Dinge weit vom Jetzt ist.

SICINIUS
                               O höchst glaublich!

BRUTUS
Nur ausgestreut, damit der schwächre Teil
Den guten Marcius heim soll wünschen.

SICINIUS
                                       Freilich
Ist das der Kniff.

MENENIUS
                    Nein, dies ist unwahrscheinlich.
Er und Aufidius finden keinen Ausgleich
Für solchen starken Gegensatz.
Es kommt ein zweiter Bote.

ZWEITER BOTE
Man läßt in Eil aufs Kapitol Euch fordern!
Ein furchtbar Heer, geführt von Cajus Marcius,
Aufidius zugesellt, verwüstet rings
Die ganze Landschaft und betritt den Weg
Hieher, durch Feur gebahnt, zerstörend alles,
Was ihrer Wut begegnet.
Cominius tritt auf.

COMINIUS
Was habt ihr angerichtet!

MENENIUS
                           Nun, was gibts?

COMINIUS
Die eignen Töchter helft ihr schänden und
Der Dächer Blei auf eure Schädel schmelzen,
Die Weiber sehn entehren euch vor Augen!

MENENIUS
Was gibt es denn, was gibts denn?

COMINIUS
Verbrennen eure Tempel bis zum Grund,
Und eure Recht, auf die ihr pocht, verjagen
Bis in ein Mäuseloch!

MENENIUS
                       Ich bitt Euch, sprecht! -
Ich fürcht, ihr habt es schön gemacht! - O sprecht!
Wenn Marcius sich verband den Volskern -

COMINIUS
                                          Wenn?
Er ist ihr All, er führt sie als ein Wesen,
Das nicht Natur erschuf, nein, eine Gottheit,
Die höher ihn begabt. Sie folgen ihm
Her gegen uns Gezücht, so ruhig, sicher,
Wie Knaben Schmetterlinge jagen, Schlächter
Die Fliegen töten.

MENENIUS
                    Ihr habts schön gemacht
Mit euren Schurzfellmännern, die so fest ihr
Auf eure Handwerksstimmen hieltet und
Der Knoblauchfresser Atem.

COMINIUS
                            Schütteln wird er
Euch um die Ohren Rom.

MENENIUS
                        Wie Herkules
Die reife Frucht abschüttelt. Schöne Arbeit!

BRUTUS
So ist es wahr?

COMINIUS
                 Ja, und ihr sollt erbleichen,
Bevor ihrs anders findet. Jede Stadt
Fällt lachend ab, und wer sich widersetzt,
Den höhnt man nur als tapfre Dummheit aus,
Der stirbt als treuer Narr. Wer kann ihn tadeln?
Die Feind' ihm sind, sehn jetzo, was er ist.

MENENIUS
Wir alle sind verloren, wenn der Edle
Nicht Gnade übt.

COMINIUS
                  Wer soll ihn darum bitten?
Aus Schande könnens die Tribunen nicht;
Das Volk verdient von ihm Erbarmen, wie
Der Wolf vom Schäfer. Seine besten Freunde,
Sagten sie: Schone Rom!, sie kränkten ihn
Gleich jenen, welche seinen Haß verdient,
Und zeigten sich als Feinde.

MENENIUS
                              Das ist wahr.
Wenn er den Brand an meine Schwelle legte,
Mich zu verzehren, hätt ich nicht die Stirn,
Zu sagen: Bitte, laß! - Ihr treibt es schön,
Ihr und das Handwerk. Herrlich Werk der Hand!

COMINIUS
Ihr brachtet
Solch Zittern über Rom, daß sichs noch nie
So hülflos fand.

DIE TRIBUNEN
                  Sagt nicht, daß wir es brachten.

MENENIUS
So? Waren wirs? Wir liebten ihn, doch tierisch
Und knechtisch feig, nicht adlig, wichen wir
Dem Pack, das aus der Stadt ihn zischte.

COMINIUS
                                          Ich fürchte,
Sie brüllen wieder ihn herein. Aufidius,
Der Männer zweiter, folgt nun seinem Wink,
Als dient' er unter ihm. Verzweiflung nur
Kann Rom ihm nun statt Kriegskunst und Verteidgung
Und Macht entgegenstellen.
Es kommt ein Haufen Bürger.

MENENIUS
                            Hier kommt das Pack. -
Und ist Aufidius mit ihm? - Ja, ihr seids,
Die unsre Luft verpestet, als ihr warft
Die schweißgen Mützen in die Höh und schriet:
Verbannt sei Coriolan! - Nun kommt er wieder,
Und jedes Haar auf seiner Krieger Haupt
Wird euch zur Geißel. So viel Narrenköpfe,
Als Mützen flogen, wird er niederstrecken
Zum Lohn für eure Stimmen. - Nun, was tuts?
Und wenn er all uns brennt in eine Kohle,
Geschieht uns recht.

DIE BÜRGER
                      Wir hörten böse Zeitung.

ERSTER BÜRGER
Was mich betrifft, als ich gesagt: »Verbannt ihn«,
Da sagt ich: »Schade drum!«

ZWEITER BÜRGER
                              Das tat ich auch.

DRITTER BÜRGER
Das tat ich auch; und, die Wahrheit zu sagen, das taten viele von uns. Was wir taten, das taten wir in bester Absicht; und obgleich wir freiwillig in seine Verbannung einwilligten, so war es doch gegen unsern Willen.

COMINIUS
Ihr seid ein schönes Volk, ihr Stimmen!

MENENIUS
Ihr machtets herrlich, ihr und euer Pack.
Gehn wir aufs Kapitol?

COMINIUS
                        Jawohl. Was sonst?
Cominius und Menenius gehn ab.

SICINIUS
Geht, Freunde, geht nach Haus, seid nicht entmutigt!
Dies ist sein Anhang, der das wünscht bestätigt,
Was er zu fürchten vorgibt. Geht nach Haus,
Seid ohne Furcht!

ERSTER BÜRGER
Die Götter seien uns gnädig. Kommt, Nachbarn, laßt uns nach Hause gehn! Ich sagte immer: Wir taten unrecht, als wir ihn verbannten.

ZWEITER BÜRGER
Das taten wir alle. Kommt, laßt uns nach Hause gehn!
Die Bürger gehn ab.

BRUTUS
Die Neuigkeit gefällt mir nicht.

SICINIUS
                                  Mir auch nicht.

BRUTUS
Aufs Kapitol! Mein halb Vermögen gäb ich,
Könnt ich als Lüge diese Nachricht kaufen.

SICINIUS
Kommt, laßt uns gehn!
Alle gehn ab.




SIEBENTE SZENE

Ein Lager in geringer Entfernung von Rom


Aufidius und sein Hauptmann treten auf.

