Re: DRINGENDE INTERPRTATION VON DER BALKONSZENE (2.Akt, 2. Szene-Romeo und Julia)


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Geschrieben von Nele am 14. Mai 2002 10:53:37:

Als Antwort auf: Re: DRINGENDE INTERPRTATION VON DER BALKONSZENE (2.Akt, 2. Szene-Romeo und Julia) geschrieben von Jürgen am 14. Mai 2002 00:01:13:

[...]
>Ja, lieber Lothar, wahrhaftig! So ist es! Aber gib bitte nicht den Lehrern
>die Schuld! Diese unsägliche Baggage, die den armen Lehrern da in K12 und
>K13 seit 20 Jahren aufgenötigt ist, ist höchstens zu einer einzigen
>Kapriole in der Lage: der mittenheraus aus der Disco mittenhinein in den
>"Scheiß". Alle andere Versatilität ist ihnen grundsätzlich verschlossen.
>"Königs Erläuterungen"! Ha! Dies wäre ja schon eine intellektuelle
>Offenbarung, käme nur eins von diesen Schluffis dahinter, dass es sowas
>wie "Erläuterungen" überhaupt gibt! Denn dass die zu selbständigem Zugang
>befähigen könnten, ist ja beileibe nicht erwünscht.

Mhm, ich möchte jetzt eigentlich ungerne in das allegmeine Gejammere über den Niedergang des westlichen Abendlandes einstimmen, von wegen Pisa-Studie und so. Aber ist den Schülern (und mittlerweile schon seit einigen Jahren(!) den Studenten) denn tatsächlich ein Vorwurf zu machen? Vom ökonomischen Standpunkt her handeln sie strategisch vollkommen richtig: das Abitur ist der Einstieg in die Karriere, ergo benötige ich ein möglichst gutes Abitur. Ein gutes Abitur mißt sich an der Zahl, die auf dem Zeugnis steht. Literatur, Kunst etc. nutzen vom utilitaristischen Standpunkt her nicht viel, sind bildungsbürgerliche Relikte, die mit der Lebenswelt des Schülers nichts zu tun haben. Dennoch sind sie von Bedeutung für das Abitur, weil sie in die Wertung eingehen. Vom ökonomischen Standpunkt her muß also ein Weg gefunden werden, in diesen Fächern ein Maximum von Ergebnis mit einem Minimum von Aufwand zu erzielen und so ein Optimum von Zeit für andere Tätigkeiten von größerem Interesse oder größerem Nutzen zu erreichen. Naheliegende Taktik ist, das Internet als Informationsquelle zu nutzen, möglichst viele Versuchsballons zu starten und das eventuell auftretende Material dem Zweck entsprechend zu nutzen. Warum sollten sie denn die Erläuterungen tatsächlich lesen, wenn sie doch verwertbare Häppchen von www.hausaufgaben.de etc. fertig verarbeitet bekommen? Du verfällst dem Mißverständnis, daß geistige Flexibilität und kulturelles Interesses in einem ökonomischen Kontext intrinsisch von irgendeinem Wert sind.

Warum das nicht der Untergang des westlichen Abendlandes ist? Einfach aus dem Grund, daß der ökonomische und sonstige Utilitarismus das westliche Abendland konstituiert. Wer will den Kids vorwerfen, daß sie Strategien verfolgen, die ihnen tagtäglich von Erwachsenen vorgeführt werden, und die ihnen im späteren Leben immerhin die beruflichen Vorteile verschaffen? (Das diese Strategie kurzsichtig ist, steht außer Frage - aber das ist unser Wirtschaftssystem schließlich auch. Gewinnoptimierung dient immer dem unmittelbaren Eigennutz.) Und warum sollte ihnen nicht der Widerspruch auffallen, daß zwar der Wert der bildungsbürgerlichen Kultur allseits mit Lippenbekenntnissen betont wird, gleichzeitig jedoch die gesellschaftliche Förderung des kulturellen Lebens auf ein Minimum zurückgeschraubt wird. Eigentlich sind sie doch nur ehrlich, wenn sie das "Scheiße" nennen, was faktisch die Gesellschaft und damit alle "Scheiße" finden...

>Nein nein, so einfach beseitigen wir die Ergebnisse der PISA-Studie nicht!
>Wir werden noch ca. 10 Jahre die Studienanfänger, die sich - kurz vor,
>kurz nach ihrem Studienbeginn - z.B. in diesem Forum melden, abzuohrfeigen
>haben. Da hilft kein Tierschutzgesetz und auch keine political
>correctness. Irgendwann stirbt die Spezies vielleicht aus. Dann können wir
>vielleicht neu anfangen.

Wird sie nicht. Diese "Spezies" ist einem ideal- und wertfreien Kapitalismus optimal angepaßt. Abgesehen davon ist es natürlich absurd, von einem Schul- oder Generationsproblem auszugehen. Das ist ein gesellschaftliches Problem - immerhin lesen die Eltern genauso wenig, wie ihrer Schüler.

Nele




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