AUFIDIUS
Noch immer laufen sie dem Römer zu?

HAUPTMANN
Ich weiß nicht, welche Zauberkraft er hat,
Doch dient zum Tischgebet er Euren Kriegern,
Wie zum Gespräch beim Mahl und Dank am Schluß.
Ihr seid in diesem Krieg verdunkelt, Herr,
Selbst von den Eignen.

AUFIDIUS
                        Jetzt kann ichs nicht ändern,
Als nur durch Mittel, die die Kräfte lähmten
Von unsrer Absicht. Er beträgt sich stolzer,
Selbst gegen mich, als ich es je erwartet,
Da ich zuerst ihn aufnahm. Doch sein Wesen
Bleibt darin sich getreu. Ich muß entschuldgen,
Was nicht zu bessern ist.

HAUPTMANN
                           Doch wünscht ich, Herr,
Zu Eurem eignen Heil, Ihr hättet nicht
Mit ihm geteilt die Macht, vielmehr entweder
Die Führung selbst behalten oder ihm
Allein sie überlassen.

AUFIDIUS
Wohl weiß ich, was du meinst; und, sei versichert,
Wenns Rechenschaft einst gilt, so denkt er nicht,
Wes ich ihn kann beschuldgen. Scheint es gleich,
Und glaubt er selbst, und überzeugt sich auch
Das Volk, daß er in allem redlich handelt
Und guten Haushalt für die Volsker führt,
Ficht gleich dem Drachen, siegt, sobald er nur
Das Schwert gezückt, doch blieb noch ungetan,
Was so den Hals ihm bricht oder den meinen
Gefährdet, wenn wir miteinander rechnen.

HAUPTMANN
Herr, glaubt Ihr, daß er Roms sich wird bemeistern?

AUFIDIUS
Jedwede Stadt ist sein, eh er belagert,
Und ihm ergeben ist der Adel Roms;
Patrizier lieben ihn und Senatoren.
Den Krieg versteht nicht der Tribun. Das Volk
Wird schnell zurück ihn rufen, wie's ihn eilig
Von dort verstieß. Ich glaub, er ist für Rom,
Was für den Fisch der Meeraar, der ihn fängt
Durch angeborne Macht. Erst war er ihnen
Ein edler Diener; doch er konnte nicht
Die Würden mäßig tragen. Sei's nun Stolz,
Der immer, bleibt das Glück unwandelbar,
Den Held befleckt, sei's Mangel an Verstand,
Wodurch er nicht den Zufall klug beherrscht,
Der ihn begünstigt, oder sei's Natur,
Die ihn aus einem Stück schuf - stets derselbe
Im Helme wie im Rat, herrscht' er im Frieden
Mit unbeugsamer Streng und finsterm Ernst,
Wie er dem Krieg gebot. Schon eins von diesen
- Von jedem hat er etwas, keines ganz,
So weit sprech ich ihn frei - macht' ihn gefürchtet,
Gehaßt, verbannt. Doch so ist sein Verdienst:
Wer davon spricht, der würgts damit. So fällt
Stets unser Wert der Zeiten Deutung heim,
Und Macht, die an sich selbst zu loben ist,
Hat kein so unverkennbar Grab, als wenn
Von Rednerbühnen wird ihr Tun gepriesen.
Der Nagel treibt den Nagel, Brand den Brand,
Kraft sinkt durch Kraft, durch Recht wird Recht verkannt.
Kommt, laßt uns gehn. - Ist, Cajus, Rom erst dein,
Dann bist der Ärmste du, dann bist du mein!
Sie gehn ab.







FÜNFTER AKT

ERSTE SZENE

Rom, ein öffentlicher Platz


Es treten auf Menenius, Cominius, Sicinius, Brutus und andere.

MENENIUS
Nein, ich geh nicht. Ihr hört, was dem er sagte,
Der einst sein Feldherr war; der ihn geliebt
Aufs allerzärtlichste. Mich nannt er Vater;
Doch was tut das? Geht ihr, die ihn verbannt,
'ne Meile schon vor seinem Zelt fallt nieder
Und schleicht auf Knien in seine Gnade! - Nein:
Wollt er nichts von Cominius hören, bleib ich
Zu Haus.

COMINIUS
          Er tat, als kennte er mich nicht.

MENENIUS
Hört ihrs?

COMINIUS
Doch einmal nannt er mich bei meinem Namen:
Die alte Freundschaft macht ich geltend, Blut,
Gemeinsam sonst vergossen. Coriolan
Wollt er nicht sein, verbat sich jeden Namen;
Er sei ein Nichts, ein ungenanntes Wesen,
Bis er sich einen Namen neu geschmiedet
Im Brande Roms.

MENENIUS
                 Ah, so! Ihr machtets gut!
Ein Paar Tribunen, die für Rom sich plagten,
Wohlfeil zu machen Kohlen. Edler Ruhm!

COMINIUS
Ich mahnt ihn, wie so königlich Verzeihung,
Je minder sie erwartet sei. Er sprach,
Das sei vom Staat ein kahles Wort an ihn,
Den selbst der Staat bestraft.

MENENIUS
                                Das war ganz recht.
Was konnt er anders sagen?

COMINIUS
Ich suchte dann sein Mitleid zu erwecken
Für die besondern Freund. Er gab zur Antwort:
Nicht lesen könn er sie aus einem Haufen
Verdorbner, schlechter Spreu, auch sei es Torheit,
Um ein, zwei arme Körner stinken lassen
Den Unrat unverbrannt.

MENENIUS
                        Um ein paar Körner?
Davon bin ich eins, seine Frau und Mutter,
Sein Kind, der wackre Freund, wir sind die Körner;
Ihr seid die dumpfe Spreu, und eur Gestank
Dringt bis zum Mond; wir müssen für euch brennen.

SICINIUS
Seid milde doch, wenn Ihr zu helfen weigert
In so ratloser Zeit. Verhöhnt uns mindstens
Mit unserm Elend nicht, denn sprächet Ihr
Für Euer Vaterland, Eur gutes Wort,
Mehr als ein eilig aufgerafftes Heer,
Hemmt' unsern Landsmann.

MENENIUS
                          Nein, ich bleib davon.

SICINIUS
Ich bitt Euch, geht zu ihm!

MENENIUS
                             Was soll es nutzen?

BRUTUS
Versuchen nur, was Eure Liebe kann
Für Rom bei Marcius.

MENENIUS
                      Und gesetzt, daß Marcius
Zurück mich schickt, wie er Cominius tat,
Ganz ungehört. Die Folge?
Noch ein gekränkter Freund, von Gram durchbohrt
Durch seine Härte. Nun?

SICINIUS
                         Doch Euern Willen
Erkennt Rom dankbar nach dem Maß, wie Ihr
Die gute Meinung zeigt.

MENENIUS
                         Ich wills versuchen.
Kann sein, er hört mich; doch, die Lippe beißen
Und grollen mit Cominius schwächt mein Herz.
Man traf die Stunde nicht, vor Tische wars.
Und sind die Adern leer, ist kalt das Blut,
Dann schmollen wir dem Morgen, sind unwillig
Zu geben und vergeben; doch gefüllt
Die Röhren und Kanäle unsers Bluts
Mit Wein und Nahrung, macht die Seele schmeidger
Als priesterliches Fasten. Darum wart ich,
Bis er für mein Gesuch in Tafellaune,
Und dann mach ich mich an ihn.

BRUTUS
Ihr kennt den wahren Pfad zu seiner Güte
Und könnt des Wegs nicht fehlen.

MENENIUS
                                  Gut, ich prüf ihn.
Gehs wie es will, bald werd ich selber wissen,
Ob mirs gelang.
Geht ab.

COMINIUS
                 Er hört ihn niemals.

SICINIUS
                                       Nicht?

COMINIUS
Glaubt mir, er sitzt im Gold, sein Blick so feurig,
Als wollt er Rom verbrennen, und sein Zorn
Ist Wächter seiner Gnad. Ich kniete nieder,
Nur leise sprach er: »Auf!«, entließ mich, so -
Mit seiner stummen Hand. Was er tun würde,
Schickt' er mir schriftlich nach; was er nicht könne,
Zwäng ihn ein Eid sich selbst nicht nachzugeben.
So daß all Hoffnung nichtig -
Wenn seine edle Mutter nicht und Gattin;
Die, hör ich, sind gewillt, ihn anzuflehn
Um Gnade für die Stadt; drum gehn wir hin,
Daß unser bestes Wort sie noch mehr treibe.
Gehn ab.




ZWEITE SZENE

Ein Vorposten von dem Lager der Volsker vor Rom


Zwei Wachen der Volsker auf ihren Posten, zu ihnen kommt Menenius.

ERSTE WACHE
Halt! - Woher kommt Ihr?

ZWEITE WACHE
                          Halt, und geht zurück!

MENENIUS
Ihr wacht wie Männer. Gut; doch mit Vergunst,
Ich bin ein Staatsbeamter und gekommen,
Mit Coriolan zu sprechen.

ERSTE WACHE
                           Von wo?

MENENIUS
                                    Von Rom.

ERSTE WACHE
Ihr kommt nicht durch. Ihr müßt zurück. - Der Feldherr
Will nichts von dort mehr hören.

ZWEITE WACHE
Ihr sollt Eur Rom in Flammen sehn, bevor
Mit Coriolan Ihr sprecht.

MENENIUS
                           Ihr guten Freunde,
Habt ihr den Feldherrn sprechen hörn von Rom
Und seinen Freunden dort? Zehn gegen eins,
So traf mein Nam eur Ohr; er heißt Menenius.

ERSTE WACHE
Mag sein. Zurück, denn Euers Namens Würde
Bringt Euch nicht durch.

MENENIUS
                          Ich sage dir, mein Freund,
Dein Feldherr liebt mich, denn ich war die Chronik
Des Guten, das er tat, und wo sein Ruhm
Vergleichslos stand, wohl etwas übertrieben.
Stets sagt ich Rühmendes von meinen Freunden,
Von denen er der liebste, wie die Wahrheit
Es eben noch erlaubt'; zuweilen wohl,
So wie die Kugel auf ganz sanftem Grund,
Sprang ich was jenseits, machte fast im Loben
Ein wenig Wind. Drum, Bursch, muß ich auch durch!

ERSTE WACHE
Mein Treu, Herr, wenn Ihr auch so viele Lügen für ihn als jetzt Worte für Euch gesprochen habt, so sollt Ihr doch nicht durch. Nein - und wenn auch das Lügen so verdienstlich wäre wie ein keusches Leben. Darum zurück!

MENENIUS
Ich bitte dich, Bursche, erinnere dich, daß ich Menenius heiße, der immer die Partei deines Feldherrn hielt!

ZWEITE WACHE
Wenn Ihr auch sein Lügner gewesen seid, wie Ihr vorgebt, so bin ich einer, der in seinem Dienst die Wahrheit spricht und Euch sagt, daß Ihr hier nicht hinein dürft. Darum zurück!

MENENIUS
Hat er zu Mittag gegessen? Weißt du's nicht? Denn ich wollte nicht gern eher mit ihm reden als nach der Mahlzeit.

ERSTE WACHE
Nicht wahr. Ihr seid ein Römer?

MENENIUS
Ich bin, was dein Feldherr ist.

ERSTE WACHE
Dann solltet Ihr auch Rom hassen so wie er. Könnt Ihr, nachdem Ihr Euern Verteidiger zu Euern Toren hinausgestoßen und in Eurer blödsinnigen Volkswut Euerm Feind Euern eignen Schild gegeben habt, noch glauben, seine Rache ließe sich durch die schwächlichen Seufzer alter Frauen abwenden, durch das jungfräuliche Händefalten Eurer Töchter oder durch das gichtlahme Auftreten eines so welken, kindischen Mannes, wie Ihr zu sein scheint? Könnt Ihr glauben, das Feuer, das Eure Stadt entflammen soll, mit so schwachem Atem auszublasen? Nein, Ihr irrt Euch, darum zurück nach Rom und bereitet Euch zu Eurer Hinrichtung! Ihr seid verurteilt ohne Widerrede und Verzeihung, das hat der General geschworen.

MENENIUS
Bursche, wenn dein Anführer wüßte, daß ich hier bin, so würde er mich mit Achtung behandeln.

[ERSTE] ZWEITE WACHE
Geht, unser Anführer kennt Euch nicht.

MENENIUS
Ich meine den Feldherrn.

ERSTE WACHE
Der Feldherr fragt nichts nach Euch. Zurück, ich sag es Euch, geht, sonst zapfe ich noch Euer halbes Nößel Blut ab, zurück, denn mehr könnt Ihr nicht haben! Fort!

MENENIUS
Nein, aber, Mensch! Mensch!
Coriolanus und Aufidius treten auf.

CORIOLANUS
Was gibts?

MENENIUS
Jetzt, Geselle, will ich dir etwas einbrocken - du sollst nun sehn, daß ich in Achtung stehe. Du sollst gewahr werden, daß solch ein Hans Schilderhaus mich nicht von meinem Sohn Coriolan wegtreiben kann. Sieh an der Art, wie er mit mir sprechen wird, ob du nicht reif für den Galgen bist oder für eine Todesart von längerer Aussicht und größerer Qual. Sieh nun her und fall sogleich in Ohnmacht, wegen dessen, was dir bevorsteht. - Die glorreichen Götter mögen stündliche Ratsversammlung halten wegen deiner besonderen Glückseligkeit und dich nicht weniger lieben als dein alter Vater Menenius. O mein Sohn, mein Sohn, du bereitst uns Feuer? Sieh, hier ist Wasser, um es zu löschen. Ich war schwer zu bewegen, zu dir zu gehn; aber weil ich überzeugt bin, daß keiner besser als ich dich bewegen kann, so bin ich mit Seufzern aus den Toren dort hinaus geblasen worden und beschwöre dich nun, Rom und deinen flehnden Landsleuten zu verzeihn! Die gütigen Götter mögen deinen Zorn sänftigen und die Hefen davon hier auf diesen Schurken leiten, auf diesen, der mir wie ein Klotz den Eintritt zu dir versagte.

CORIOLANUS
Weg!

MENENIUS
Wie, weg?

CORIOLANUS
Weib, Mutter, Kind, nicht kenn ich sie. Mein Tun
Ist andern dienstbar. Eignet mir die Rache
Auch gänzlich, kann doch von den Volskern nur
Verzeihung kommen. Daß wir einst vertraut,
Vergifte undankbar Vergessen lieber,
Als Mitleid sich, wie sehr, erinnre. Fort denn!
Mein Ohr ist fester Euerm Flehn verschlossen,
Als Eure Tore meiner Kraft. Doch nimm dies,
Weil ich dich liebt, ich schriebs um deinetwillen
übergibt einen Brief.
Und wollt es senden. Kein Wort mehr, Menenius,
Verstatt ich dir. - Der Mann, Aufidius,
War mir sehr lieb in Rom; und dennoch siehst du -

AUFIDIUS
Du bleibst dir immer gleich.
Coriolanus und Aufidius gehn ab.

ERSTE WACHE
Nun, Herr, ist Euer Name Menenius?

ZWEITE WACHE
Ihr seht, er ist ein Zauber von großer Kraft. Ihr wißt nun den Weg nach Hause.

ERSTE WACHE
Habt Ihr gehört, wie wir ausgescholten sind, weil wir Eure Hoheit nicht einließen?

ZWEITE WACHE
Warum doch, denkt Ihr, soll ich nun in Ohnmacht fallen?

MENENIUS
Ich frage weder nach der Welt noch nach euerm Feldherrn. Was solche Kreaturen betrifft wie euch, so weiß ich kaum, ob sie da sind; so unbedeutend seid ihr. - Wer den Entschluß fassen kann, von eigner Hand zu sterben, fürchtet es von keiner andern. Mag euer Feldherr das Ärgste tun; und, was euch betrifft, bleibt, was ihr seid, lange, und eure Erbärmlichkeit wachse mit euerm Alter! Ich sage euch das, was mir gesagt wurde: Weg!
Er geht ab.

ERSTE WACHE
Ein edler Mann, das muß ich sagen.

ZWEITE WACHE
Der würdigste Mann ist unser Feldherr, er ist ein Fels, eine Eiche, die kein Sturm erschüttert.
Sie gehn ab.




DRITTE SZENE

Coriolans Zelt


Es treten auf Coriolanus, Aufidius und andere.

CORIOLANUS
So ziehn wir morgen denn mit unserm Heer
Vor Rom. Ihr, mein Genoß in diesem Krieg,
Tut Euren Senatoren kund, wie redlich
Ich alles ausgeführt.

AUFIDIUS
                       Nur ihren Vorteil
Habt Ihr beachtet. Euer Ohr verstopft
Roms allgemeinem Flehn, nie zugelassen
Geheimes Flüstern, nein, selbst nicht von Freunden,
Die ganz auf Euch vertraut.

CORIOLANUS
                             Der alte Mann,
Den ich nach Rom gebrochnen Herzens sende,
Er liebte mehr mich als mit Vaterliebe,
Ja, machte mich zum Gott. Die letzte Zuflucht
War, ihn zu senden; um des Greises Liebe,
Blickt ich schon finster, tat ich noch einmal
Den ersten Antrag, den sie abgeschlagen
Und jetzt nicht nehmen können; ihn zu ehren,
Der mehr zu wirken hoffte, gab ich nach,
Sehr wenig nur. Doch neuer Sendung Bitte,
Sei's nun vom Staat, von Freunden, leih ich nun
Mein Ohr nicht mehr. -
Geschrei hinter der Szene.
                        Ha! Welch ein Lärm ist das?
[Geschrei hinter der Szene.]
Werd ich versucht, zu brechen meinen Schwur,
Indem ich ihn getan? Ich werd es nicht.
Es treten auf Virgilia, Volumnia, die den jungen Marcius an der Hand führt, Valeria mit Gefolge, alle in Trauer.
Mein Weib voran, dann die ehrwürdge Form,
Die meinen Leib erschuf, an ihrer Hand
Der Enkel ihres Bluts. - Fort, Sympathie!
Brecht, all ihr Band und Rechte der Natur!
Sei's tugendhaft, in Starrsinn fest zu bleiben!
Was gilt dies Beugen mir, dies Taubenauge,
Das Götter lockt zum Meineid? - Ich zerschmelze!
Und bin nicht festre Erd als andre Menschen.
Ha, meine Mutter beugt sich -
Als wenn Olympus sich vor kleinem Hügel
Mit Flehen neigte; und mein junger Sohn
Hat einen Blick der Bitt, aus dem allmächtig
Natur schreit: Weigers nicht! - Nein, pflüge auf
Der Volsker Rom, verheer Italien! - Nimmer
Soll, wie unflügge Brut, Instinkt mich führen;
Ich steh, als wär der Mensch sein eigner Schöpfer
Und kennte nicht Verwandtschaft.

VIRGILIA
                                  Herr und Gatte!

CORIOLANUS
Mein Auge schaut nicht mehr wie sonst in Rom.

VIRGILIA
Der Gram, der uns verwandelt hat, macht dich
So denken.

CORIOLANUS
            Wie ein schlechter Spieler jetzt
Vergaß ich meine Roll und bin verwirrt,
Bis zur Verhöhnung selbst. Blut meines Herzens,
Vergib mir meine Tyrannei; doch sage
Drum nicht: Vergib den Römern! - O ein Kuß,
Lang wie mein Bann und süß wie meine Rache!
Nun, bei der Juno Eifersucht, den Kuß
Nahm ich. Geliebte, mit, und meine Lippe
Hat ihn seitdem jungfräulich treu bewahrt.
Ihr Götter! Wie, ich schwatze,
Und aller Mütter edelste der Welt
Blieb unbegrüßt? - Mein Knie, sink in die Erde,
kniet.
Drück tiefer deine Pflicht dem Boden ein
Als jeder andre Sohn.
[Er kniet nieder.]

VOLUMNIA
                       Steh auf gesegnet!
Daß, auf nicht weicherm Kissen als der Stein,
Ich vor dir knie und Huldigung neuer Art
Dir weihe, die bisher ganz falsch verteilt
War zwischen Kind und Eltern.
Sie kniet.

CORIOLANUS
                               Was ist das?
Ihr vor mir knien? Vor dem bestraften Sohn?
Dann mögen Kiesel von der sandgen Bucht
Frech an die Sterne springen; rebellsche Winde
Die Feuersonn mit stolzen Zedern peitschen,
Mordend Unmöglichkeit, zum Kinderspiel
Zu machen das, was ewig nicht kann sein.

VOLUMNIA
Du bist mein Krieger,
Ich hoffe fügsam. Kennst du diese Frau?

CORIOLANUS
Die edle Schwester des Publicola,
Die Luna Roms, keusch wie die Zacken Eis,
Die aus dem reinsten Schnee der Frost geformt
Am Heiligtum Dianens. Seid gegrüßt, Valeria!

VOLUMNIA
Dies ist ein kleiner Auszug von dir selbst,
Der durch die Auslegung erfüllter Jahre
Ganz werden kann wie du.

CORIOLANUS
                          Der Gott der Krieger,
Mit Beistimmung des höchsten Zeus, erziehe
Zum Adel deinen Sinn, daß du dich stählst,
Der Schande unverwundbar, und im Krieg
Ein groß Seezeichen stehst, die Winde höhnend,
Die rettend, die dir nachsehn.

VOLUMNIA
Knie nieder, Bursch!

CORIOLANUS
                      Das ist mein wackrer Sohn.

VOLUMNIA
Er und dein Weib, die Frau hier und ich selbst
Sind Flehende vor dir.

CORIOLANUS
                        Ich bitt Euch, still!
Wo nicht, bedenket dies, bevor Ihr sprecht:
Was zu gewähren ich verschwor, das nehmt nicht
Als Euch verweigert; heißt mich nicht entlassen
Mein Heer; nicht, wieder unterhandeln mit
Den Handarbeitern Roms; nicht sprecht mir vor,
Worin ich unnatürlich scheine; denkt nicht
Zu sänftigen meine Wut und meine Rache
Mit Euren kältern Gründen.

VOLUMNIA
                            O nicht mehr!
Du hast erklärt, du willst uns nichts gewähren;
Denn nichts zu wünschen haben wir als das,
Was du schon abschlugst; dennoch will ich wünschen,
Daß, weichst du unsern Bitten aus, der Tadel
Nur deine Härte treffen mag. Drum hör uns!

CORIOLANUS
Aufidius und ihr Volsker, merkt, wir hören
Nichts insgeheim von Rom. - Nun, Eure Bitte?

VOLUMNIA
Wenn wir auch schwiegen, sagte doch dies Kleid
Und unser bleiches Antlitz, welch ein Leben
Seit deinem Bann wir führten. Denke selbst,
Wie wir, unselger als je Fraun auf Erden,
Dir nahn! Dein Anblick, der mit Freudentränen
Die Augen füllen soll, das Herz mit Wonne,
Netzt sie mit Leid, die Brust erbebt vor Furcht,
Da Mutter, Weib und Kind es sehen müssen,
Wie Sohn, Gemahl und Vater grausam wühlt
In seines Landes Busen. Weh uns Armen!
Uns trifft am härtsten deine Wut; du wehrst uns
Die Götter anzuflehn, ein Trost, den alle,
Nur wir nicht, teilen; denn wie könnten wirs?
Wie können für das Vaterland wir beten,
Was unsre Pflicht, und auch für deinen Sieg,
Was unsre Pflicht? Ach, unsre teure Amme,
Das Vaterland, geht unter, oder du,
Du Trost im Vaterland. Wir finden immer
Ein unabwendbar Elend, wird uns auch
Ein Wunsch gewährt; wer auch gewinnen mag,
Entweder führt man dich, Abtrünngen, Fremden,
In Ketten durch die Straßen, oder du
Trittst im Triumph des Vaterlandes Schutt
Und trägst die Palme, weil du kühn vergossest
Der Frau, des Kindes Blut, denn ich, mein Sohn,
Ich will das Schicksal nicht erwarten, noch
Des Krieges Schluß. Kann ich dich nicht bewegen,
Daß lieber jedem Teil du Huld gewährst,
Als einen stürzt - fürwahr, du sollst nicht eher
Dein Vaterland bestürmen, bis du tratest
- Glaub mir, du sollst nicht - auf der Mutter Leib,
Der dich zur Welt gebar!

VIRGILIA
                          Ja, auch auf meinen,
Der diesen Sohn dir gab, auf daß dein Name
Der Nachwelt blüh!

DER KLEINE MARCIUS
                         Auf mich soll er nicht treten!
Fort lauf ich, bis ich größer bin, dann fecht ich.

CORIOLANUS
Wer nicht will weich sich fühlen gleich den Frauen,
Der muß nicht Frau noch Kindes Antlitz schauen. -
Zu lange saß ich.
Er steht auf.

VOLUMNIA
                    Nein, so geh nicht fort!
Zielt' unsre Bitte nur dahin, die Römer
Zu retten durch den Untergang der Volsker,
Die deine Herrn, so möchtst du uns verdammen
Als Mörder deiner Ehre. Nein, wir bitten,
Daß beide du versöhnst; dann sagen einst
Die Volsker: Diese Gnad erwiesen wir -
Die Römer: Wir empfingen sie; und jeder
Gibt dir den Preis und ruft: Gesegnet sei
Für diesen Frieden! - Großer Sohn, du weißt,
Des Krieges Glück ist ungewiß; gewiß
Ist dies, daß, wenn du Rom besiegst, der Lohn,
Den du dir erntest, solch ein Name bleibt,
Dem, wie er nur genannt wird, Flüche folgen.
Dann schreibt die Chronik einst: Der Mann war edel,
Doch seine letzte Tat löscht' alles aus,
Zerstört' sein Vaterland; drum bleibt sein Name
Ein Abscheu künftigen Zeiten. - Sprich zu mir!
Der Ehre zartste Fordrung war dein Streben,
In ihrer Hoheit Göttern gleich zu sein,
Den Luftraum mit dem Donner zu erschüttern
Und doch den Blitz mit einem Keil zu tauschen,
Der nur den Eichbaum spaltet. Wie? Nicht sprichst du?
Hältst du es würdig eines edlen Mannes,
Sich stets der Kränkung zu erinnern? - Tochter,
Sprich du, er achtet auf dein Weinen nicht. -
Sprich du, mein Kind,
Vielleicht bewegt dein Kindsgeschwätz ihn mehr,
Als unsre Rede mag. - Kein Mann auf Erden
Verdankt der Mutter mehr; doch hier läßt er
Mich schwatzen wie ein Weib am Pranger. Nie
Im ganzen Leben gabst der lieben Mutter
Du freundlich nach, wenn sie, die arme Henne,
Nicht andrer Brut erfreut, zum Krieg dich gluckte,
Und sicher heim, mit Ehren stets beladen.
Heiß ungerecht mein Flehn und stoß mich weg;
Doch ist das nicht, so bist nicht edel du,
Und strafen werden dich die Götter, daß
Du mir die Pflicht entziehst, die Müttern ziemt.
Er kehrt sich ab! -
Kniet nieder, Fraun, beschäm ihn unser Knien!
Dem Namen Coriolanus ziemt Verehrung,
Nicht Mitleid unserm Flehn. - Kniet, sei's das Letzte! -
Nun ist es aus; wir kehren heim nach Rom
Und sterben mit den Unsern. - Nein, sieh her!
Dies Kind, nicht kann es sagen, was es meint,
Doch kniet es, hebt die Händ empor mit uns,
Spricht so der Bitte Recht mit größrer Kraft,
Als du zu weigern hast. - Kommt, laßt uns gehn:
Der Mensch hat eine Volskerin zur Mutter,
Sein Weib ist in Corioli, dies Kind
Gleicht ihm durch Zufall. - So sind wir entlassen,
Still bin ich, bis die Stadt in Flammen steht,
Dann sag ich etwas noch.

CORIOLANUS
nachdem er schweigend Volumnias Hände gehalten hat.
                          O Mutter! Mutter!
[Er faßt die beiden Hände der Mutter. Pause.]
Was tust du? Sieh, die Himmel öffnen sich,
Die Götter schaun herab; den Auftritt unnatürlich
Belachen sie. - O meine Mutter! Mutter! Oh!
Für Rom hast du heilsamen Sieg gewonnen,
Doch deinen Sohn - o glaub es, glaub es mir,
Ihm höchst gefahrvoll hast du den bezwungen,
Wohl tödlich selbst. - Doch mag es nur geschehn!
Aufidius, kann ich Krieg nicht redlich führen,
Schließ ich heilsamen Frieden. Sprich, Aufidius,
Wärst du an meiner Statt, hättst du die Mutter
Wenger gehört? Ihr wenger zugestanden?

AUFIDIUS
Ich war bewegt.

CORIOLANUS
                 Ich schwöre drauf, du warst es.
Und nichts Geringes ist es, wenn mein Auge
Von Mitleid träuft. Doch rate mir, mein Freund!
Was für Bedingung machst du? Denn nicht geh ich
Nach Rom, ich kehre mit euch um und bitt euch,
Seid hierin mir gewogen. - O Mutter! Frau!

AUFIDIUS
für sich.
Froh bin ich, daß dein Mitleid, deine Ehre,
Dich so entzwein; hieraus denn schaff ich mir
Mein ehemalges Glück.
Die Frauen machen Gesten gegen Coriolanus [wollen sich entfernen].

CORIOLANUS
zu Volumnia, Virgilia und den anderen.
                       O jetzt noch nicht!
Erst trinken wir, dann tragt ein beßres Zeugnis
Als bloßes Wort nach Rom, das gegenseitig
Auf billige Bedingung wir besiegeln.
Kommt, tretet mit uns ein! Ihr Fraun verdient,
Daß man euch Tempel baut, denn alle Schwerter
Italiens und aller Bundsgenossen,
Sie hätten diesen Frieden nicht erkämpft.
Alle ab.




VIERTE SZENE

Rom. Ein öffentlicher Platz


Menenius und Sicinius treten auf.

MENENIUS
Seht Ihr dort jenen Vorsprung am Kapitol, jenen Eckstein?

SICINIUS
Warum? Was soll er?

MENENIUS
Wenn es möglich ist, daß Ihr ihn mit Euerm kleinen Finger von der Stelle bewegt, dann ist einige Hoffnung, daß die römischen Frauen, besonders seine Mutter, etwas bei ihm ausrichten können. Aber ich sage, es ist keine Hoffnung; unsre Kehlen sind verurteilt und warten auf den Henker.

SICINIUS
Ist es möglich, daß eine so kurze Zeit die Gemütsart eines Menschen so verändert?

MENENIUS
Es ist ein Unterschied zwischen einer Raupe und einem Schmetterling; und doch war der Schmetterling eine Raupe. Dieser Marcius ist aus einem Menschen ein Drache geworden, die Schwingen sind ihm gewachsen, er ist mehr als ein kriechendes Geschöpf.

SICINIUS
Er liebte seine Mutter von Herzen.

MENENIUS
Mich auch. Aber er kennt jetzt seine Mutter so wenig als ein achtjähriges Roß. Die Herbigkeit seines Angesichts macht reife Trauben sauer. Wenn er wandelt, so bewegt er sich wie ein Turm, und der Boden schrumpft vor seinem Tritt zusammen. Er ist imstande, einen Harnisch mit seinem Blick zu durchbohren; er spricht wie eine Totenglocke, und sein Hm ist eine Batterie. Er sitzt da in seiner Herrlichkeit wie ein Abbild Alexanders. Was er befiehlt, das geschehen soll, das ist schon vollendet, indem er es befiehlt. Ihm fehlt zu einem Gotte nichts als Ewigkeit und ein Himmel, darin zu thronen.

SICINIUS
Doch, Gnade, wenn Ihr ihn richtig beschreibt.

MENENIUS
Ich male ihn nach dem Leben. Gebt nur acht, was für Gnade seine Mutter mitbringen wird. Es ist nicht mehr Gnade in ihm als Milch in einem männlichen Tiger; das wird unsre arme Stadt empfinden. - Und alles dies haben wir euch zu danken!

SICINIUS
Die Götter mögen sich unser erbarmen!

MENENIUS
Nein, bei dieser Gelegenheit werden sich die Götter unser nicht erbarmen. Als wir ihn verbannten, achteten wir nicht auf sie, und da er nun zurückkommt, um uns den Hals zu brechen, achten sie nicht auf uns.
Ein Bote tritt auf.

BOTE
Wollt Ihr das Leben retten, flieht nach Hause,
Das Volk hat Euren Mittribun ergriffen
Und schleift ihn durch die Straßen. Alle schwören,
Er soll, wenn keinen Trost die Frauen bringen,
Den Tod zollweis empfinden.
Ein zweiter Bote kommt.

SICINIUS
                             Was für Nachricht?

ZWEITER BOTE
Heil! Heil! Die Frauen haben obgesiegt,
Es ziehn die Volsker ab und Marcius geht.
Ein frohrer Tag hat niemals Rom begrüßt,
Nicht seit Tarquins Vertreibung.

SICINIUS
                                  Freund, sag an,
Ists denn auch wirklich wahr? Weißt du's gewiß?

ZWEITER BOTE
Ja, so gewiß die Sonne Feuer ist.
Wo stecktet Ihr, daß Ihr noch zweifeln könnt?
Geschwollne Flut stürzt so nicht durch den Bogen,
Wie die Beglückten durch die Tore. Horcht!
Man hört Trompeten, Oboen, Trommeln und Freudengeschrei.
Posaunen, Flöten, Trommeln und Drommeten,
Zimbeln und Pauken und der Römer Jauchzen,
Es macht die Sonne tanzen.
Freudengeschrei.

MENENIUS
                            Gute Zeitung!
Ich geh den Fraun entgegen. Die Volumnia
Ist von Patriziern, Konsuln, Senatoren
Wert eine Stadt voll, solcher Volkstribunen
Ein Meer und Land voll. Ihr habt gut gebetet,
Für hunderttausend eurer Kehlen gab ich
Heut früh nicht einen Pfennig. Hört die Freude!
Musik und Freudengeschrei.

SICINIUS
Erst für die Botschaft segnen euch die Götter,
Und dann nehmt meinen Dank.

ZWEITER BOTE
                             Wir haben alle
Viel Grund zu vielem Dank.

SICINIUS
                            Sind sie schon nah?

BOTE
Fast schon am Tor.

SICINIUS
                    Laßt uns entgegengehn
Und ihren Jubel mehren.
Alle ab.




FÜNFTE SZENE

Rom. Eine Straße in der Nähe des Stadttores


[Die Frauen] Volumnia, Virgilia, Valeria und Gefolge treten auf, von Senatoren, Patriziern und Volk begleitet. [Sie gehn über die Bühne.]

ERSTER SENATOR
Seht unsre Schutzgöttin, das Leben Roms!
Ruft alles Volk zusammen, preist die Götter,
Macht Freudenfeuer, streut den Weg mit Blumen
Und übertönt den Schrei, der Marcius bannte,
Ruft ihn zurück im Willkomm seiner Mutter.
Willkommen! Ruft den Fraun Willkommen zu.

ALLE
Willkommen! Edle Frauen, seid willkommen!
[Trommeln und Trompeten.] Alle ab.




[FÜNFTE] SECHSTE SZENE

Antium. Ein öffentlicher Platz


Aufidius tritt auf mit Begleitern.

AUFIDIUS
Geht, sagt den Senatoren, ich sei hier,
Gebt ihnen dies Papier, und wenn sie's lasen,
Heißt sie zum Marktplatz kommen, wo ich selbst
Vor ihrem und des ganzen Volkes Ohr
Bekräftige, was hier steht. Der Angeklagte
Zog eben in die Stadt und ist gewillt,
Sich vor das Volk zu stellen, in der Hoffnung,
Durch Worte sich zu reinigen. Geht!
Die Begleiter gehn ab. Drei oder vier Verschworne von der Partei des Aufidius treten auf.
                                     Willkommen!

ERSTER VERSCHWORNER
Wie stehts mit unserm Feldherrn?

AUFIDIUS
                                  Grade so
Wie dem, der durch sein Wohltun wird vergiftet,
Den sein Erbarmen mordet.

ZWEITER VERSCHWORNER
                           Edler Herr,
Wenn bei derselben Absicht Ihr verharrt,
Zu der Ihr unsern Beitritt wünscht, erretten
Wir Euch von der Gefahr.

AUFIDIUS
                          Ich weiß noch nicht.
Wir müssen handeln nach des Volkes Stimmung.

DRITTER VERSCHWORNER
Das Volk bleibt ungewiß, solang es noch
Kann wählen zwischen Euch. Der Fall des einen
Macht, daß der andre alles erbt.

AUFIDIUS
                                   Ich weiß es.
Auch wird der Vorwand, ihm eins beizubringen,
Beschönigt. Ich erhob ihn, gab mein Wort
Für seine Treu. Er, so emporgestiegen,
Begoß mit Schmeicheltau die neuen Pflanzen,
Die Freunde mir verführend; zu dem Zweck
Bog er sein Wesen, das man vorher nur
Als rauh, unlenksam und freimütig kannte.

DRITTER VERSCHWORNER
Jawohl, sein Starrsinn, als er einst die Würde
Des Konsuls suchte, die er nur verlor,
Weil er nicht nachgab -

AUFIDIUS
                         Davon wollt ich reden.
Deshalb verbannt, kam er an meinen Herd,
Bot seinen Hals dem Dolch. Ich nahm ihn auf,
Macht ihn zu meinesgleichen, gab ihm Raum
Nach seinem eignen Wunsch, ja, ließ ihn wählen
Aus meinem Heer, zu seines Plans Gelingen,
Die besten, kühnsten Leute. Selbst auch dient ich
Für seinen Plan, half ernten Ruhm und Ehre,
Die er ganz nahm als eigen. Selbst mir Unrecht
Zu tun, war ich fast stolz. Bis ich am Ende
Sein Söldner schien, nicht Mitregent, den er
Mit Gunst bezahlt und Beifall; als wär ich
Für Lohn in seinem Dienste.

ERSTER VERSCHWORNER
                             Ja, das tat er,
Das Heer erstaunte drob. Und dann zuletzt,
Als Rom sein war, und wir nicht wenger Ruhm
Als Beut erwarten -

AUFIDIUS
                     Dieses ist der Punkt,
Wo meine ganze Kraft ihm widerstrebt.
Für wenge Tropfen Weibertränen, wohlfeil
Wie Lügen, konnt er Schweiß und Blut verkaufen
Der großen Unternehmung. Darum sterb er,
Und ich ersteh in seinem Fall. - Doch horcht!
Trommeln und Trompeten, Freudengeschrei des Volkes.

ERSTER VERSCHWORNER
Ihr kamt zur Vaterstadt gleich einem Boten
Und wurdet nicht begrüßt; bei seiner Rückkehr
Zerreißt ihr Schrein die Luft.

ZWEITER VERSCHWORNER
                                Ihr blöden Toren!
Die Kinder schlug er euch; ihr sprengt die Kehlen,
Ihm Glück zu wünschen!

DRITTER VERSCHWORNER
                             Drum zu Euerm Vorteil,
Eh er noch sprechen kann, das Volk zu stimmen
Durch seine Rede, fühl er Euer Schwert.
Wir unterstützen Euch, daß, wenn er liegt,
Auf Eure Art sein Wort gedeutet wird,
Mit ihm sein Recht begraben.

AUFIDIUS
                              Sprich nicht mehr,
Da der Senat.
Die Senatoren treten auf.

DIE SENATOREN
Ihr seid daheim willkommen!

AUFIDIUS
Das hab ich nicht verdient; doch, würdge Herrn,
Last Ihr bedächtig durch, was ich Euch schrieb?

DIE SENATOREN
Wir tatens.

ERSTER SENATOR
             Und mit Kummer, dies zu hören.
Was früher er gefehlt, das, glaub ich, war
Nur leichter Strafe wert; doch da zu enden,
Wo er beginnen sollte, wegzuschenken
Den Vorteil unsers Kriegs, uns zu bezahlen
Mit unsern Kosten und Vergleich zu schließen
Statt der Erobrung, das ist unverzeihlich.

AUFIDIUS
Er naht, ihr sollt ihn hören.
Coriolanus tritt ein mit Trommeln und Fahnen, Bürger mit ihm.

CORIOLANUS
Heil, edle Herrn! Heim kehr ich, euer Krieger,
Unangesteckt von Vaterlandsgefühlen,
So wie ich auszog. Euerm hohen Willen
Bleib ich stets untertan. Nun sollt ihr wissen,
Daß uns der herrlichste Erfolg gekrönt:
Auf blutgem Pfade führt ich euern Krieg
Bis vor die Tore Roms. Wir bringen Beute,
Die mehr als um ein Dritteil überwiegt
Die Kosten dieses Kriegs. Wir machten Frieden,
Mit minderm Ruhm nicht für die Antiaten
Als Schmach für Rom, und überliefern hier,
Von Konsuln und Patriziern unterschrieben
Und mit dem Siegel des Senats versehn,
Euch den Vergleich.

AUFIDIUS
                     Lest ihn nicht, edle Herrn!
Sagt dem Verräter, daß er Eure Macht
Im höchsten Grad mißbraucht hat!

CORIOLANUS
                                  Was? Verräter?

AUFIDIUS
Ja, du Verräter, Marcius!

CORIOLANUS
                           Marcius?

AUFIDIUS
Ja, Marcius, Cajus Marcius! Denkst du etwa,
Daß ich mit deinem Raub dich schmücke, deinem
Gestohlnen Namen Coriolan?
Ihr Herrn und Häupter dieses Staats, meineidig
Verriet er Eure Sach und schenkte weg
Für ein paar salzge Tropfen Euer Rom,
Ja, Eure Stadt, an seine Frau und Mutter,
Den heilgen Eid zerreißend, wie den Faden
Verfaulter Seide, niemals Kriegesrat
Berufend. Nein, bei seiner Amme Tränen
Weint' er und heulte Euern Sieg hinweg,
Daß Pagen sein sich schämten und Soldaten
Sich staunend angesehn.

CORIOLANUS
                         Hörst du das, Mars?

AUFIDIUS
O nenn den Gott nicht, tränenselger Knabe!

CORIOLANUS
Ha!

AUFIDIUS
     Nichts mehr!

CORIOLANUS
Du grenzenloser Lügner! Zu groß machst du
Mein Herz für seinen Inhalt. Knab? O Sklave!
Verzeiht mir, Herrn, das ist das erste Mal,
Daß man mich zwingt, zu schimpfen. Ihr Verehrten,
Straft Lügen diesen Hund; sein eignes Wissen
- Denn meine Striemen sind ihm eingedrückt,
Und diese Zeichen nimmt er mit ins Grab -
Schleudr ihm zugleich die Lüg in seinen Hals!

ERSTER SENATOR
Still, beid, und hört mich an!

CORIOLANUS
Reißt mich in Stück, ihr Volsker! Männer, Kinder,
Taucht euern Stahl in mich. - Knab? - Falscher Hund!
Wenn eure Chronik Wahrheit spricht - da stehts,
Daß wie im Taubenhaus der Adler ich
Gescheucht die Volsker in Corioli.
Allein tat ich es! Knabe!

AUFIDIUS
                           Edle Herrn,
So laßt Ihr an sein blindes Glück Euch mahnen,
Und Eure Schmach? Durch diesen frechen Prahler
Vor Euren eignen Augen?

DIE VERSCHWORNEN
                         Dafür sterb er!

DIE BÜRGER
[durcheinander.]
Reißt ihn in Stücke, tut es gleich! - Er tötete meinen Sohn! - meine Tochter! - Er tötete meinen Vetter Marcus! - Er tötete meinen Vater!

ZWEITER SENATOR
Still! Keine blinde Wut! Seid ruhig, still!
Der Mann ist edel, und sein Ruhm umschließt
Den weiten Erdkreis. Sein Vergehn an uns
Sei vor Gericht gezogen. Halt, Aufidius,
Und stör den Frieden nicht!

CORIOLANUS
                             O hätt ich ihn!
Und sechs Aufidius, mehr noch, seinen Stamm,
Mein treues Schwert zu prüfen!

AUFIDIUS
                                Frecher Bube!

DIE VERSCHWORNEN
Durchbohrt! Durchbohrt! Durchbohrt ihn!
Aufidius und die Verschwornen ziehen und erstechen Coriolanus, der zu Boden fällt. Aufidius stellt sich auf ihn.

DIE SENATOREN
                                         Halt, halt ein!

AUFIDIUS
Ihr edlen Herrn, o hört mich an!

ERSTER SENATOR
                                   O Tullus!

ZWEITER SENATOR
Du hast getan, was Tugend muß beweinen.

DRITTER SENATOR
Tritt nicht auf ihn! Seid ruhig, all ihr Männer,
Steckt eure Schwerter ein!

AUFIDIUS
Ihr Herrn, erkennt Ihr, wie in dieser Wut,
Von ihm erregt, nicht möglich, die Gefahren,
Die Euch sein Leben droht', erfreut Ihr Euch,
Daß er so weggeräumt. Beruft mich, Edle,
Gleich in den Rat, so zeig ich, daß ich bin
Eur treuster Diener, oder ich erdulde
Die schwerste Strafe.

ERSTER SENATOR
                       Tragt die Leiche fort,
Und trauert über ihn! Er sei geehrt,
Wie je ein edler Leichnam, dem der Herold
Zum Grab gefolgt.

ZWEITER SENATOR
                   Sein eignes Ungestüm
Nimmt von Aufidius einen Teil der Schuld.
So kehrts zum besten!

AUFIDIUS
                       Meine Wut ist hin,
Mein Herz durchbohrt der Gram. So nehmt ihn auf,
Helft, drei der ersten Krieger, ich der vierte.
Die Trommel rührt, und laßt sie traurig tönen,
Schleppt nach die Speer. Obwohl er manche hier
Hat gatten- oder kinderlos gemacht
Und nie zu sühnend Leid auf uns gebracht,
So sei doch seiner ehrenvoll gedacht.
Helft mir!
Sie tragen die Leiche Coriolans fort. Trauermarsch.


 

 

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